Gustav Weil
Tausend und eine Nacht, Vierter Band
Gustav Weil

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Streiche des Ägypters Ali.

Salih, der Polizeipräfekt von Kahirah, der vierzig Agenten zu seiner Verfügung hatte, gab sich alle mögliche Mühe, um seiner habhaft zu werden, aber vergebens; er erhielt deshalb auch den Beinamen Quecksilber, weil er, sooft man ihn zu haschen glaubte, wieder entrann. Eines Tages, als er sehr verstimmt war, ging er, um sich zu erheitern, in ein Weinhaus, ließ sich ein besonderes Zimmer geben und trank so viel Wein, bis er ihm in den Kopf stieg. Dann ging er wieder auf die Straße, da kam ein Mann vorüber, welcher Zibebenwasser ausrief. »Komm her«, rief ihm Ali zu, »und gib mir zu trinken.« Der Wasserträger füllte einen Becher voll und reichte ihn Ali; aber er goß ihn auf die Erde und forderte einen anderen Becher voll. Der Wasserträger füllte ihn wieder; aber Ali goß ihn wieder aus, ließ sich einen dritten Becher von reichen und schüttete auch diesen auf die Erde. Da sagte der Wasserträger: »Wenn du nicht trinken willst, so gehe deines Weges.« Ali ließ sich noch einmal den Becher füllen, nippte ein wenig daran und gab ihn dem Wasserträger mit einem goldenen Dinar zurück. Der Wasserträger sah ihn spottend und mit unzufriedener Miene an. Da griff Ali nach seinem Dolch und sagte ihm: »Wehe dir, was spottest du meiner? Du hast mir drei Becher voll Wasser gereicht, die höchstens drei Drachmen wert sind, und ich habe dir dafür einen Dinar geschenkt; was willst du mehr? Ist dir je ein freigebigerer Mensch begegnet, als ich bin?« – »Allerdings«, antwortete der Wasserträger; »ich kenne einen Mann, dessen Freigebigkeit nie übertroffen wird, solange Frauen Kinder gebären. Wisse nämlich, mein Vater war der Oberste der Wasserträger in Kahirah und hinterließ mir bei seinem Tod fünf Kamele, ein Maultier, einen Laden und ein Haus. Aber der Arme wird selten reich, und wenn er reich ist, so stirbt er. Bald nach seinem Tod entlehnte ich fünfhundert Dinare; ich wollte nämlich nach Mekka pilgern und von dort einige in Ägypten gangbare Waren mitbringen. Ich verlor aber auf dem Weg mein Geld und wagte es wegen meiner Schulden nicht, nach Ägypten zurückzukehren. Ich schloß mich daher der syrischen Karawane an bis Haleb (Aleppo), und von hier ging ich nach Bagdad, fragte nach dem Obersten der Wasserträger und erzählte ihm, was mir widerfahren. Der Oberste gab mir einen Schlauch und die übrigen Gerätschaften zum Wassertragen; aber ich ging vom Morgen bis Mittag in der Stadt umher und konnte für keinen Drachmen Wasser verkaufen. Der eine sagte: Ich trinke nicht, bis ich gegessen habe; der andere sagte. Gott helfe dir, und der dritte wieder etwas anderes. Gegen Mittag sah ich einen großen Zug von bewaffneten Leuten durch die Stadt reiten, dem viele Leute nachliefen; ich war auch begierig, ihn zu sehen, und als ich fragte, was er bedeute, sagte man mir: Der neue Polizeipräfekt Ahmed Denf reitet heute zum erstenmal mit seinen Leuten aus. Als der Zug an mir vorüber kam, hielt Ahmed Denf sein Pferd an und rief mir zu: Komm her, Wasserträger, ich habe Durst, gib mir zu trinken! Ich reichte ihm einen Becher voll Wasser hin; aber er goß ihn aus und forderte einen zweiten. Aber auch den zweiten stürzte er um auf den Boden, gerade wie du. Als ich ihm dann auf sein Begehren den dritten reichte, schlürfte er einige Tropfen hinunter und fragte mich, wo ich her sei. Ich antwortete: Aus Kahirah. Da rief er: Gott segne die Bewohner Ägyptens! Wie kamst du aber hierher? Da erzählte ich ihm die Ursache meiner Entfernung aus der Heimat und gab ihm zu verstehen, daß meine Lage nicht die allerbeste wäre. Er griff in seine Tasche, holte fünf Dinare heraus und schenkte sie mir. Dann sagte er zu seinen Leuten: Schenket zu Ehren Gottes diesem Mann etwas.

»Da schenkte mir ein jeder einen Dinar. Beim Wegreiten sagte mir Ahmed noch: Gib mir nur zu trinken, sooft du mir begegnest; du sollst jedesmal so viel von mir erhalten. In kurzer Zeit erhielt ich nun tausend Dinare teils von ihm selbst, teils von seinen Leuten und anderen, die mich als seinen Günstling beschenkten. Als ich diese Summe beisammen hatte, ging ich zu ihm, küßte ihm die Hand und sagte ihm: Es reist in diesen Tagen eine Karawane nach Kahirah, erlaube mir, mich ihr anzuschließen, um meine Familie wiederzusehen. Da schenkte er mir hundert Dinare und ein Maultier und sagte: Ich gebe dir auch einen Brief an Ali Quecksilber nach Kahirah mit und bitte dich, wenn du den Brief abgibst, ihn von seinem ehemaligen Meister zu grüßen. Sobald er den Brief geschrieben hatte, nahm ich Abschied von ihm und reiste hierher, bezahlte meine Schulden und wurde wieder Wasserträger; den Brief an Ali trage ich aber noch immer bei mir, denn ich weiß nicht, wo er wohnt, und niemand kann mir es sagen.« – »Freue dich, Wasserträger!« rief Ali; »ich bin Ali Quecksilber, gib mir den Brief!« Der Wasserträger zog den Brief aus seiner Tasche und überreichte ihn Ali. Als er ihn öffnete, fand er zuerst folgenden Vers darin:

»Ich schreibe dir, Zierde der Edlen, auf einem Blatt, das mit dem Wind zu dir gelangt; hätte ich Flügel, ich würde ihm selbst noch zuvorkommen, wie kann man aber mit abgestutzten Flügeln fliegen?«

Dann stand im Brief: »Den schönsten Gruß vom Polizeipräfekten Ahmed Denf an den Besten seiner Zöglinge, den Kahirahner Ali Quecksilber! Wisse, daß ich durch meine Gaunerstreiche in Kahirah sowohl als später hier so berühmt geworden bin, daß der Fürst der Gläubigen mich zum Polizeipräfekten von Bagdad ernannt hat. Ist die Freundschaft, welche uns verband, noch dieselbe in deinem Herzen, so komm hierher; es wird dir bald gelingen, dich hervorzutun und ein ansehnliches Amt an der Polizei zu erhalten. Das ist der Zweck dieses Schreibens. Friede sei mit dir!« Als Ali diesen Brief gelesen hatte, küßte er ihn, legte ihn unter seinen Turban und schenkte dem Wasserträger noch zehn Dinare. Dann ging er zu seinen Freunden, nahm Abschied von ihnen und versprach ihnen, daß er auch in der Ferne sich ihrer annehmen wollte; steckte eine kleine Büchse zu sich, welche ein sehr langes auseinandergelegtes Schwert enthielt, und suchte eine Karawane auf, welche nach Syrien reiste. Da hörte er, daß eine große Karawane, bei der sich auch der Oberste der Kaufleute Kahirahs befände, schon außerhalb der Stadt lagere und zum Aufbruch bereit sei. Er verließ schnell die Stadt und fand schon alles zum Abmarsch bereit, nur der Oberste der Kaufleute hatte seine Waren noch nicht aufgepackt, und vergebens bat er die Kameltreiber, ihm zu helfen. Als Ali dies sah, näherte er sich ihm, grüßte ihn und fragte ihn, wie es käme, daß er keinen Gehilfen und keinen Diener mitgenommen habe, zu so vielen Mauleseln mit Waren beladen. »Ich hatte zwei Jungen bei mir«, antwortete der Oberste, »die ich kleidete und denen ich noch Geld in die Tasche gab; aber sobald wir vor der Stadt waren, entflohen sie, und nun befinde ich mich allein.« Als Ali dies hörte, sagte er: »Ich will dein Gehilfe sein«, und fing sogleich an, die Maulesel mit den auf der Erde herumliegenden Waren zu beladen. Der Kaufmann gewann ihn deshalb sehr lieb und teilte mit ihm allen Mundvorrat, den er bei sich hatte. Die Karawane setzte glücklich ihren Weg fort, bis sie an den Löwenwald kam. Dort hauste ein Löwe, der jede Karawane anfiel und sehr oft einen Menschen fraß. Es wurde gewöhnlich unter den Kaufleuten gelost, wer vorangehen und sich dem Löwen hingeben müsse, um die übrigen zu retten.

