Gustav Weil
Tausend und eine Nacht, Vierter Band
Gustav Weil

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Die Abenteuer Alis und Zahers aus Damaskus.

Ali, der Sohn Zahers, erzählte einst dem Kalifen Abdul Malik, dem Sohne Merwans: Wisse, o Fürst der Gläubigen (Gott erhalte dich in deiner Frömmigkeit!), mein Vater Zaher aus Damaskus war ein sehr reicher Mann und stand in so großem Ansehen, daß die höchsten Staatsbeamten ihm häufig nachstehen mußten; er lebte lange kinderlos und hatte manche schlaflose Nacht, wenn er dachte, daß alle seine gesammelten Schätze nach seinem Tod an Fremde übergehen würden. »Eines Nachts«, – so erzählte mir mein Vater selbst – »sah ich im Traum eine weibliche Gestalt, schöner als der Mond, vor mir herwandeln, die mir mit einem Korallenmund freundlich zulächelte und dabei eine Perlenschnur enthüllte, deren Glanz sich bis zu den Wolken erhob; auch ihre Stirn leuchtete wie der Halbmond, aber ihre Haare hingen wie die schwarze Nacht über ihren Nacken herunter; ihre Wangen, welche Anemonen glichen, belebten ein Paar Gazellenaugen, welche von Augenbrauen wie von einem Bogen umwölbt waren. Ganz entzückt rief ich aus: Gepriesen sei der edle Schöpfer! Bist du, meine Herrin, ein Mensch oder ein Genius? Denn ich habe in meinem Leben kein so schönes Weib gesehen. Sie antwortete: Wo denkst du hin! Seit wann sehen Genien mir gleich? Ich stamme von den besten Menschen her; mein Name ist Farha; ich bin die Tochter des Königs Mutaa, des Gebieters der Korallenstadt, welche auf einer Insel des schwarzen Meeres nahe am grünen Meer liegt. Meine Vaterstadt wird wegen ihrer vielen Perlen, Korallen, Saphire und anderer Edelsteine von vielen Kaufleuten besucht, die ihr allerlei Lebensmittel dagegen bringen. Da ich aber keinen von allen schön genug fand, um ihn zu meinem Gatten zu wählen, machte ich mit der Einwilligung meines Vaters eine Reise, um einen Mann zu suchen, der würdig ist, mein Gebieter zu werden. Du bist aber der einzige, dessen Frau ich sein möchte!

»Ich fragte sie hierauf: Und wo kann ich dich finden, um dich zu heiraten? Sie antwortete: In der Residenz meines Vaters, des Königs Mutaa, auf der Koralleninsel. Mit diesen Worten verschwand sie und ich erwachte und konnte die ganze Nacht nicht mehr einschlafen. Sobald Gott den Morgen hereinbrechen ließ, befahl ich meinen Dienern, Geld und Waren zusammenzupacken und alles Nötige zu einer Reise nach Bagdad herbeizuschaffen. Mein Traum beschäftigte mich so sehr, daß alles in größter Eile geschehen mußte. Um nicht aufgehalten zu werden, ließ ich einen Teil meines Vermögens zurück und setzte einen Verwalter darüber. In Bagdad vertauschte ich meine Waren gegen andere, die in Indien am gangbarsten sind, und nach zehn Tagen bestieg ich ein Schiff, das nach Indien segelte. Der Wind war anfangs so günstig, daß, als es den Hafen verließ, es einem Pfeil glich, der aus dem Bogen fliegt. Drei Monate lang war unsere Fahrt glücklich; aber am ersten Tage des vierten Monats wurde auf einmal der ganze Himmel schwarz, die Wellen spielten hin und her, das Meer schäumte, der Wind blies bald von der einen, bald von der anderen Seite. Die Schiffsleute fingen an, laut zu weinen und den erhabenen Gott anzurufen; aber plötzlich kamen vier Wellen von vier verschiedenen Seiten her und zerschlugen das Schiff in tausend Trümmer, so daß alle Schiffsleute in den Abgrund des Meers versanken. Mir gelang es indessen, mich an ein Brett festzuklammern, das die Wellen drei Tage lang umhertrieben; am vierten Tag aber legte sich der Wind und die See wurde ruhiger. Da flehte ich Gott um Rettung an, und siehe da! Ein schönes Schiff mit großen Segeln steuerte auf mich zu, und als es dicht vor mir war, rief ein Mann von sehr ehrwürdigem Aussehen den Schiffsleuten zu: Nun haben wir unseren Zweck erreicht; werft diesem Unglücklichen eine Strickleiter zu! Ich ergriff die Leiter, die mir die Matrosen zuwarfen, und bestieg das Schiff, fiel aber vor allzu großer Freude über meine unerwartete Rettung in Ohnmacht und blieb bewußtlos liegen bis nach Sonnenuntergang. Als ich die Augen wieder öffnete, sah ich vor mir einen goldenen Leuchter mit zwei Wachskerzen von Mannesgröße mit Ambra und Aloeholz besteckt, welche, so oft die Flamme sie berührte, die edelsten Wohlgerüche verbreiteten; daneben saß auf einem griechischen Teppich ein Jüngling in golddurchwirkte Seide gekleidet, von einem goldenen, mit vielen Edelsteinen besetzten Gürtel umwunden und mit einem grünen smaragdenen Szepter in der Hand. Geblendet von so vielem Glanz schlug ich verlegen wieder die Augen nieder; aber der Jüngling, der dies bemerkte, sagte mir: O Zaher, was setzt dich so sehr in Verlegenheit? Wisse, daß wir dich schon zehn Tage auf allen Bergen und Meeren suchen; außer uns segeln noch neun Schiffe deinetwillen umher, alle abgesandt vom mächtigen König Mutaa, Beherrscher der Koralleninsel. Gottlob, daß wir dich gefunden haben, denn der König hat dem, der dich ihm bringt, zehntausend Dinare versprochen. Höchst erstaunt über diese Worte, sagte ich: Ich beschwöre dich bei Gott, sage mir, woher wußtest du, daß ich hierherkommen würde und wie kennst du meinen Namen? Er antwortet mir: Wisse, ich bin ein Adjutant des Königs Mutaa und wurde von ihm nach Syrien gesandt, um dich zu holen. Da hörte ich, du seist nach Bagdad gereist; ich reiste dir nach, vernahm aber, daß du dich nach Indien eingeschifft; später hörte ich, das Schiff, auf dem du dich befandest, sei verunglückt, da berichtete ich es dem König Mutaa, welcher sogleich zehn Schiffe auslaufen ließ, um dich aufzusuchen; auch befahl er den Offizieren, die er mit diesen Schiffen absandte, dich mit besonderer Auszeichnung zu behandeln. Hier hielt er inne und überreichte mir den seidenen Überrock und den goldenen Gürtel, die er am Leib hatte, ließ mir ein Tischchen mit verschiedenem Braten, Backwerk und Süßigkeiten vorstellen und lud mich ein, nach Lust davon zu essen.

»Als ich gegessen hatte, sah ich in der Ferne auf dem Meer ein großes Licht, und als ich den Adjutanten darauf aufmerksam machte, sagte er mir: »Es ist gewiß das Schiff des Königs Mutaa, der gemerkt hat, daß wir dich gefunden haben, und dir nun selbst entgegenzieht. Darum laß uns schnell auf ihn zusteuern, um ihn nicht länger in Zweifel zu lassen. In wenigen Augenblicken waren wir in der Nähe des großen, hell beleuchteten Schiffes, auf welchem in der Tat der König Mutaa saß, der uns freundlich zulächelte und zurief, wir möchten seinem Schiff ans Ufer folgen. Hier angelangt, verbeugte ich mich vor ihm und dankte ihm für meine Rettung. Er bewillkommte mich herzlich, ließ mir ein herrliches Pferd vorführen, und ich ritt an seiner Seite durch die Stadt, deren Bewohner uns freundlich zujubelten, nach dem königlichen Schloß. Am Vorhof des Schlosses, als die verschiedenen Adjutanten und das übrige Gefolge des Königs abstiegen, wollte auch ich desgleichen tun; aber Mutaa gab es nicht zu, sondern ließ mich bis in das Innere des Palastes reiten. Hier sah ich eine Pracht und Herrlichkeit, die in meiner Heimat nirgends zu sehen ist. Der König führte mich in einen großen Saal, wo eine Schar Diener seiner harrten, setzte sich auf einen Thron und hieß mich an seiner Seite Platz nehmen. Sogleich wurde ein Tisch mit allerlei Speisen beladen und vorgesetzt; der König sagte: Im Namen Gottes! Und reichte mir selbst die besten Bissen, wofür ich ihm jedesmal die Hand küßte.

»Als wir gegessen hatten, wurden silberne und goldene Kannen und Waschbecken herumgereicht. Endlich sagte mir der König: Weißt du wohl, Zaher, warum ich dich hierher gebracht und dich mit so vieler Liebe aufnehme? Ich habe eine Tochter, die Sonne ist noch bis heute über keiner Schöneren und Liebenswürdigeren aufgegangen; auch hat sie es durch den Unterricht, den ihr eine alte Amme erteilt, in der Zauberkunst so weit gebracht, daß, wenn sie es wollte, sie in einer Nacht die ganze Welt von Osten bis Westen durchfliegen könnte. Sehr oft kamen Gesandte aus fernen Ländern, welche im Namen von Königen und Prinzen um sie warben; da sagte sie mir immer: Ich will zuerst mit eigenen Augen meinen zukünftigen Gatten sehen. Hierauf verließ sie mich und kehrte am folgenden Morgen wieder und sagte: Der gefällt mir nicht; du kannst den Gesandten mit irgend einer Entschuldigung entlassen. Ich erwiderte ihr stets: Tue, was du willst, meine Tochter, ich werde dir keinen Zwang antun und dich mit keinem Mann verheiraten, der dir nicht gefällt. Eines Tages, als sie auch in Damaskus war, um einen dortigen Prinzen zu sehen, der um sie werben ließ, und auch ihn nicht nach ihrem Geschmack fand, erging sie sich auf den Bazaren und in den Straßen der Stadt, und da sie nirgends einen Mann fand, der ihr gefiel, schlich sie sich durch Zauberkünste mitten in der Nacht von Haus zu Haus, bis sie endlich zu dir kam; du allein hast ihr Herz besiegt und ihr so gefallen, daß sie dich zu heiraten wünscht. Sie wußte auch bald die Stunde auszurechnen, in welcher du hier anlangen würdest. Gelobt sei Gott, der dich wohlerhalten und zur vorausgesagten Zeit hierher geführt! Ich erwiderte: O erhabener König, bin ich doch weniger als einer deiner Diener, wie sollte ich mich dem Wunsch deiner Tochter widersetzen, wenn dir dessen Erfüllung genehm ist!

»Der König begab sich hierauf in ein Kabinett, und nach einer Weile trat er wieder lächelnd heraus, ließ den Kadhi und Zeugen rufen, man schrieb den Ehekontrakt, streute Gold und Silber aus, beräucherte den Verlobungssaal und beschenkte die Dienerschaft. Als alles dies geschehen war, wurden auch der Kadhi und die Zeugen bezahlt. Dann sagte mir der König: Stehe auf, Zaher, und folge mir! Ich stand auf und alle anwesenden Veziere, Staatsräte und anderen hohen Beamten erhoben und entfernten sich. Der König führte mich dann durch sieben Gänge und sieben Gemächer, in deren jedem etwa tausend ganz junge, in Seide gekleidete Mamelucken standen; endlich kamen wir in den innersten Saal, in dessen Mitte ein Springbrunnen sprudelte und an dessen oberer Seite ein mit Perlen und Edelsteinen verzierter elfenbeinerner Thron stand, der mit von Gold durchwirktem Atlas bedeckt war. Als wir dem Thron nahe waren, öffneten sich zwei Türen, eine zur Rechten und eine zur Linken des Saales, und es traten aus beiden Türen Sklavinnen hervor, welche goldene, mit Juwelen besetzte Räucherpfannen trugen, die den Saal mit Moschus- und Ambraduft erfüllten, so daß ich glaubte, die Pforten des Paradieses seien geöffnet. Als ich eine Weile neben dem König saß, erschienen aus einem Seitenzimmer hundert Sklavinnen wie der Mond, mit einer Jungfrau in ihrer Mitte, welche wie die Sonne strahlte, so schön, daß weder die Zunge eines Menschen, noch die eines Genius sie zu beschreiben vermag, und so reich geschmückt als eine Sultanin. Sobald sie mir näher trat, erkannte ich sie als das Mädchen, das mir im Traum erschienen war; ich verlor fast den Verstand vor Freude, vergaß alle Gefahr, der ich mich um ihretwillen ausgesetzt hatte, und pries Gott, den Schöpfer eines so vollkommenen Wesens.

»Als der König mein Entzücken bei dem Anblick sah, sagte er: Hier ist meine Tochter, nimm sie hin, Gott segne euch! Der König entfernte sich hierauf; auch die Sklavinnen zogen sich mit Farha zurück, erschienen aber bald wieder mit ihr in einem anderen, noch schöneren Aufzug und so gingen und kehrten sie zweiundsiebzigmal mit meiner jedesmal anders gekleideten Braut wieder, bis ihre Stirn mit Schweiß bedeckt war, ihre Wangen wie Feuer glühten und mein Verlangen den höchsten Grad erreichte; da zog ich sie zu mir her, führte sie in ein Seitenzimmer, küßte und umarmte sie und sagte ihr: O Freude meines Auges, wie wenig bedaure ich es, um deinetwillen Familie und Vaterland verlassen und mich der Todesgefahr ausgesetzt zu haben. Sie erwiderte: Auch ich hatte manche schlaflose Nacht, manche Mühe und Sorge, bis ich zu deinem Besitz gelangte, ich mußte mir Menschen- und Genienkönige unterwerfen, um jede Stunde bis zu deiner Ankunft hierher Nachricht von dir zu erhalten. Nun, gelobt sei Gott, der mir in allem beigestanden! Laß uns jetzt alles Überstandene vergessen und uns ganz der Wonne und dem Genuß hingeben; doch da niemand gegen die Tücke des Schicksals gesichert ist, gib mir wenigstens als Erinnerung an diese Nacht den Ring, den du an deinem Finger hast. Ich zog den Ring, den ich von meinem Vater geerbt, von meiner Hand und überreichte ihn ihr, und sie gab mir ein kostbares Armband dagegen. Ich schlief dann bald in ihren Armen ein, denn ich hatte schon lange nicht mehr geschlafen, und erwachte erst, als die Sonne schon längst brannte; aber wie groß war mein Schrecken, als ich die Augen öffnete und mich in einer öden Wüste befand, in der kein Mensch sich regte, kein Vogel einen Laut von sich gab, kein grünes Blättchen das Auge erfreute, wo sich nur das Geheul von Werwölfen und das dumpfe Murmeln von bösen Genien vernehmen ließ. Ich stand verzweifelt auf, sah mich nach allen Seiten um, entdeckte aber nichts als Himmel und Sand; da sagte ich den Spruch, dessen sich niemand zu schämen hat: Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen! Dann hob ich die Augen weinend gen Himmel und rief: O Herr, der du das Geheime wie das Offenbare kennst, erbarme dich meiner aus Liebe zu Mohammed, blicke auf mich herab mit deinem Auge, das nie schläft, ich weiß ja nicht, wohin ich mich wenden soll, um gegen die brennende Sonne mich zu schützen! Kaum hatte ich diese Worte vollendet, als ich in Ohnmacht fiel, und ich blieb regungslos liegen, bis die Sonne sich von mir wandte und eine frische Luft mich anwehte. Da stand ich auf und tappte in der Dunkelheit umher, ohne zu wissen, nach welcher Seite hin; bald fiel ich aber, von Hunger, Durst, Müdigkeit und Schmerz erschöpft, zu Boden und schlief wieder ein. Da hörte ich im Traum eine Stimme, welche mir zurief: Sei ohne Furcht, Zaher! Deine Hilfe ist nahe. Ich erwachte gestärkt und durch meinen Traum neu ermutigt, und ging wieder bis vor Tagesanbruch aufs Geratewohl vorwärts; da erblickte ich in der Ferne etwas wie ein Feuer, und als ich mich demselben mehr näherte, sah ich, daß es eine Laterne war, welche auf dem Turm eines alten, festen, aber sehr hohen Klosters brannte. Das Kloster selbst war auch von tausend Kerzen und Lampen beleuchtet und schien sehr stark bewohnt zu sein. Ich war nur noch ein paar Schritte davon entfernt, da öffnete ein steinalter, schwarz gekleideter Mönch ein Fenster, steckte den Kopf heraus und rief: O Herr, Schöpfer der sieben Erden und der sieben Himmel, der gesalzenen Meere und der süßen Flüsse, der Dunkelheit und des Lichts, der du die Toten belebst und die Lebendigen tötest, Beherrscher dieser und jener Welt, o Gott dessen heilige Namen gepriesen seien, Dank sei dir für deine Huld und Erlösung bei deinen Versuchungen, es gibt keinen Gott, außer dir, du allein kennst das Verborgenste, bei dir allein, der du Jakob seinen Sohn Joseph zurückgegeben, ist ein sicherer Zufluchtsort zu finden, du allein bist der wahrhaft Vergebende, darum, o Herr, verzeihe allen denen, die dir ungehorsam waren, und sende allen Unglücklichen deine Hilfe! Ich warf mich, von diesem Gebet ergriffen, vor die Tür des Klosters und schlief vor allzu großer Mattigkeit bald wieder ein. Als ich erwachte, schien mir die Sonne schon heiß ins Gesicht, und ich fand mich von einer Schar Mönche umgeben, die in ihren schwarzen Kutten wie Raben aussahen, sie sprachen unter sich eine mir fremde Sprache, und als ich aufstand und sie grüßte, verstanden sie mich nicht, denn niemand erwiderte meinen Gruß; nur ein alter Mönch, er am Fenster betete, drängte sich zu mir, grüßte mich in meiner Sprache und sagte: Mein Freund, bei dem Messias! Wir leben nun in dieser Wüste seit unserem Alter von sieben Jahren und nun zählen wir alle siebzig und achtzig Jahre, und bis zu dieser Stunde haben wir weder einen Menschen noch einen Djinn erblickt, denn wir befinden uns hier auf einer viereckigen Insel, welche von allen Seiten vom Meer umgeben ist und die so hohe Ufer hat, daß kein Schiff hier landen kann; sie erscheint dem auf dem Meer Schiffenden wie eine weiße Wolke, und der Berg, der sie umgibt, wird der Diamantberg genannt, ist aber so steil und unzugänglich, wie eine umgestürzte Schüssel; sage mir daher, wie es dir möglich war, hierher zu gelangen? Als ich diese Worte des Mönchs vernahm, sagte ich: Bei deinem Glauben, bei dem verehrten Evangelium, bei der mächtigen, heiligen Maria! Sage mir, wie weit ist Damaskus von hier? Der Mönch staunte mich eine Weile an, dann sagte er: Was sprichst du von Damaskus? Du befindest dich auf einer Insel des schwarzen Meeres, das alle übrigen Meere samt dem Berg Kaf umgibt, darauf hat man, nach den Berichten der Reisenden, welche an die Ufer dieser Insel kommen, zehn Jahre zu segeln, bis man das blaue Meer erreicht, auch dieses durchschifft man nicht in weniger als zehn Jahren, es führt in das grüne Meer und letzteres nach einer abermaligen zehnjährigen Fahrt ins griechische Meer, welches nach bewohnten Ländern und Inseln sich erstreckt.

»Ich fragte den Mönch: Und woher habt ihr denn in dieser unfruchtbaren, trockenen Wüste Nahrung und Trank? Er antwortete: Komm mit mir ins Kloster, da sollst du alles sehen. Als ich in den Hof kam, sah ich eine Wasserquelle, süßer als Honig und frischer als Schnee; sie war von allerlei Obstbäumen umgeben, auf denen die schönsten Vögel umherhüpften. Da ich schon lange nicht gegessen und getrunken hatte, bat ich den Mönch, mir einiges Wasser und einige Früchte zu reichen. Er führte mich auf die Terrasse des Klosters und hieß mich einen Augenblick warten; ich sah mich um und war erstaunt, als ich beim hellen Tag in der Entfernung von ungefähr einer Tagereise in eine schwarze Nacht hineinblickte, und bat den Mönch, mir diese Erscheinung zu erklären. Er sagte mir: Das, was du für die Nacht hältst, ist das schwarze Meer, das, wie ich dir schon gesagt habe, diese Insel umgibt, doch komme jetzt und stille deinen Durst und deinen Hunger. Er führte mich hierauf in einen herrlichen Saal, wo ein goldener mit Perlen und Edelsteinen besetzter Tisch aufgetragen wurde, schöner als der des Herrn von Damaskus. Auf dem Tisch standen vier goldene Platten mit allerlei Fleischspeisen, frischen Fischen, Backwerk und ganz wohlschmeckendem Gerstenbrot. Alles war so vortrefflich und ich dabei so hungrig, daß ich in meinem Leben nicht so viel Lust am Essen hatte, wie damals. Als der Mönch bemerkte, daß ich satt war, brachte er mir allerlei Früchte, verschieden an Aussehen, Geschmack und Geruch von den unsrigen. Da sagte ich ihm: Da doch der Zugang zu dieser Insel, nach deinen eigenen Worten so schwer ist, woher habt ihr denn so frische Fische, so vielerlei Früchte und Fleisch und Gerstenbrot? Er antwortete: Erzähle mir zuerst, wie du hierher gelangt, dann will ich deine Frage beantworten. Ich erzählte ihm nun alles, was mir, von meinem Traum in der Heimat bis zum Augenblick, wo ich vor der Tür seines Klosters erwachte, widerfahren. Als ich vollendet hatte, stieß er ein lautes Gelächter aus und sagte: Wisse, mein Freund, wärest du nicht zu etwas Großem bestimmt, so hättest du nie die Strecke von Damaskus hierher zurücklegen können, denn die Insel, auf welcher der König Mutaa herrscht, liegt zwischen dem grünen und dem griechischen Meer, also sehr weit von deiner Heimat und von hier; was aber deine Frage in bezug auf unsere Früchte und andere Speisen angeht, so sollst du alles erfahren, folge mir nur. Er führte mich hierauf wieder in den Hof des Klosters und von hier in einen unterirdischen dunklen Gang, aber bald kamen wir wieder ins Freie und befanden uns auf einem Boden, der wie Silber glänzte, vor einem kleinen See, dessen Wasser süßer als Honig und kälter als Schnee war; um den See herum blühten die herrlichsten Blumen und die schönsten Fruchtbäume, auf denen die Vögel in den verschiedensten Sprachen Gottes Allmacht priesen; ich war wie berauscht vom süßen Duft dieser Blumen und vor Entzücken über all diese Herrlichkeit ganz außer mir.

