Gustav Weil
Tausend und eine Nacht, Vierter Band
Gustav Weil

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Geschichte vom Fuchs, Wolf und Löwen.

Einst zog nämlich eine Herde Füchse aus, um etwas zu essen zu suchen. Als sie ein totes Kamel fanden, sagte einer von ihnen: »Nun haben wir auf einen Monat zu leben; doch wollen wir uns einen Obersten wählen, der dafür wache, daß das Kamel gleich verteilt werde und der Schwächere nicht zu kurz komme.« Während sie darüber sich besprachen, kam ein Wolf herbei, und einer der Füchse sagte: »Hier ist ein Wolf; wir wollen ihn zu unserem Oberhaupt erwählen, denn er ist stark und mächtig, und auch sein Vater war schon unser König. Hoffen wir, daß er ebenso gerecht sein wird, wie sein Vater war.« Die Füchse begaben sich insgesamt zum Wolf, teilten ihm ihren Beschluß mit und baten ihn, die Regierung zu übernehmen, damit er nach Recht und Billigkeit unter ihnen entscheide und einem jeden das ihm Gebührende zuteile. Der Wolf nahm ihren Antrag an, und teilte am ersten Tag die Nahrung zur allgemeinen Zufriedenheit aus; aber am anderen Tag dachte er bei sich: Wenn ich fortfahre, dieses Kamel unter den Füchsen zu teilen, halten sie mich für schwach; aber ich bin doch stark, sie können mir nicht widerstehen, darum will ich niemandem mehr etwas geben, ich fürchte mich nicht vor ihnen, sie sind ja meine Sklaven.

Als am folgenden Tag die Füchse wieder demütig vor dem Wolf erschienen und um Nahrung baten, sagte er ihnen: »Was ihr besitzt gehört mir, geht eueres Wegs; wer sich wieder sehen läßt, wird umgebracht.« – Die Füchse sagten zueinander: »Dieser gottlose Verräter hat uns ins Verderben gestürzt, und wir haben keine Macht über ihn; was fangen wir nun an?« Da sagte ein Fuchs: »Nur der Hunger hat ihn heute irre geleitet; laßt ihn heute essen und sich sättigen, wir wollen dann morgen wieder vor ihm erscheinen.« Am anderen Morgen sagten sie ihm: »O Wolf, wir haben dich zum König erwählt, damit du jedem seinen Anteil gewährst und niemandem Unrecht geschähe; wir haben uns aber selbst getäuscht, denn seit gestern müssen wir hungrig umhergehen; doch wollen wir das gerne vergessen, gib uns nur heute etwas zu essen.« Aber der Wolf wurde noch gröber und wollte wieder nichts hergeben. Da sagten die Füchse untereinander: »Von diesem Wolf haben wir nur immer Schlimmeres zu erwarten, darum laßt uns den Löwen um Hilfe anflehen und ihm unser Kamel zum Lohn überlassen, damit er diesen treulosen Wolf umbringe.« Dieser Vorschlag wurde gebilligt und der Löwe nahm ihr Gesuch an und brachte den Wolf um, den dann die Füchse in Stücke zerrissen.

»Lerne daraus, o König«, fuhr der Vezier fort, »daß man seine Untertanen nie geringschätzen darf; ich warne dich zum letzten Male und erinnere dich an den letzten Willen deines seligen Vaters; klage dann nur dich selbst an!« Der König sagte: »So Gott will, werde ich morgen Sitzung halten.« Schimas verließ ihn hierauf und berichtete dem Volk, was er dem König gesagt und was ihm dieser geantwortet. Sobald aber diese Unterredung der Geliebten des Königs bekannt wurde, eilte sie zu ihm und sagte: »Wie sehr muß ich mich über dich und über deinen Gehorsam gegen deine Veziere wundern. Haben sie dich etwa nackt gefunden und dich auf einmal auf den Thron erhoben? Und selbst dann dürften sie sich nicht so abscheulich gegen dich benehmen; du darfst dich nicht so tief herablassen. Weißt du nicht, daß sie die Sklaven deines Vaters waren, der dich zu ihrem Herrscher eingesetzt? Du bist aber so furchtsam, als hätte dich nicht dein Vater gezeugt, du erschrickst vor denen, die Gott unter deine Fußsohlen gelegt. Mit Recht sagt man: Wenn das Herz eines Königs nicht von Eisen ist, so verdient er nicht, König zu sein. Denn nur das Vieh hat ein Herz von Fleisch. Diese Leute drohen dir mit ihrem Abfall und Ungehorsam bloß um dich einzuschüchtern; gibst du ihnen nach, so werden sie sich bald über dich erheben und aus Gewohnheit nach deiner Macht lüstern werden. Hüte dich wohl davor, es möchte dir sonst gehen, wie dem Hirten mit den Dieben.« Der König fragte: »Wie war dies?« Und seine Geliebte fing an zu erzählen:


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