Das Los fiel dieses Mal auf den Obersten der Kaufleute, der so ängstlich und bestürzt darüber war, daß er schon sein Testament machte. »Warum seid ihr so verzweifelt?« fragte Ali; und als man ihn von dem Vorfall unterrichtete, sagte er: »Flieht ihr vor einer Landkatze? Ich will den Löwen töten.« Als der Karawanenführer dies dem Kaufmann meldete, erbot er sich, Ali tausend Dinare zu geben und auch die übrigen Kaufleute verhießen ihm Geschenke. Ali zog sein Oberkleid aus und stand in stählener Rüstung da, dann öffnete er seine Büchse, zog seine Klinge heraus, setzte sie zusammen und versetzte dem Löwen, der bald darauf aus dem Wald gesprungen kam, einen Hieb zwischen die Augen, der ihm den ganzen Kopf entzwei spaltete. Als der Oberste der Kaufleute dies sah, umarmte und küßte er Ali und gab ihm die tausend Dinare. Auch die übrigen Kaufleute schenkten ihm ein jeder zwanzig Dinare. Am folgenden Tag kamen sie ins Hundstal, wo ein Beduine mit seiner Räuberbande sich aufhielt, der schon manche Karawane ausgeplündert hatte. Auch dieses Mal zeigte er sich wieder, im Begriff, die Karawane zu überfallen; manche Kaufleute entflohen; der Oberste schrie: »Wehe mir, mein ganzes Vermögen ist dahin!« Da trat Ali hervor und forderte den Beduinen, welcher die Räuberbande anführte, zu einem Zweikampf heraus. Als der Beduine aber zu ihm heransprengte, zog er schnell einen Panzer an, daran viele Schellen hingen, so daß das Pferd des Beduinen scheu wurde und umkehrte. Diesen Augenblick benutzte Ali und stieß dem Beduinen eine Lanze in den Nacken, die ihn tödlich verwundete. Sobald der Anführer tot war, entflohen alle seine Leute. Ali steckte dann den Schädel des Beduinen auf seine Lanze und die Karawane setzte ungehindert ihren Weg bis Bagdad fort. Hier nahm Ali Abschied von dem Obersten der Kaufleute und bat ihn, das Geld, das ihm auf der Reise geschenkt worden, seinen Kameraden in Kahirah zu geben. Ali erkundigte sich jetzt nach der Wohnung Ahmed Denfs, aber niemand wollte ihn hinführen. Da sah er Kinder auf der Straße vor einem Zuckerbäckerladen spielen und dachte: Eines von diesen wird mir wohl für ein Stück Kuchen Ahmeds Wohnung zeigen. Er ging in den Laden und kaufte einige Süßigkeiten, zeigte sie den Kindern und fragte sie, wer ihm Ahmed Denfs Haus zeigen wolle. Einer der Knaben, welcher Ahmed Lakit hieß und Seinabs Neffe war, trieb seine Spielkameraden zurück und sagte zu Ali: »Folge mir nur, bis ich ein Steinchen an eine Tür werfe, da ist Ahmeds Haus.« Ali ging hinter ihm her und klopfte an die Tür, gegen welche der Knabe ein Steinchen warf. Sobald Ahmed Denf es hörte, rief er seinem Diener zu: »Öffne schnell! Ali Quecksilber steht vor der Tür, ich kenne sein Klopfen!« Ahmed nahm Ali sehr freundschaftlich auf, schenkte ihm ein Kleid, wie es seine vierzig Agenten trugen und erbot sich, ihn dem Kalifen vorzustellen, damit er ihm ein Gehalt aussetze. »Damit hat es noch Zeit«, erwiderte Ali; »ich will einmal zuerst mich in Bagdad umsehen und auf irgend eine Weise hervortun.« – »Sei aber nur behutsam«, versetzte Ahmed; »Bagdad ist kein Kahirah; Bagdad ist die Residenz des Kalifen, der Sammelplatz aller Gauner und Spione, die hier gleichsam wie Gras aus der Erde hervorwachsen; ich rate dir sogar, an den ersten Tagen gar nicht auszugehen.« Ali blieb nun drei Tage bei Ahmed, am vierten Tag hatte er Lust, auszugehen, denn er war nicht gewöhnt daran, so lange zu Hause zu bleiben, und fühlte sich daher sehr beklommen. Als er auf der Straße war, sah er vierzig bewaffnete Sklaven vorübergehen, und hinter ihnen ritt die Gaunerin Dalilah auf einem Maulesel mit vergoldetem Helm und stählernem Panzer; sie kam eben vom Divan des Kalifen und begab sich in ihren Chan. Als sie Quecksilber sah, fiel er ihr auf, denn er hatte viel Ähnlichkeit mit Ahmed Denf, und die Gewandtheit und Tapferkeit leuchteten aus seinem Gesicht hervor.

Sobald Dalilah in den Chan kam, holte sie ihr Sandbrett hervor, schrieb allerlei Namen hinein, bis sie endlich durch verschiedene Zauberkünste den Namen Ali Quecksilber herausbrachte, der ihr aus Ahmeds Erzählungen schon bekannt war; zugleich sah sie aber auch im Sand, daß sein Glücksstern heller leuchtete, als der ihrige und der Seinabs. »Was hast du gesehen?« fragte Seinab ihre Mutter. »Ich habe heute einen jungen Mann auf der Straße gesehen«, antwortete Dalilah, »der mir wegen seiner Ähnlichkeit mit Ahmed Denf so sehr auffiel, daß ich begierig war, zu wissen, wer er ist. Nun habe ich herausgebracht, daß er Ali Quecksilber aus Kahirah ist, ein Zögling Ahmed Denfs, der gewiß seinen Meister rächen und uns einen schlimmen Streich spielen wird.« – »Dem sind wir schon gewachsen«, sagte Seinab. Sie zog sogleich das schönste Kleid an, das sie hatte, ging aus und durchstreifte die Straßen Bagdads, bis sie Ali Quecksilber fand, den sie nach der Schilderung ihrer Mutter sogleich erkannte. Als sie neben ihm stand, stieß sie ihn ein wenig mit dem Arm und sagte. »Gott segne die gescheiten Leute!« – »Gott erhalte deine schöne Gestalt!« sagte Ali; »wer bist du?« – »Ich bin die Tochter eines Kaufmanns«, antwortete Seinab, »und auch mein Gatte ist Kaufmann. Als ich mich zu Tisch setzen wollte, war mir es unmöglich, einen Bissen zu essen. Ich ging daher aus, – es ist das erste Mal in meinem Leben, daß ich allein ausgehe; nun gefällst du mir so gut, daß ich gern dich bei Tisch an meiner Seite haben möchte; willst du mir folgen?«