»Der Mönch fragte mich alsdann: Habt ihr wohl in eurer Heimat auch solche Lustgärten? Ich antwortete: Nein, bei Gott! Eine so wundervolle Anlage gibt es in der ganzen Welt nicht mehr. Er sagte mir dann: Nun blicke auch einmal zurück. Ich drehte mich um und sah etwas, das einer Wolke am Himmel glich, und fragte, was das wäre. Das ist, erwiderte der Mönch, der Berg, auf welchem unser Kloster liegt, es liegt so fern, daß es von hier nur einer Wolke gleicht, in der Nacht hingegen hält man es für einen Stern, wegen der vielen Lampen, die darin brennen. – Nun weiß ich, woher ihr Getreide und Früchte nehmet; doch wie kommt ihr zu Perlen und Edelsteinen und frischen Fischen? – Wisse, mein Freund! Das hier angrenzende Meer steigt zuweilen bis hierher; wenn dann das Wasser sich zurückzieht, bleiben gewöhnlich Fische zurück und auch viele Perlen und Edelsteine, an denen dieses Meer sehr reich ist. Wir blieben nun am Ufer des Reiches bis abends sitzen, da bemerkte ich die Lichter des Klosters wie kleine Sternchen über mir, und nach der Versicherung des Mönchs sieht man sie bis auf eine Strecke von zehn Tagreisen. Wir wollten eben wieder den Rückweg ins Kloster antreten, da hörte ich von jener Seite her ein so mächtiges Geschrei, daß die ganze Insel bebte; ich fuhr zusammen und fragte den Mönch, was dieser Lärm bedeute. Bei dem Messias, erwiderte der Mönch, ich habe manche Nacht hier allein zugebracht und nie das mindeste Geräusch vernommen; ohne Zweifel sind fremde Seetiere auf die Insel gekommen, die nun aber mit den einheimischen Tieren im Kampf sind. Wir stellten uns dann auf einen hohen Stein, der vor dem Teich lag, und sahen uns nach allen Seiten um, da entdeckten wir überall kleine fliegende Lichtchen, die sich gegenseitig verzehrten, auch sahen wir bewaffnete Männer in der Luft, gegen andere mit Schwert und Lanze kämpfend, dann stießen zwei Armeen zu Pferd aufeinander mit einem Kriegsgeschrei, daß die Erde wankte. Das blutigste Gefecht dauerte eine Weile fort, endlich gingen die zwei Heere auseinander und es stellte sich ein alter, ehrwürdiger Graubart, von schönem Aussehen, jedoch halbblind, zwischen sie und rief mit lauter Stimme: Schonet doch euer Blut, ihr törichtes Volk, und reibt einander nicht gegenseitig auf wegen eines Fremdlings, der weder König noch Prinz, sondern nur ein unbedeutender Mensch von der gewöhnlichen Klasse ist. Dann trat dem Alten ein Mann in Elefantengestalt entgegen, sein Name war Tud (hoher Felsen), und sagte ihm: O unser Vater, bei dem Siegel unseres Herrn Salomo, der Sohn Davids! Unser Herr, der König Mutaa, ist ganz unschuldig an diesem unheilbringenden Krieg; das ganze Übel kommt von diesem verruchten Teufel Schulahek her, der ist in unser Land gedrungen, hat unser Heiligtum entweiht, einen fremden Mann, Namens Zaher, entführt und ganz allein auf die Insel gesetzt; wir wollten weiter nichts, als diesen Fremdling nach dem Befehl der Prinzessin Farha zu uns nehmen, ihn beschützen und wieder in die Korallenstadt zum König Mutaa bringen, da widersetzte sich uns der Räuber Schulahek, und so entspann sich der mörderische Kampf, dessen du Augenzeuge warst. Der alte Halbblinde, sein Name war Abu Tawaif, erwiderte hierauf: Wisse, o König Tud, Schulahek ist nicht so sehr zu tadeln, wie du glaubst; die Prinzessin Farha, welche so viele Menschen und Genien durch ihre Schönheit bezaubert, hat unter anderen auch Schulahek und seinen Bruder Schalhuk in das Netz ihrer Liebe gezogen, sie bekriegten sich daher aus Eifersucht, und nach langem Kampf gelang es Schulahek, seinen Bruder zu töten. Als er aber nun um Farha anhielt, wurde er von ihr zurückgestoßen und sie zog ihm einen fremden Menschen aus Damaskus vor, darum gab er sich Mühe, ihr diesen zu entreißen, und darum flog er mit ihm auf diese entlegene Insel. Darauf sagte Tud: Und warum hat er ihn nicht umgebracht? Der Alte antwortete: Weil er doch die Rache Farhas und ihres Vaters fürchtete, darum zog er vor, ihn hierher zu setzen; aber verdient wohl ein Geschöpf wie Zaher, daß ihr um seinetwillen euch so bekriegt? – Du hast recht, antwortete Tud, indessen gebührt dem Fremdling Schutz und Beistand; Zaher ist übrigens ganz unschuldig, dazu tu' ich weiter nichts, als den Befehl meiner Herrin Farha vollziehen; mir ist indessen selbst lieb, wenn ihr den Frieden zwischen uns nach euerem Gutdünken herstellen wollt, aber ich frage euch alle, bei dem Siegel Salomos, der Sohn Davids (Friede sei mit ihm!), ist einer unter euch, der seinen Gast dessen Feind ausliefern würde? Sämtliche Genien antworteten: Nein, das würden wir nicht tun; aber sollen wir wegen eines hergelaufenen Menschen uns noch länger bekriegen? – Es ist wahr, sagte Abu Tawaif, der Mensch hat viel Unheil unter uns gestiftet, da aber sein bitterster Feind sein Leben nicht anzutasten wagte, so wäre es doppelt unrecht, wenn wir ihn töteten; bringt mir ihn einmal her! Bei diesen Worten sprang ein Genius aus der Luft auf mich los und trug mich vor Abu Tawaif.

»Weißt du, sagte er mir, daß ein ganzes Heer Genien um deinetwillen aufgerieben worden ist? Sage mir einmal, wie du es wagen konntest, dir eine Gattin zu wählen, um die so viele Könige und Genien vergebens warben? Als ich ihm hierauf meine ganze Geschichte von meinem Traum bis zu meinem Spaziergang mit dem Mönch erzählte, sagte er: Ich beschwöre euch, Tud und Schulahek, macht euerem Kampf ein Ende und entlasset eure Scharen, ihr kennt ja die List und Macht der Königin Farha, dieser arme Mensch ist ganz unschuldig; ich will ihn durch einen meiner Diener in seine Heimat zurückbringen lassen. – Das darf nicht sein, sagte Schulahek; wenn ihr ihn nicht töten wollt, so soll er doch auch nicht frei in seine Heimat ziehen, wo meine Geliebte sich bald wieder mit ihm vereinigen könnte; laßt uns ihn ins Meer werfen: Steht Gott ihm bei, so wird er sich retten, wo nicht, so mag er untergehen, und wir sagen der Königin Farha, wenn sie uns mit einem Krieg bedroht, bei dem Anblick des blutigen Kampfes zwischen uns hat er die Flucht ergriffen.

»Dieser Vorschlag fand allgemeinen Beifall, und schon wollten einige Genien mich wegschleppen, als auf einmal unzählbare Lichtchen und Flämmchen zum Vorschein kamen und furchtbare Stimmen hörbar wurden, welche riefen: Tut es nicht, tut es nicht, wir sind Abgeordnete der Königin Farha, welcher euer Vorhaben bekannt wurde, und die uns mit dem König Seisam, der sogleich hier eintreffen wird, zur Rettung Zahers hierher gesandt. Als Abu Tawaif den Namen Seisam, Gebieter des Götzentales, vernahm, wurde er ganz blaß, und sagte zitternd zu Schulahek: Ich habe wohl gedacht, diese verruchte Königin Farha wird alles aufbieten, um ihren Geliebten nicht zu verlieren. Jetzt hat sie meinen teuren Sohn Seisam für sich gewonnen, der wird euch alle vernichten, wenn ihr dem fremden Menschen, dessen er sich annimmt, etwas zu Leid tut. – Beschließe, was dir gut dünkt, rief Schulahek dem Alten zu, nur lasse Zaher nicht mehr zu Farha zurückkehren, das könnte ich nicht ertragen. Abu Tawaif gab dem Wunsch Schulaheks nach und beredete seinen Sohn Seisam, zu erlauben, daß Zaher wieder in seine Heimat gebracht werde. Als sie sich aber nach mir umsahen, war ich verschwunden und nirgends mehr zu finden. Da sagte Seisam zu Schulahek: Gewiß hast du ihn von einem deiner untergeordneten Genien wegbringen lassen, um ihn im verborgenen aus der Welt zu schaffen. Schulahek schwor aber bei dem Siegel Salomos. er wisse nicht, wo ich hingekommen, und glaubte, Seisam habe mich der Königin Farha geschickt. Bald hätte sich aus diesem Wortwechsel ein blutiger Kampf entsponnen, wenn nicht Abu Tawaif sie beschworen hätte, so lange zu warten, bis es sich herausstellen würde, was aus mir geworden; ich selbst, setzte er hinzu, übernehme es dann, den Schuldigen zu bestrafen, und wäre es mein eigener Sohn.

»Mein Vater Zaher«, fuhr Ali fort, »den nach der göttlichen Bestimmung ein widerspenstiger Geist, Dalhudsch genannt, im Augenblick, als die beiden Genienhäupter miteinander stritten, aus ihrer Mitte entführte, wurde auf dessen Schloß, das auf einer Insel mitten im Meer der Dunkelheit liegt, getragen, um dort, weil er Veranlassung zu einem so mörderischen Krieg zwischen den Genien war, gepeinigt zu werden. Dalhudsch ersann alle möglichen Qualen für ihn, ließ ihn sogleich in Ketten legen und in einen finsteren Kerker werfen. Des Abends, als er beim Wein saß, ließ er ihn holen und zur Belustigung seiner Trinkgenossen durchprügeln, dann ließ er ihn in einer Ecke stehen und schüttete ihm jedesmal, wenn er von neuem einschenkte, das Überbleibsel des Bechers ins Gesicht.«

Ali erzählte weiter: Mein Vater hatte mehrere Tage hindurch so viel zu dulden, daß sein Wächter, der Geist Mifradj, ihn bemitleidete und, statt ihn nach den Vorschriften Dalhudschs auf verschiedene Weise zu quälen, seine Leiden durch freundliche Worte zu mildem suchte. »Gerne«, sagte er ihm; »würde ich dich in ein von Menschen bewohntes Land zurückbringen, aber eine Strecke von zehn Jahren trennt uns von der Welt des Lichts, die wir nicht ohne die größte Gefahr zurücklegen können, und wo wären wir sicher vor dem gottlosen König Dalhudsch? Der würde uns bis ans Ende der Welt verfolgen.« Während aber Mifradj, auf diese Weise fortfahrend, meinem Vater versprach, so viel es von ihm abhinge, seine Lage erträglich zu machen, trat plötzlich Dalhudsch ins Gefängnis und schwor bei der Dunkelheit, nun müsse Mifradj für Zaher leiden, und ließ ihm sogleich tausend Prügel geben. Mifradj stellte sich ohnmächtig, bis Dalhudsch wieder das Gefängnis verlassen hatte; dann machte er sich schnell auf, entfesselte meinen Vater, nahm ihn auf den Arm und flog mit ihm die ganze Nacht durch über die Wolken hinauf; dann sagte er ihm: »Weißt du, Zaher, daß wir schon eine Strecke von zehn Jahren zurückgelegt haben?« Voll Erstaunen rief mein Vater, nicht bedenkend, daß sein Genius bei dem Namen Gottes vernichtet würde: »Es gibt nur einen einzigen Gott, und Mohammed ist sein Abgesandter!« Kaum hatte er diesen Spruch vollendet, da fiel ein feuriger Pfeil vom Himmel auf Mifradj und verbrannte ihn: Mein Vater aber fiel zur Erde herunter, ohne sich jedoch zu beschädigen.

Die ihm unbekannte Gegend, wo er wieder die Erde berührte, war sehr öde; erst als er einen halben Tag hindurch aufs Geratewohl umherirrte, kam er in ein wohlbebautes, frucht- und wasserreiches Land, und sah am Ufer eines Flusses einen Mann, der sich zum Beten wusch. Er wusch sich auch und betete mit ihm. Nach vollendetem Gebet sagte er ihm: »Ich beschwöre dich bei dem, den wir anbeten, sage mir doch, in welchem Land ich mich befinde und unter welchen Geschöpfen.« – »Wisse«, antwortete er, »diese Insel ist von rechtgläubigen Genien bewohnt, die der Prophet Hidhr den Koran gelehrt hat; man nennt sie die Diamanteninsel; sie ist vom grünen Meer umgeben, das sich bis zum Berg Kaf erstreckt. Hier ist der Sammelplatz der Engel, welche täglich auf der Erde umherstreifen, um die Befehle Gottes zu vollziehen.« Er fragte ihn dann: »Wie sieht denn der Berg Kaf aus?« – »Der Berg Kaf«, antwortete er, »besteht aus einer grünen Perle, ist von den edelsten Geschöpfen Gottes bewohnt und von den mächtigsten Engeln rings umher bewacht, niemand kann ihn betreten ohne besondere Erlaubnis Gottes. Doch komme mit mir zu unserem König, der kann dir besser als ich über alles Auskunft geben.«

Ali erzählte weiter: Der Genius führte meinen Vater hierauf in eine herrliche, sehr feste Stadt, deren Tore von Engeln bewacht waren, welche Geister unter sich hatten, die mit silbernen und goldenen Pfeilern in der Hand auf und ab gingen. Da mein Vater aber in der Stadt keine Minaretts sah, auf denen bei uns das Gebet ausgerufen wird, fragte er seinen Begleiter, wieso sie die Stunde des Gebetes wüßten. Er antwortete: »Wenn die Zeit kommt, wo uns von dem Propheten Hidhr das Gebet vorgeschrieben ist, steigt eine Lichtsäule aus dem Berg, der über der Stadt sich erhebt, und tausend Engel rufen laut: »Gott ist groß! O ihr Geschöpfe des Herrn verkündet, daß es nur einen Gott gibt und daß Mohammed sein Abgesandter!« Er erzählte ihm hierauf von vielen anderen wunderbaren Erscheinungen dieser Insel und versprach ihm, wenn der König es erlauben würde, ihn auf dieser ganzen Insel herum zu führen.

Unter solchen Gesprächen erreichten sie das Schloß des Königs Amrad, dem nichts von allem, was mein Vater bisher gesehen, zu vergleichen ist. Sein Begleiter trat in den Diwan, wo Amrad von seinen Vezieren, Räten und Truppenanführern umgeben saß, und meldete ihn. Dann holte er ihn ab, stellte ihn dem König vor und sagte ihm: »Der König wünscht zu wissen, wieso du hierher gekommen, da doch vor dir kein Mensch noch dieses Land je betrat.«

Er erzählte dem König seine ganze Geschichte von seinem ersten Traum von Farha an, bis zu seiner Flucht mit Mifradj, den er ohne seinen Willen verbrannte. Er hatte aber seine Erzählung noch nicht ganz vollendet, als man einen furchtbaren Lärm vernahm und eine unzählbare Menge Lichtchen und Flämmchen in der Luft erblickte. Auch trat ein Adjutant des Königs in den Diwan und sagte: »Erhabener Herrscher, vor unserer Stadt liegt eine Armee, deren Stärke nur Gott kennt; ich habe natürlich sogleich deine Truppen rings um die Stadt aufgestellt; doch wollte ich nichts weiteres unternehmen, ohne zuvor deine Befehle darüber einzuholen.« – »Da wir noch nicht wissen«, sagte der König Amrad zu seinen Räten, »ob sie in feindseliger Absicht hierher kommen, so ist das beste, wir schicken ihnen einen Gesandten und lassen sie fragen, was sie hierher geführt.« Er begab sich dann auf die Terrasse des Schlosses, und als er fand, daß sein Adjutant in seinem Bericht von der Anzahl der angerückten Heere nichts übertrieben hatte, rief er seinen Großvezier Dilhat zu sich und sagte ihm: »Gehe zur Stadt hinaus zu den Häuptern der fremden Truppen, frage sie, wer sie sind, welchen Glauben sie haben und in welcher Absicht sie gekommen.« Dilhat bestieg sein Pferd und ritt, von einigen Dienern begleitet, zur Stadt hinaus, und bat einen fremden Soldaten, ihn zu den Häuptern der Armee zu geleiten und ihm zu sagen, wer sie eigentlich sind. »Die Armee, die du hier vor dir siehst,« sagte der Soldat, »gehört vier Königen, die selbst hier an ihrer Spitze stehen. Der eine heißt Schulahek, der andere Tud, der dritte Seisam und der vierte Dalhudsch; auch Abu Tawaif, der schlaueste aller Genienhäupter, ist bei ihnen. Wenn du zu den Königen willst, so gehe nur in Abu Tawaifs Zelt, dort unten auf der grünen Wiese, da findest du sie alle beisammen.« Dilhat ging nach dem ihm bezeichneten Ort, wo ein äußerst geschmackvolles und reich verziertes Zelt aufgeschlagen war, in das er als Abgesandter des Königs Amrad eingelassen wurde.

Folgendes ist die Ursache, warum diese vier Könige nach der Diamanteninsel zum König Amrad gezogen. Als Dalhudsch an dem Tage nach meines Vaters Flucht in dessen Gefängnis kam, in der Absicht, ihn dem Gott der Finsternis zu opfern, und weder ihn noch seinen Wächter Mifradj fand, dachte er gleich, daß dieser, wegen seiner harten Strafe erbittert, es versucht haben werde, mit Zaher zu entkommen. Er machte sich daher gleich auf und flog nach allen Meeren und Inseln, um sie aufzusuchen, bis er auch auf die Diamanteninsel kam. Dort hörte er, wie ein Genius zum anderen sagte: »Heute habe ich ein großes Wunder gesehen: Einen Menschen auf dem Rücken eines Genius; letzterer wurde dann plötzlich zu Asche, der Mensch aber hat unbeschädigt die Erde erreicht und befindet sich gegenwärtig bei unserem König.« Als Dalhudsch dies hörte, freute er sich über den Untergang Mifradjs, und da er wohl wußte, daß Zaher nunmehr in sichere Obhut gelangt, flog er wieder heimwärts. Da fand er aber vor seinem Schloß ein Heer, so zahlreich wie die Regentropfen der Sündflut, und dachte: Bei der Nacht und der Dunkelheit! Hier muß sich etwas Außerordentliches ereignet haben, denn so viele Truppen habe ich noch nie beisammen gesehen; auch hat es bisher noch niemand gewagt, mein Schloß zu belagern. Er wendete sich daher an einen der Belagerer und sagte ihm: Ich bringe schon mein ganzes Leben auf dieser Insel zu, und noch nie sah ich einen Genius des Lichts darauf; was führt nun auf einmal ein so großes Heer zu uns, und unter welchen Befehlen steht es?« – »Dieses Heer«, antwortete der Soldat, besteht aus drei Abteilungen, deren eine dem König Schulahek, die andere dem König Tud und die dritte dem König Seisam gehorcht; letzterer ist der Sohn des Teufels Abu Tawaif, der sich auch hier befindet, um mit ihnen einen Menschen Namens Zaher aufzusuchen, den der König Dalhudsch geraubt haben soll.« – »Und woher wissen sie denn«, fragte Dalhudsch, »daß Zaher hierher gebracht worden?« – »Sie haben es«, antwortete der Soldat, »von Mifradjs Gattin gehört, welche, um ihren Gatten und Zaher zu befreien, die Hilfe des Königs Seisam anflehte.« Als Dalhudsch dies hörte, dachte er bei sich selbst: Da doch Zaher noch lebt, so habe ich von diesen Königen nichts zu befürchten. Er ging daher zu Abu Tawaif und sagte ihm: »Zaher aus Damaskus, um dessentwillen du mit den drei Königen hierhergezogen bist, befindet sich auf der Diamanteninsel bei dem König Amrad; ich hatte ihn geraubt, weil ich eurem Krieg ein Ende machen und den Menschen, der so viel Unheil unter Genien stiftet, züchtigen wollte; aber der Wächter, den ich über ihn setzte, hat mich verraten und ihn nach der Diamanteninsel getragen. Wenn euch daher so viel an diesem Menschen gelegen ist, so will ich euch mit meinen Truppen dahin begleiten.« Dieser Vorschlag wurde von Abu Tawaif angenommen, und so zog er denn mit den vier Königen weiter, um Zaher aufzusuchen.

Als der Abgesandte Dilhat diese Könige in Abu Tawaifs Zelt auf goldenen Stühlen sitzend fand, grüßte er mit Ehrerbietung und sagte zu Abu Tawaif: »Ich bin ein Abgesandter des Königs Amrad, welcher mit Erstaunen ein so zahlreiches fremdes Heer auf seinem Gebiet erblickt und gern wissen möchte, in welcher Absicht ihr hierher gekommen. Ich zweifle zwar nicht im mindesten an euren friedlichen Gesinnungen; ihr werdet wohl die Macht des Königs Amrad kennen und um keinen Preis euch in einen Krieg mit ihm einlassen wollen, der euch jedenfalls nur verderblich werden kann; denn solltet ihr auch einmal über seine Truppen siegen, so steht es ihm doch immer frei, euch zu verweigern, was ihr von ihm begehrt, und sich auf den Berg Kaf zurückzuziehen, wo ihn Engel beschützen, deren feurige Pfeile euch abhalten, ihn weiter zu verfolgen.« – »Allerdings«, erwiderte Abu Tawaif, »wünschen wir sehnlich, mit deinem Herrn in gutem Einverständnis zu bleiben; jedoch können wir es nur unter der Bedingung, daß er uns den Menschen aus Damaskus ausliefere, der sich bei ihm aufhält und um dessentwillen, weil die Königin Farha ihn liebt, schon so viel Genienblut geflossen ist.« Dilhat kehrte darauf wieder zu Amrad zurück und machte ihn mit den Namen und der Forderung der vereinigten Könige bekannt.

Amrad versammelte sogleich seine Räte und trug ihnen die ganze Geschichte Zahers und das Verlangen der Genienhäupter Tud, Seisam, Dalhudsch und Schuhalek vor und sagte: »Bei den Lichtstrahlen des Propheten Mohammed! So ungern ich auch Krieg führe, werde ich doch niemals einen rechtgläubigen Muselmann, der meinen Schutz anfleht, gegen seinen Willen ungläubigen Genien ausliefern; ich will sogleich Zaher kommen lassen, und will er nicht gern mit den Genienkönigen von hier ziehen, so mögen sie sehen, ob sie stark genug sind, ihn mir mit Gewalt zu entreißen.« Als mein Vater erschien, sagte ihm der König: »Die Genienhäupter, von denen du mir schon erzählt hast, sind mit ihren Heeren hier angelangt, um dich abzuholen; willst du mit ihnen zu deiner Gattin ziehen, oder ziehst du es vor, hier zu bleiben?« Mein Vater neigte eine Weile den Kopf zur Erde und sagte: »Wenn ich die Wahrheit gestehen soll, erhabener König, so sehne ich mich am meisten nach meinen Verwandten und Freunden in Damaskus; doch auch hier verweile ich nicht ungern, da man hier den einzigen Gott anbetet, der auch mein Gott ist. Aber diese ungläubigen Genien verabscheue ich so sehr, daß ich, selbst wenn sie mir vorschlügen, mich wieder mit der Königin Farha zu vereinen, auch nicht mit ihnen ziehen möchte.« – »Du hast die Antwort Zahers gehört«, sagte der König entschlossen zu Dilhat; »kehre zu den Genienhäuptern zurück und sage ihnen, ich sei zum Kampf bereit, wenn sie darauf bestehen, daß ich den Menschen, dem ich Schutz gewährt, ihnen herausgebe.« Als Dilhat diese Antwort den Königen hinterbrachte, entbrannte ihr Zorn und sie riefen voller Entrüstung aus: »Wie, wegen eines elenden Menschen, der uns schon so viele Not verursachte, fordert uns der König Amrad zum Kampf heraus? Das ist ein Verfahren, das wir nicht dulden dürfen! Laßt uns aufbrechen und seine Stadt verheeren und alle ihre Bewohner töten oder gefangen nehmen!«

Nachdem sich aber die erste Wut der Könige gelegt hatte, sagte ihnen Abu Tawaif: »Wisset, meine Kinder, der König Amrad ist nicht so leicht zu überwinden, wie ihr wohl glaubt, er ist selbst ein Held und seine Armee gleicht einem tobenden Meer. Das beste ist, wir ziehen von hier ab und sagen dem König, wir seien nur auf das dringende Verlangen der Königin Farha gekommen, weil sie glaubte, ihr Gatte wäre neuen Mißhandlungen ausgesetzt; da wir aber sehen, daß ihn der König so sehr liebt, daß er seinetwillen uns den Krieg erklärt, so können wir ihn ohne Sorge hier lassen. Wir lassen aber«, fahr Abu Tawaif fort, »einige unsichtbare Genien hier und beauftragen sie, Zaher zu rauben, sobald sie ihn einen Augenblick allein finden. So erreichen wir unseren Zweck, ohne unsere Truppen einem zweifelhaften Kampf auszusetzen.« Dieser Vorschlag wurde mit jubelndem Beifall angenommen, und es wurde sogleich ein Bote an den König Amrad gesandt, der ihm den Abzug der Genien aus den angeführten Gründen mitteilen sollte. Aber der König Amrad, den ein Engel von den treulosen Anschlägen Abu Tawaifs in Kenntnis gesetzt hatte, ließ sogleich meinen Vater rufen und sagte ihm: »Dein Leben ist hier in Gefahr; du bist von unsichtbaren Genien umgeben, die nur einen günstigen Augenblick abwarten, um dich zu entführen. Ich werde dich daher von einem meiner dienstbaren Geister entweder in deine Heimat oder zur Königin Farha zurücktragen lassen; welches von beiden ziehst du vor?« – »Gnädiger König!« antwortete mein Vater, »so sehr ich auch meine Gattin, die vielleicht schon Mutter ist, liebe, so habe ich doch seit meinem ersten Traum von ihr so viel gelitten, daß ich nicht von neuem ein so unruhiges, gefahrvolles Leben wieder beginnen möchte; am liebsten ist es mir daher, wieder in ein Land, das von Menschen meinesgleichen bewohnt ist, gebracht zu werden.« Der König ließ sogleich einen fliegenden Geist rufen und sagte ihm: »Bringe diesen Menschen in seine Heimat und gib ihm so viel, daß er sein ganzes Leben sorgenlos bei seiner Familie zubringen kann.« Der Geist nahm meinen Vater und einen Beutel voll mit Edelsteinen auf seinen Rücken und flog mit ihm die halbe Nacht durch; dann setzte er ihn auf den Gipfel eines hohen Berges, gab ihm den Beutel und sagte ihm: »Ich muß jetzt zurückkehren, denn bei Tagesanbruch muß ich wieder zu Hause sein; bleibe du hier bis Tag, dann steige den Berg hinab, da findest du eine große Stadt, von der aus du leicht in deine Heimat gelangen kannst.« Aber mein Vater wollte nicht lange auf einer Stelle sitzen bleiben und ging, sobald der Geist sich entfernt hatte, auf dem Berg umher und kam immer mehr von dem einzigen Pfad ab, der zur bezeichneten Stadt führte. Als der Tag heranbrach, befand er sich mitten zwischen furchtbaren Klüften und Abgründen, aus denen er gar keinen Ausweg mehr sah. Da warf er sich nieder und betete: »O Gott, der du mich aus den Händen der ungläubigen Genien befreit, ist meine Lebenszeit abgelaufen, so beschleunige meinen Tod und lasse mich nicht länger auf diesem öden Berg umherirren; willst du aber durch deine Gnade mich noch länger beim Leben erhalten, so zeige mir einen Ausweg aus diesem wilden Gebirge, wo weder ein grünes Blättchen, noch ein Tropfen Wasser zu sehen ist!« Als er sich aber wieder erholte, sah er zwei Füchse vor sich, welche wohlgenährt aussahen; er dachte, hier muß ein fruchtbares Land in der Nähe sein, sonst hielten sich keine Tiere da auf. Er ging daher diesen Füchsen über Felsen und Klippen nach, bis sie in eine Höhle sich verloren. Er folgte ihnen und fand eine sehr künstlich ausgehauene Treppe, welche von der Öffnung, durch welche er hineingegangen, eine Weile beleuchtet war; aber das Licht verlor sich allmählich, je tiefer er hinunterstieg. Die Treppe war indessen so bequem, daß er auch in der Dunkelheit vorwärts schreiten konnte, und bald erblickte er zu seiner größten Freude von der entgegengesetzten Seite eine Öffnung, der ähnlich, welche ihm den Eingang in die Höhle gestattete. Er setzte daher rastlos seinen Weg fort, bis er wieder auf die Oberfläche der Erde kam am Ufer des Meeres, in der fruchtbarsten und blühendsten Gegend, die er in seinem Leben gesehen.

