Jakob Wassermann
Das Gold von Caxamalca
Jakob Wassermann

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

25

Am östlichen Himmel zeigte sich eben die erste matte Röte, da sahen wir einen ausgedehnten Zug von Peruanern von der Landstraße nach Caxamalca schreiten und sich dem großen Platz nähern. Inmitten des Zugs und über ihn erhoben gewahrten wir vierundzwanzig regungslose Gestalten auf ebenso vielen Stühlen, und jeder der Stühle, die, wie wir bald erkannten, aus Gold waren gleich dem Inkathron, wurde von acht Kriegern gleich dem Inkathron auf den Schultern getragen. Und jede der Gestalten war in die allerkostbarsten Gewänder gehüllt, und es waren zwölf Männer und zwölf Frauen, lauter Tote.

Sie kamen aus den Grabstätten, wo die einen seit einem Menschenalter, die andern länger, jahrhundertelang, geruht hatten, die Vorfahren Atahuallpas.

Die Männer waren mit der Borla und den Coraquenquefedern geschmückt, die Frauen hatten sternbestickte weiße Schleier, die sie von den Hüften abwärts umhüllten.

Als der feierliche und fast lautlose Zug bis dicht an die drei Treppenstufen der Vorhalle gelangt war, lösten sich die Träger der Toten von ihm los, schritten mit den Thronen in die Halle und an die Tafel und stellten sie an die vorbereiteten Plätze, die Männer zur Rechten des Inka, die Frauen zur Linken.

Am oberen Ende der Tafel aber stellten sie eine ungeheure goldne Sonne auf, die im Feuer der Fackeln und Pechpfannen und im schon beginnenden Brand des riesigen Scheiterhaufens einen verwirrenden Glanz verbreitete.

Atahuallpa begann nun von den Speisen zu essen, zum Scheine nur, und jeder Mumie wurde eine Speise auf den goldnen Teller gelegt, auch dies zum Schein. In ihrem fürstlichen Staat, die Köpfe ein wenig gesenkt, die Haare von rabenschwarzer oder silberweißer Farbe, je nach dem Alter, in dem sie gestorben waren, machten die Leichname einen täuschenden Eindruck des Lebens, der durch die grelle Beleuchtung der vielfachen Flammen und alsbald auch durch das Licht der höher steigenden Morgenröte verstärkt wurde.

Zuerst zeigten die Gesichter meiner Gefährten eine schauerliche Ehrfurcht, aber der Anblick der goldnen Throne und goldnen Kleider, der Juwelen und Spangen und vor allem der goldnen Sonne erweckten in ihren Gemütern die unverlöschliche Begierde neu, den nie zu stillenden Hunger, und trieb ihn bis ins Glutfieber hinein, denn eine solche Ansammlung von Schätzen ging über ihre Fassung und raubte ihnen die Vernunft. Die Wachen strömten herbei, die Soldaten strömten herbei, Lust und Grauen in den Augen, Gier und Furcht; ich selbst fühlte noch ein Aufflackern des wesenlos quälenden Verlangens, dann aber zersprengte mir dies gräßliche Zweierlei, Wollust und Grauen, Gier und Furcht, Anblick des Goldes und Anblick des Todes das Bewußtsein.

Ich sah noch, wie sich ein Teil der Soldaten auf die goldnen Throne stürzte und von den Rittern zurückgerissen wurde, sah noch, wie der Inka sich vor seinen Ahnen tief verneigte und die Edlen seinem Beispiel folgten und wie er dann im Erfunkeln des ersten Sonnenstrahls nach einem leidvoll-erstaunten Blick auf die Stätte des Kampfes mit heiterem Lächeln zum Richtplatz schritt; hörte noch die dumpfen Ermahnungen des Mönchs und die verloren hingeleierten Credos der um den Scheiterhaufen versammelten Ritter, dann umfing mich eine wohltätige Dunkelheit, die erst nach vielen Tagen meine Sinne wieder verließ.


 << zurück weiter >>