AU sagte: »Wer ruft, dem wird geantwortet;« und ging einige Straßen weit hinter ihr her, Dann dachte er doch an die Warnung Ahmeds und an die Gefahr, in einer fremden Stadt sich mit einer verheirateten Frau in ein Verhältnis einzulassen. Er griff daher in seine Tasche, holte einen Dinar heraus, reichte ihn Seinab hin und sagte: »Nimm dies; ich kann dir jetzt nicht weiter folgen.« Aber Seinab stieß seine Hand zurück und beschwor ihn, sie nach Hause zu begleiten und sich von ihr bewirten zu lassen. Ali konnte nicht widerstehen und blieb bei ihr, als sie vor einem großen Haus mit verschlossenem Tor stillhielt. »Da«, sagte Seinab; »öffne das Tor!« – »Wo ist der Schlüssel?« fragte Ali. »Den habe ich verloren«, antwortete Seinab; »schlage nur die Tür ein!« Ali versetzte: »Das werde ich nimmermehr tun; ich will nicht für einen Dieb gehalten werden.« Er war im Begriff, sie zu verlassen, weil sie ihm verdächtig vorkam; aber sie hob ihren Schleier auf und zeigte ihm ein so schönes Gesicht, daß es ihm nicht mehr möglich war, sich von ihr zu trennen. Da er indessen die Tür nicht mit Gewalt erbrechen wollte, öffnete sie das Schloß ohne Schlüssel durch die Kraft einiger heiliger Namen von der Mutter Moses, und ging mit Ali in den Hof, in welchem viele Waffen umherlagen. Seinab nahm dann ihren Schleier ab und setzte sich neben Ali. Als er sie aber küssen wollte, bedeckte sie ihr Gesicht mit der Hand und bat ihn, sich bis zum Abend zu gedulden. Sie holte dann Speisen und Wein herbei, und als sie gegessen und getrunken hatten, füllte sie eine Kanne mit Wasser aus dem Brunnen, der im Hof war, und wusch ihre Hände; darauf schlug sie sich auf die Brust und schrie: »Wehe mir, ich bin verloren!« Ali sprang zu ihr hin und fragte sie, was ihr zugestoßen. »Ich habe einen Diamantenring in den Brunnen fallen lassen«, antwortete sie, »der bei meinem Gatten für fünfhundert Dinare verpfändet ist und den ich angezogen habe. Nun wende dein Gesicht nach der Tür zu, daß ich mich entkleide und in den Brunnen hinabsteige, um ihn zu suchen.« – »Das lasse ich nicht zu«, rief Ali; »bleibe da, ich steige hinunter!« Er warf sogleich seine Kleider von sich, band sich an den Eimer fest und Seinab ließ ihn langsam hinunter in den Brunnen, der sehr tief war. Als er drunten war, nahm sie seine Kleider, ging damit zu ihrer Mutter und erzählte ihr alles.

Ali mußte im Brunnen bleiben, bis der Emir Hasan, Eigentümer des Hauses, welcher den ganzen Vormittag im Divan des Kalifen zuzubringen pflegte, nach Hause kam. Er wollte vor dem Mittagsgebet sich waschen und befahl seinem Diener, die Waschkanne am Brunnen zu füllen. Dieser fand aber den Eimer so schwer, daß er ihn nicht heraufziehen konnte; er sah dann hinunter und erschrak so sehr, als er eine menschliche Gestalt darin erblickte, daß er Ali für einen Afrit (Gespenst) hielt, um so mehr, da er gewiß wußte, daß er beim Weggehen das Haustor geschlossen hatte und es nun offen stand, ohne daß etwas am Schloß verletzt war. Er lief daher erschrocken zu seinem Herrn und sagte ihm: »Mein Herr, ich habe einen Afrit im Brunnen gesehen!« – »So rufe vier Geistliche«, sagte Hasan, »daß sie den Koran vor ihm lesen, bis er sich entfernt.« Die Geistlichen lasen lange aus dem Koran vor dem Brunnen, es wollte aber kein Afrit heraussteigen. Endlich rief Hasan seinen Stallknecht und mehrere andere Diener herbei, um den Eimer heraufzuziehen, und ihr Erstaunen war nicht gering, als Ali halb nackt aus dem Eimer heraussprang. Die Geistlichen riefen, Gott lobend: »Hier ist der Afrit!« Hasan, der aber hinzutrat, sagte: »Hier ist ein Mensch wie ich und kein Afrit. Wie kamst du in diesen Brunnen?« fragte er dann Ali. »Bist du ein Dieb?« – »Nein«, antwortete Ali; »ich wollte im Tigris baden, da sank ich unter und die Strömung des Wassers trieb mich durch einen Kanal bis hierher.« – »Das kann nicht sein«, sagte Hasan; »gestehe die Wahrheit.« Da erzählte ihm denn Ali, auf welche Weise er in den Brunnen gekommen, und bat ihn um einige Kleider, damit er nicht nackt nach Hause gehen müsse. Als er dann in alten Kleidern vor Ahmed Denf erschien, sagte ihm dieser: »Habe ich dich nicht vor den Streichen der hiesigen Gauner gewarnt? Hier gibt es Frauen, welche die klügsten Männer zum besten haben.« Als All dann erzählte, auf welche Weise er seine Kleider verloren, sagte Ahmed. »Diesen Streich hat dir keine andere, als Seinab, die Tochter der Gaunerin Dalilah, Oberaufseherin des großen Chans, gespielt; doch hast du dich nicht zu schämen, denn es ging deinem Meister mit seinen Einundvierzig auch schon einmal so mit ihr.« – »Nun«, sagte Ali, »liebe ich sie noch mehr als zuvor, und werde nicht eher ruhen, bis sie meine Frau wird.« – »Das wird nicht so leicht sein«, versetzte Ahmed; »reiße dich los von ihr, solange du es noch kannst.«