Nachdem er sich an den süßen Früchten und dem frischen Wasser, das hier reichlich aus der Erde sprudelte, gelabt hatte, ging er auf eine kupferne Statue zu, welche er auf einer zwanzig Ellen hohen, marmornen Säule vor sich sah. Die Statue hatte die rechte Hand ausgestreckt und hielt eine goldene Tafel, welche folgende Inschrift hatte: »Im Namen Gottes des Barmherzigen! Wisse, o Wanderer, der du hierher gelangst, du stehst an der äußersten Grenze des von Menschen bewohnten Landes; hier beginnt das Reich der Genien. Diese Insel des Ozeans ist der Fuß eines der höchsten Berge nach dem Berg Kaf. Als Salomo, der Sohn Davids (Gottes Friede sei mit ihm!), sich einst vom Wind durch die ganze Welt tragen ließ und, diesen Berg auf der oberen Seite so öde und steinig und auf der unteren so äußerst lieblich und fruchtbar fand, sagte er zu seinen Genien: O gäbe es doch einen Weg durch diesen Berg, damit, wenn jemals ein Mensch sich hierher verirrt, er nicht vor Durst und Hunger umkomme! Da sagte ein Genius: O Prophet Gottes, alle Berge haben Zweige und Adern wie die Bäume; auch dieser Berg hat unter anderen eine große Ader, welche von dessen Gipfel bis zu dieser Insel sich erstreckt; wenn du es befiehlst, so erweitere ich sie, so daß man bequem von dem Berg zur Insel herabsteigen kann. Auf Salomos Befehl machte er sich sogleich an die Arbeit, bis der Weg durchgebrochen war; dann baute er auch noch einen Hafen in der Nähe, welcher bei den heftigsten Stürmen den Schiffen ein sicheres Obdach gewährt.«

Als mein Vater diese Inschrift gelesen hatte, besuchte er den von Genien erbauten Hafen und dachte: Kämen nicht zuweilen Schiffe hierher, so würden die Genien hier keinen Hafen erbaut haben; ich will also hier warten, bis ich Gelegenheit zur Rückkehr in meine Heimat finde. Es dauerte in der Tat nicht lange, da kam ein Schiff mit Segeln, die den Flügeln eines großen Vogels glichen, wie ein Pfeil daher geschossen und lief in den von Genien erbauten Hafen ein. Als aber die Kaufleute ans Land stiegen, erschraken sie vor meinem Vater, der mit seinem langen Bart, Schnurrbart und Nägeln eher einem wilden Tier, als einem Menschen gleich sah. Einer von ihnen sagte: »Das ist gewiß der Djinn dieser Insel!« ein anderer entgegnete aber: »Nein, er hat Menschenfüße, es ist vielleicht ein Verunglückter; ich will im Vertrauen auf Gott mich ihm einmal nähern.« Er nahm sein Schwert zur Hand, ging auf meinen Vater zu und sagte ihm: »Bist du ein Djinn, so ziehe dich zurück vor dem heiligen Namen Gottes, bist du aber ein Mensch, so sei mir gegrüßt!« Mein Vater erwiderte seinen Gruß und sagte. »Warum hältst du mich für einen Djinn? Ich bin ein Mensch aus Damaskus!« – »So komme mit mir auf mein Schiff«, sagte der Kaufmann, »und erzähle mir, wie du hierher gekommen.« Nachdem mein Vater den Kaufleuten seine ganze Geschichte erzählt hatte, sagten sie ihm, er könne mit ihnen nach Syrien zurückkehren, denn auch sie seien von einem Sturm aus dem mittelländischen Meer in den Ozean getrieben worden, als sie aus dem Abendland nach Latakie segeln wollten. Mein Vater – fuhr Ali in seiner Erzählung vor dem Kalifen Abdul Malik fort – schenkte den Schiffsleuten einige von den Edelsteinen aus dem Beutel, den ihm der König Amrad geschenkt hatte, wogegen er reichlich mit Kleidern, Wasser und Nahrungsmitteln versorgt wurde. Er gelangte nach einigen kleinen Unglücksfällen nach Latakie, wo er nur kurze Zeit sich aufhielt, und kehrte dann zur größten Freude aller seiner Bekannten und Verwandten nach Damaskus zurück, wo er bald die höchsten Staatsämter bekleidete. Neun Monate nach meiner Mutter Hochzeit gebar sie mich und ließ mich auf das Sorgfältigste erziehen. Mein Großvater, der mich wie seinen eigenen Sohn liebte, ließ die besten Lehrer kommen und mir im Lesen und Schreiben, dann in der Philosophie, Geschichte und Astronomie Unterricht erteilen. Ich hatte kaum das Jünglingsalter erreicht, als mir die Schwermut meiner Mutter auffiel; so oft sie mich sah, umarmte sie mich mit einer mehr als mütterlichen Heftigkeit. Sehr oft weinte sie, wenn sie mich küßte, und sagte: »Du siehst deinem Vater gar zu ähnlich.« So oft ich sie aber fragte, wer denn mein Vater war, nannte sie mir einen unbekannten König. Eines Tages schlug ich einen ihrer Sklaven, der mir von meiner Kindheit an verhaßt war, und sagte ihm: »Verruchter Schwarzer, wie oft habe ich dir schon gesagt, ich wollte dich nicht mehr vor meinen Augen haben, warum weichst du mir nicht aus, wenn du mich kommen siehst?« Da antwortete er mir: »Ich bin allerdings nur ein Sklave, doch jeder kennt meine Eltern und weiß, daß sie auch Sklaven waren, wie ich; aber du vaterloser Bub, weißt du, daß dein Vater ein unbekannter, auf dem Meer aufgefundener, hergelaufener Mensch war! Gott verdamme dich, weil du mich so mißhandelst, und lasse dich gleich mir unter fremden Leuten umherwandern, die kein Mitleid mit dir haben!« Der Sklave entfloh bei diesen Worten; ich verfolgte ihn mit entblößtem Schwert, konnte ihn aber nicht erreichen und wußte gar nicht, wo er hingekommen, ob er in die Erde versunken oder in den Himmel gestiegen. Ich blieb eine Weile über die Aussage des Sklaven nachdenkend sitzen; dann begab ich mich zu meiner Mutter. Sie küßte und umarmte mich wie gewöhnlich; ich blieb aber ernst und düster neben ihr sitzen, und als sie mich fragte, was mir denn Unangenehmes widerfahren sei, sagte ich ihr: »Bei dem erhabenen, barmherzigen Gott, ich muß wissen, wer mein Vater war, oder mein Schwert soll deinem lasterhaften Leben ein Ende machen!« Meine Mutter erwiderte weinend: »Mein Sohn, bei dem, der die Berge geschaffen und ihre Größe und Schwere kennt, dein Vater war einer der Besten und Edelsten seines Volkes!« – »Nicht so viele Worte!« rief ich ganz außer mir: »Nenne mir meinen Vater, oder ich bringe dich und mich um, denn ich habe heute etwas gehört, das meine jugendlichen Locken grau färbt.« Als meine Mutter dies hörte, sagte sie mir: »Stecke dein Schwert ein und setze dich ruhig zu mir, ich will dir alles gestehen.« Sie erzählte mir dann, wie so viele Prinzen um ihre Hand anhielten, aber kein einziger ihr gefiel; wie sie dann in Damaskus meinen Vater beim ersten Anblick liebte, ihm daher im Traum erschien und ihn aufforderte, zu ihr auf die Diamanteninsel zu kommen; wie er dann nach einem Schiffbruch auf dem Meer gefunden und mit ihr gesetzlich verheiratet wurde. »Aber«, schloß sie dann, »mein Glück war nur von kurzer Dauer: Als ich am Morgen nach der Hochzeitsnacht erwachte, fand ich ihn nicht mehr. Ich erfuhr zwar, daß ihn Schulahek, einer der Genienhäupter, die mich heiraten wollten, geraubt; aber all mein Bemühen, wieder mit ihm vereinigt zu werden, blieb ohne Erfolg, denn der König Amrad, bei dem sich dein Vater zuletzt aufhielt, ist mächtiger als ich, und läßt keinen Genius mehr in seine Nähe kommen. Ich habe nun nichts mehr von ihm, als einen Siegelring, den ich in der Brautnacht gegen ein Armband mit ihm vertauschte.« Als meine Mutter ihre Erzählung vollendet hatte, sagte ich ihr: »Wenn die Sache sich so verhält, so bleibt mir nichts übrig, als meinen Vater aufzusuchen; erlaube mir, alsbald nach Syrien zu reisen.« Sie erwiderte aber: »Mein Sohn, ich kann die Trennung von dir nicht ertragen; auch fürchte ich, es möchte dir auf einer so großen Reise ein Unglück begegnen.« Ich verließ sie zornig über ihre Weigerung, jedoch höchst glücklich über die Nachricht, die sie mir von meinem Vater gegeben. Ich hatte sie aber kaum eine Viertelstunde verlassen, da wurde ich zu meinem Großvater, dem König Mutaa, gerufen.

Ich freute mich schon, denn ich dachte: Gewiß hat ihm meine Mutter gesagt, ich wollte nach Syrien reisen, und er hat sie bewogen, mir ihre Einwilligung zu erteilen. Als ich aber zu meinem Großvater kam, sah er mich grimmig an und sagte: »Wenn du dich nicht der härtesten Züchtigung aussetzen willst, so schlage dir deinen Reiseplan aus dem Kopf und aus dem Herzen, und sprich nie mehr davon.« Ich dachte: Gut, wenn ihr auf diese Weise mich behandelt, so will ich euch hintergehen. Als ich darauf wieder zu meiner Mutter kam, sagte ich ihr: »Wie konntest du meinen Scherz so ernst nehmen? Kenne ich von der ganzen Welt doch nur dieses Schloß, wie wollte es mir einfallen, allein eine Reise nach Damaskus zu machen? Das einzige, was ich wünschte, das wäre, den Siegelring meines Vaters an meinen Fingern tragen zu dürfen, um doch etwas von ihm zu haben.« – »Gebiete über alles, was ich besitze, und über mich selbst«, sagte meine Mutter, indem sie mir den Ring überreichte. Ich ging hierauf zu einem meiner Freunde, der auch Zaher hieß, wie mein Vater, und erzählte ihm alles, was zwischen mir und meiner Mutter und meinem Großvater vorgefallen, und sagte ihm, ich könnte keinen Augenblick mehr Ruhe finden, bis ich bei meinem Vater sein werde. Mein Freund Zaher stimmte mir bei und schwor, er wolle mich begleiten. Wir gingen sogleich an den Hafen und mieteten heimlich ein Schiff nach Syrien, auf das ich durch Zaher einige Kleidungsstücke und einen Beutel voll Gold und Edelsteine, die ich meiner Mutter entwendete, bringen ließ, und am folgenden Abend segelten wir ab. Der Wind war uns in den ersten zwei Tagen sehr günstig, am dritten Tage aber legte er sich nach und nach, die Segel wurden immer lockerer, das Schiff immer träger, bis zuletzt eine gänzliche Windstille eintrat, so daß das Schiff mitten auf dem Meer wie in dem verschlossensten Hafen unbeweglich dastand. Der Hauptmann erschrak sehr, als er dies sah, und sagte uns: »Seid auf eurer Hut vor den furchtbaren Seetieren, die auf diesem Meer hausen, und die zuweilen auf das Schiff steigen und die Mannschaft auffressen; setzet euch mit dem Schwert in der Hand auf den Rand des Schiffes, um sie zurückzustoßen.« In der folgenden Nacht, als ich mit der einen Hälfte der auf dem Schiff sich befindenden Kaufleute Wache hielt, während die andere Hälfte schlief, sah ich auf einmal etwas wie ein hoher Berg auf das Schiff zukommen; der Hauptmann, der es zu gleicher Zeit mit mir sah, schrie: »Wir sind verloren, hier naht sich uns ein Seetier, gegen das weder Schwert noch Lanze etwas vermögen, denn seine Haut ist so hart, daß man Schilder daraus macht, wenn man je ein solches Tier tot findet.« Indessen zog doch jeder sein Schwert und suchte das Tier, das immer näher kam, abzuschrecken, und als es nur noch ein paar Schritte von dem Schiff war und die große bewaffnete Menschenmasse darauf sah, zog es sich wirklich zurück. Aber bald darauf, als wir uns schon gerettet glaubten, kehrte es mit mehr als zweihundert seiner Gattung wieder. Schon rief der Hauptmann: »Nehmet Abschied von euren Freunden und betet zu Gott um Verzeihung eurer Sünden, denn heute ist der letzte Tage auf dieser und unser erster auf jener Welt.« Die Tiere hatten das Schiff schon von allen Seiten umzingelt und waren schon im Begriff hinaufzuspringen, als auf einmal ein heftiger Wind sich erhob, der das Schiff wie einen fliegenden Stern über sie wegtrieb; da jubelte alles, was auf dem Schiff war, und der Hauptmann warf, vor Freude außer sich, seinen Turban in die Höhe. Wir setzten nun bei immer günstigem Wind, klarem Himmel und ruhiger See unsere Reise dreißig Tag lang fort: Der eine sang, der andere rezitierte Gedichte, der dritte erzählte Märchen, so daß uns die Zeit recht angenehm verstrich. Am einunddreißigsten Tag aber bemerkten wir am Himmel einen schwarzen Punkt, nicht größer als ein Drachmen, und bald darauf wehte eine schneekalte Luft, so daß wir alle unsere Winterkleider anzogen. Der schwarze Punkt dehnte sich indessen immer mehr aus, bis er zuletzt sich über den ganzen Himmel verbreitete und man den Auferstehungstag nahe glaubte. Bald blitzte und donnerte es von allen Seiten her, die Wolken vergossen Tränen wie aus Wasserschläuchen, die See kochte und schäumte und trieb das Schiff im Kreis umher. Wir waren alle beschäftigt, das Wasser aus dem Schiff zu schöpfen, das der offene Himmel und das aufbrausende Meer zugleich füllten, aber bald fiel ein so zerschmetternder Hagel, daß wir nicht mehr auf dem Verdeck bleiben konnten, und kaum waren wir heruntergestiegen, als vier Wellen, wie die höchsten Berge von verschiedenen Seiten her gegen das Schiff schlugen und es so zerschmetterten, daß das größte Brett nur die Größe einer Schiefertafel behielt; alles, was auf dem Schiff war, sank in den Abgrund, nur ich hielt mich an einem Sack Mehl fest, das bekanntlich (?) vierzig Tag lang sich auf der Oberfläche des Wassers erhält, und schwamm darauf zwei Tage und zwei Nächte umher, von den Wellen manchmal bis zu den Sternen hinauf und wieder bis in den Abgrund hinuntergeschleudert. Aber am dritten Tage war ich so sehr von Hunger und Durst geschwächt und von der Nässe und Kälte erstarrt, daß ich nicht mehr Kraft genug hatte, mich an dem Mehl festzuhalten. Indessen hielt ich mich doch mit Hilfe der Wellen noch bis gegen Abend auf der Oberfläche des Wassers, da ich aber nicht mehr hoffen konnte, die Nacht zu überleben, hörte ich auf zu schwimmen und wollte durch einen schnellen Tod meinem Leiden ein Ende machen, als ich auf einmal etwas wie ein großes Feuer mitten auf dem Meer vor mir sah, Jetzt strengte ich von neuem alle meine noch übrige Kraft an, um mich dem Feuer zu nähern. Bald bemerkte ich aber, daß ich ein großes goldenes Schloß, von vier riesenhaften Genien getragen, für ein Feuer gehalten, denn es war so hell beleuchtet und so reich mit funkelnden Edelsteinen verziert, daß es über das ganze Meer wie die reinste Mittagssonne ein blendendes Licht verbreitete. Als ich nur noch ein paar Schritte davon entfernt war, hörte ich, wie jemand rief: »Nehmet den Verunglückten auf!« und sogleich flog ein Genius aus dem Schloß zu mir und trug mich hinein.

Ali fuhr fort: »Ich fiel in Ohnmacht, als der Genius mich aus dem Wasser hob, und kam erst am folgenden Morgen wieder zum Bewußtsein. Da befand ich mich auf einem Bett von rotem Atlas überzogen, vor mir lag ein grünes golddurchwirktes seidenes Kleid, und auf dem Marmorboden stand eine Kohlenpfanne, auf der Aloeholz brannte, daneben ein Tisch, mit den ausgesuchtesten Speisen der Luft, des Wassers und der Erde gefüllt. Sobald ich mich aus dem Bett erhob, kamen zwei Diener, welche an der Türe standen, auf mich zu, wuschen mich mit Rosenwasser und zogen mich an. Ich setzte mich ganz ausgehungert an den Tisch, bis ich satt war. Dann brachten die Diener allerlei Früchte und Süßigkeiten, und zuletzt wieder Wasser mit wohlriechender Seife. Hierauf verschwanden sie und es traten vier Mädchen wie der Mond zu mir herein und fragten mich, wer ich sei und wie ich auf dieses Meer gekommen? Als ich ihnen meine ganze Geschichte erzählt hatte, sagten sie: »Danke dem Schöpfer, daß dich die Wellen zu uns hergetrieben, denn hier harret deiner nur Glück und Freude.« Ich bat sie dann, mir zu sagen, wo ich mich eigentlich befinde? Was dieses Schloß mitten auf dem Meer bedeute, wer es gebaut und bewohne? Da sagte eine von ihnen: »Wisse, mein Freund, du befindest dich hier auf dem großen Ozean, der die ganze Welt umgibt, und aus dem alle übrigen Meere ausfließen. Dieses Meer ist aber auch bewohnt; so befindest du dich vor einer runden Insel, die zwischen zwei unermeßlich hohen Bergen liegt, an deren Gipfeln sich ein Schloß mit goldenen Mauern erhebt, das im Sonnenschein wie ein Stern leuchtet. Auf dieser Insel wächst das beste Aloeholz, und entspringt eine Quelle von dunkelblauem, wohlriechendem Wasser, in der sich Fische von den verschiedensten Farben aufhalten, ohne Gräte, mit goldgelben Augen und spitzigen schneidenden Ohren, mit denen sie den härtesten Felsen zersplittern können. Auch sammelt sich zuweilen ein dichter Schaum auf dieser Quelle, den der Wind häufig, an den zwei Bergen vorüber, ins Meer treibt, wo ihn Kaufleute auffangen und unter dem Namen Ambra verkaufen. Die Stadt, welche auf dieser Insel liegt, übertrifft an Glanz und Reichtum alle Städte der Welt und heißt auch darum Asaf, weil ein jeder bei ihrem Anblick ausruft: Asaf (Wehe!) über die ganze übrige Welt! Sie ist von goldenen Mauern umgeben, mit Zinnen aus Rubinen, und von Reitern bewacht, welche große silberne Lanzen mit smaragdenen Spitzen in der Hand tragen. Mitten in der Stadt erhebt sich ein Schloß, dessen Inneres und Äußeres mit den kostbarsten Edelsteinen überschüttet ist, und dessen wundervolle Einrichtung ich gar nicht beschreiben kann; es enthält unter anderem einen viereckigen Saal, der auf vier goldenen Pfeilern ruht, in dessen Mitte ein Springbrunnen aus rotem Korall ein Meer von Wohlgerüchen verbreitet. Auch hängen in diesem Saal viele goldene Käfige mit silbernem Schloß und smaragdenem Schlüssel, aus denen die süßesten Töne das Ohr entzücken. An der Spitze dieses Saales sitzt auf einem Thron, von grüner Seide überzogen, das schönste Mädchen, das der Herr geschaffen, die mächtige Königin Turaja, Tochter des Königs Farkad, von vielen Menschen und Genien umgeben.«

»Nicht weit von der Insel, auf welcher die Königin Turaja regiert, liegt aber noch eine größere, sehr völkerreiche Insel, deren König Kanas heißt; er hat eine Tochter, weiche unter dem Namen »die blaue Königin« bekannt ist und in der Zauberkunst den höchsten Grad erreicht hat. Sie liebt fremde Männer aufs leidenschaftlichste, und hat daher auf allen Seiten dieses Meeres ihre Spione, die, sobald sie einen schönen Mann sehen, ihr Nachricht davon geben; sie läßt ihn dann durch einen ihr ergebenen Geist zu sich bringen, unterhält sich mit ihm, solange es ihr Freude macht, dann bringt sie ihn um oder verzaubert ihn in irgendein vierfüßiges Tier, oder in einen Vogel. Die Königin Turaja hat daher, um zu verhüten, daß nicht jeder Verunglückte in die Gewalt der abscheulichen blauen Königin falle, dieses Schloß, mitten auf dem Meer, an der Grenze ihres Reichs bauen lassen, und Gott sei gedankt, daß du auf diese Weise gerettet worden.« Die Sklavinnen führten mich dann in einem zierlichen Nachen mit den feinsten Teppichen belegt nach der Stadt Asaf, und brachten mich in ein für Fremde bestimmtes Hotel, das der mächtigste Sultan bewohnen dürfte, so schön war dessen Bauart und innere Einrichtung, und so vortrefflich war es mit allen Annehmlichkeiten des Lebens versehen. Es war Nacht, als wir in das Hotel kamen, und ich wurde in ein Zimmer geführt, in welchem unzählbare Wachslichter mit Aloeholz besteckt in goldenen Leuchtern brannten; ein mit den schmackhaftesten Speisen und Getränken beladener Tisch stand vor einem höchst bequemen und reichgeschmückten Divan. Die Sklavinnen bedienten mich noch bei Tisch, dann zogen sie sich zurück, und ich legte mich auf den Divan und schlief die ganze Nacht. Als ich am folgenden Morgen erwachte, sah ich ein wunderschönes Mädchen in einem golddurchwirkten mit Perlen verziertem Kleid vor mir; ich sagte ihr: »Bist du, Teure, die Königin Turaja?« – »Wo denkst du hin, blödsinniger Mensch?« sagte sie; »ich bin die geringste ihrer Sklavinnen, die Dienerin dieses Gemachs, und harre deiner Befehle.« – »Wann wird denn die Königin Turaja hierherkommen?« – »Ich glaube, du bist von Sinnen, wenn du dir einbildest, die Königin Turaja werde dich hier besuchen. Nach drei Tagen wird sie dich rufen lassen und dich fragen, wer du bist und wieso du hierher gekommen, und dich dann nach deinem Rang behandeln, hüte dich aber nur, ihr etwas von deinen Umständen zu verbergen, denn sie erfährt durch ihre Geister doch alles, und findet sie dich als einen Lügner, so bist du verloren.« Während mir nun die Sklavin noch manches von ihrer Königin erzählte, erschienen auf einmal vierhundert Mamelucken in Atlaskleidern, mit goldenem Gürtel um den Hüften und gezogenem Schwert in der Hand, und ihr Anführer sagte mir: »Mein Herr, die Königin Turaja schickt uns hierher, um dich abzuholen.« Die Sklavin sah ihn mit Erstaunen an und sagte mir: »Wisse, daß du der erste Fremde bist, den die Königin vor dem dritten Tag nach seiner Ankunft ins Schloß rufen läßt, das ist eine gute Vorbedeutung; sei nur recht ehrerbietig und gehorsam gegen sie, sprich nicht zu laut vor ihr, und sei recht bescheiden.« Ich verließ hierauf das Fremdenhotel, der Anführer der Mamelucken hieß mich ein Maultier besteigen, dessen Geschirr ein Königreich wert war, und ritt mit mir nach dem Schloß durch sieben Vorhöfe, welche von mehreren tausend Genien bewacht waren. Als ich endlich in den Thronsaal gelangte, bewillkommte mich die Königin, und alle Veziere und Generäle welche bei ihr waren, erhoben sich vor mir. Nachdem ich ihren Gruß erwidert, und noch einen Wunsch für die lange Dauer ihres Reiches und ihres Lebens hinzugefügt hatte, sagte sie: »Ich weiß schon, wer du bist, und kenne deine Mutter recht gut, darum habe ich dich auch heute schon sprechen wollen; erzähle mir nur zuerst, wie es dir seit deiner Abreise von deiner Heimat gegangen?« Als ich ihr alles von meiner Einschiffung bis zu dieser Stunde mitgeteilt hatte, bewillkommte sie mich nochmals und sagte: »Betrachte mein Land als das deinige, und meine Diener als die deinigen!« Dann erhob sie sich, ergriff meine Hand und führte mich in das Schloß ihres Vaters. Dieser sagte ihr: »Warum besuchst du mich heute so spät, meine teure Tochter?« – »Der Jüngling, den ich hier vorstelle«, antwortete sie, »ist die Ursache meines ungewöhnlich langen Ausbleibens.« Der König, welcher sogleich merkte, daß ich seiner Tochter nicht gleichgültig war, hieß mich näher treten und neben ihn sitzen, und lud mich ein, mit ihm das Frühstück zu nehmen. Die Königin Turaja legte mir die besten Bissen vor, und ich stülpte meine Ärmel zurück und aß mit den Spitzen meiner Finger, bis ich satt war. Nachdem wir gegessen, und unsere Hände aus goldenen Waschbecken mit Rosenwasser und parfümierter Seife gewaschen hatten, wurden die Trinkgefäße mit allerlei frischen und trockenen Früchten nebst Zuckerwerk aufgetragen, und als wir den Wein im Kopf spürten, befahl der König einer seiner Sklavinnen, die Sängerinnen zu holen. Sie kehrte bald wieder mit hundert königlich geschmückten jungen Mädchen, deren jede einen golddurchwirkten Atlasbeutel mit grünen seidenen Schnüren und einem diamantenen Schloß in der Hand trug. Sie nahmen ihrem Rang nach rings um den Saal herum Platz, zogen ihre Instrumente aus den Beuteln und fingen an zu singen und zu spielen, daß ich glaubte, das ganze Schloß tanze mit mir herum. Sie wurden erst nach einigen Stunden wieder entlassen, und als wir allein waren, fragte mich die Königin, ob ich ihr Gatte werden wollte? Da ich vom ersten Augenblick an, wo ich sie sah, eine heftige Liebe für sie fühlte, antwortete ich ihr: »Es ist das höchste Glück, das mir in diesem Leben zuteil werden könnte.«

