Jakob Wassermann
Das Gold von Caxamalca
Jakob Wassermann

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Als nun die Menge des eingelieferten Goldes den roten Strich bis auf etwas drei Handbreiten erreicht hatte, waren unsere Leute nicht länger zu bezähmen und drängten den General zur Verteilung. Dem war das Ansinnen nicht eben unerwünscht, da es ihm die Ausführung seiner finsteren Pläne erleichterte; Hernando de Soto und ich konnten uns später sogar des Argwohns nicht erwehren, daß die widerspenstige Ungeduld der Leute auch noch absichtlich geschürt worden war.

Zum Zweck einer gerechten und gleichmäßigen Verteilung wurde der Beschluß gefaßt, das ganze Gold einzuschmelzen und in Barren zu verwandeln, denn die Beute bestand aus unendlich mannigfaltigen Gegenständen, in denen das Gold sehr verschiedene Grade der Reinheit hatte.

Schon am andern Tag wurde die Schatzkammer ausgeräumt, und es wurden sorgsame Bewachungsmaßregeln dabei beobachtet. Hierauf berief der General eine Anzahl von einheimischen Goldschmieden, die er beauftragte, all die wunderbaren Gefäße, Schüsseln, Becher, Wasserkannen, Tafelgeschirr, Kredenzteller, Vasen, Leuchter, Tempelgerät, Ziegel, Platten, Räucherpfannen, Götzenbilder, Armbänder, Gesichtsmasken, all den Wandschmuck, die Säulenschäfte, die Ketten, die religiösen Insignien aus ihrer kunstvollen Form wieder in den Rohzustand umzugießen.

Ich erinnere mich unter anderm eines goldnen Springbrunnens, der einen funkelnden Goldstrahl emporwarf, während goldne Vögel und goldne Eidechsen am Rand des aus Gold zauberisch nachgeahmten Wassers zu spielen schienen. Die Handwerker, die solcherart zerstören mußten, was sie selber mit Mühe und Liebe geschaffen, arbeiteten Tag und Nacht, aber die einzuschmelzende Menge war so groß, daß sie nach Verlauf eines Monats noch immer nicht fertig waren.

Indessen war aus San Miguele am Meer Don Almagro, der langjährige Gefährte und Freund des Generals, mit seinen Leuten eingetroffen. Die verlangten, daß wir den Schatz mit ihnen teilen sollten, und zwar in so herausfordernder Weise, als ob wir ihre Fröner wären. Zank und Hader brach in hellen Flammen aus; die Straßen, die Höfe, die Wohnungen und Zelte waren von Geschrei und Waffengeklirr erfüllt, und Neid und Habgier vergifteten alle Gemüter bis in den Schlaf der Nächte.

In der Abendstunde trat Atahuallpa aus der Halle seines Gefängnisses und blickte mit umflorten Augen über den Platz. Ich stand an der Treppenstufe, ganz nahe bei ihm. Er trug einen Mantel aus Fledermaushäuten, der so weich und glatt wie Seide war, und um den Kopf das Llautu, einen Schal von feinstem Gewebe und vielfach glänzender Farbe.

Da gerieten zwei Soldaten, einer von unserer Partei, einer von Almagros Leuten, wegen einer goldnen Schildkröte, die jeder von beiden haben wollte und die sie dem Schmelzfeuer zu entziehen wünschten, in erbitterten Streit. Alsbald standen sie einander mit bloßen Schwertern gegenüber, ein paar Hiebe, ein Aufschrei, und der von unserer Partei, Jacopo Cuellar mit Namen, sank zu Boden und hielt, im Todeskampf noch, die goldne Schildkröte in der Faust und wehrte sich, im Todesdunkel schon, gegen die raubgierigen Arme des anderen, die sich danach streckten. Den riß ich zurück.

Magisch zog es den Inka hin. Die Wachen umringten ihn mißtrauisch, aber er achtete ihrer nicht. Während er auf den Leichnam niederschaute, verdunkelte sich sein Blick und hatte einen Ausdruck, als begehre er, die Brustwand des Toten möge zu Glas werden, damit er hineinschauen, damit er erforschen könne, aus welchem Stoff die unbegreiflich fremde Seele war. Ich merkte ihm an, daß ihn das Entsetzen schier erstickte, und als er die Augen zu den wenigen Dienern kehrte, die ihm gefolgt waren, sagte er zu ihnen mit leiser, gebrochener Stimme, indem er auf den regungslosen Körper deutete: „Seht nur, die goldne Schildkröte trinkt Blut.“

So viel hatte ich nun schon von seiner Sprache erlernt, daß ich die kindlich-schaurigen Worte verstehen konnte.


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