Da sagte Hasan Schuman zu All: »Willst du zum Ziel gelangen, so folge meinem Rat. Du hast bis auf die Farbe die auffallendste Ähnlichkeit mit dem Koch aus dem Chan, den Dalilah mit ihrer Tochter bewohnt; nimm daher eine pechartige, schwarze Farbe und färbe dich damit; dann gehe auf den Markt, wo gewöhnlich Dalilahs Koch sein Fleisch und sein Gemüse einkauft; grüße ihn als deinen Landsmann und lade ihn zu einem Frühstück ein. Wenn er dir entgegnet, er habe soviel zu tun für die vierzig Sklaven und ebenso viele Hunde, für Dalilahs und Seinabs Tisch, so beschwöre ihn, wenigstens ein Glas Buza (eine Art Bier) und ein Stück Braten anzunehmen, das kein Schwarzer verschmäht. Du führst ihn dann in ein dazu gemietetes Zimmer, und hat er einmal ein Glas Buza getrunken, so wird es dir leicht sein, ihn zu einem zweiten und dritten zu bereden, Inzwischen wird er immer offener und gesprächiger, und du mußt ihn über alles ausfragen, was er täglich zu besorgen hat, über die Anzahl Schüsseln, die er kochen muß, sowohl für Dalilah und Seinab, als für die Sklaven und Hunde, über den Platz, wo er den Küchen- und Speisenmagazinschlüssel hinzulegen pflegt, kurz über alles, was du wissen mußt, um seine Stelle versehen zu können, ohne daß man den Wechsel bemerke. Hat er alles ausgeplaudert, so schenke ihm noch einmal ein und gieße einen Schlaftrunk in das Buza; sobald es wirkt, entkleidest du ihn, ziehst seine Kleider an, steckst sein Küchenmesser in den Gürtel, nimmst den Korb mit Gemüse und Fleisch auf den Kopf, gehst damit in die Küche des Chans und kochst alles, wie es der eigentliche Koch zu tun pflegt, du legst aber ein einschläferndes Pulver in die Speisen, und wenn Seinab schläft, so nimmst du deine und Ahmeds und seiner Leute Kleider aus ihrem Schlafzimmer, wo sie sie aufbewahrt, und gehst damit fort; und willst du Seinab heiraten, so nimm auch ihre vierzig Posttauben. Ali befolgte diesen Rat; der Koch machte nicht viele Schwierigkeiten, ein Glas Buza anzunehmen, und er wurde darauf so redselig, daß Ali ihm alles auslockte, was er wissen wollte; er hörte nicht nur, wie viele Gerichte er täglich zuzubereiten hatte, sondern auch noch, welche auf heute verlangt waren und welche am vorhergehenden Tag aufgetischt worden. Auch über den Platz, wo die verschiedenen Schlüssel lagen, erhielt er Auskunft, und nun zog er sein einschläferndes Pulver hervor und mischte es in das Buza, das er dem Koch vorstellte. Dieser stürzte um, sobald er davon trank; Ali zog dann dessen Kleider an und ging mit dem Marktkorb in den Chan. Aber Dalilah erkannte Ali sogleich und rief herunter: »Geh heim, Spitzbubenhäuptling, hast du im Sinn, in diesem Chan einen Spitzbubenstreich auszuführen?« – »Was sagst du, Pförtnerin?« fragte Ali im Ton des Erstaunens.« – »Was hast du aus meinem Koch gemacht?« versetzte Dalilah; »hast du ihn getötet oder ihm einen Schlaftrunk beigebracht?« – »Gibt es hier einen anderen Koch als mich?« entgegnete Ali. – »Du lügst«, schrie ihn Dalilah an, »du bist Ali Quecksilber!« Da sagte er im Dialekt der Schwarzen: »O Pförtnerin, seit wann sind die Ägypter schwarz? Auf diese Weise kann ich nicht länger dienen.« – »Gott erhalte unseren Koch!« riefen einige Sklaven Dalilah zu; »was willst du von ihm?« – »Es ist nicht euer Koch«, sagte Dalilah, »wartet nur, ich komme gleich herunter, um einmal zu sehen, ob seine Schwärze natürlich ist.« Sie kam und wusch ihm den Arm, aber die Schwärze blieb, denn Hasan hatte ihm eine Salbe gegeben, welche das Wasser nicht zu vertreiben vermochte. Demungeachtet bestand Dalilah auf ihrer Behauptung, bis endlich die Sklaven ihr sagten: »Laß doch den Koch unser Mittagsessen zubereiten, ist er es nicht, so wird er weder die Küche noch das Speisezimmer finden, auch wird er nicht wissen, welche Gerichte er uns heute auftischen soll.« – »Nun«, sagte Dalilah, »fragt ihn einmal, welche Speisen ihr gestern von ihm verlangt.«

Ali sagte eine Speise nach der anderen her, nahm dann den Küchenschlüssel von dem Platze, wo er gewöhnlich lag, und ebenso den zur Speisekammer; er erkannte ersteren, weil Federn daran klebten und letzteren an Spuren von Fett, den Weg nach beiden zeigte ihm überdies noch eine vor ihnen herspringende Katze. Obgleich aber Dalilah dies wohl merkte, widersprach sie doch ihren Dienern nicht länger. Ali bereitete nun zuerst das Essen für Seinab und Dalilah zu und mischte eine so starke Dosis einschläferndes Pulver hinein, daß sie beim ersten Bissen zusammensanken. Er reichte dann den Sklaven ebenfalls Speisen, in welche er einen Schlaftrunk mischte, in das Essen für die Hunde aber mischte er Gift, so daß er des Abends ungestört mit allen Kleidern, welche Seinab ihm und Ahmed geraubt, ja sogar mit ihren Tauben aus dem Chan gehen konnte. Als er zu Hasan kam, kochte ihm dieser ein Kräuterwasser, das ihm seine frühere Farbe wiedergab. Hierauf ging er in das Gemach, wo der Koch noch schlafend lag, hielt ihm ein Gegenmittel gegen den Schlaftrunk unter die Nase, gab ihm seine Kleider wieder und seinen Korb und verließ ihn. Als einer der Bewohner des Chans bei Tagesanbruch aufstand, fand er alle Türen geöffnet, die Hunde tot, die Sklaven, sowie Seinab und Dalilah in tiefen Schlaf versunken. Er weckte letztere, und als sie wieder zu sich kam, fand sie ein Papierchen neben sich, auf dem geschrieben stand: »Kein anderer als der Ägypter Ali Quecksilber hat dir diesen Streich gespielt.« – »Ich habe es wohl gewußt«, sagte sie zu Seinab, »daß Ali seinen Meister Ahmed rächen würde, indessen meint er es gewiß gut mit uns, sonst hätte er uns einen weit schlimmeren Streich spielen können.« Sie schalt dann die Sklaven wegen ihres Widerspruchs und befahl ihnen, den ganzen Vorfall zu verschweigen, kleidete sich in gewöhnliche Frauenkleider, warf ein kleines Tuch um den Hals und ging zu Ahmed Denf, bei dem auch Hasan Schuman und Ali Quecksilber waren. »Was willst du, verruchte Alte?« fragte sie Hasan; »du hast gewiß wieder mit deinem Bruder Sureik, dem Fischer, irgend einen schlimmen Streich vor.« – »Das mag sein«, sagte Dalilah; »aber dieses Mal bin ich die Angeführte: Einer deiner Leute hat uns die Posttauben gestohlen, und ich komme, sie mir wieder von dir zu erbitten.« – »Die Tauben sind schon geschlachtet«, sagte Ali, »ich wußte nicht, daß es Posttauben waren.« Dalilah erschrak um so mehr, als sie dies hörte, da wirklich auf dem Tisch gebratene Tauben standen. Als sie aber daran roch, sagte sie sogleich: »Das sind nicht unsere Tauben, die müßten nach Moschus riechen, mit dessen Körnern ich sie gefüttert habe.« – »Nun«, sagte Hasan, der wohl wußte, daß andere Tauben zum Essen gekauft wurden, »gewähre Alis Bitte, so sollst du deine Tauben wieder haben.« – »Und was verlangt er von mir?« fragte Dalilah. – »Deine Tochter Seinab zur Gattin«, antwortete Hasan. – »Ich habe keine Gewalt über sie«, versetzte Dalilah; »wenn er aber wirklichen Gaunermut hat, so werbe er um sie bei ihrem Oheim, dem Fischer Sureik, welcher ihr Pfleger ist.« – »Willst du unseren Freund verderben?« fragte Hasan; »Sureik ist der Meister aller Spitzbuben aus Irak, ihm ist es ein leichtes, den fernsten Stern zu erreichen und den Leuten den Kohel aus den Augen zu stehlen. Um den Käufer in seinen Fischerladen zu locken, hat er einen Beutel mit zweitausend Dinaren hinter die Tür gehängt und er ruft immer: Ihr Spitzbuben Ägyptens, ihr Gauner aus Irak, ihr Beutelschneider aus Persien! Der Fischer Sureik hat einen Beutel voll Gold in seinem offenen Laden hängen; versucht es einmal, ihn zu stehlen! Bisher haben aber die gewandtesten Spitzbuben sich vergebens bemüht, diese zweitausend Dinare zu stehlen, denn Schellen, welche an einer seidenen Schnur befestigt sind, warnen ihn durch ihren Klang, sobald der Beutel, an den diese Schnur geknüpft ist, berührt wird, und er hat schon manchen, den er auf diese Weise ertappte, mit bleiernen Kugeln, die er vor sich liegen hat, getötet oder schwer verwundet.«