Turaja machte hierauf ihren Vater mit meiner Familie und meinen Abenteuern näher bekannt, gestand ihm ihre Liebe zu mir und bat ihn um seine Einwilligung in unsere Verbindung. Der König Farkad erteilte uns seinen Segen, worauf die Königin Turaja mich wieder bei der Hand nahm und in ihr Schloß zurückführte. Als wir allein waren, holte sie ein Schwert, ein Stückchen Brot und einen Koran und schwor, daß sie weder in meiner Anwesenheit noch in meiner Abwesenheit, weder bei meinem Leben noch nach meinem Tod einem anderen Mann gehören wolle als mir. Dann bat sie mich, denselben Eid zu schwören, und als ich geschworen hatte, küßte und umarmte sie mich als ihren Gatten. – Am folgenden Morgen sagte sie mir: »Bleibe du hier im Schloß, ich muß wegen einer dringenden Angelegenheit meinen Vater besuchen.« Als sie mich verließ, ging ich im Schloß umher, von einem Gemach zum andern, bis ich zuletzt auf die Terrasse stieg, welche mir eine wundervolle Aussicht auf die ganze Stadt und das Meer gewährte. Schon wollte ich wieder herunter ins Schloß steigen, als ein Vogel auf mich zuflog, mich bis zu den Wolken hinaufhob und den ganzen Tag mit mir herumflog. Erst gegen Sonnenuntergang ließ er sich mit mir auf eine sehr blühende, stark bevölkerte Insel herunter und verwandelte sich plötzlich in einen schönen, königlich gekleideten und geschmückten Jüngling. Höchst erstaunt über diese Verwandlung fragte ich ihn, zu welcher Gattung Geschöpfe er gehöre? Er antwortete mir: »Ich bin ein Mensch wie du, und heiße Tarad, Sohn Anans, König des rauchenden Berges; doch komme nur weiter mit mir, ich will dich mit meinem ganzen Leben bekannt machen.« Er führte mich dann in ein Schloß, vor dessen Toren viele Diener mit goldenen Stäben und Mamelucken mit indischen Schwertern standen, die sich alle vor ihm bis zur Erde verbeugten. In einem großen Saal des Schlosses setzte er sich auf einen Divan, hieß mich neben ihn sitzen und begann:

»Wisse, mein Freund, mein Vater, der mächtige König Anan, hat außer mir noch zwölf Söhne, deren jeder ein großes Königreich besitzt. Er liebte mich aber von meiner Jugend an mehr als alle meine übrigen Brüder, daher beneideten mich diese, und bald verwandelte sich sogar ihr Neid in bitteren Haß. Mein Vater, welcher befürchtete, meine Brüder möchten mir einmal in seiner Abwesenheit etwas zuleide tun, rief eines Tages einen ihm ergebenen Genienfürsten mit Namen Dahisch, der über unzählbare mächtige Genien zu gebieten hat, zu sich und sagte ihm: »Von heute an sollst du nicht mehr mir, sondern meinem Sohn Tarad dienen, vollziehe alle seine Befehle, und hieße er dich auch Berge ausreißen oder Meere austrocknen, und schütze ihn besonders gegen die bösen Anschläge seiner Brüder.« Da mich dieser Genienfürst aller Mühe, Sorge und Arbeit enthob, gab ich mich ganz dem Studium der Zauber- und Beschwörungskunst hin, zu der ich von meiner Kindheit an schon viel Neigung hatte. Ich brachte es bald in dieser Kunst so weit, daß ich glaubte, mich mit den anerkanntesten Zauberern messen zu dürfen. Als ich das Mannesalter erreicht hatte und mich nach einer Gattin sehnte, rief ich Dahisch und sagte ihm: Wisse, daß ich nicht mehr länger hier allein leben mag, ich will mich verheiraten, möchte aber keine andere Gattin als Turaja, die Königin der Moschusinsel, denn nach allem, was ich gehört und gelesen habe, übertrifft sie alle anderen Frauen an Schönheit, Macht, Weisheit und Gelehrsamkeit; darum geh' zu ihr und sage ihr: Der König Tarad, der Sohn Anans, Herr des rauchenden Berges, will dich zur Gattin haben, gewährst du ihm sein Verlangen, so sollst du das glücklichste Weib auf Erden werden, wo nicht, so wird er mit Menschen- und Genienscharen zu dir ziehen, dein Land verwüsten und dich als Gefangene fortschleppen. Dahisch entgegnete mir: Weißt du nicht, erhabener König, daß Turaja so mächtig ist, daß sie den Berg Kaf umzustürzen vermag? Alle Könige dieser Meere sind ihre Verbündeten, selbst Abu Tawaif gehorcht ihr und fürchtet sie: Wie soll ich eine solche Sprache gegen sie führen? – Thu' was ich dir befehle, versetzte ich zornig; mich schrecken ihre Zauberkünste nicht ab; indessen nimm doch aus Vorsicht tausend Riesengenien mit verbranntem Gesicht mit dir und bringe mir bald ihre Antwort. Dahisch weigerte sich nicht länger und flog in sehr kurzer Zeit, von tausend Genien begleitet, nach der Moschusinsel. Als die Königin Turaja die Ankunft eines Genienfürsten mit tausend fliegenden Genien vernahm, schickte sie ihnen einen ergebenen Geist entgegen und ließ sie fragen, in welcher Absicht sie gekommen. Der Geist flog zu Dahisch und grüßte ihn, dieser erwiderte aber den Gruß nicht und der Geist schloß daraus, daß es widerspenstige Genien sein müßten. Einer derselben fragte dann in einem unsanften Ton: Was verlangst du von uns? – Ich bin, antwortete der Geist, von der erhabenen Königin Turaja zu euch gesandt, um euch zu fragen, wer ihr seid, wem ihr gehorchet und was ihr begehret? Dahisch erwiderte hierauf: Ich bin gekommen, um im Namen des Königs Tarad um die Königin Turaja zu werben. Als der Geist mit dieser Antwort zu seiner Herrin zurückkehrte, sagte sie ihm: »Geh' wieder zu Dahisch und sage ihm, er möge mich allein in meinem Schloß besuchen, und mir das Nähere über seine Botschaft mitteilen.

»Als aber der Geist den Wunsch seiner Herrin dem Fürsten Dahisch vortrug, sagte dieser: Du Hund, wie wagst du es, eine solche Botschaft an mich zu übernehmen? Wer ist deine Herrin, daß sie es wagt, mich allein zu sich zu rufen, statt zu mir herauszukommen? Er zog hierauf sein Schwert, tötete den Geist, und drang mit seinen verbrannten Genien ins Schloß.

»Schon hielt sich Dahisch seines Sieges gewiß, als die Königin Turaja ihm entgegentrat, durch das Ausrufen eines heiligen Namens ihn zu Boden stürzte und von ihren Geistern, welche jetzt tausendweise herbeiströmten, in Ketten legen ließ; auch die Genien, die mit ihm gekommen waren, wurden teils verbrannt, teils gefangengenommen. Turaja setzte sich dann auf ihren Thron, ließ Dahisch, der sich so klein wie ein Hühnchen machte, gefesselt vor sich führen und sagte ihm: Wehe dir! Warum hast du meinen Geist erschlagen? Gott verdamme dich! Doch laß mich einmal deine Botschaft vernehmen. – Verzeihe, Königin! rief Dahisch mit zitternder Stimme, mich sendet Tarad, der Sohn Anans, König des rauchenden Berges, zu dir, um dich zu fragen, ob du ihm nicht mit deiner Hand beglücken wolltest. – Und was hat er dir ferner aufgetragen? fragte dann Turaja, Dahisch senkte den Kopf zur Erde und antwortete nicht. Hat er dir weiter nichts gesagt? fragte Turaja nochmals, und da Dahisch in seinem Schweigen beharrte, schlug sie ihm den Kopf ab und befahl ihren Geistern, alle seine Begleiter aus der Welt zu schaffen. Als dieser Befehl vollzogen war, rief sie Charub, einen ihrer Adjutanten, zu sich und sagte ihm: »Bringe mir Tarad, den Sohn Anans, hierher!« Charub nahm sogleich die Gestalt eines ungeheuren Vogels an und flog zu mir, hob mich von meinem Thron weg und trug mich zur Königin Turaja. Willkommen, Herr Bräutigam, rief sie mir höhnisch zu; bei Gott! Du sollst allen Königen dieser Insel zur Warnung dienen, daß keiner so bald es wage, mich nur zu nennen. Sie sagte dann einigen ihrer Genien: Führet ihn ins Gefängnis und bewachet ihn wohl, bis ich von meinem Vater, dem König Farkad, zurückkehre, den ich fragen will, was ich mit diesem Hund anfangen soll. Aber im Augenblick, als ein furchtbarer Genius mich ins Gefängnis führen und die Königin sich entfernen wollte, trat der König Farkad herein und fragte seine Tochter, warum sie ihn heute nicht zur gewöhnlichen Stunde besuchte, und was ihr denn widerfahren, daß sie so aufgeregt aussehe? Turaja erzählte ihm hierauf alles, was zwischen mir, Dahisch und ihr vorgefallen. Gott lasse dich ferner über alle deine Feinde siegen, sagte der König erfreut; doch wo ist der König Tarad? Ich möchte ihn auch gern sehen. Als die Königin auf mich hindeutete, sagte er: Das ist ein König, der um meine Tochter wirbt? Der zittert ja wie ein altes Weib! Er trat mich dann mit seinem Fuß aus dem Saal und befahl dem Scharfrichter, mich zu hängen. Ich hatte schon alle Hoffnung auf Gnade verloren, da traten die Adjutanten des Königs herein und sagten: Der König Anan, Abu Tawaif und einige andere Genienkönige sind mit einer großen Anzahl Truppen im Anzug, um den König Tarad zu befreien; vor dem Schloß steht ihr Abgesandter, der vorgelassen zu werden wünscht. – Führe ihn herein, sagte Farkad einem seiner Adjutanten. Da erschien ein alter Mann, der so ehrwürdig aussah, daß Farkad ihn freundlich aufnahm, neben sich sitzen ließ und ihn in einem sanften Ton fragte, woher er komme, wer er sei und welche Botschaft er bringe? Ich bin, antwortete der Alte, ein Gesandter des Königs Anan, der mit Abu Tawaif mir bald hierher folgen wird, um dich um Gnade für seinen leichtsinnigen, tollkühnen Sohn zu bitten, den er trotz aller seiner Fehler doch zärtlich liebt. Farkad befahl einem seiner Diener, mich einstweilen in ein Gemach des Schlosses zu bringen, und auch den Gesandten meines Vaters ließ er in eines der schönsten Zimmer des Schlosses führen und ihm zwei Genien zur Bedienung geben. Als er dann allein mit Turaja war, sagte er ihr: Teure Tochter, so sehr auch Tarad den Tod verdient, müssen wir doch bedenken, daß er ein König und Sohn eines mächtigen Königs ist, auch uns wird der Großmut nur noch mehr vor den Augen aller Könige erheben; übrigens wäre es auch unklug von uns, wenn wir, um an einem verwegenen Jüngling Rache zu nehmen, uns in einen Krieg mit Anan und Abu Tawaif einlassen wollten; was sagst du dazu? – Ich habe keinen anderen Willen als den deinigen, erwiderte Turaja; ich denke, wir warten einmal die Ankunft Anans ab und sehen, wie er sich gegen uns benimmt; sieht er das Unrecht seines Sohnes ein und bittet uns um Gnade für ihn, so werde sie ihm gewährt; droht er uns aber mit Gewalt, so üben wir Gerechtigkeit aus und lassen uns nicht von ihm einschüchtern. Einige Tage nach diesem Vorfall trat ein Adjutant vor den König Farkad und meldete ihm die Ankunft des Königs Anan mit Abu Tawaif und einigen anderen Genienhäuptern. Farkad und Turaja bestiegen ihre Pferde und ritten ihm, in Begleitung einiger fliegender Genien, deren Flügel so bunt wie Pfauenfedern aussahen, entgegen. Als sie ihm vor dem Tor begegneten, stieg Anan vom Pferd und verbeugte sich vor Farkad; dieser wollte ebenfalls absteigen, aber Anan schwor, er gebe dies nicht zu. Da schwor Turaja auch, er dürfe nicht zu Fuß gehen und redete ihm solange zu, bis er wieder aufstieg und zwischen Farkad und Turaja in die Stadt ritt. Schon waren auf dem Schloß alle Vorkehrungen zum Empfang Anans und Abu Tawaifs getroffen, und es harrte ihrer ein Mittagsmahl, wie man es nur bei so mächtigen Genienkönigen findet, die sich das beste, was da kriecht und läuft und schwimmt und fliegt, zu verschaffen wissen. Während der Mahlzeit wurde wenig und nur von unbedeutenden Dingen gesprochen; erst als der Nachtisch aufgetragen wurde, erhob sich Abu Tawaif und sagte: Der glorreiche König Farkad weiß schon durch unseren Boten, was den König Anan bewogen hat, seine Insel zu verlassen und hierher zu kommen; darf ich wohl dem betrübten Vater die Versicherung geben, daß sein Sohn ihm zurückgegeben wird? Da erhob sich Duha, der Vezier des Königs Farkad, der klügste Mann seines Jahrhunderts und bat ums Wort.

»Als der König Farkad Duhas Bitte gewährte, sagte er: Es ist jedermann bekannt, daß der König Farkad der friedliebendste Regent dieser Inseln ist, daß aber Tarad ohne allen Grund und gegen alles Recht die Ehre der Königin Turaja angegriffen hat; er ist nun selbst in die Grube gefallen, die er ihr zu graben glaubte; er ist jetzt ihr Gefangener, statt daß er sie mit Gewalt aus ihrer Heimat fortzuschleppen hoffte; gern wird sie ihm indessen, so groß auch sein Verbrechen war, um seines Vaters und des ehrwürdigen Abu Tawaif willen verzeihen; aber wer bürgt uns dafür, daß dieser tollkühne Jüngling, einmal wieder in Freiheit, seine verbrecherischen Absichten aufgeben und nicht neue Ränke gegen sie schmieden wird?«

»Da erhob sich Abu Tawaif und sagte: Sein Vater Anan und ich, wir verbürgen uns für ihn, wir selbst übernehmen es, ihn zu züchtigen, wenn er es je wieder wagen sollte, gegen die erhabene Königin Turaja etwas zu unternehmen; laßt ihn nur rufen, ich will es ihm selbst verkünden. Ich wurde hierauf aus meinem Zimmer geholt und in den Saal geführt, wo mein Vater, Abu Tawaif, Farkad, Turaja, Duha und einige andere Veziere und Genienhäupter beisammen saßen. Ich senkte den Kopf zur Erde und befand mich in einem Zustand, der tausendmal schlimmer als der Tod war, denn mein Herz war von Reue, Ärger, Scham und Liebe gedrückt. Auch sah ich so niedergeschlagen und zerknirscht aus, daß alle Anwesenden aus Mitleid weinten. Abu Tawaif redete mich dann folgenderweise an: Weißt du nicht, verwegener Jüngling, daß Gutes mit Gutem vergolten wird, daß aber der Bessere den Anfang macht? Daß Böses mit Bösem bestraft wird, der Schlimmere aber es zuerst übt? Hast du eine so geringe Meinung von der allenthalben verehrten und gefürchteten Königin Turaja, daß du glaubtest, sie ungestraft beleidigen zu können? Doch du bist ein unüberlegter Jüngling, darum will sie dich auch begnadigen, schwöre aber in unserem Beisein, daß du sie fernerhin nie mehr beunruhigen, daß du nie mehr ihr Land betreten, noch ihren Namen aussprechen willst, schwöre dies, dann bürgen wir für dich; bedenke aber, daß der unsichtbare Gott deinen Eid hört und daß du in diesem und jenem Leben verloren bist, wenn du ihn brichst. Ich schwor bei Dem, der die Himmel wie ein Zelt ausgedehnt und die Erde wie eine Wiege geschaffen, der den Morgen in ein weißes und die Nacht in ein schwarzes Gewand hüllt, daß ich mich ihr nie mehr nähern, noch ihren Namen aussprechen wollte. Kaum hatte ich diesen furchtbaren Eid geschworen, als ich in Ohnmacht fiel; ich brachte die ganze Nacht halb bewußtlos zu, und am folgenden Morgen, als ich wieder zu mir kam, erschien mein Vater und forderte mich auf, ihm zu folgen. Ich mußte mit ihm hierher zurückkehren, ohne zuvor meine Geliebte wieder gesehen zu haben, und auf der ganzen Reise machte er mir Vorwürfe über meine Unbesonnenheit, die mir noch härter waren, als der Verlust meiner Geliebten. Ich mußte, ehe er von mir Abschied nahm, ihm noch einmal schwören, daß ich Turaja ganz vergessen wollte; aber kaum war ich allein, da dachte ich nur noch an Turajas Reize, die ich über alle Schilderung gefunden; ich nahm daher die Gestalt eines Vogels an, und seither flatterte ich jeden Tag um ihr Schloß herum in der Hoffnung, sie zu erblicken, bis ich heute dich auf der Terrasse fand, da wandelte mich die Lust an, dich mit mir zu nehmen, um etwas von meiner Geliebten zu hören; auch bin ich sehr begierig, zu vernehmen, wieso du auf die Insel der Königin Turaja gekommen, und in welcher Eigenschaft du dich in ihrem Schloß aufhältst.«

Als Tarad diese wunderbare Geschichte – fuhr Ali dem Kalifen zu erzählen fort – vollendet hatte, dachte ich: Hier muß ich behutsam zu Werke gehen; sage ich diesem rasenden Jüngling, daß ich Turajas Gatte bin, so wird er aus Eifersucht mich umbringen; ich sagte ihm daher bloß, ich sei der Sohn der Königin Farha, Freundin der Königin Turaja, und habe dieser auf meiner Mutter Befehl einen kleinen Besuch gemacht. Als Tarad dies hörte, sagte er: »Wehe mir, wenn Turaja dich vermißt und erfährt, daß ich dich fortgeschleppt habe; da wird sie zu meinem Vater und Abu Tawaif schicken und mich als einen meineidigen König anklagen, da ist es um meine Ehre, vielleicht gar um mein Leben geschehen, das Beste ist daher, ich schicke dich ihr zurück, und bitte dich, sie um Gnade für mich anzuflehen.« Kaum hatte er aber diese Worte vollendet, da trat hastig sein Adjutant herein und sagte ihm: Draußen steht ein Abgesandter der Königin Turaja mit mehr als hundert schwarzen Genien, welcher dich zu sprechen wünscht.« Bei dem Namen Turaja fing Tarad an zu zittern und zu beben, und mit Mühe stammelte er: »Führe ihn herein.« Als der Abgesandte erschien, stand Tarad vor ihm auf, grüßte ihn mit Ehrerbietung und fragte ihn, welche Botschaft er bringe? Der Bote überreichte ihm einen versiegelten Brief, den er hastig erbrach, und als er ihn gelesen hatte, brach er in Schmähungen gegen Turaja aus und sägte dem Gesandten: »So behandelt man keinen König, so sehr er auch gefehlt haben mag.« Da ich fürchtete, Tarad möchte mein Geheimnis erfahren, benützte ich diesen Augenblick, um aus seinem Schloß zu fliehen und irrte auf seiner Insel umher, ohne zu wissen, wohin ich meinen Fuß setzte. Nach einigen Stunden, als ich ziemlich weit vom Schloß entfernt war, warf ich mich voller Verzweiflung auf die Erde, dachte an meinen Vater, an meine Mutter und an Turajas Angst um meinetwillen, und fing an laut zu weinen und Gottes Hilfe anzuflehen. Da rief mir eine Stimme aus der Höhe zu: »Beruhige dich, Ali, es naht dir Hilfe.« Als ich die Augen aufhob, erblickte ich über mir einen großen Genius in Vogelsgestalt; ich bat ihn, sich zu mir herabzulassen und mir zu sagen, zu welcher Gattung Genien er gehöre? Er stieg herunter und sagte mir: »Ich gehöre zu den Genien des Königs Tarad und entfliehe vor dem roten Tod, der sie durch das Schwert der Königin Turaja erreicht. Bald nach deiner Flucht aus dem Schloß des Königs Tarad erblickten wir nämlich eine Röte in der Atmosphäre, daß wir glaubten, der ganze Himmel stehe in Flammen; es waren die feuerspeienden Scharen der Königin Turaja, welche Tarads Schloß wie ein Schwarm Heuschrecken oder Ameisen umlagerten und alles, was darin war, töteten oder gefangennahmen. Die Königin selbst, welche an ihrer Spitze stand, sprang auf Tarad mit gezogenem Schwerte zu und fragte ihn: Wo ist Ali, der Sohn der Königin Farha? Tarad schwor bei Gott, er wisse nicht, wo er hingekommen, er habe sich bei Ankunft ihres Gesandten entfernt und sei wahrscheinlich irgendwo verborgen, oder habe aus Furcht vor den Genien die Flucht ergriffen. Aber Turaja nannte ihn einen Wortbrüchigen und Meineidigen, trat ihn mit Füßen und befahl einem ihrer Offiziere, ihn gefangenzunehmen. Nun, gottlob, daß ich dich hier finde, ich will dich sogleich zur Königin Turaja, die vor Liebe zu dir ganz rasend ist, bringen; du mußt ihr sagen, daß Tarad dir nichts zuleide getan, so wird sie ihm gewiß auch diesmal wieder verzeihen.« – »Tu dies, mein Freund«, sagte ich, »du wirst dadurch Turaja, Tarad und mich verbinden.« Da nahm er mich auf seinen Rücken und flog mit mir so hoch hinauf, daß ich nur noch eine Hand breit vom Himmel entfernt war, dann ließ er sich auf einen hohen Berg herunter, schüttelte mich ab und stellte sich vor mich in der Gestalt eines Raben mit einem Löwengesicht und Adlerkrallen. Ganze Feuersäulen stiegen aus seinem Schlund hervor, und auch seine Augen, welche in die Länge gespalten waren, sprühten Funken, seine Worte glichen dem Donner, und sein Hauch verbreitete Leichengeruch um ihn. »Was bedeutet diese fürchterliche Gestalt?« fragte ich ihn erschrocken. Statt einer Antwort schlug er mich so heftig ins Gesicht, daß ich das Bewußtsein verlor, und als ich wieder zu mir kam, befand ich mich allein auf dem Gipfel eines hohen Berges, mit einem so schweren Stein auf der Brust, daß ich mich weder links noch rechts bewegen und kaum noch atmen konnte. Ich lag so den ganzen Tag unter diesem Felsen; die Sonne brannte mir so heiß ins Gesicht, daß ich es mit den Händen bedecken mußte. Als ich aber gegen Abend sie von meinen Augen weghob, sah ich vier Jungfrauen vor mir, deren Aussehen, Kleidung und Schmuck mich nicht zweifeln ließ, daß es Prinzessinnen sein müßten. Ihr Anblick blendete mich noch mehr, als früher die Sonne; ich schloß daher meine Augen wieder und stellte mich, als schliefe ich. Da hörte ich, wie eine von ihnen sagte, »Wer mag wohl dieser schöne Jüngling sein? Wer hat ihn auf diesen steilen Berg gebracht und ihm einen so schweren Stein aufgebürdet?« Eine andere antwortete: »Dieser Jüngling ist Ali, der Sohn der Königin Farha, der Geliebte der Königin Turaja; der König Sarech, welcher die Königin Turaja leidenschaftlich liebt, hat ihn hierhergetragen, um ihn hier vor Hunger und Durst umkommen zu lassen; aber bei dem Siegel Salomos, wäre auch der König Sarech so mächtig wie Barachja, Salomos Vezier (Friede sei mit ihm!), so muß doch dieser Jüngling gerettet werden.«

