Jakob Wassermann
Das Gold von Caxamalca
Jakob Wassermann

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

5

Es verhielt sich nämlich derart, daß mir wie uns allen das Land rätselhaft wie die Sphinx war, Bild von unergründlichem Geschehen und gottentwirktem Sein; von gigantischer Natur auch, an Verheißung noch reicher als an Gaben. Der erhabene Anblick des Gebirges schon; wie es aufstieg aus dem Meer; eine Versammlung schrecklicher Riesen; die weißglitzernden Schneekuppen oben, himmlischen Kronen gleich, die nie von der Sonne des Äquators, höchstens unter der zerstörenden Glut ihrer eigenen vulkanischen Feuer  schmolzen; die steilen Abhänge der Sierra mit wild zerklüfteten Wänden aus Porphyr und Granit mit wütenden Gletscherbächen und unermeßlich tiefen Felsschlünden; und innen, im Schoß der Berge, die geahnten und gewußten Schätze an Edelsteinen, Kupfer, Silber und Gold.

Gold, vor allem Gold! Traum der Träume! Die Schluchten voll, die Erzgänge voll, ins Gestein gesprengt, grünleuchtendes Geäder unterm Eis, rotglühende Barren in den Höhlen, im Gefieder der Vögel und im Sand der Steppen, in den Wurzeln der Pflanzen und im Gerinnsel der Quellen.

Um Gold zu gewinnen, hatten wir ja die Heimat verlassen und alle Fährlichkeiten auf uns genommen, die Wechselfälle eines entbehrungsreichen Lebens in einer unbekannten Welt. Ich hatte mein väterliches Erbteil vertan, hatte mich brotlos, und die Haltung eines Edelmannes mit Mühe bewahrend, in den Städten Kastiliens herumgetrieben, und als mir die Not an den Hals stieg, hatte ich den Werberuf Francesco Pizarros vernommen, der um jene Zeit in Madrid eingetroffen war, um einen Vertrag mit der Krone zu schließen. Und nachdem ich mich ihm und seiner Sache versprochen hatte, war mein Sinn nur noch darauf gerichtet, wie ich zu Reichtum gelangen könnte, und hierin war kein Unterschied zwischen mir und allen meinen Gefährten, den Rittern wie den einfachen Soldaten. War doch ganz Spanien, ja ganz Europa in einem fiebernden Taumel, solcherart, daß die Kinder und die Greise, die Granden am Hof und die Vagabunden auf den Landstraßen, der Bischof und der Bauer, der Kaiser und sein niedrigster Knecht keinen anderen Gedanken mehr hatten als die Schätze Neu-Indiens. Dieses verheerende Fieber hatte auch mich erfaßt und war bis auf den Grund meiner Seele gedrungen, wo es alles Licht auslöschte.


 << zurück weiter >>