Dalilah erwiderte: »Wer meine Tochter Seinab heiraten will, darf keine Gefahr scheuen; übrigens wird ohne Sureiks Zustimmung meine Tochter nicht heiraten.« Ali nahm diese Bedingung an und gab ihr ihre Tauben zurück. Sobald sie fort war, baten ihn Hasan und Ahmed, sein Vorhaben aufzugeben und sich um eine andere Gattin zu bewerben; allein er gab ihnen kein Gehör, ließ sich Frauenkleider bringen, verkleidete sich als eine vornehme schwangere Frau und ging auf die Straße, nahm einen Esel, stellte sich dem Eseltreiber als die Gemahlin des Obersten Hasan vor und ritt mit ihm durch die Stadt, bis er an dem Laden Sureiks vorüberkam. Da sagte er zum Eseltreiber: »Ich rieche so gute gebackene Fische, daß es mich danach gelüstet; geh und laß dir einige von dem Fischhändler geben, damit es meiner Leibesfrucht nichts schade.« Während aber der Eselstreiber bei Sureik ein Stückchen Fisch bestellte, zerdrückte Ali eine Blase voll Hammelblut, die er zu sich unter den Rock genommen hatte, und schrie: »Wehe mir! Meine Leibesfrucht ist dahin!« Als Sureik das Blut zu den Füßen Alis sah, erschrak er so sehr, daß er aus dem Laden in sein Wohnzimmer floh; Ali benützte diesen Augenblick, um nach dem Beutel zu greifen, der im Laden hing, sobald aber Sureik den Klang der Schellen hörte, sprang er heraus und sagte: »Deine List ist dir nicht gelungen, hier hast du, was dir zukommt«, und warf ihm darauf solange bleierne Kugeln nach, bis er fern war.

Beschämt kam er wieder zu Hasan Schuman, warf seine Frauenkleider von sich und zog die eines Stallknechtes an. Er ging wieder zu Sureik und forderte heiße Fische von ihm, so daß er in die Küche gehen mußte, um frische zu backen; unterdessen suchte Ali den Beutel loszumachen, aber die seidene Schnur verriet ihn wieder, doch gelang es ihm, den bleiernen Kugeln auszuweichen. Eine der ihm nachgeworfenen Kugeln traf einen Kadhi, der eine Schüssel voll heißer Suppe über die Straße trug, die Schüssel zerbrach und die heiße Suppe lief ihm gerade den Ärmel hinunter. Alle Leute versammelten sich um Sureik und forderten ihn auf, um ähnliches Unglück zu verhüten, den Lockbeutel wegzunehmen; er versprach es auch zu tun, aber am folgenden Tag sah ihn Ali wieder an derselben Stelle hängen. Da rief er einen Schlangenbeschwörer, der mit zwei zahmen Schlangen vorüberging, zu sich und bat ihn, mit ihm nach Hause zu gehen, um seine zwei Kinder mit seinen Künsten zu unterhalten. Als er bei ihm war, stellte er ihm eine Speise vor, in welche er einen Schlaftrunk gemischt hatte, zog dessen Kleider an, nahm den Beutel mit den zwei Schlangen und den übrigen Gerätschaften des Schlangenbeschwörers, ging damit vor den Laden Sureiks, spielte auf der Flöte und forderte ein Almosen. »Gott helfe dir!« schrie ihn Sureik an. Da warf Ali die beiden Schlangen vor ihn, und er fürchtete sich so sehr, daß er in seine Wohnstube lief. Ali griff schnell nach dem Beutel, aber auch dieses Mal kam Sureik wieder herbei, ehe er sich dessen bemeistern konnte, und warf ihm einige Kugeln nach. Eine derselben traf den Stallknecht eines Offiziers, der gerade vorüberging; er nötigte Sureik, den Beutel wegzunehmen, aber am anderen Morgen hing er wieder im Laden.

Ali versuchte nun noch mehrere ähnliche Streiche, aber alle mißlangen ihm; da indessen die bleiernen Kugeln gar manchen Vorübergehenden unschuldigerweise verletzten, und Sureik übrigens doch fürchtete, ihn zuletzt noch zu verlieren, gab er den Bitten seiner Nachbarn nach und entschloß sich, nach Alis siebtem Versuch, ihn mit in sein Haus zu nehmen. Ali wartete, bis er des Abends nach Hause ging, und da es schon sehr dunkel war, schlich er sich unbemerkt in sein Haus.

Ali hörte, wie Sureik zu seiner Gattin, welche eine freigelassene Sklavin des Veziers Djafar war, sagte: »Hier bin ich endlich mit dem Beutel voll Gold, den ich dir für die einstige Beschneidungs- und Hochzeitsfestlichkeiten deines Sohnes Abd Allah versprochen. – Bewahre ihn wohl auf, denn ich bin heute Nacht zu einem Fest bei einem meiner Nachbarn geladen.« Die Schwarze nahm ihm den Beutel ab und sagte. »Schlafe erst ein wenig.« Er legte sich auf den Diwan und schlief bald ein. Da schlich Ali leise auf den Zehen aus dem Kabinett, in welchem er sich versteckt hatte, in das Zimmer, nahm den Beutel und ging damit zum Fest, zu dem auch Sureik eingeladen war. Diesem träumte, daß ein Vogel seinen Beutel mit Gold davontrage; er sprang erschrocken auf, rief seine Gattin und bat sie, einmal nach dem Beutel zu sehen. Als sie ihn vergebens suchte, sagte Sureik: »Wehe mir! Den hat niemand anderes als Ali gestohlen, doch ich will ihn schon wieder bekommen.« – »Das rate ich dir«, sagte seine Gattin, »sonst, bei Gott! Öffne ich dir die Haustür heute Nacht nicht.« Sureik ging zum Fest, wo er wohl wußte, daß auch Ali erscheinen werde. Als er ihn sah, zog er sich zurück und dachte bei sich selbst: Schon gut, der hat meinen Beutel noch in der Tasche, den will ich bald haben. Er ging daher in die Straße, wo Ahmed Denf wohnte, und stieg von einem benachbarten Haus aus, das offen stand, auf die Terrasse von Ahmed Denfs Haus und schlich dann leise bis zur Tür herunter. Niemand bemerkte ihn, denn alles schlief schon im Haus. Hier wartete er, bis Ali vom Fest kam und an die Tür klopfte. Da fragte er, Hasan Schumans Stimme nachahmend: »Wer ist da?« – »Ali Quecksilber, der Ägypter.« – »Hast du den Beutel Sureiks?« – »Ich habe ihn, öffne nur!« – »Ich darf nicht öffnen, bis du mir ihn gibst, ich habe mit Ahmed gewettet.« – »So strecke die Hand unter dem Tor heraus!« Sureik tat dies, nahm den Beutel und entwich wieder durch die Terrasse auf dieselbe Weise, wie er gekommen war. Als Ali noch eine Weile vor der Tür stand, und immer noch nicht geöffnet wurde, klopfte er so stark, daß alle im Haus erwachten. Hasan Schuman, der ihn am Klopfen erkannte, trat zu ihm heraus und fragte ihn: »Hast du den Beutel?« – »Du scherzest«, antwortete Ali, »ich habe dir ihn ja eben durch das Tor hineingereicht, weil du schworst, du öffnetest mir nicht eher, bis du den Beutel habest.« – »Bei Gott!« schwor Hasan, »ich habe dir nichts abgenommen, gewiß hat ihn Sureik wieder.« – »Nun«, sagte Ali, »ich will mir ihn schon wieder verschaffen.« Er kehrte hierauf wieder zu dem Fest zurück und sah sich nach Sureik um; sobald er ihn bemerkte, zog er sich zurück und stieg auf die Terrasse von Sureiks Haus und von da in das Zimmer der Schwarzen, welche schlief und ihr Kind neben sich liegen hatte. Er zog die Kleider der Schwarzen an, und goß ihr sowohl als dem Kind einige Tropfen Schlaftrank ein und wartete, bis Sureik nach Hause kam. Als er an die Tür klopfte, legte er sich ans Fenster und rief, eine Weiberstimme nachahmend. »Wer ist an der Tür?« – »Der Vater Abd Allahs«, antwortete Sureik. »Ich habe geschworen, dir nicht zu öffnen, bis du deinen Beutel wiederbringst; hast du ihn?« – »Jawohl, hier ist er.« – »Gib ihn her.« Bei diesen Worten ließ Ali einen Korb mit Kuchen, welcher im Zimmer stand, an einem Strick zum Fenster hinunter, und als Sureik den Beutel hineinlegte, zog er ihn wieder herauf und ging mit dem Korb und dem Kind über die Terrasse wieder fort nach Hause.