Bei diesen Worten ging die Jungfrau auf mich zu und hob den Stein von meiner Brust. Ich öffnete die Augen wieder, schöpfte Atem, stand auf und beschwor meine Retterin, mir doch zu sagen, wieso sie diesen unzugänglichen Berg besteigen konnte, was sie hierherführte und wer sie sei? Sie antwortete mir: »Ich heiße Djauharah und bin die Tochter der blauen Königin, Herrin der weißen Stadt; die drei Mädchen, die du hier bei mir siehst, sind meine Schwestern; die eine heißt Sumurda und ist meine rechte Schwester, die anderen beiden, Murdjana und Jakuta, sind meine Stiefschwestern. Uns ist kein Land zu fern, kein Berg zu hoch und kein Meer zu tief, denn wir fliegen wie Vögel in der Luft und tauchen wie Fische in den Abgrund des Meeres hinab; auf diesen Berg sind wir aber nur um deinetwillen gekommen, als wir auf einem Ausflug dich so hilflos daliegen sahen; komme jetzt mit uns, erhole dich von deinen schweren Qualen; dann steht es dir frei, wieder zu deiner Geliebten zurückzukehren.« Sie nahm mich hierauf in ihren Arm und flog mit mir so schnell wie ein Blitz nach einer herrlichen großen Stadt, welche in einem reizenden Tal lag, ließ sich mit mir auf die Terrasse eines Schlosses herab und führte mich eine marmorne Treppe hinunter in einen Saal, der an Größe und Glanz dem der Königin Turaja nicht nachstand. Es war schon Nacht, als wir ankamen, aber der Saal war heller beleuchtet, als wenn die Mittagssonne ihn beschienen hätte. Djauharah befahl sogleich den Sklavinnen, welche den Saal füllten, das Nachtessen aufzutragen, und kaum hatte sie es gefordert, als niedliche kleine Tischchen mit goldenen Schüsseln, kristallenen Tellern und silbernen Löffeln gebracht wurden, erstere mit Speisen gefüllt, deren Geschmack und Aussehen mir ganz fremd waren, aber ganz vorzüglich mundeten. Als wir satt waren, wurden die Weingefäße gebracht mit allerlei trockenen und frischen Früchten; eine alte Wirtschafterin, die wie eine scheckige Schlange aussah und Feirusadj hieß, schenkte ein und reichte die Becher im Kreis umher, dann holte sie auch Sängerinnen, welche ihren Gesang mit allerlei Instrumenten begleiteten. Gegen Mitternacht, als wir mehr oder weniger berauscht waren, sagte Djauharah zu ihren Schwestern: »Unser Gast bedarf jetzt der Ruhe, darum ziehet euch in eure Gemächer zurück.« – »Glaubst du etwa«, erwiderte Sumurda, »ich werde vor dir diesen Saal verlassen? Wenn eine von uns den noch übrigen Teil der Nacht in Alis Nähe zubringen soll, so gebührt es mir, als der Ältesten, zuerst.« – »Nein«, versetzte Djauharah, »ich habe den Stein von ihm hinweggewälzt, unter dem er gestorben wäre; ich habe ihn auf meinem Arm hierhergetragen, ich allein habe ein Recht auf seine Gesellschaft.« Sumurda zog aber ihr Schwert und drang auf Djauharah ein: Diese zog schnell das ihrige, und es entstand ein Kampf, als wenn zwei Meere einander entgegentobten. Während aber Djauharah und Sumurda um meinen Besitz miteinander fochten, näherten sich mir Murdjana und Jakuta und sagten: »Weißt du, daß dein Leben hier in Gefahr ist? Wie leicht könnte eines dieser Mädchen in seiner Wut dich ergreifen und der anderen zum Trotz umbringen! Wir raten dir daher, diesen Augenblick zu benützen und mit uns zu kommen.« Ich ging mit ihnen zur Tür hinaus; eine von ihnen nahm mich auf ihre Schultern und die andere flog hinter uns her, um uns zu bewachen, bis wir glücklich in Murdjanas Schloß anlangten. Aber kaum hatten wir uns auf einem Divan niedergelassen, als schon die alte Feirusadj erschien und den Mädchen sagte: »Wisset, daß, nachdem Djauharah und Sumurda noch einige Zeit miteinander gefochten hatten, es mir gelang, mit Hilfe einiger Sklavinnen sie zu trennen und den Frieden wieder herzustellen. Als sie aber dann nach der getroffenen Übereinkunft sich die eine zur Rechten und die andere zur Linken Alis setzen wollten und ihn nicht mehr fanden, so dachten sie wohl, er sei von euch entführt worden, und wollten sogleich mit ihren Kriegerscharen euch hier überfallen. Mit vieler Mühe gelang es mir, sie zu bewegen, zuerst mich hierherzusenden, um Ali von euch zurückzufordern und erst, wenn ihr mir ihn verweigert, euch den Krieg zu erklären.« Als Feirusadj so gesprochen hatte, erhoben sich Murdjana und Jakuta und sagten wie mit einer Zunge: »Bei dem erhabenen Gott, lieber sterben wir, als daß wir diesen Jüngling unseren Schwestern ausliefern, und wärest du uns nicht von Jugend an so teuer, so würden wir dich als Überbringerin einer so kühnen Botschaft umbringen; doch kehre zurück und sage unseren Schwestern, das Schwert möge zwischen uns entscheiden.« Feirusadj entschuldigte sich und versprach, alles aufzubieten, um ihre Gebieterin von einem Krieg abzuhalten, hoffte aber in ihrem Inneren, durch List viel leichter ihr Ziel zu erreichen. Sobald sie nämlich Djauharah die Antwort ihrer Schwestern überbracht hatte, kochte sie eine ihr wohlbekannte schwarze Wurzel und wusch damit ihren ganzen Körper, so daß sie wie eine geborene Negerin aussah; sie kleidete sich dann wie die Sklavinnen Murdjanas und flog nach ihrem Schloß, mischte sich unter ihre Sklavinnen und trat so in den Saal, wo ich zwischen Murdjana und Jakuta vor einem Weintischchen saß.

Gegen Morgen, als ich einen Augenblick den Saal verließ und in den Hof ging, folgte sie mir, murmelte ein paar unverständliche Worte her, und sogleich stieg ein abscheulicher Genius aus der Erde, dem sie befahl, mich in Djauharahs Schoß zu tragen. Als aber der Genius mit mir hoch in der Luft, ungefähr Mitte Wegs zwischen Djauharahs und Murdjanas Insel, war, rief ich: »Es gibt keinen Gott außer dem einzigen Gott, und Mohammed ist sein Abgesandter!« Sogleich traf ein feuriger Pfeil meinen Träger und verwandelte ihn in Asche, ich aber fiel herunter in den Abgrund des Meeres. Zu meinem Glück war die See so stürmisch, daß mich die Wellen bald wieder herauf warfen und ich ohne große Anstrengung den ganzen Tag fortschwimmen konnte. Aber gegen Abend nahmen meine Kräfte ab, ich konnte keinen Arm mehr bewegen und dachte: Jetzt wird die Tiefe des Meeres mich verschlingen und kein Mensch und kein Genius wird mein Grab kennen, als die Wellen mich auf einen großen toten Fisch trieben, der auf der Oberfläche des Wassers schwamm. Ich klammerte mich daran fest und ließ mich so einen Teil der Nacht von den Wellen umherschaukeln. Nach Mitternacht tauchten aber Seetiere von jeder Größe und jeder Gestalt, manche waren größer als Elefanten, aus dem Meer, umgaben meinen Fisch von allen Seiten und fraßen so lange daran, bis nur noch das Stück, auf dem ich lag, übrig blieb. Da ich fürchtete, mitgefressen zu werden, sprang ich schnell herunter und schwamm wieder eine Weile umher, bis mein Fuß auf etwas Hartes stieß; da hielt ich an und blieb darauf stehen, bis der Tag heranbrach und mir zeigte, daß ich mich auf einem aus dem Meer hervorragenden kleinen Felsen befand, in der Nähe einer großen Stadt, mit einem schönen von Schiffen angefüllten Hafen. Ich dankte Gott für meine Rettung aus so großer Not, denn ich zweifelte nicht, daß mich bald jemand vom Land aus erblicken und abholen würde. Ich hatte mich nicht getäuscht, denn bald war ein Fischerkahn vom Hafen losgebunden, der auf mich zusegelte und mich aufnahm. Ich dankte dem Schiffer, der mich in seinen Kahn hob, und bat ihn, mir zu sagen, wo ich mich befände? »Du kommst sogleich«, antwortete er mir, »in die weiße Stadt, welche auch wegen der vielen Säulen, auf denen nicht nur das königliche Schloß, sondern auch viele Privathäuser ruhen, die Säulenreiche genannt wird; diese Stadt und Insel wird von einer Frau beherrscht, welche die blaue Königin heißt; sie ist eine der mächtigsten Königinnen der Erde und behandelt ihre Untertanen mit vieler Härte, um so gütiger ist sie aber gegen fremde Jünglinge deinesgleichen.« Der Schiffer gab mir dann ein Stück von seinem Brot und einen Trunk süßes Wasser, und ich fischte mit ihm den ganzen Tag, bis der Kahn mit den schönsten Fischen angefüllt war. Gegen Abend, als wir in den Hafen einliefen, sagte mir der Schiffer: »Morgen bringe ich die Fische der Königin, denn ich bin ihr Leibfischer, und sage ihr, daß ich sie einem fremden Jüngling verdanke, den ich auf einer Klippe gefunden, und bitte sie um die Erlaubnis, dich ihr vorzustellen.« Wir waren aber kaum gelandet, als die Diener der Königin kamen und dem Fischer sagten: »Gib schnell her, was du gefangen, denn wir brauchen diesen Abend Fische zu einem Festmahl.« Der Fischer gab die Fische her und begleitete die Diener bis zur Königin, um ihr zu sagen, daß er seinen reichen Fang nur mir verdanke, worauf sie ihm sogleich befahl, mich zu ihr zu führen. Als ich vor ihr erschien, verbeugte ich mich wie ihre Diener, aber sie bewillkommte mich sehr freundlich und hieß mich sitzen. Da setzte ich mich einen Augenblick, stand aber gleich wieder auf. »Warum bleibst du nicht sitzen?« fragte sie mich. Ich antwortete ihr: »Ich habe mich nur einen Augenblick niedergelassen, um den Befehl der erhabenen Königin zu vollziehen, ich erhob mich aber wieder aus Ehrfurcht vor ihr.« Sie hieß mich dann wieder sitzen, ließ sich bei ihren Gästen als unwohl melden und blieb allein bei mir. Ich mußte ihr alle meine Abenteuer erzählen, und als ich vollendet hatte, sagte sie: »Armer Mann, du hast viel gelitten, ein Säugekind könnte grau davon werden, doch sei frohen Mutes, du bist hier in einem Hause des Trostes und der Freude.« Sie ließ dann ein köstliches Abendessen auftragen und nach der Mahlzeit mich von einer Sklavin in ein Schlafgemach führen, wie ich noch keines in meinem Leben gesehen. Ich schlief bald auf einem seidenen Diwan ein, und erwachte erst am folgenden Morgen, als die Sonne schon längst aufgegangen war. Als ich mich gewaschen und gebetet hatte, kamen vier Diener in mein Zimmer und sagten: »Ist es unserem Herrn gefällig, ins Bad zu kommen?« Ich machte mich auf und folgte ihnen in ein königlich eingerichtetes Badzimmer; die Diener wuschen mich, bis ich wie eine Silberstange aussah, dann zogen sie mir ein recht prachtvolles Kleid an, umgürteten mich mit einem juwelenbesetzten Gürtel und setzten mir eine goldene Krone auf, die mit allerhand Edelsteinen verziert war, und führten mich, so geschmückt, zur blauen Königin. Sie stand vor mir auf, zog mich zu sich auf den Diwan und fragte mich, wie ich die Nacht zugebracht. Ich küßte ihr die Hand, grüßte sie und die Veziere, die um sie versammelt waren, und dankte für die ausgezeichnete Bewirtung. Wir unterhielten uns dann bis zur Mittagsstunde; die Königin wandte keinen Blick von mir, und ich hörte, wie sie zu einer Dame, die in ihrer Nähe saß, sagte. »Ich habe in meinem Leben keinen so schönen Jüngling gesehen.« Nach dem Mittagsgebet gingen wir zur Tafel, wo ich wieder neben der Königin Platz nehmen mußte. Aber nach Tisch, als sie vom Wein erhitzt war und die übrigen Gäste sich entfernt hatten, sah ich ein, daß ich meine gute Aufnahme nicht der Gastfreundschaft der Königin, sondern ihrer leidenschaftlichen Liebe zu mir verdankte, denn kaum waren wir allein, da fiel sie mir wie ein schamloses Weib um den Hals. Mir schwebte aber Turajas Bild vor Augen, ich dachte an den Eid der Treue, den ich ihr geschworen, und wand mich aus ihren Armen los. Da sagte sie voller Wut: »Wie, eine Königin, wie ich, läßt sich zu dir herab und du verschmähst sie?« Sie murmelte dann einige mir unverständliche Worte, stieß mich aus dem Zimmer und sagte: »Verlasse deine menschliche Gestalt und werde ein zahnloser Hund von ekelhaftem Aussehen.« Bei diesen Worten, die ich noch als Mensch vernahm, fing ich an zu zittern und zu beben, und in einem Augenblick war ich ein häßlicher Hund ohne Zähne und konnte kein Wort mehr sprechen. Ich lief nun, wie andere Hunde, in den Straßen umher; aber die Hunde spürten doch etwas Fremdartiges an mir, und verfolgten mich bellend und beißend von einer Straße zur anderen, bis ich zuletzt in eine kleine Sackgasse kam, wo ich keinen Ausweg mehr fand. Da versammelten sich mehr als hundert Hunde um mich, und zerbissen mich von Kopf bis Fuß. Ich bellte so jämmerlich, daß eine Frau, welche in dieser Gasse wohnte, mich bemitleidete und, mit einem Stock in der Hand, herauskam und die Hunde von mir vertrieb. Dann faßte sie mich ins Auge und sagte zu sich selbst: »Dies ist kein Hund, sondern ein verzauberter Mensch;« sie nahm mich daher am Ohr und führte mich in ihr Haus.

Diese Frau hieß Djarda und hatte es in der Zauberkunst noch weiter als die blaue Königin gebracht. Sobald ich in ihrem Haus war, zog sie sich einen Augenblick in ihr Kabinett zurück, dann kam sie wieder mit einer Kohlenpfanne und einem Schüsselchen Wasser, beräucherte und bespritzte mich, murmelte allerlei Beschwörungen und sagte zuletzt: »Bei den heiligen Namen, die ich soeben ausgesprochen, nimm wieder deine frühere Gestalt an!« Kaum hatte sie diese Worte gesprochen, als ich in meiner früheren Gestalt vor ihr stand. Sie führte mich dann zu ihren Töchtern, welche schnell mit ihren Ärmeln ihr Gesicht bedeckten und erstaunt fragten: »Woher kommt dieser Jüngling auf einmal, da doch die Haustüre geschlossen ist?« – »Diesen Jüngling,« antwortete Djarda, »habe ich als Hund von der Straße hereingeführt, wir wollen ihn morgen der Königin bringen, die wird ihre Freude an ihm haben; doch holt ihm schnell etwas zu essen, denn er ist gewiß recht hungrig.« Die Mädchen brachten allerlei Speisen und aßen selbst mit mir; dann kam Djarda mit den Weingefäßen und schenkte so lange ein, bis sie und ihre Töchter berauscht waren. Da ich fürchtete, es möchte mir auch in diesem Haus nicht anders gehen, als bei der Königin, und ohnedies nicht wünschen konnte, am folgenden Morgen dieser zurückgebracht zu werden, verließ ich unter dem Vorwand, ein wenig frische Luft zu atmen, das Zimmer und schlich mich leise zum Haus hinaus. Ich lief lange in der Stadt umher, bis ich endlich vor einem schönen großen Haus eine bequeme steinerne Bank mit einer Matte bedeckt sah; ich legte mich darauf und schlief ein. Ich war aber kaum eingeschlafen, als mich jemand am Arm rüttelte; ich öffnete die Augen und sah einen schönen jungen Mann von sehr vornehmem Aussehen vor mir, der mir sagte: »Was schläfst du hier im Freien auf dieser harten Bank? Komm mit mir herein ins Haus!« Ich folgte ihm schüchtern in ein Haus, das ebenso kunstvoll gebaut und eingeteilt, als geschmackvoll verziert war. Nachdem er mich durch manche große Säle mit Springbrunnen geführt hatte, blieb er in einem kleinen niedlichen Zimmer, setzte sich auf einen seidenen Diwan, hieß mich neben ihm Platz nehmen und fragte mich, wo ich herkomme und wer ich sei? Ich machte ihn mit meiner ganzen Lebensgeschichte bekannt, von meiner Geburt an bis zu meiner Flucht aus dem Haus der alten Zauberin. »Danke Gott«, rief er aus, »für deine Rettung aus der Gewalt der blauen Königin und der noch boshaftern und gefährlichern Djarda. Du mußt jetzt ein paar Tage bei mir verborgen bleiben, ich erwarte einen befreundeten Kaufmann aus der Gegend des rauchenden Berges, der bringt uns vielleicht Nachricht von dem König Anan und der Königin Turaja, dann beschließen wir das Heilsamste für dich.«

Ich blieb nun drei Tage bei diesem Jüngling und wurde von ihm mit der größten Freundlichkeit und Aufmerksamkeit bewirtet. Am vierten Tag trat ein alter Mann von ehrwürdigem Aussehen zu uns herein; der Jüngling bewillkommte ihn herzlich und sagte zu ihm: »Ich habe dich schon lange erwartet, Maher, deine Waren liegen längst bereit, wo bleibst du denn so lange?« –»Unser ganzes Land«, antwortete Maher, »ist sehr mit Kriegern angefüllt, daß man nicht ohne Gefahr und nur auf Umwegen durchkommen kann; der König Anan unternimmt nämlich einen Feldzug mit vielen Verbündeten gegen die Königin Turaja, welche seinen Sohn Tarad nicht eher ausliefern will, bis sie ihren Geliebten, einen gewissen Ali, Sohn Farhas, wiedergefunden,« – »Wenn dem so ist«, sagte der Hausherr, »so reise schnell zur Königin Turaja mit diesem Jüngling, der kein anderer als Ali ist, vielleicht triffst du noch zeitig genug mit ihm ein, um den Krieg zu verhindern, der um seinetwillen auszubrechen droht.« – »Morgen früh«, versetzte Maher, »will ich mich mit ihm auf den Weg machen.«

Am folgenden Tag schenkte mir mein Wirt einen Beutel, voll mit Gold und Edelsteinen, vier Sklaven, zwei Maultiere mit Lebensmitteln beladen, und ein Reitpferd, dessen Geschirr ein halbes Königreich wert war, und begleitete mich, noch ehe die Sonne mich verraten konnte, bis zur Stadt hinaus, wo Maher mit vielen berittenen Dienern mich erwartete. Er empfahl mich diesem noch einmal, nahm Abschied von mir und kehrte in die Stadt zurück. Ich reiste nun mit Maher drei Tage lang durch ein sehr wildes und unwirtbares Land, am vierten Tag aber gelangten wir in ein lachendes Tal mit wohlduftenden Blumen, murmelnden Bächen und zwitschernden Vögeln; ich bat Maher, hier ein Zelt für uns aufschlagen zu lassen, um einen Tag auszuruhen. Er stieg sogleich von seinem Maultier und ließ von seinen Dienern am Ufer eines Baches, dessen Wasser den Tränen eines Liebenden in der Trennungsnacht gleichen, ein großes seidenes Zelt aufschlagen und Teppiche darunter ausbreiten, mit Diwanen von Straußfedern. Nachdem ich eine Weile ausgeruht hatte, erging ich mich im Tal und pries den Schöpfer der Welt, der die Zahl der Regentropfen sowohl als der Sandkörnchen kennt. Der Gesang der Taube glich den Seufzern des Fremdlings, der sich nach seiner Heimat sehnt, die Baumzweige umschlangen sich, vom Winde gewiegt, wie Freunde, die sich wiedersehen, die ganze Natur schien mir belebt und entzückte mich so sehr, daß ich in Gedanken immer vorwärts ging, ohne zu wissen, wohin, bis endlich der Abend herannahte. Jetzt suchte ich vergebens Maher wieder auf, ich wußte aber den Weg nicht zurückzufinden. Da indessen die Nacht immer dunkler wurde, bestieg ich einen Baum, in der Absicht, darauf zu übernachten, um vor wilden Tieren geschützt zu sein; morgen, dachte ich, werden meine Leute mich aufsuchen und ich werde auch eher den Weg wieder zu ihnen finden. Als ich auf dem Baum war, sah ich zwei Männer kommen, von denen der eine auf einem Elefanten und der andere auf einem Löwen ritt, und viele Diener auf Pferden und Kamelen folgten. In der Nähe des Baumes, auf welchem ich saß, machten sie Halt und der eine sagte zum anderen: »Wollen wir nicht hier die Nacht zubringen, Madjad?« – »Jawohl, Cheidar, hier sind wir sicher vor weiteren Verfolgungen.« –»Was bedeutet wohl das königliche Zelt, an dem wir vorübergekommen?« – »Auch mir ist es aufgefallen; wir wollen einen unserer Diener hinschicken und ausspähen lassen, wem es gehört, vielleicht gibt es etwas zu erbeuten für uns.« Bei diesen Worten zitterte ich wie die Blätter des Baumes, auf dem ich mich befand, und hielt meinen Atem zurück, um nicht entdeckt zu werden. Ich hörte dann, wie Cheidar einen seiner Diener nach dem Zelt schickte und Ihn beauftragte, sich auf eine geschickte Weise Nachricht über den Besitzer desselben zu verschaffen. Der Diener kam bald wieder und sagte: »Das Zelt gehört einem Mann aus dem Land des rauchenden Berges, welcher Ali, den Sohn Farhas, zur Königin Turaja begleitet; Ali selbst wird aber schon den ganzen Abend vermißt und irrt vermutlich in diesem Tal umher.« Als Madjad dies hörte, rief er aus: »Welch ein sonderbares Zusammentreffen! O Gott, laß uns doch Ali finden!« Bei diesen Worten hob er die Augen gen Himmel und bemerkte mich auf dem Baum, den eben der Mond beleuchtete. Meine Angst war so groß, daß ich fast vom Baum fiel, aber Madjad rief mir zu: »Steige herunter, Ali, fürchte nichts! Gelobt sei Gott, der uns ohne weitere Mühe und Gefahr mit dir vereint.« Ich stieg herunter und fragte sie, was sie von mir wollten, und bat sie, mich zu den Meinigen zu führen. Sie riefen den Diener, der ihnen Nachricht von mir gegeben, und wir gingen zusammen in Mahers Zelt; hier angelangt, fragte ich nochmals: »Wer seid ihr und was wollt ihr von mir?« Da antwortete Madjad: »Wir sind die Söhne des Königs Anan, Brüder Tarads, der dich aus dem Schloß der Königin Turaja weggetragen. Diese machte sich, als sie dich vermißte, mit einem zahlreichen Heer gegen Tarad auf, und nahm ihn gefangen. Als mein Vater um seine Freiheit anhielt, sagte sie: Ich gebe ihn nicht eher heraus, bis ich Ali wieder habe.