Sureik wartete lange vergebens, bis seine Gattin die Tür öffnete, sie fragte sogleich: »Hast du den Beutel?« – »Habe ich ihn nicht in den Korb gelegt, den du zum Fenster herabgelassen?« – »Ich weiß nichts von einem Korb noch von einem Beutel.« – »Bei Gott! So ist mir der Gauner Ali wieder zuvorgekommen.« Als seine Frau die Tür öffnete, suchte er den Korb, und da er ihn nicht mehr fand, zweifelte er nicht mehr daran, daß Ali sich bei ihm eingeschlichen. Jetzt vermißte aber auch die Schwarze ihr Kind, sie schlug sich auf die Brust und schrie: »Mein Kind, mein Kind!« Dann sagte sie zu Sureik: »Morgen verklage ich dich bei Djafar, du bist an dem Verlust meines Kindes schuld, denn du hast den Gauner durch deinen verdammten Beutel hierher gelockt.« – »Ich bürge dafür, daß ich morgen das Kind wiederbringe«, versetzte Sureik, »beruhige dich nur!« Am folgenden Morgen ging Sureik zu Ahmed Denf und sagte ihm: »Bewege deinen Freund Ali, daß er mir mein Kind zurückgebe, dann schenke ich ihm den Beutel mit Gold.« Da sagte Hasan Schuman, der auch zugegen war, zu Ali: »Warum hast du mir nicht gesagt, daß das gestohlene Kind Sureik gehört?« – »Ist ihm was zugestoßen?« fragte Sureik erschrocken. – »Leider«, sagte Hasan, »haben wir ihm Zibeben zu essen gegeben, an denen es erstickte. Hier liegt es schon in sein Leichengewand gehüllt.« Ahmed, der wohl dachte, daß Sureik sein Kind bei ihm suchen würde, hatte wirklich, um ihn zu erschrecken, ein Lämmchen geschlachtet und in ein Leichengewand gehüllt. Als Sureik dies sah, schrie er: »Wehe mir, mein Sohn! Was werde ich seiner Mutter sagen?« Er ging dann auf das Kind zu und enthüllte es, da bemerkte er, daß es nur ein Lämmchen war und sagte zu Ali: »Gib mir das Kind und behalte mein Geld.« – »Das gehört ihm von Rechts wegen«, sagte Hasan; »du hast oft genug alle Gauner herausgefordert, dir einen Beutel zu nehmen, indessen wird dir ihn Ali gern wieder zurückgeben, wenn du ihn mit deiner Nichte Seinab, der Tochter Dalilahs, verlobst.« – »Willst du das Geld unter dieser Bedingung zurücknehmen?« fragte Ali. »Ich kann meiner Nichte nur raten, aber nicht befehlen«, antwortete Sureik; »ich meinerseits gebe meine Zustimmung, und nehme daher auch mein Geld wieder zurück, aber Seinab wird nur den Mann heiraten, der ihr als Hochzeitsgeschenk die Kleidung und den Schmuck Kamrs, der Tochter des Juden Usra bringt.« – »Unsere Verlobung finde nicht statt«, sagte Ali, »wenn ich sie nicht herbeischaffe.« Sureik ging freudig nach Hause und brachte seiner Frau ihr Kind und ihren Beutel. Ali aber fragte Hasen, wer denn eigentlich der Jude Usra wäre, dessen Tochter Schmuck er Seinab bringen sollte? »Usra«, antwortete Ahmed, »ist ein Zauberer, der dich ins Verderben stürzt, wenn du etwas gegen ihn zu unternehmen wagst, denn die boshaftesten Genien stehen unter seinem Befehl. Er bewohnt ein Schloß außerhalb der Stadt, dessen Wände halb von Gold und halb von Silber sind; dieses Schloß ist aber nur sichtbar, solange er darin ist; verläßt er es, so bemerkt man keine Spur mehr davon.«

»Usra bringt den Tag in der Stadt zu, wo er eine Niederlage von Goldwaren hat und reitet des Abends in sein Schloß zu seiner Tochter Kamr. Dann legt er seiner Tochter Kleider und Schmuck, die er ihr aus dem Schatz Feidas heraufbeschworen, in eine goldene Platte, hängt sie vor das Fenster und ruft: Kommt herbei, ihr Gauner Ägyptens, ihr Spitzbuben Iraks, ihr Beutelschneider Persiens: Wer diese Platte nimmt, darf sie behalten mit allem, was darin ist. Aber die gewandtesten Gauner scheiterten in ihren Versuchen und wurden in Affen oder Esel verwandelt.« – »Ich scheue keine Gefahr«, sagte Ali; »ich muß mit Kamrs Schmuck Dalilahs Tochter Seinab zieren.« Er ließ sich hierauf den Laden des Juden Usra zeigen und wartete in der Nähe desselben, bis Usra den Laden schloß, einen Quersack, mit Silber und Gold gefüllt, auf ein Maultier lud, sich dann selbst daraufsetzte und fortritt; dann folgte er ihm bis zur Stadt hinaus. Auf einmal hielt Usra still, zog ein Beutelchen mit Sand aus der Tasche, murmelte einige unverständliche Worte darüber und streute ihn in die Luft – und, siehe da, plötzlich sah Ali ein goldenes Schloß vor sich stehen; das Maultier, welches ein dienstbarer Geist war, stieg die Stufen hinauf und verschwand. Usra ging mit dem Quersack ins Schloß. Bald darauf erschien er am Fenster und befestigte die Platte mit Kamrs Schmuck an demselben und rief: »O Gauner Ägyptens, ihr Spitzbuben Iraks und ihr Beutelschneider Persiens: Wer gewandt genug ist, diese Platte zu nehmen, der darf sie behalten, mit allem, was darin ist.« Hierauf sagte er einige Beschwörungsformeln her, und es stieg ein Tisch, mit den kostbarsten Speisen beladen, aus dem Boden herauf. Als er sich gesättigt hatte, rief er wieder einige heilige Namen an; der Tisch verschwand und ein anderer stieg an dessen Stelle hervor, auf welchem die besten Weine in den zierlichsten Trinkgefäßen standen. Da dachte Ali, welcher sich unbemerkt eingeschlichen hatte und hinter einer Tür verborgen war: Nun wird der Jude sich gewiß betrinken, dann kann ich um so leichter ihm beikommen. In der Tat trank Usra so viel Wein, daß er sich kaum mehr aufrecht halten konnte; als aber Ali mit gezogenem Schwert hinter der Tür hervorsprang, schrie er seine Hand an: »Bleibe regungslos, Hand!« Und siehe! Alis Hand blieb ausgestreckt, und er war nicht mehr imstande, sie zu bewegen. Dasselbe widerfuhr seiner linken Hand, als er mit dieser das Schwert aus seiner Rechten nehmen wollte, und als er auf den Juden zugehen wollte, wurde auch sein rechter Fuß lahm. Usra ließ ihn eine Weile so mit ausgestreckten Armen auf dem linken Fuße stehen; dann sagte, er ihm: »Wer bist du und warum kamst du hierher?« – »Ich bin Ali Quecksilber aus Kahirah«. antwortete er; »einer der Jünger Ahmed Denfs; ich habe um Seinab, Tochter der Gaunerin Dalilah, geworben, und man hat von mir das Kleid und den Schmuck deiner Tochter Kamr als Hochzeitsgabe verlangt; willst du daher in Ruhe vor mir bleiben, so gib mir sie her.« –»Ich will dir dein Leben schenken«, sagte Usra; »geh damit weg und gib dein Vorhaben auf, sonst geht es dir nicht besser, als vielen anderen vor dir; du verdankst übrigens die Schonung, die ich gegen dich habe, nur dem großen Glücksstern, den ich über dir leuchten sehe.« – »Ich werde mein Vorhaben nie aufgeben«, sagte Ali, durch diese Worte des Juden ermutigt; »verfahre mit mir, wie du willst.« Da füllte Usra eine Tasse mit Wasser, sagte einige heilige Namen darüber her, bespritzte Ali damit und schrie ihn an: »Verlasse deine Menschengestalt und werde ein Esel!« Kaum waren diese Worte aus Usras Mund, da stand Ali als ein Esel da, mit Hufen und langen Ohren, und brüllte wie ein wahrer Esel.