»Vergebens schworen mein Vater und Tarad, sie haben keine Kunde von dir; sie sagte immer: Ich fordere ihn von euch zurück, ihr müßt mir ihn verschaffen, und wär er unter der Erde. Mein Vater und wir alle suchten dich dann überall und sandten Boten nach allen Provinzen unseres Reiches; als aber all unser Bemühen vergebens war, schrieb mein Vater der Königin Turaja, daß, wenn sie den unschuldigen Tarad nicht freilasse, er mit allen seinen Verbündeten gegen sie ausrücken würde. Aber der fliegende Genius, der diesen Brief überbrachte, kehrte nicht wieder, und statt seiner erblickte mein Vater auf einmal nichts als Flügel am Himmel und Füße auf der Erde; es waren die fliegenden Genien und andere Truppen der Königin Turaja, welche sein Schloß von oben und von unten her zugleich angriffen, ihn gefangennahmen und mit sich fortschleppten. Mein Bruder und ich, wir kamen gerade von einer Reise zurück, als dies geschah, und es blieb mir nichts als eine schnelle Flucht übrig. Nun sei Gott gelobt, der uns so unverhofft zu dir führte: Denn du ziehst jetzt mit uns zur Königin Turaja, sie wird sich dann von der Unschuld meines Vaters und meines Bruders überzeugen und ihnen wieder ihre Freiheit schenken.«

Am folgenden Morgen nahm ich von Maher Abschied, und setzte meine Reise mit Tarads Brüdern nach dem rauchenden Berg fort, wo Turaja noch immer Anans Schloß besetzt hielt. Wir hatten auf der Reise noch manchen harten Kampf mit Räubern und mit Genien, welche mir die blaue Königin und die Zauberin Djarda nachgesandt, zu bestehen, und ohne den Beistand einiger der Königin Turaja ergebenen Geister, welche ebenfalls umherstreiften, um mich aufzusuchen, wäre ich wieder zu jenen zurückgebracht worden; aber durch die Gnade Gottes erreichten wir am achten Tag nach unserer Trennung von Maher die Residenz des Königs Anan. Turaja war außer sich vor Freude, als sie mich wiedersah, und auch ich vergaß in ihrer Nähe alle überstandene Gefahr und sank ohnmächtig in ihre Arme. Als ich wieder zu mir kam, sagte Madjad zu Turaja: »Du siehst nun, erhabene Königin, daß weder mein Bruder noch mein Vater deinem Geliebten etwas zuleide getan, lasse dir nun selbst von ihm erzählen, wie ihn Tarad behandelt und wie er dir auf so lange entrissen worden, sei dann gerecht gegen meinen Vater und gnädig gegen meinen Bruder!« Turaja begab sich mit mir allein in ein Gemach und bat mich nach nochmaliger Umarmung, ihr nichts zu verbergen von allem, was mir seit unserer Trennung widerfahren.

Nachdem ich mehrere Male alle meine Abenteuer mit Tarad, mit der blauen Königin und ihren Töchtern, mit Djarda und dem gastfreundlichen Jüngling wiederholt hatte, begab sie sich zu ihrem Vater, dem König Farkad, erzählte ihm alles wieder und fragte ihn, was er nun über Tarad und Anan verfüge. Farkad ließ sogleich Anan, Tarad und Abu Tawaif rufen und sagte zu ersterem: »Da du ganz unschuldig an den Leiden bist, die den armen Ali trafen, so können wir nur bedauern, daß der Leichtsinn deines Sohnes dich in einen für dich so unheilbringenden Krieg stürzte; wir können das Geschehene nicht ändern, aber alles, was wir dir genommen haben, soll dir wiedergegeben werden; dein Sohn Tarad hingegen, wenn er auch selbst Ali nichts zuleide getan hat, so ist er doch Veranlassung zu all dem Unglück gewesen, das seither diese Länder getroffen, auch hat er seinen, vor euch allen geschworenen Eid gebrochen, indem er auf die Terrasse des Schlosses meiner Tochter flog und einen darauf sich befindlichen Gast entführte; er kann daher nicht mehr begnadigt, auch deine und Abu Tawaifs Bürgschaft für ihn nicht mehr angenommen werden, er soll als Gefangener in meine Heimat geschickt werden, wo ich ihn übrigens als König behandeln will; ihm soll auch die blaue Königin mit ihren Töchtern folgen, welche Ali für sich haben wollten und noch in unserer Nähe ihn mit ihren Scharen überfielen.« Er suchte dann Turaja zu bewegen, mit ihm in ihre Heimat zu ziehen; aber sie konnte sich nicht entschließen, dieses schöne Land zu verlassen, denn die Insel des rauchenden Berges ist nach Übereinstimmung aller Reisenden die reizendste auf der ganzen Welt und ist zuerst von Salomo angebaut worden, dem es auf seiner Wanderung durch die Welt hier am besten gefiel, er nannte sie daher auch die Paradiesinsel. Sie ließ also ihren Vater mit den Gefangenen und dem größten Teil der Armee voranziehen und versprach ihm, bald mit mir zu folgen. Als sie aber nach einigen Tagen mit mir und Anan einen größern Spaziergang machte, sahen wir auf einmal etwas wie eine weiße Wolke vom Himmel herabsteigen und uns von allen Seiten umlagern, und siehe da, es waren mehr als zweitausend Genien mit weißen Flügeln, angeführt von der blauen Königin, dem König Tarad, der alten Feirusadj und der Zauberin Djarda. Beide letzteren hatten nämlich, sobald sie ihre Königin als Gefangene abführen sahen, in aller Eile ein paar tausend Genien aus der weißen Stadt, der Residenz der blauen Königin, geholt, und in der Nacht, als Farkads Armee schon weit voraus war und nur noch einige hundert Soldaten die Gefangenen bewachten, fielen sie über die Wache her und töteten sie bis auf den letzten Mann, so daß Farkad gar keine Nachricht davon erhielt; dann kehrten sie zusammen auf die Insel des rauchenden Berges zurück und überfielen Turaja.

Turaja – fuhr Ali in seiner Erzählung vor dem Kalifen Abdul Malik fort – kämpfte zwar wie eine Löwin und tötete allein mehr als hundert ihrer Feinde, aber zuletzt war sie so von Genien umringt, wie der Finger von einem Siegelring; es blieb ihr nichts übrig, als sich zu ergeben, denn Anan, der ihr beistehen wollte, wurde von seinem Sohn Tarad als Gefangener vom Kampfplatz weggeführt, mich aber packte die alte Feirusadj, trug mich auf einen hohen Berg und sagte: »Damit es nicht zwischen der blauen Königin und ihren Töchtern um deinetwillen zu neuen Feindseligkeiten komme, sollst du, Verwüster der belebten Häuser, eine Gestalt annehmen, die niemanden verführt.« Sie nahm dann ein bißchen Erde, murmelte etwas, spie darauf, warf sie mir ins Gesicht und sagte: »Verlasse deine menschliche Gestalt und werde ein häßlicher Rabe, der auf den Gipfeln der Berge umherirrt und mit dem sich kein Mensch bis zum Auferstehungstag befreundet.« Sie hatte kaum diese Worte gesprochen, als ich auf einmal ein Rabe wurde, so schwarz wie die Nacht; ich breitete meine Flügel aus und flog davon.

Ehe ich aber, o Fürst der Gläubigen, fuhr Ali fort, dir meine weiteren Schicksale als Rabe vortrage, will ich dir erzählen, was sich noch ferner zwischen Turaja und der blauen Königin zugetragen. Sobald jene als Gefangene der blauen Königin gebracht wurde, sagte diese: »Wehe dir, du kühne Dirne, mit welchem Recht eignest du dir den schönsten Jüngling auf Erden zu, und verwüstest um seinetwillen ganze Königreiche! Bei Gott! Wenn ich dich nicht um seinetwillen schonte, du wärest schon unter den Toten, doch soll dir das Leben in meiner Hauptstadt nicht allzu süß werden.« Sie befahl dann einigen Genien, Turaja zu fesseln und in die weiße Stadt zu bringen, wohin sie auch gleich folgte. In ihrer Heimat angelangt, begab sich die blaue Königin sogleich ins Bad, dann setzte sie sich im höchsten Glanz, von ihren Töchtern und den Großen des Reiches umgeben, auf ihren goldenen Thron und ließ die Königin Turaja in Ketten vor sich führen. Turaja beugte einen Augenblick vor Scham den Kopf zur Erde, denn es war die erste Niederlage, die sie in ihrem Leben erlitten, dann hob sie ihn aber stolz zur blauen Königin empor und sagte: »Wahrhaft große Könige sind großmütig nach dem Krieg, übrigens kannst du dich nicht rühmen, mich besiegt zu haben, du hast mich plötzlich mit zahlreichen Scharen überfallen, verdankst also deinen Sieg weder deiner Kraft noch meiner Schwäche; indessen, Gott hatte es so über mich bestimmt und niemand kann seinen Verhängnissen ausweichen. Bedenke aber, daß, sobald mein Vater erfahren wird, daß ich hier gefangen bin, er mit einer Armee heranziehen wird, der du nicht zu widerstehen vermagst. Übrigens, wären nur meine Hände und Füße von ihren Ketten befreit, so würde ich allein es mit dir aufnehmen.« Als die blaue Königin dies hörte, sagte sie zu ihren Töchtern: »Ich glaube, Turaja hat den Verstand verloren, sonst würde sie in diesem Zustand es nicht wagen, so mit mir zu reden; aber nehmet ihr einmal ihre Fesseln ab, ich will doch sehen, was diese Verrückte im Sinn hat, und ihr zeigen, daß ich sie auch ungebunden nicht fürchte.« Djauharah hatte ihr kaum die Ketten abgenommen, als sie mit dem Fuß stampfte; sogleich bekam sie Flügel und flog zu einem oberen Fenster hinaus ihrer Heimat zu. Aber auch die blaue Königin nahm die Gestalt eines ungeheuren Vogels an und verfolgte sie, bis sie ihr nahe war, dann packte sie sie an einem Fuß und sagte ihr: »Wehe dir, du Dirne, glaubst du, es wäre so leicht, mir zu entkommen? Warte nur, ich will dich jetzt in einen Käfig sperren, aus dem zu entfliehen dir alle Lust vergehen soll.« Aber noch ehe die blaue Königin ausgeredet hatte, verwandelte sich Turaja in eine Ameise, ließ sich auf den Boden herunter und kroch in die Erde hinein. Die blaue Königin nahm darauf die Gestalt eines Hahnes mit einem großen Schnabel an und pickte die Erde auf, bis sie zur Ameise gelangte. Aber im Augenblicke, wo sie die Ameise mit ihrem Schnabel fassen wollte, verwandelte sie sich in ein Feuer, das wie der Blitz in sie hineinfuhr und ihre Flügel verbrannte, darauf stieg das Feuer in die Höhe und entfernte sich. Die blaue Königin sah sich dann nach ihren Töchtern und Freunden um, sammelte ihre Truppen abermals und verfolgte Turaja, bis sie sie wieder einholte. Turaja war eben im Kampf gegen Feirusadj und Djauharah, als sie sich plötzlich wieder von Feinden umgeben sah, an deren Spitze die blaue Königin mit roten vor Freude strahlenden Wangen stand und ihr zurief: »Wehe dir, Dirne, jetzt ist deine Todesstunde gekommen.« Turaja rief mit kräftiger Stimme: »Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen!« Und siehe da, ihr Vater Farkad kam mit einer zahlreichen Armee herangezogen, um sie aus der Hand ihrer Feindin zu befreien. Sobald er nämlich einige Tage vergebens die Ankunft der Gefangenen mit der Abteilung Truppen, die er bei ihnen zurückgelassen, erwartet hatte, machte er sich auf, um ihnen entgegenzuziehen; da fand er die Seinigen erschlagen, von den Gefangenen aber war keine Spur zu sehen; jetzt fing er auch an für seine Tochter zu zittern, und zog daher wieder nach dem rauchenden Berg hin, um sie zu beschützen. Sobald Turaja ihren Vater sah, fiel sie ihm um den Hals und sagte: »Gelobt sei Gott, der dich jetzt hierher gesandt: Denn wärest du nur ein wenig später gekommen, so hättest du mich nicht mehr unter den Lebenden gefunden.« Sie spornte dann seine Truppen zum Kampf an, welche bald die Genien der blauen Königin entweder töteten oder gefangennahmen, die Königin selbst wurde von Turaja bis in ihre Hauptstadt verfolgt und erschlagen, ihr Reich aber dem König Anan geschenkt, »denn«, sagte Turaja, »ich bleibe nur noch so lange hier, bis meine ausgeschickten Boten Ali auffinden, dann kehre ich mit ihm in meine Heimat zurück.«

Während dies in der weißen Stadt sich zutrug, o Fürst der Gläubigen, flog ich als Rabe unstet umher, ohne zu wissen, in welcher Richtung. Drei Tage lang schwebte ich in der Luft, ohne Speise und ohne Trank, da wurde ich so matt, daß ich keinen Flügel mehr bewegen konnte; ich mußte mich daher herunterlassen, blieb aber bald an einem Baum hängen, bald stieß ich mich an einen Felsen, bis ich endlich ganz ohnmächtig den Boden erreichte. Es versammelten sich aber mehr als tausend Raben um mich, der eine schlug mir seinen Flügel um den Kopf, der andere pickte mich mit dem Schnabel, der dritte riß mir die Federn aus und zerbiß meine Haut, kurz ich mußte alles dulden, wie ein Spatz, der in die Gewalt eines Adlers gefallen. Als sie mich genug geplagt hatten, warf mich ein Rabe, der mich für tot hielt, in das Netz eines Jägers und flog davon. Ich glaubte mich nun jetzt außer aller Not und wollte wieder weiter fliegen, verstrickte mich aber immer mehr, bis zuletzt der Jäger herbeieilte, mich durchprügelte, am Fuße packte und sagte: »Du scheußlicher Rabe, Freund der Verwüstung und Trennung, du sollst dafür büßen, daß du alle anderen Vögel aus meinem Netz verscheuchst.« Er zog dann eine Schere aus der Tasche, schnitt mir die Flügel ab, band mir einen Strick um den Fuß und zog mich daran fort. Er sah aber bald ein, daß er an mir doch einen guten Fang getan, denn ich lockte unterwegs viele Vögel herbei, welche in sein Netz fielen. Als wir des Abends in eine Herberge kamen, sagte er, mich sanft streichelnd: »Gelobt sei Gott, der dich mir sandte, durch dich ist mein Tag gesegnet worden, ich habe heute mehr Vögel gefangen, als sonst in einer ganzen Woche.« Am folgenden Tag, da er bemerkte, daß ich müde war, setzte er mich neben sich auf sein Kamel, und sooft dieses stehenblieb, pickte ich es mit meinem Schnabel, bis es wieder weiter ging; darüber lachte der Jäger herzlich und sagte: »Du bist ein allzu gescheiter Vogel.« Des Abends erreichten wir endlich die Stadt Nischran, wo der Jäger wohnte. Es war eine große Stadt, mitten unter blühenden Gärten gebaut; der König dieser Stadt hieß Rihan und hatte drei Töchter, welche es in der Zauberkunst weiter als Harut und Marut gebracht hatten. Als der Jäger in seine Wohnung kam, wunderte sich seine Gattin darüber, daß er so schnell zurückgekehrt. Er sagte ihr: »Ich verdanke meine baldige Rückkehr mit reicher Beute diesem Raben; gib nur recht acht auf ihn, ich gehe jetzt zu einem Jagdhändler und verkaufe ihm, was ich gefangen.« Die Frau des Jägers führte mich in ein schönes Zimmer und stellte mir Speisen und Wasser vor; ich aß und trank und hüpfte in der Stube umher, spielte mit der Frau und ihren Töchtern, sprang bald dieser, bald jener auf den Schoß, bis der Jäger wieder zurückkam, da verbeugte ich mich und blieb ehrfurchtsvoll vor ihm stehen. Sowohl der Jäger als seine ganze Familie gewannen mich bald so lieb, daß sie nie mehr ohne mich ausgingen. Auf der Straße hatte ich meine große Freude daran, die Hunde zu plagen: Dem einen schlug ich die Flügel ins Gesicht, den anderen biß ich in den Rücken, und wenn sie sich umdrehten und bellten, flog ich davon; auch die Katzen neckte ich so lange, bis sich keine mehr vor mir sehen ließ. Bald sprach man in der ganzen Stadt von mir, viele Leute kamen zum Jäger, um mich zu sehen und mit mir zu spielen, und ein jeder brachte mir etwas Gutes zum Essen mit. Nach einiger Zeit hörte auch der König so viel von meinem Verstand, daß er einen seiner Diener zum Jäger schickte und ihn bitten ließ, mich ins Schloß zu bringen. Der Jäger nahm mich unter den Arm und trug mich zum König. Ich verbeugte mich dreimal vor ihm, wie es seine Untertanen zu tun pflegten, so daß alle seine Veziere und Adjutanten ausriefen: »Bei Gott, das ist ein wunderbarer Vogel.« Als darauf der König seine Hand nach mir ausstreckte, küßte ich sie mit meinem Schnabel und setzte mich bescheiden zu seinen Füßen, aber er hob mich zu sich auf seinen Schoß, streichelte meinen Rücken, ließ einige süße Speisen bringen und sagte: »Komm, kluger Vogel, iß mit mir!« Ich schüttelte schüchtern meinen Kopf, um damit anzudeuten, ich verdiene eine solche Ehre nicht, aber der König sagte nochmals: »Iß nur, freundlicher Rabe!« Da griff ich nach den Süßigkeiten, bis ich satt war, dann putzte ich meinen Schnabel an meinen Federn ab. Dies ergötzte den König so sehr, daß er mich dem Jäger abkaufte und mich stets in seiner Nähe behielt. Eines Tages, als der König etwas später als gewöhnlich in sein Harem ging, fragte ihn seine Gattin, warum er sie so lange allein lasse? Er antwortete: »Ich habe einen Raben, der so klug ist, wie ich noch nie einen Vogel gefunden, er hat mir heute so viel Spaß gemacht, daß ich mich ganz vergaß.« Da sagte die Königin: »Und warum zeigst du mir nicht auch einmal diesen Vogel? Bei Gott, ich habe schon so viel von ihm gehört, daß ich längst wünschte, ihn auch einmal zu sehen; ich wagte es nur nicht, dich darum zu bitten, weil du seiner nie erwähntest.« Der König befahl einer Sklavin, mich zu holen, und als sie mich brachte, sagte er: »Herzenstrost«, denn diesen Namen hatte er mir schon längst gegeben, weil ich ihn in mancher trüben Stunde durch meine Scherze erheiterte, »unterhalte einmal diese Damen ein wenig.« Ich fing an, allerlei Späße zu machen, der einen küßte ich die Wangen, der anderen zog ich das Tuch vom Hals, die dritte zupfte ich an den Locken, der vierten tanzte ich auf dem Schoß herum, bis sie alle vor Lachen sich kaum mehr aufrecht erhalten konnten. Die Königin hatte so viele Freude an mir, daß sie durch eine Sklavin ihren Töchtern sagen ließ, sie möchten doch auch kommen, um an ihrer Unterhaltung mit dem Raben teilzunehmen. Nach einer Weile erschienen drei Mädchen von bezaubernder Schönheit und stolzer Haltung, und kaum hatte die älteste von ihnen einen Blick auf mich geworfen, als sie zu den beiden anderen sagte: »Bei Gott, dieser Rabe ist ein verzauberter Mensch!«

Die Mädchen faßten mich scharf ins Auge und riefen: »Du hast recht, teure Schwester, das ist sonderbar.« Sie baten dann ihre Mutter, ihnen zu erlauben, mich mit sich auf ihr Zimmer zu nehmen, und als sie es erlaubte, sagte mir die älteste Prinzessin: »Folge mir, ich will dir etwas zeigen, das verdient, aufgezeichnet und bis zum Auferstehungstag nicht vergessen zu werden.« Sie führten mich dann in ihr Zimmer zu ihrer alten Erzieherin, welche noch von Amalekiten abstammte und ihre Lehrerin in der Zauberkunst war, und sagten ihr: »Verehrte Mutter, hier bringen wir dir einen Raben, den irgend ein böser Mensch verzaubert hat; willst du nicht einmal sehen, ob du ihm helfen kannst?« Die Alte, welche ein sehr schwaches Gesicht hatte, bat sie, da es schon anfing dunkel zu werden, einige Lichter anzuzünden, dann riß sie mir einige Federn aus, betrachtete meine Haut und rief: »Ich erkenne an diesem Raben die Zauberkraft der alten Feirusadj, Erzieherin der blauen Königin; gewiß liebte ihn diese und ließ ihn verzaubern, weil er ihre Liebe nicht erwiderte.« Sie ging dann mit mir in ein Nebenzimmer, wo ihr Zauberapparat aufbewahrt war, goß gelbes Wasser aus einer versiegelten Flasche in einen kupfernen Becher und murmelte einige mir unverständliche Worte darüber. Das Wasser fing an zu kochen und in die Höhe zu steigen. Da schrie sie: »Bleibe stehen«, und das Wasser, welches eben überlaufen wollte, senkte sich bis an den Rand des Bechers. Sie setzte dann den Becher auf den Boden und es sproßt ringsumher ein grünes Kraut mit einer gelben Blüte aus dem Boden, von diesen Blüten pflückte sie eine Handvoll und rieb meine Füße und meinen Schnabel damit, dann bespritzte sie meinen Kopf mit dem Wasser aus dem Becher und stieß einen furchtbaren Schrei aus, meine ganze Haut zog sich zusammen und ich fiel in Ohnmacht. Als ich wieder zu mir kam, war ich wieder ein Mensch wie zuvor, die Alte stand freundlich lächelnd vor mir und fragte mich, sobald ich die Augen öffnete, nach meinem Namen und ob ich nicht die blaue Königin kenne. Als ich ihr hierauf meine ganze Geschichte erzählte, sagte sie zu den Prinzessinnen: »Ihr seht, daß ich mich nicht getäuscht habe, es war aber auch keine leichte Aufgabe, diesen Zauber zu lösen, wenig fehlte, und ich hätte mein Leben dabei eingebüßt; doch nun ist gottlob alle Gefahr überstanden; dieser schöne Jüngling, der, wie ich wohl merke, euch gar nicht gleichgültig ist, kann jetzt wieder als freier Mensch umherziehen, denn hierher reicht die Macht der blauen Königin nicht.« Ich beschwor sie dann bei Gott, mir zu sagen, ob ich weit von der Moschusinsel entfernt wäre? »Wo denkst du hin?« antwortete sie mir: »Du bist hier ganz in der Nähe des Reiches der Dunkelheit, nicht weit vom Meer Alexanders des Zweihörnigen und der Quelle des ewigen Lebens; ich rate dir, hier bei mir zu bleiben, ich nehme dich an Kindesstelle an und stelle dich dem König als meinen Neffen vor: Nach meinem Tode erbst du alle meine Schätze und ziehst damit hin, wo es dir am besten gefällt.« Ich hatte schon Erfahrung genug, um zu wissen, wie gefährlich es ist, einer Zauberin etwas abzuschlagen; so gern ich also, auch trotz aller Entfernung und Gefahr, sogleich in das Land meiner Geliebten zurückgekehrt wäre, so dankte ich doch für ihr Anerbieten und willigte ein, bei ihr zu bleiben, dachte aber bei mir selbst, Gott wird mir schon eine günstige Gelegenheit zum Entkommen verschaffen und mich wieder mit meiner Geliebten vereinigen. Ich hatte mich nicht geirrt, denn auf meine Einwilligung, bei ihr zu bleiben, sagte sie: »Gelobt sei Gott, der deine Zunge nach seinem Willen geleitet, denn hättest du mein Anerbieten nicht angenommen, so wärest du in diesem Augenblick schon wieder, was du warst.« Sie führte mich dann in ihr Zimmer, das eine freundliche Aussicht auf den Hafen und das Meer gewährte, ließ mir von ihren Dienerinnen die köstlichsten Speisen reichen, dann brachte sie mir selbst einen Kelch voll Wein, der mir meine frühere Kraft und Jugendfrische wieder gab. Als ich gegessen und getrunken hatte, schickte sie mich in ihr Bad, wo schon die schönsten Kleider für mich bereit lagen, und als ich wieder zu ihr kam, sah ich so verjüngt und verschönert aus, daß sie mich kaum wieder erkannte. Auch die Prinzessinnen, welche des Abends die Alte besuchten, um zu sehen, was aus mir geworden, erkannten mich in meinem wieder gewonnenen guten Aussehen und veränderten Aufzug nicht wieder. Es sagte eine zur anderen, als sie mich neben der Alten sahen: »Sitzt hier ein Genienkönig oder ein Engel vom Himmel? Gepriesen sei der Herr, der ihn so geschaffen! Wie schön ist sein Wuchs, wie angenehm seine Gesichtsbildung, Josef dürfte noch sein Diener sein.« Sie waren so bezaubert von meiner Schönheit, daß sie sich ganz vergaßen und stets von neuem in Ausrufungen der Bewunderung ausbrachen. Ich wollte gleich bei ihrem Hereintreten aufstehen und ihnen entgegengehen, aber die Alte erlaubte es mir nicht, indem sie sagte: »Ein Prinz deinesgleichen darf vor niemandem aufstehen, und käme der König selbst hierher.« Sie bewillkommte dann die Prinzessinnen und sagte zu ihnen: »Euer Besuch ist mir sehr angenehm, denn ihr werdet euch gewiß mit Ali, dem Sohn meiner Freundin Farha, Tochter des Königs Mutaa, gut unterhalten.« Die Prinzessinnen dankten ihr, küßten ihr die Hand und blieben den ganzen Abend bei uns, bis endlich die Alte ihnen sagte: »Wenn der König, euer Vater, hört, daß ihr den ganzen Abend in Gesellschaft eines fremden jungen Mannes zugebracht, so wird er euch und mir zürnen, darum rate ich euch, uns jetzt zu verlassen.« Als aber die Prinzessinnen sich entfernt hatten, überhäufte mich die Alte so sehr mit Schmeicheln und Liebkosungen, daß mir ganz unheimlich bei ihr zumute wurde. Noch verdächtiger wurde sie mir, als ihre Sklavin Rihana ins Zimmer trat und sie ihr zurief: »Wer hat dich hierhergerufen, du Dirne? Was hast du in diesem Zimmer zu suchen? Entferne dich eiligst und lasse niemanden ungerufen hereintreten.«

Die Alte holte dann abermals Wein und andere berauschende Getränke herbei, und schenkte mir solange ein, bis ich einschlief. Da erschien mir Turaja im Traum, schlank wie der Zweig eines Ban, mit schmachtendem Blick wie eine nach ihren Jungen sich umsehende Gazelle; Tränen standen auf ihren Wangen wie Tautropfen auf Rosenblättern, sie hatte das Gesicht auf ihre Hand gestützt und sagte mit gebrochener Stimme: »Gleichst du auch gewöhnlichen Menschen, Ali? Konntest du mich so leicht vergessen und dich hier von einer alten Zauberin zurückhalten lassen, sollen meine Feinde an unserer Trennung schadenfroh sein? Du weißt, was ich um deinetwillen gelitten, sei nicht verzagt, zerbrich die Fesseln, die um dich geschmiedet worden, und suche unsere Vereinigung!« Bei diesen Worten öffnete ich meine Augen wieder, und die Alte, welche vor mir saß, kam mir wie eine giftige Schlange vor. Ich fing nun wieder an zu trinken, stellte mich ganz heiter und schenkte der Alten solange ein, bis sie ganz bewußtlos auf den Diwan hinsank. Jetzt machte ich mich schnell auf, öffnete leise die Tür ihres Zimmers, dann das Haustor und entfloh zur Stadt hinaus. Ich lief die ganze Nacht fort, ohne zu wissen wohin, und als der Morgen heranbrach, befand ich mich in einer Wüste, wo weder ein grünes Blättchen noch ein Tropfen Wasser zu sehen war. Bald brannte die Sonne so heiß, daß der glühende Boden meine Fußsohlen entzündete und ich kaum mehr auftreten konnte; da warf ich mich verzweifelt auf den Boden und wälzte mich den ganzen Tag in einem Meer von Tränen und Schweißtropfen umher. Nach Sonnenuntergang, als ein kühler Wind sich erhob, stand ich wieder auf und lief die ganze Nacht in der Dunkelheit umher. Am folgenden Morgen, als die Welt wieder mit ihrem Lichtgewande sich schmückte, und die belebende Sonne das Totenreich der Dunkelheit verdrängte, befand ich mich an einem so hohen Berg, daß kein Vogel sich bis zu dessen Spitze hinaufschwingen kann; er war mit allerlei Fruchtbäumen bewachsen, auf deren Zweigen die schönsten Vögel ihr Morgenlied sangen, und von vielen Bächen bewässert, die wie ein Pfeil von unsichtbarer Höhe herab sich ergossen. Ich labte mich an dem Wasser eines dieser Bäche, denn es war weißer als Milch, frischer als Schnee und süßer als Honig, und setzte mich unter einen hohen Baum, dessen volle Zweige mit ihren großen Blättern kein Sonnenstreifchen zu mir dringen ließen. Ich war so müde und schläfrig, daß ich bald einschlief, aber die Alte erschien mir im Traum mit gezogenem Schwerte, noch häßlicher als sie in Wirklichkeit war, und hob ihr Schwert auf, um mich zu töten, worauf ich vor Schrecken wieder erwachte. Da ich nicht mehr einschlafen konnte, machte ich mich auf und ging den Berg hinauf. Auf einmal erblickte ich zwei riesenhafte Gestalten vor mir, von scheußlichem Aussehen; ihre Augen standen mitten im Gesicht und waren in die Länge gespalten, und sie hatten hervorstehende Zähne, so groß wie Elefantenzähne.

Ich hielt still und hörte, wie einer zum anderen sagte: »Hast du den Jüngling gesehen, Meischum, der dort unten schläft? Wie mag der wohl hierhergekommen sein? Ich bin in meinem Leben noch keinem menschlichen Wesen auf diesem Berg begegnet.« – »Freilich habe ich ihn gesehen, Barari«, antwortete Meischum, »es ist ein Jüngling, so schön wie der Mond, wer ihn sieht, der liebt ihn.« – »Er heißt Ali, der Sohn Farhas.« – »Wenn du wahr sprichst«, versetzte Meischum, »so bin ich am Ziel meiner Bemühungen; denn wisse, mein Freund, ich bin von der Königin Turaja ausgesandt, um Ali, ihren Geliebten, zu suchen, und habe ihr geschworen, nicht heimzukehren ohne Nachricht von ihm. Ich wandere schon so lange in allen bewohnten und wüsten Ländern, in Städten und Dörfern, auf Bergen und Tälern umher und frage Menschen und Genien nach ihm. Zuletzt hörte ich, es sei ein als Rabe verzauberter Mensch hierhergekommen, dem die Erzieherin der Prinzessinnen seine frühere Gestalt wieder gegeben. Ich erkundigte mich im Schlosse nach diesem Fremden, aber man sagte mir, er sei heimlich abgereist, niemand wisse, wohin. Doch komm, laß uns schnell zu ihm eilen, ehe ich wieder seine Spur verliere.« Da rief ich ihm zu: »Bleibe, wo du bist; ich bin Ali, der Sohn Farhas, den du suchst; willst du mich zu meiner Geliebten, der Königin Turaja, tragen?« – »Das geht nicht«, antwortete Meischum, »das würde meinen Flug hemmen, und ich muß so bald als möglich der Königin Nachricht von dir geben, daß sie nicht vor Schmerz und Sorge um dich sterbe; bleibe indessen hier bei meinem Freund Barari, ich eile zu Turaja und komme bald hierher mit ihr.« Kaum hatte er diese Worte gesprochen, als er seine Flügel schwang, und in einem Augenblick war er meinem Auge entschwunden. Als Meischum fern war, sagte mir Barari: »Weiche nicht von dieser Stelle, bis ich wiederkehre.« Er flog dann auch weg und kam erst des Abends mit einigen Nahrungsmitteln wieder zu mir. Am folgenden Tag nahm er wieder Abschied von mir, und nicht lange nachher ließ sich ein fliegender Genius zu mir herunter, nahm mich auf den Rücken und schwang sich mit mir gen Himmel; ich fiel vor Angst und Schrecken in Ohnmacht, und als ich wieder zu mir kam, befand ich mich in einem königlichen Schloß, einer Dame gegenüber, welche auf einem goldenen, juwelenverzierten Thron saß, vor welchem viele Dienerinnen knieten. Als ich die Augen öffnete, sah mich die Dame starr an und sagte leise zu einer anderen Dame, die vor ihr stand: »Dieser Jüngling verdient wahrlich nicht, daß meine Schwester Turaja sich um seinetwillen so gräme und mit allen Genienkönigen Krieg führe, sieh, wie sein Auge so matt ist, wie farblos seine Wangen und wie unbedeutend sein ganzes Wesen; wahrlich, hätte ich gewußt, daß der vielgepriesene Ali so aussieht, ich hätte gewiß niemanden abgesandt, um ihn hierherzubringen, doch, da er einmal in meiner Gewalt ist, so diene er mir zum Versöhnungsmittel mit meiner Schwester Turaja.« Sie sagte dann laut zu den sie umgebenden Dienern: »Wer von euch geht am schnellsten zu meiner Schwester Turaja, welche sich noch in der weißen Stadt bei den Töchtern der blauen Königin aufhält, und berichtet ihr, daß ihr Geliebter Ali, der Sohn Farhas, bei mir ist.« Da trat Humarich, ein Genius von riesenhafter Gestalt und schauderhaftem Aussehen, hervor und sagte: »Ich eile wie der Wind zu ihr, wenn du es befiehlst, erhabene Königin.« Sie ließ sich sogleich Tinte und Papier bringen und schrieb ihrer Schwester Turaja einen Brief, dessen Inhalt keiner Erwähnung bedarf, legte ihn zu und übergab ihn Humarich, welcher ihr die Hand küßte und sich auf den Weg machte. Als mich aber die Königin des Abends wieder sah, nachdem ich mich gebadet, umgekleidet, ausgeruht und an stärkendem Wein gelabt hatte, bereute sie es, ihrer Schwester Kunde von mir gegeben zu haben; denn sie fand mich so schön, daß sie in Anwesenheit aller Gäste mich mehrere Male küßte, und als sie sich zurückgezogen, mich bat, noch bei ihr zu bleiben. Aber ihr glühendes Auge ließ mich ihre Absicht erraten, ich entfernte mich daher, trotz ihrer wiederholten Bitte, noch einige Stunden bei ihr zuzubringen, und schloß mich in mein Zimmer ein. Am folgenden Morgen, nachdem ich mich gewaschen und gebetet hatte, trat ein Diener in mein Zimmer und sagte: »Die Königin will dich sprechen, sie erwartet dich vor der Stadt.« Ich verließ mit dem Diener das Schloß, vor welchem ein gesatteltes Maultier für mich bereit stand, und ritt zur Stadt hinaus, wo die Königin mit einer Alten auf einem griechischen Teppich unter einem schattigen Baum saß. Sie lud mich ein, Platz zu nehmen, und stellte mir die Speisen und Getränke vor, welche sie in einem Quersack mitgebracht hatte. Als ich gegessen und getrunken hatte, sagte sie: »Komm jetzt mit mir, die Alte wird hier bei unseren Effekten bleiben.«

Die Königin führte mich in ein grünes Tal, dessen Bäche sanft murmelten, dessen Vögel munter sangen und dessen Baumzweige sich liebend umarmten. »Welch ein herrliches Tal!« rief ich voll Entzücken aus; »laß uns doch ein wenig absteigen, verehrte Königin, und hier ausruhen.« –»Wenn dir dieses Tal so gut gefällt, so steige nur ab, du sollst es nicht allzubald verlassen.« Als ich auf dem Boden war, ließ auch sie sich von ihrem Maultier herunter und sagte: »Schämst du dich nicht, Ali, meine Speisen zu essen und meinen Wein zu trinken, und doch meinen Wünschen dich zu widersetzen? Aber bei Gott! Wärest du ein süßes Meer, und ich müßte vor Durst sterben, ich möchte keinen Tropfen von dir trinken.« Bei diesen Worten schlug sie mich ins Gesicht, hauchte mich an und schrie: »Ali, Sohn Farhas, werde eine marmorne Statue, die weder spricht, noch sonst ein Lebenszeichen von sich gibt!« und bei Gott, o Fürst der Gläubigen, kaum hatte sie diese Worte ausgestoßen, fiel ich als ein Stein auf die Erde und wußte nichts mehr von der Welt. Als ich wieder zu mir kam, stand die Alte vor mir und sagte zur Königin: »Es hängt nun ganz von deinem Willen ab, Ali hier als Statue bis zum Auferstehungstag liegen zu lassen; wenn aber deine Schwester, die Königin Turaja, kommt, und nach ihm fragt, was willst du ihr zur Antwort geben?« – »Habe ich etwa die Königin Turaja zu fürchten?« erwiderte die Königin; »sind meine Truppen nicht zahlreich wie der Sand des Meeres und die Regentropfen des Himmels? Sind nicht die mächtigsten Genienhäupter dieser Insel meine Bundesgenossen?« Als die Alte merkte, daß die Königin so von Liebe und Ärger erfüllt war, daß ihre Worte keinen Eingang fanden, sagte sie: »Du hast mehr Einsicht, als ich, mächtige Königin, tu, was dir gut dünkt.« Die Königin befahl dann zweien ihrer Diener, mich, abgelegen vom Weg, an eine Stelle des Wes zu tragen, wo die Bäume so dicht ineinander verzweigt sind, daß kein Sonnenstreifchen durchdringen kann, und verbot ihnen bei Todesstrafe, mit jemand über diesen ganzen Vorfall zu sprechen. »Wenn Turaja nach ihm fragt«, sagte sie zur Alten, »so sagen wir, er sei gegen unseren Willen allein ausgegangen und nicht wiedergekehrt.« Die Diener trugen mich dann fort und die Königin kehrte vergnügt zur Stadt zurück. Die Königin Turaja wollte eben mit Meischum, der, wie ich schon erzählt habe, mich bei Barari auf dem waldigen Berg zurückgelassen hatte, abreisen, als Humarich mit dem Brief der Königin Schuhba eintraf. Sie erbrach hastig den Brief ihrer Schwester, und als sie darin die Nachricht von meiner Ankunft las, fragte sie den Boten, ob er mich mit eigenen Augen gesehen, und als er bei ihrem Leben schwor, er habe mich bei der Königin gesehen, nahm sie ihn freundlich auf und ließ sogleich ihren Truppen den Befehl erteilen, daß sie sich zum Aufbruch nach der Grenzeninsel, wo die Königin Schuhba residierte, rüsten. Jedermann erstaunte über diesen Befehl, denn zwischen Turaja und Schuhba herrschte seit ihrer frühesten Jugend ein bitterer Haß. Sie waren nämlich die einzigen Töchter des Königs Farkad, und jede von ihnen wollte am meisten von ihrem Vater geliebt sein. Auch behauptete jede von ihnen, es in der Zauberkunst, die sie ihr Vater Jemen ließ, am weitesten gebracht zu haben. Ihre gegenseitige Eifersucht war zuletzt so groß, daß sie einen Tag bestimmten, wo sie auf einem öffentlichen Platz im Angesicht der ganzen Stadt ihrer langen Fehde durch einen Zweikampf ein Ende setzen wollten. In diesem Kampf wurde Schuhba tödlich verwundet, ja man trug sie sogar ganz leblos vom Kampfplatz. Der König Farkad, in dessen Abwesenheit alles dies vorgefallen war, kehrte eben von einer Reise zurück, als man seine Tochter Schuhba in ihr Schloß brachte; er ließ sogleich die besten Ärzte rufen und war außer sich vor Freude, als sie die Wunde für nicht lebensgefährlich erklärten. Schuhba öffnete die Augen wieder, sobald die Ärzte ihre Wunde mit einem Pulver bestreuten und ihr etwas Wein eingossen, und nach einigen Wochen war sie wieder vollkommen geheilt. Aber der Gedanke, von ihrer verhaßten Schwester vor den Augen aller Großen des Reiches und aller Häupter der Armee besiegt worden zu sein, drückte sie so sehr, daß sie gar nicht mehr auszugehen Lust hatte, und der Aufenthalt in ihrer Heimat ihr unerträglich wurde. Sie bat daher ihren Lehrer, ihr eine entfernte Insel auszusuchen, wo sie mit ihren Getreuen ein neues Reich gründen könne. Ihr Lehrer sandte sogleich die ihm ergebenen Genienhäupter auf Kundschaft aus; sie durchstreiften alle Länder der Welt und fanden keinen angenehmeren, noch unbewohnten Aufenthaltsort, als die Insel, welcher sie wegen ihrer Fruchtbarkeit und reizenden Lage den Namen Vollkommenheitsinsel gaben. Als sie mit dieser Nachricht zu ihm zurückkehrten, befahl er ihnen, sich mit ihren Truppen zur Reise vorzubereiten, dann begab er sich zum König Farkad und sagte ihm: »Wenn dir das Leben deiner Tochter Schuhba teuer ist, so willige in ihre Entfernung von diesem Land; du siehst, wie sie täglich an Kraft und Gesundheit abnimmt, ihr Gemütszustand bedarf durchaus einer Luftveränderung, und schon habe ich einen Aufenthaltsort für sie gewählt, wo sie, so Gott will, bald wieder genesen kann.« Der König antwortete hierauf: »Du weißt, verehrter Meister, daß meine Tochter Schuhba mein Leben und meine Seele ist, und daß mir nichts schmerzlicher sein kann, als eine Trennung von ihr; jedoch, weil ich sie so von Herzen liebe, will ich sie lieber in der Ferne wohl wissen, als hier krank und leidend sehen, darum möchte ich auch ihrer Abreise kein Hindernis in den Weg legen.« Er ließ sogleich seinen Schatzmeister rufen und dem Lehrer so viel Geld, als er für nötig fand, auszahlen, dann befahl er dem Großadmiral, die besten Schiffe für seine Tochter auszurüsten.

Auf dem Schiff, das Schuhba besteigen sollte, ließ er ein Zelt aus Aloeholz errichten und dessen Boden mit den kostbarsten Teppichen belegen. Als alles zur Reise bereit war, ließ er den Hauptmann dieses Schiffes zu sich kommen und sagte ihm: »Ich beschwöre dich bei Gott, sorge dafür, daß meine Tochter eine angenehme Fahrt habe; lasse deine Matrosen nicht zu viel Lärm machen, daß sie in ihrer Ruhe nicht gestört werde, und sei in allem recht vorsichtig.« Dann nahm er von seiner Tochter und ihrem Lehrer Abschied. Der Hauptmann ließ nur die kleinen Segel spannen, solange die Schiffe im Angesicht des Hafens waren, wo der König ihnen nachsah; dann wurden aber die großen Segel gespannt, und der Wind war ihnen so günstig, daß sie in wenigen Tagen die Vollkommenheitsinsel erreichten. Schuhba war sehr zufrieden mit der Wahl ihres Meisters, denn diese Insel schien ihr ein wahres Paradies. Sie bestimmte dann den schönsten Punkt auf der ganzen Insel zu einem Schloß, dessen Plan ihr Meister entwarf; bald erhob sich aber eine Stadt in der Nähe dieses Schlosses, denn die Fruchtbarkeit dieser Insel und ihr Reichtum an Edelsteinen zog viele Auswanderer aus allen Gegenden der Welt herbei, und so wurde Schuhba eine immer mächtigere Königin, bis sie abermals sich mit Turaja messen zu können glaubte. Um nun aber, nach vielen Gebeten für unseren Herrn Mohammed, den Edelsten aller Sterblichen, zu unserer Erzählung zurückzukehren, verfolgen wir nicht weiter die Geschichte Schuhbas und lassen sogleich ihre Schwester Turaja bei ihr ankommen. Diese suchte ihren Geliebten im ganzen Saal, wo Schuhba von ihrem Hofstaat umgeben, sie empfing, und als sie ihn nirgends fand, wurde sie sehr unruhig, wagte es aber doch nicht, ihre Schwester nach ihm zu fragen. Sie brachte eine schlaflose Nacht zu, und am folgenden Morgen, als die Großen des Reiches und die Häupter der Armee kamen, um sie zu bewillkommnen, war sie so zerstreut und aufgeregt, daß sie ihnen kaum zu antworten vermochte. Als sie wieder allein bei Schuhba war, bat sie sie, mit ihr einen Spaziergang zu machen, und sagte ihr, sobald sie die Stadt im Rücken hatten: »Teure Schwester, so gut mir auch diese unvergleichlich schöne Insel gefällt und so gern ich auch längere Zeit bei dir verweilen möchte, so gestatten mir doch meine Regierungsangelegenheiten keinen langen Aufenthalt bei dir; auch darf ich unseren Vater nicht allzu lang allein lassen. Darum bitte ich dich, sage mir, wo ist Ali, der Geliebte meines Herzens, dessen Ankunft bei dir mir dein Bote gemeldet hat? Meine Sehnsucht nach ihm ist unermeßlich und ich möchte gern bald mit ihm nach meiner Heimat zurückkehren.« – »Teure Schwester«, erwiderte Schuhba, »Ali ist wenige Tage nach der Abreise meines Boten ausgeritten und seither nicht wiedergekehrt; ich habe ihn schon auf der ganzen Insel aufsuchen lassen, niemand konnte aber eine Spur von ihm entdecken; da bereute ich es natürlich, dir einen Boten zugesendet zu haben, aber ich konnte es nicht mehr ändern.« – »Betrübe dich nicht darüber, liebe Schwester«, versetzte Turaja; »Alis Leiden scheinen noch nicht das ihnen bestimmte Ende erreicht zu haben, sonst wäre er hier geblieben; indessen hat er sich doch vielleicht im Wald verirrt und kehrt bald wieder; darum werde ich noch einige Tage hier verweilen und ihn erwarten.« Am folgenden Tag stand Turaja früh auf und ging ins Gebirge, um selbst noch Ali aufzusuchen; sie ritt aber den ganzen Tag umher und rief tausendmal seinen Namen: Niemand antwortete ihr. Gegen Abend warf sie sich ermattet auf die Erde und rief weinend: »O Gott, du hast diese unglückliche Liebe zu Ali über mich verhängt, mit allen Leiden, welche sie nach sich zog; nach deinem Beschluß habe ich von meiner Heimat und meinem Vater mich getrennt; jetzt ist alle meine Hoffnung dahin; nur bei dir suche ich Hilfe, dir ist ja nichts verborgen, weder im Himmel, noch auf der Erde. Ich bitte dich bei deinem Auserkorenen Mohammed (Gottes Friede sei mit ihm!) offenbare mir den Ort, wo mein Geliebter sich aufhält, und vereine mich mit ihm!« Kaum hatte Turaja dieses Gebet vollendet, da hörte sie eine Stimme, welche ihr zurief: »Deine Erlösung ist nahe: Dein Gatte liegt in diesem Tal; die Königin Schuhba hat ihn in eine steinerne Statue verzaubert. Als sie ihn nämlich zuerst sah, war sein Aussehen so schlecht – denn er hatte gar zu viel gelitten –, daß sie ihn häßlich fand und daher, um sich mit dir zu versöhnen, dir durch einen Boten seine Ankunft bei ihr melden ließ. Sobald er aber sich wieder erholt und seine frühere Schönheit wieder erlangt hatte, gefiel er ihr so gut, daß sie es bereute, dich von seiner Ankunft in Kenntnis gesetzt zu haben. Dies hielt sie indessen nicht ab, alles aufzubieten, um seine Liebe zu gewinnen. Da sie aber all ihr Bemühen fruchtlos fand, indem Ali sich stets als ein treuer Gatte bewährte, verwandelte sie ihn in eine steinerne Statue und ließ ihn in den Wald tragen an eine Stelle, wo die Bäume am engsten ineinander verzweigt sind.« Turaja vertiefte sich hierauf wieder in den Wald und hörte, wie zwei Genien um den Besitz ihres Geliebten stritten; es war Sader, den sie selbst noch vor ihrer Reise zu ihrer Schwester Schuhba auf Kundschaft ausgesandt hatte, und Duha, eine Freundin der Königin Farha. Nachdem nämlich Sader mehrere Wochen lang alle Täler und Berge von Osten bis Westen durchstreift hatte und endlich auf die Vollkommenheitsinsel kam, gab er alle Hoffnung, Ali zu finden, auf, und wollte eben wieder zu Turaja zurückreisen, als ihm eine weibliche Djinn begegnete, die sehr erschrocken und ängstlich aussah; sie wendete sich immer links und rechts, nach vorne und hinten um, und war so erhitzt, daß ihr das Feuer aus der Nase sprühte,

Sader schnitt der Djinn den Weg ab und fragte sie: »Wer bist du und wo willst du hin?« Sie antwortete: »Ich bin Duha, die Tochter eines angesehenen Fürsten in der Nähe der Diamanteninsel; ich verließ aber meinen Vater, als er gegen meinen Willen mich mit dem häßlichen Prinzen der Löweninsel verheiraten wollte, und flüchtete zur Königin Farha. Diese fand ich sehr niedergeschlagen, und als ich sie nach der Ursache ihrer Leiden fragte, sagte sie mir: Ich bin betrübt über den Verlust meines einzigen Sohnes, von dem ich nicht weiß, ob er noch lebt, und nach dem ich mich nicht einmal erkundigen darf, weil mein Vater nach seiner Flucht geschworen, daß, wenn je meine Zunge seinen Namen ausspreche, er aufhören würde, mich als seine Tochter anzusehen. So traure ich nun im stillen schon ein ganzes Jahr und wage niemandem meinen Kummer mitzuteilen noch mir Linderung zu verschaffen, weil hier jedermann meinen Vater fürchtet und ich leicht verraten werden könnte. Nun sei der Herr gelobt, der dich hierher gesandt, denn ich zweifle nicht, daß du mich bemitleiden und mir Kunde von meinem Sohn bringen wirst. Bei diesen Worten weinte sie heftig und fiel in Ohnmacht. Ihr Zustand rührte mich so sehr, daß ich, als sie wieder zu sich kam, ihr versprach, sogleich abzureisen und nicht eher zurückzukehren, bis ich ihr Nachricht von ihrem Sohn oder ihn selbst bringe. So flog ich nun von einer Insel zur andern, bis ich hierher kam und hörte, daß Ali von der Königin Schuhba in eine Statue verwandelt worden; ich durchsuchte nun den ganzen Wald in der Hoffnung, die Statue zu finden, und sie der Königin Farha bringen zu können, der es ein leichtes sein wird, ihrem Sohn seine frühere Gestalt wiederzugeben; aber zwei Genien, welche, wie ich aus einigen ihnen entschlüpften Worten entnehmen konnte, die Wächter der Statue zu sein schienen, flogen mit so drohender Miene auf mich zu, daß ich die Flucht ergreifen mußte, und noch fürchte ich immer, von ihnen eingeholt zu werden.« Als Duha vollendet hatte, sagte Sader: »Bei Gott! Unser Zusammentreffen ist wunderbar: Wir verfolgen dasselbe Ziel, denn so, wie die Königin Farha um ihren Sohn trauert, so ist die Königin Turaja wegen des Verlustes ihres Gatten in Verzweiflung; darum sandte sie mich aus, um Erkundigungen über ihn einzuziehen. Nun, da uns die Vorsehung zusammengeführt hat, laß uns beisammen bleiben und gemeinschaftliche Nachforschungen anstellen, vielleicht kann einer dem anderen nützlich werden, und haben wir einmal Ali gefunden, so können wir ja beide Königinnen zufriedenstellen.« – »Wir können sogleich«, versetzte Duha, »durch ein freundschaftliches Zusammenwirken unser Ziel erreichen; binde mich mit einem Strick und führe mich mit Gewalt zu den beiden Genien, welche mich verfolgten, grüße sie freundlich und sage ihnen: Meine Brüder, hier ist die verfluchte Djinn, welche vor euch entflohen ist; sie scheint schlimme Absichten zu haben, denn auch mir wollte sie ausweichen und die Fragen, die ich an sie stellte, nicht beantworten; aber ich schlug ihr meine Flügel ins Gesicht, daß sie zu Boden sank, und nun bringe ich sie euch, daß ihr nach Gutachten mit ihr verfahrt. Auf diese Weise«, fuhr Duha fort, »gewinnst du ihr Vertrauen, und es wird dir leicht sein, nötigenfalls mich vor einer allzu harten Strafe zu bewahren.«