Zwar hörte und verstand Ali noch alles wie zuvor, aber sprechen konnte er nicht mehr. Usra zeichnete nun mit dem Fuß einen Kreis um ihn, und sogleich erhob sich eine Mauer um ihn herum, die ihm das Entweichen unmöglich machte. Dann setzte sich Usra wieder zu seinem Wein, trank noch einige Becher voll und schlief ein. Am folgenden Morgen sagte er zu dem in einen Esel verwandelten Ali: »Ich will einmal heute mein Maultier schonen und dich satteln, um nach der Stadt zu reiten.« Er schloß dann Kamrs Kleid und Schmuck in ein Kabinett, holte den Quersack und legte ihn auf Ali; hierauf bestieg er ihn selbst, und sowie er aus dem Schloß war, verschwand auch das ganze Schloß. Vor seinem Laden stieg er ab, nahm den Quersack herunter und band Ali an. Da kam ein verunglückter Kaufmann und bot dem Juden die goldenen Armbänder seiner Frau zum Verkauf an. »Was willst du mit dem Geld anfangen?« fragte ihn der Jude. »Ich will einen Esel dafür kaufen«, antwortete der Kaufmann, »und mich fortan als Wasserträger zu ernähren suchen.« – »Ich verkaufe dir meinen Esel«, versetzte der Jude. Der Kaufmann besah ihn, und da er ein gutes Aussehen hatte, begnügte er sich mit wenigem Geld, das ihm der Jude herausgab. Da dachte Ali: Wenn der Wasserträger mit einem hölzernen Sattel und einem Wasserschlauch mich belädt und zehnmal durch die Stadt führt, so ist es um mich geschehen. Als daher die Frau des Wasserträgers ihm Futter brachte, fiel er sie an und küßte und umarmte sie, so daß sie um Hilfe schreien mußte, und mit Mühe gelang es den herbeieilenden Nachbarn, ihn von ihr loszureißen. Sobald ihr Gatte nach Hause kam, erzählte sie ihm, was ihr mit dem Esel begegnet war, und sagte: »Entweder du verkaufst diesen Esel wieder, oder gibst mir einen Scheidebrief, denn das ist ein Teufel in Eselsgestalt; wer weiß, was geschehen wäre ohne das schnelle Herbeieilen unserer Nachbarn.« Der Wasserträger nahm den Esel, ging wieder zum Juden, sagte ihm, er könne den Esel nicht behalten, weil seine Frau sich vor ihm fürchte, und ließ sich dessen Wert in Geld geben.

Als der Jude abends wieder in seinem Schloß war, löste er Alis Zauber und sagte ihm: »Es steht nun bei dir, deine Braut Seinab aufzugeben und keine weiteren Pläne mehr wegen des Schmuckes meiner Tochter zu schmieden, oder ich verwandle dich in einen Bären, daß du der ganzen Stadt zur Belustigung dienst.« – »Solange ich lebe«, erwiderte Ali, »entsage ich Seinab nicht, und da ich sie ohne den Schmuck deiner Tochter nicht erlangen kann, so werde ich alles aufbieten, um mir denselben zu verschaffen; ist dir daher dein Leben teuer, so schenke mir ihn lieber.« Statt aller Antwort murmelte Usra einige unverständliche Worte her und Ali stand als ein Bär vor ihm.

Am folgenden Tag nahm der Jude Usra den in einen Bären verwandelten Ali mit sich in die Stadt und band ihn an eine Kette vor seinem Laden, nachdem er ihm einen Maulkorb angelegt hatte; da kam ein Kaufmann und bat ihn, er möchte ihm doch diesen Bären verkaufen, da die Ärzte seiner kranken Kusine Bärenfleisch verordnet hätten. Usra schenkte ihm den Bären, und jener sagte im Vorübergehen einem Metzger, er möchte ihm mit seinem Messer folgen, um den Bären zu schlachten. Ali war schon auf den Boden hingestreckt und der Metzger wetzte nur sein Messer noch, als auf einmal ein Geist den Bären aufhob und ihn in Usras Schloß trug. Diesen Geist hat Usra auf das Verlangen seiner Tochter abgesandt, welche sich beim ersten Anblick in Ali verliebt hatte, und daher ihren Vater bat, ihm noch einmal zu verzeihen. Usra gab ihm seine frühere Gestalt wieder; da er aber hartnäckig auf dem Besitz des Schmuckes bestand, verwandelte er ihn in einen Hund und nötigte ihn, am folgenden Tag ihm in dieser Gestalt in die Stadt zu folgen, wo alle natürlichen Hunde ihn anbellten und bissen, bis er vor dem Laden eines Krämers vorüberkam; dieser bemitleidete ihn, trieb die anderen Hunde weg und nahm in mit nach Hause. Als aber des Krämers Tochter den Hund sah, verschleierte sie sich schnell und sagte: »Warum, o Vater, bringst du fremde Männer herein?« – »Ich sehe nichts«, antwortete der Krämer, »als einen fremden Hund, den ich vor den Anfällen der hiesigen schützte.« – »Das ist kein Hund«, versetzte das Mädchen; »es ist Ali Quecksilber aus Ägypten, den der Jude Usra verzaubert hat. Ist es nicht wahr?« sagte sie, zu dem Hund sich wendend. Der machte eine bejahende Bewegung mit dem Kopf. »Willst du mich heiraten?« fragte sie Ali, »dann gebe ich dir deine menschliche Gestalt wieder.« Der Hund schüttelte wieder bejahend den Kopf. Da nahm sie eine Tasse, worauf allerlei heilige Namen geschrieben waren, und sagte einige Beschwörungsformeln her; aber in diesem Augenblick vernahm sie einen so lauten Schrei, daß ihr die Tasse aus der Hand fiel, und die Sklavin ihres Vaters trat herein und sagte ihr: »Hältst du so dein Wort? Hast du mir nicht geschworen, keinen Mann zu heiraten, der nicht auch mich zugleich heiratet? Wisse nämlich«, sagte sie, zu ihrem erstaunten Herrn sich wendend: »Ich war ehemals die Lieblingssklavin des Juden Usra, und sooft er in die Stadt ging, setzte ich mich hinter seine Zauberbücher und las darin. Als er mich dir verkaufte, erbot ich mich deiner Tochter, sie alles zu lehren, was ich aus Usras Büchern gelernt hatte, unter der Bedingung, daß wenn sie einst heirate, sie ihren Gatten nötige, mich als zweite Gattin zu nehmen. Willst du also auch mich zur Frau haben?« fragte sie Ali. Als dieser durch eine Kopfbewegung seine Einwilligung zu erkennen gab, hob die Sklavin die Tasse von der Erde auf und bespritzte Ali damit, und sogleich stand er wieder als schöner, junger Mann da und erzählte dem Krämer, warum ihn Usra verzaubert hatte. Nun fragte ihn der Krämer: »Genügen dir diese beiden Gattinnen jetzt?« – »Nein, bei Gott!« antwortete Ali, »ich muß auch Seinab haben.« In diesem Augenblick trat Kamr zur Tür herein und sagte zu Ali: »Obschon gewöhnlich Männer den Frauen eine Hochzeitgabe bringen, will ich dieses Mal dich mit meinem Kleid und meinem Schmuck und dem Haupt meines Vaters, deines und Gottes Feindes, beschenken, wenn du mein Gatte werden willst. Wisse nämlich, daß ich heute Nacht im Traum eine Stimme vernahm, welche mit zurief: werde Muselmännin! Ich legte das moslemische Glaubensbekenntnis ab und forderte auch meinen Vater auf, Moslem zu werden, und als er sich weigerte, gab ich ihm einen Schlaftrunk und enthauptete ihn. – »Ich erwarte euch alle morgen im Diwan des Kalifen«, sagte Ali zu den drei Mädchen; »da wollen wir in seiner Gegenwart den Ehe-Kontrakt schreiben lassen.« Er nahm dann die goldene Platte mit Kamrs Schmuck und ihres Vaters Kopf, und verließ sie, in der Absicht, nach Hause zu gehen. Als er auf der Straße war, kam ein herumziehender Zuckerbäcker zu ihm, bot ihm ein Stück Kuchen an und erbat sich ein Geschenk; Ali war so freudetrunken, daß er den Kuchen annahm und sogleich ein Stückchen davon aß. Aber er enthielt eine starke Dosis einschläferndes Pulver, daß er sogleich bewußtlos hinfiel, worauf der scheinbare Zuckerbäcker die Platte mit allem was darin war, nahm, und sie in die Kiste, welche die Kuchen enthielt, einschloß. Er war aber kaum ein paar Schritte weit damit fort, da kam ein Kadhi auf ihn zu, überreichte ihm ein Stückchen Kuchen und sagte ihm: »Koste einmal diesen Kuchen und backe mir einen ähnlichen.« Kaum hatte er ihn mit den Lippen berührt, fiel er um, denn auch dieser Kuchen enthielt einschläferndes Pulver. Der Kadhi nahm ihm dann die ganze Kiste weg und ging damit fort. Dieser als Kadhi verkleidete Mann war kein anderer, als Hasan Schuman, und der als Zuckerbäcker umhergehende Jüngling war Ahmed Lakit, der Neffe Seinabs, derselbe, der Ali bei seiner Ankunft in Bagdad des Polizeipräfekten Ahmeds Haus gezeigt hatte. Sureik war nämlich zu Dalilah gegangen und hatte ihr gesagt, sie möchte nur auf ihrer Hut sein, da Ali am Ende doch noch den versprochenen Schmuck dem Juden entlocken könnte. Dalilah rief hierauf ihren Enkel Ahmed Lakit und bat ihn, sich als Zuckerbäcker zu verkleiden, um Ali, wenn er mit des Juden Schätzen käme, derselben wieder zu berauben. Ahmed suchte ihn lange vergebens, begegnete ihm aber wie wir eben gesehen haben, im Augenblick, als er seine drei Bräute verließ. Hasan Schuman aber, der ebenfalls mit einigen seiner Leute, als Kadhi verkleidet, Ali aufsuchte, den er schon mehrere Tage vermißte, erkannte Ahmed Lakit sogleich und überlistete ihn auf die angeführte Weise, während seine Leute den schlafenden Ali von der Erde aufhoben und in seine Wohnung trugen. Als letzterer wieder zu sich kam, fragte ihn Hasan, der schon vor ihm mit den Schätzen und dem noch schlafenden Ahmed Lakit nach Hause kam: »Hast du das versprochene Hochzeitgeschenk?« – »Ich hatte es«, antwortete Ali, »aber ein Zuckerbäcker hat es mir durch List wieder genommen.« – »Kennst du ihn?« fragte Hasan. Er antwortete: »Jawohl, wenn ich ihn sehe, so kenne ich ihn.« Da führte ihn Hasan in ein Nebenzimmer, wo Ahmed Lakit lag. Ali weckte ihn auf und wollte ihn töten, aber Hasan hielt ihn zurück und sagte ihm: »Hüte dich, ihm etwas zuleide zu tun, denn er ist der Neffe deiner Braut Seinab, dem ich alles wieder entlockt habe.« – »So gehe zu deiner Großmutter Dalilah«, sagte ihm Ali, »und zu dem Fischer Sureik, und sage ihnen, daß ich die versprochene Hochzeitsgabe besitze und dazu noch den Kopf des Zauberers Usra, und daß ich sie morgen im Diwan des Kalifen erwarte.«

Am folgenden Tag ging Ahmed Denf mit Ali zum Kalifen und stellte ihn ihm als den wackersten seiner Zöglinge und Häuptling der Gauner Ägyptens vor, Ali machte einen sehr günstigen Eindruck auf den Kalifen, denn die Tapferkeit und Klugheit leuchteten aus seinen Augen hervor. Ahmed erzählte dem Kalifen manche Streiche, welche Ali mit bewunderungswürdiger Gewandtheit durchgeführt, und zuletzt den gegen den Juden Usra. Der Kalif äußerte einige Zweifel gegen den Tod dieses Zauberers, als Kamr in den Diwan trat und alles bestätigte, was ihm Ahmed erzählt hatte. Zugleich erneuerte sie vor dem Kalifen ihr muselmännisches Glaubensbekenntnis und bat ihn, als ihr Bevollmächtigter, sie mit Ali zu vermählen. Der Kalif schenkte Ali das Schloß des Juden mit allem, was darin war, und fragte ihn, was er sonst noch wünsche, »Ich habe keinen anderen Wunsch, als stets deinen Teppich betreten und an deiner Tafel speisen zu dürfen.« – »Das sei dir gewährt«, sagte der Kalif; »was wünschest du noch?« – »Erlaube mir, meine vierzig Jünger von Kahirah hierher zu berufen,« – »Tu dies, und ich werde sogleich meinem Schatzmeister den Befehl erteilen, zehntausend Dinare herzugeben, um dir mit deinen Jüngern ein schönes Haus zu bauen. Hast du sonst keinen Wunsch mehr?« – »König der Zeit, suche Dalilah zu bereden, daß sie mir ihre Tochter Seinab zur Gattin gebe, und Kleider und Schmuck Kamrs als Morgengabe für sie annehme.« Dalilah, welche anwesend war, sagte sogleich: »Ich nehme es an und werde heute noch den Ehe-Kontrakt schreiben lassen.« Ali ließ auch, seinem Versprechen und der Bitte des Kalifen für Kamr zufolge, einen Ehe-Kontrakt zwischen ihm und Kamr, sowie auch zwischen ihm und der ehemaligen Sklavin des Juden und ihrer Gebieterin schreiben, und nach kurzer Zeit, als seine Jünger aus Kahirah ankamen, heiratete er diese vier Mädchen und fand sich höchst glücklich in ihrem Besitz. Der Kalif ließ dann eines Abends sich von Ali nochmals alle seine Abenteuer mit der Gaunerin Dalilah, mit ihrer Tochter Seinab, mit dem Fischer Sureik und dem Juden Usra erzählen und fand sie so merkwürdig, daß er seinem Sekretär befahl, sie niederzuschreiben und in seinem Archiv aufzubewahren. Aber nur der erhabene Gott ist allwissend!


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