Sader bewunderte ihren listigen Plan, warf Duha sogleich einen Strick um den Hals und näherte sich dem Berg, wo ihr die beiden Genien begegnet waren. Als er sie sah, rief er: »Herbei, teure Brüder, hier bringe ich euch die verdammte Djinn, welche vor euch entfloh; auch mir wollte sie nicht sagen, wer sie sei und was sie hier suche, dann warf ich sie zu Boden und band sie fest.« – »Wir kümmerten uns weiter nicht viel um diese Djinn«, sagte einer der Genien, »doch, da du sie uns gefangen zuführst, soll sie den Lohn für die Widerspenstigkeit empfangen; schleppe du sie uns nach in das Fremdenhotel.« Sader folgte den beiden Genien, Duha am Strick führend, nach einem sehr schönen Schloß mit unzählbaren Gemächern, das zwischen zwei hohen Bergen lag. Hier angelangt, ließen die Genien Speisen und Wein auftragen, setzten sich zu Sader und aßen und tranken mit ihm. Im Laufe des Gespräches hörte Sader, daß ihnen wirklich Schuhba den Auftrag gegeben, die Statue zu bewachen, damit sich niemand ihrer nähere; er bat sie daher um die Erlaube, sie am folgenden Tag begleiten zu dürfen. Duha, welche noch immer gebunden dastand, brach jetzt in Tränen aus und sagte, vor den beiden Genien niederknieend: »Wenn ihr es mit Schuhba gut meint, so dürft ihr auch mich nicht als einen Feind behandeln, denn ich bin eine ihr befreundete Djinn, von ihr beauftragt, ihren Vater herbeizurufen, damit er sie gegen Turaja schütze, wenn sie ihr Verfahren gegen All erfährt; doch will ich gern, wenn ihr einen anderen Boten abschicken wollt, bei euch bleiben und treu dienen.«

Die Genien, welche der Wein in gute Laune gebracht hatte, glaubten Duhas Worten, nahmen ihr sogleich den Strick vom Hals und ließen auch sie am folgenden Morgen mit in den Wald kommen. Als sie in der Nähe der Statue sich niederließen, sagte Sader: »Was mag wohl der arme Mensch begangen haben, daß ihn die Königin Schuhba in einen Stein verwandelt, der durch keine Bewegung sich weder vor Kälte noch vor Hitze schützen kann, und dazu noch wie ein Mensch fühlt und denkt und hungert und dürstet?«

»Ich kenne sein Verbrechen nicht«, antwortete der Wächter, »aber gewiß hat er sich schwer gegen die Königin verfehlt; vielleicht liebte er sie und erkühnte sich, ihr seine Gefühle zu erklären.« – »Das glaube ich nimmermehr«, versetzte Duha, »denn Ali liebt die Königin Turaja und hat um ihretwillen sich schon der größten Lebensgefahr ausgesetzt; mir ist wahrscheinlicher, daß die Königin Schuhba ihm zugeneigt war, denn Ali ist der schönste Mann, den Gott geschaffen, und daß, weil er ihre Neigung nicht erwiderte, sie sich in Haß verwandelte; auch scheint sie noch immer zu hoffen, er werde ihren Wünschen nachgeben, sonst hätte sie ihn gleich getötet.« Als der Wächter, der selbst Schuhba leidenschaftlich liebte, dies hörte, sagte er: »Wenn dem so ist, so mag Schuhba ihn selbst bewachen«, und flog mit dem anderen Genius davon. Sader ging sogleich auf die Statue zu, nahm sie auf den Rücken und wollte sie zu Turaja tragen, damit sie den Zauber löse; aber Duha trat ihm in den Weg und sagte: »Das geht nicht, ich muß ihn seiner Mutter Farha bringen; bedenke, daß Ali nur durch meine List gerettet worden, und daß die Sehnsucht einer unglücklichen Mutter nach ihrem Sohn eher Mitleid verdient, als die einer Geliebten.« – »Ich glaube, du hast den Verstand verloren«, erwiderte Sader; »meinst du, ich streife schon so lange in allen Ländern umher, um endlich, nachdem ich Ali gefunden, ihn dir zu überlassen? Komm mit mir zu Turaja, dann wollen wir alle zusammen seine Mutter Farha besuchen.«

Als Duha einsah, daß Sader nicht nachgeben würde, fiel sie so schnell wie der Blitz über ihn her, schlug ihm einen Flügel ins Auge, daß er umstürzte, und sagte: »Wehe dir, du Hundsgeist, ich will dir zeigen, wie unklug es ist, einer weiblichen Djinn zu widersprechen.« Sie riß ihm dann die Statue aus der Hand und wollte damit zu Farha fliegen, als Turaja erschien und ihr zurief: »Halte ein, oder du bist des Todes!« Duha drehte sich um, und als sie die Königin Turaja vor sich sah, rief sie: »Gnade, großmütige Königin! Bei dem Siegel Salomos! Ich wollte deinem Geliebten nichts zuleide tun, ich wollte ihn nur, meinem Eide gemäß, seiner Mutter Farha bringen; dann verzeihe mir und bedenke, daß ich als eine treue Dienerin und Freundin der Königin Farha nicht anders handeln konnte.« – »Du hast deine Pflicht getan«, erwiderte Turaja; »doch gib jetzt Sader die Statue, daß er sie an einen Ort trage, wo uns niemand überrascht; und dir steht es frei, der Königin Farha sogleich Nachricht von ihrem Sohn zu geben und sie einzuladen, mich zu besuchen, oder mir zu folgen und bei mir zu bleiben, bis ich Ali seine frühere Gestalt wiedergegeben.« – »Ich schicke sogleich meiner Gebieterin einen Boten; ich weiche aber nicht von hier, mächtige Königin«, erwiderte Duha, »bis ich den Sohn meiner Gebieterin wieder beim Leben sehe.« Sie ging dann mit Turaja in eine Höhle, wohin Sader schon mit der Statue vorangeeilt war. Turaja fuhr der Statue mit der Hand über das Gesicht und nahm ein wenig Erde herunter, die noch darauf klebte, beschwor heilige Namen darüber und streute die Erde auf den Boden. Sogleich sproßte ein grünes Kraut aus dem Boden mit roter Blüte. Turaja pflückte diese Blüte und preßte einen öligen Saft heraus, mit dem sie die Statue bestrich. Dann sagte sie: »Bei den heiligen Namen, durch deren Kraft dieses wunderbare Kraut hervorsproß, kehre wieder zu deiner früheren menschlichen Gestalt zurück!«

Kaum hatte Turaja diese Worte vollendet – so fuhr Ali in seiner Erzählung fort – als meine Zunge sich zu regen anfing und ich rief: »Es gibt keinen Gott, als einen einzigen, und Mohammed ist sein Gesandter; er ist allmächtig, und durch seinen Willen werden die Toten wieder belebt!« Als Turaja mich wieder sprechen hörte, und in meiner früheren Gestalt wieder sah, küßte und umarmte sie mich und befahl Sader, mich in ihre Wohnung zu tragen, wohin sie und Duha mir folgten. Wir brachten den Abend zusammen unter den traulichsten Gesprächen und gegenseitiger Mitteilung unserer Abenteuer zu; gegen Mitternacht zogen sich Sader und Duha zurück, und ich blieb allein bei Turaja, deren Küsse noch süßer waren, als die unserer Hochzeitsnacht. Nach den herzlichsten Umarmungen schliefen wir ein, und siehe da! Als ich des Morgens erwachte und meine Augen öffnete, befand ich mich zwischen Himmel und Erde auf den Schultern einer fliegenden Djinn, Da sagte ich den Spruch, dessen sich niemand zu schämen braucht: »Es gibt keinen Schutz und keine Hilfe, außer bei Gott, dem Erhabenen!« Dann sagte ich zu der mich tragenden Djinn: »Wer bist du und wo willst du mich hinbringen?« Sie antwortete: »Fürchte dich nicht, ich bin Duha, die Freundin deiner Mutter Farha, zu der ich dich trage; ich bin der Königin Turaja nur aus List gefolgt, um dich im ersten günstigen Augenblick ihr wieder zu rauben, denn deine Mutter sehnt sich gar zu sehr nach dir; sobald wir bei ihr in Sicherheit sind, schicken wir Turaja einen Boten und lassen sie zu uns kommen.« Als ich Duha wieder erkannte, beruhigte ich mich und ließ mich ohne Widerstreben von ihr weitertragen. Schon freute ich mich, meine Mutter bald wiederzusehen, und hoffte, nun bald am Ziel meiner Leiden zu sein, als auf einmal in der Nähe der Löweninsel, an welcher wir vorüberfliegen mußten, eine unzählbare Schar fliegender Genien mit dem König Djahak an ihrer Spitze, sich um uns herlagerte und uns so eng umschloß, wie ein Siegelring den Finger. »Wir sind verloren!« rief Duha: »Hier ist der Mann, der um mich geworben hat und vor dem ich mich zu deiner Mutter flüchtete: Wir sind allein und hilflos und können ihm nicht mehr entfliehen. Gott erbarme sich unser und deiner Mutter!« Kaum hatte sie diese Worte gesprochen, als ein paar Genien, so groß wie der höchste Berg, sich auf sie stürzten und ihr mit schweren Ketten die Hände auf den Rücken banden. Dann faßten sie mich und fragten mich: »Wer bist du?« – »Ich bin Ali, der Sohn Farhas«, antwortete ich. »Bist du es also«, versetzten sie, »um dessentwillen so viele Länder verwüstet, so viele Könige! entthront und so viele Genien getötet wurden. Bei dem Siegel Salomos! Du sollst für das Unheil, das du gestiftet, schwer büßen!« Schon wollte ein Genius vom Berg Kaf, auf den Wink des Königs Djahak, Duhas und meinem Leben ein Ende machen, als sich auf einmal ein furchtbares Kriegsgetöse vernehmen ließ. Die zwei Adjutanten des Königs Djahak sprengten heran und riefen dem König zu. »Entfliehe, so schnell du kannst, sonst bist du verloren; schon sind deine besten Truppen teils getötet, teils gefangen worden, denn die Königin Farha überfiel sie unerwartet, wie ein Blitz vom Himmel, um ihren Sohn zu befreien.« Aber noch ehe Djahak einen Entschluß gefaßt hatte, stand schon meine Mutter mit einigen unüberwindlichen Genienhäuptern vor mir; Djahak wurde mit den Ketten, welche Duha abgenommen wurden, gefesselt und in seine Hauptstadt geführt, wohin meine Mutter auf ihren eigenen Armen auch mich trug.

Meine Rettung durch meine Mutter war wunderbar. Sie hatte nämlich, sobald der Bote, welchen Duha von der Vollkommenheitsinsel abgesandt hatte, ihr die Nachricht von meinem Aufenthalt bei Turaja brachte, aus Furcht, letztere möchte mich so streng bewachen, daß Duha kein Mittel, mich zu entführen, finden könnte, ohne ihren Vater davon zu benachrichtigen, sich mit einigen tausend Genien auf den Weg nach der Vollkommenheitsinsel gemacht, und war gerade auch in der Nähe der Löweninsel, als Djahak mit den Seinigen Duha und mich angriff. In Djahaks Residenz angelangt, setzte sich meine Mutter auf dessen Thron, hieß mich neben ihr Platz nehmen und bat mich, ihr zu erzählen, was mir seit meiner Flucht aus der Heimat widerfahren. Noch hatte ich meine Erzählung nicht vollendet, als Duha hereintrat und die Ankunft der Königin Turaja mit vielen Genien meldete. Turaja hatte nämlich, als sie des Morgens erwachte und mich nicht mehr fand, zuerst an eine List von ihrer Schwester Schuhba gedacht; als aber auch Duha nirgends zu finden war, zweifelte sie nicht, daß diese mich in der Nacht geraubt und zu meiner Mutter getragen. Da ihr ohnehin der Aufenthalt bei ihrer Schwester verhaßt war, versammelte sie daher ihre Getreuen, die sie zu ihrer Schwester begleitet hatten, und forderte sie auf, mit ihr nach der Diamanteninsel zu fliegen. Als sie aber an der Löweninsel vorüberkam, sah sie aus der Ferne dem Kampf zwischen den Truppen der Königin Farha und des Königs Djahak zu, hielt still, bis einer von des letzteren Genien auf seiner Flucht in ihre Nähe kam, und fragte ihn, was dieser Krieg bedeute. Als sie hörte, daß die Königin Farha mich und Duha aus den Händen Djahaks befreite, flog sie uns nach und ließ sich bei meiner Mutter in Djahaks Schloß melden. »Gehe du ihr entgegen«, sagte mir meine Mutter, »und heiße sie willkommen.« Ich stürzte zur Tür hinaus, umarmte sie und stellte sie meiner Mutter als meine Gattin vor. Unsere allseitige Freude war so groß, daß wir alle Gott für diese wunderbare Vereinigung dankten, und Duha für die uns geleisteten Dienste den Thron und das Reich Djahaks schenkten.

Wir blieben nun den ganzen Tag beisammen; gegen Abend aber sehnte ich mich danach, mit meiner Geliebten allein zu sein; ich forderte sie daher zu einem Spaziergang vor die Stadt auf und ließ meine Mutter bei Duha. Ich war so selig bei Turaja, daß ich mich mit ihr immer weiter in die Gärten vertiefte, welche die Stadt umgeben, und der Mond hatte schon längst die Stelle der Sonne am Himmel eingenommen, ehe wir an eine Rückkehr dachten. Erst als die finstere Nacht uns umhüllte, wollte ich wieder den Weg in die Stadt einschlagen, verirrte mich aber und entfernte mich immer weiter von derselben, bis ich an ein schönes, ganz menschenleeres Zelt kam. Da sagte ich zu Turaja: »Laß uns lieber in diesem Zelt übernachten, als die ganze Nacht im Freien zubringen, denn in dieser Dunkelheit finden wir doch den Weg zur Stadt nicht zurück.« Turaja stimmte mir bei, und wir traten in das Zelt, in welchem alle Bequemlichkeiten des Lebens aufgehäuft waren: Herrliche Divane und Teppiche, reicher Vorrat an Speisen und Getränken, wohlriechende Wachslichter und was sonst hohe Reisende mitzunehmen pflegen. Aber kaum hatten wir uns niedergelassen, als zwei Männer mit vier fliegenden Genien hereintraten; es waren Djahaks Brüder, welche bei dessen Niederlage die Stadt verlassen und ihr Zelt hier aufgeschlagen hatten, um am folgenden Tag weiterzufliehen. Sobald sie uns sahen und erkannten, fiel der eine über mich und der andere über Turaja her, und riefen: »Jetzt können wir unseren Bruder rächen!« Der eine übergab mich dann einem der vier Genien und sagte ihm: »Trage diesen verderbenbringenden Menschen hinter den Berg Kaf, daß ihn dort Gottes Fluch treffe!«

Der Genius nahm mich auf den Rücken und flog mit mir so hoch hinauf, daß ich den kleinsten Stern so groß wie den höchsten Berg sah, und ich hörte, wie die Engel Gott priesen. Da rief ich: »Es gibt nur einen einzigen Gott, und Mohammed ist sein Prophet!« Kaum hatte ich diese Worte vollendet, so traf ein feuriger Pfeil den Genius, der mich trug, und verwandelte ihn in Asche; ich aber schwebte lange in der Luft umher und wurde vom Wind hin und her getrieben, bis ich endlich auf eine Terrasse der Stadt Damaskus fiel. Mein Fall machte so viel Geräusch, daß der Hausherr erwachte, und da erst vor kurzem bei ihm eingebrochen wurde, weckte er seine Diener und bestieg mit ihnen die Terrasse. Als sie mich sahen, hielten sie mich für einen Dieb und fielen, ohne mich anzuhören, mit ihren Stöcken über mich her; dann banden sie mich und ließen mich bis Tagesanbruch im Hof liegen. Kaum war die Sonne aufgegangen, führten sie mich zum Polizeiobersten und sagten ihm: »Hier ist ein Dieb, den wir heute Nacht auf unserer Terrasse gefunden.« – »Gewiß war er es«, sagte der Hausbesitzer, »der schon vor einiger Zeit mich bestahl.« Der Polizeioberste fragte mich, wer ich sei, und als ich ihm sagte, ich sei Ali, der Sohn Farhas, Königin der Diamanteninsel, lachte er und befahl seinen Soldaten, mich auf den Boden zu strecken und zu prügeln, bis ich die Wahrheit gestehe und das Gestohlene wieder herausgebe. In diesem Augenblick aber trat mein Vater herein, und als er seinen meiner Mutter in der Hochzeitsnacht gegebenen Siegelring sah, fuhr er zusammen und fragte erstaunt den Polizeiobersten: »Wer ist dieser Jüngling?« – »Es ist ein Dieb«, antwortete der Polizeioberste, »welcher heute Nacht bei diesem Mann einbrechen wollte.« – »Aber dieser Jüngling«, versetzte mein Vater, »sieht keineswegs einem Dieb gleich; hast du ihn gefragt, wie er heißt und wo er her ist?« – »Er nennt sich Ali, Sohn Farhas, aus der Diamanteninsel«, antwortete der Polizeioberste lachend. Bei diesen Worten fiel mein Vater mir um den Hals und sagte: »Er hat wahr gesprochen, er ist mein Sohn, ich erkenne ihn an seinem Siegelring!« Er forderte mich dann auf, ihm in Gegenwart des Polizeiobersten zu erzählen, wieso ich auf die Terrasse dieses Mannes gekommen, Ich erzählte hierauf meine ganze Lebensgeschichte von meiner Geburt an bis zu dem Augenblick, wo ein feuriger Pfeil den mich tragenden Genius traf und ich auf die Terrasse fiel. Mein Vater machte dem Polizeiobersten Vorwürfe über sein voreiliges Urteil und nahm mich mit in sein Haus, wo ich ihm nochmals alle meine Abenteuer erzählen mußte.

Am folgenden Tag stellte er mich dem König vor, und diesem gefiel ich so gut, daß ich einer seiner vertrautesten Gesellschafter wurde. Eines Tages, als ich mit ihm spazieren ritt und ihm manches von den Genien erzählte, sagte er: »Ich möchte doch auch einmal eine Djinn sehen, wie du; wie sehen sie denn aus?« Ich antwortete ihm: »Mein Herr, die Djinn sind von verschiedenartiger Gestalt: Sie sehen bald vierfüßigen Tieren, bald Vögeln, bald Menschen gleich.« Kaum hatte ich dies gesagt, rief der König: »Sieh einmal, Ali, wie dort in der Ferne eine düstere Wolke den Himmel überzieht; man sieht die Sonne gar nicht mehr!« Ich blickte nach der mir bezeichneten Seite hin und sagte: »Das ist keine Wolke, erhabener König; es ist eine Schar fliegender Djinn, die auf uns zukommt.« In der Tat zerteilte sich bald die schwarze Masse nach den verschiedenen Seiten von Damaskus, und eine Abteilung von ungefähr hundert Genien ließ sich in unserer Nähe herab und wollte in die Stadt gehen. Ich näherte mich dem Anführer dieser Abteilung und fragte ihn, was er in Damaskus suchte. Er antwortete: »Ich soll dem König die Ankunft der Königin Turaja und der Königin Farha melden.« – »Hier ist der König«, sagte ich ihm und bat ihn, mir zu erlauben, den beiden Königinnen, meiner Mutter und Gattin entgegenzugehen. Der König gewährte mir meine Bitte und kehrte allein zur Stadt zurück, während ich mich in das Genienlager zu den beiden Königinnen führen ließ. Beide fielen vor Freude, mich wiederzusehen, in Ohnmacht; ich bespritzte sie mit Rosenwasser, und als sie wieder zu sich kamen und mich mehrmals geküßt und umarmt hatten, fragte ich sie, wieso sie hierhergekommen. »Wisse«, sagte meine Mutter, »als du allein mit 'Turaja auf der Löweninsel des Nachts so lange ausbliebst, wurde ich so unruhig, daß ich Duha bat, mit einigen mächtigen Genien in der Richtung, nach welcher wir dich hinziehen sahen, dich zu suchen. Duha flog lange in den Gärten umher, bis endlich ein jämmerliches Wehgeschrei sie vor ein schönes Zelt lockte; es war Turajas, welche Djahaks Brüder mißhandelten, weil sie ihrem lüsternen Verlangen kein Gehör gab.«

Duha stürzte sogleich über Djahaks Brüder her und fesselte sie mit Hilfe der Genien, die bei ihr waren, und führte sie zu mir. Ich fragte sie nach dir und hörte, sie haben dich hinter den Berg Kaf bringen lassen. Jetzt hatte ich wenig Hoffnung mehr, dich wiederzufinden, ich bat jedoch die treue Duha, abermals dir nachzueilen, vielleicht könnte sie dich doch noch einholen, ehe du den traurigen Ort deiner Bestimmung erreichtest. Duha gehorchte mir und flog, so schnell sie konnte, nach der Richtung des Berges Kaf. Als sie über Syrien schwebte, begegnete ihr eine alte Freundin und fragte sie, was sie so weit von ihrer Heimat suche. Ich verfolge einen Djinn, antwortete Duha, der Ali, den Sohn Farhas, hinter den Berg Kaf tragen will. – Wenn dies der Zweck deiner Reise ist, so darfst du sie nicht fortsetzen, versetzte Duhas Freundin, denn ein Djinn, der einen Menschen trug, ist von einem feurigen Pfeile verbrannt worden und der Mensch nach Damaskus gefallen, geh einmal dahin und erkundige dich nach diesem Menschen, vielleicht ist es Ali, den du suchst. Duha ging hierauf in menschlicher Gestalt nach Damaskus, kam vor ein Kaffeehaus, wo viele Leute versammelt waren, die sich von der Ankunft eines Sohnes des Zaher aus der Diamanteninsel unterhielten. Sie zweifelte jetzt nicht mehr daran, daß du der vom Djinn getragene Mensch warst, und brachte uns eilig diese freudige Nachricht, worauf wir – so schloß meine Mutter – sogleich den Entschluß faßten, dir hierher zu folgen.« Nachdem ich dann meinerseits meiner Mutter und meiner Gattin erzählt hatte, auf welche wunderbare Weise ich durch meinen Vater von Stockschlägen, an denen ich gewiß gestorben wäre, gerettet wurde, begaben wir uns zusammen zum König, welcher schon meinen Vater von der Ankunft seiner Gattin in Kenntnis gesetzt und zu sich geladen hatte. Mein Vater brach in Tränen aus, als er meine immer noch schöne Mutter wiedersah, und bedauerte die so lange Trennung von ihr; sie aber machte ihm Vorwürfe darüber, daß er es niemals wieder versuchte, zu ihr zu gelangen. Der König, welcher uns alle reichlich beschenkte und den innigsten Anteil an unserer Freude nahm, versöhnte sie aber miteinander, und meine Mutter ließ sich bewegen, noch drei Tage in Damaskus zu bleiben; länger aber wollte sie nicht ihren Vater in Verlegenheit lassen; Turaja hingegen wollte Damaskus nicht mehr verlassen, und begnügte sich damit, dem König Farkad durch einen Boten ihren Entschluß mitzuteilen; und so lebte ich mit ihr in den glücklichsten Umständen, bis der nichts schonende Tod sie mir entriß.

Als Ali diese Erzählung vollendet hatte, fragte ihn der Kalif Abdul Malik, der Sohn Merwans, ob ihm seine Gattin keine Kinder gezeugt, und als er diese Frage bejahte, ließ er sie sich vorstellen und schenkte jedem ein schönes Kleid, auch Ali schenkte er ein Ehrenkleid, bestimmte ihm ein ansehnliches Gehalt und ließ sich von ihm Märchen erzählen, sooft seine Brust beklommen war.

Das ist alles, was uns von den Abenteuern Alis und Zahers aus Damaskus zugekommen. Gepriesen sei der einzige Gott und gegrüßt sei unser Herr, sein Gesandter Mohammed, mit seinen Verwandten und Gefährten, bis zum Tage des Gerichts!


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