Jakob Wassermann
Das Gold von Caxamalca
Jakob Wassermann

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Die Soldaten erhielten Erlaubnis, auf Beute auszuziehen, und sie brachten aus dem Lager des Inka viel goldnes und silbernes Geräte mit und viele Ballen Stoffes, so fein im Gewebe und so vollendet in der Kunst der Farbverschmelzung wie wir noch keine vorher gesehen hatten.

Alles entwendete Gut wurde in ein hierfür bestimmtes Haus geschafft, um zur bestimmten Zeit, nach Abzug des Fünftels für die kastilische Krone, verteilt zu werden. Cristoval Perralta und ich hatten aber den Thron des Inka mit Hilfe einiger Leute in einem Versteck untergebracht; einer von ihnen verriet uns an den Pedro Pizarro, worauf uns der General kommen ließ und uns mit unheilvoller Miene aufforderte, den Thron auszuliefern. Das geschah alsbald, denn wir zitterten vor seiner drohenden Stirn.

Um mich schadlos zu halten, durchsuchte ich mit den Soldaten die Häuser der Stadt, und was irgend von Wert war, raubten wir. Die Eingeborenen wurden festgenommen, und wir rissen ihnen Schmuck und Zierate vom Leib. Einzeln oder in Gruppen zogen unsere Leute durch das Gelände und steckten die Wohnungen in Brand, nachdem sie sie ausgeplündert. Sie brachen in die Tempel, erschlugen oder vertrieben die Priester und schleppten fort, was sie tragen konnten an bunten Stoffen und schönen Gefäßen. Aber alles war nicht genug; sie lechzten nach mehr.

Und auch mir war nichts genug; ich lechzte nach mehr.

Eines Abends, als eine Abteilung von ihrem Raubzug, der besonders erfolgreich gewesen war, in die Stadt zurückkehrte, trat der gefangene Inka aus den inneren Gemächern seines Hauses in die Säulenhalle und schaute zu, wie die Soldaten sich ihrer Beute entledigten und wie andre hinzukamen, die goldnen und silbernen Gegenstände in die Hand nahmen, sie einander zeigten, sie betasteten, sie geradezu liebkosten und durch ihr ganzes Gebaren das trunkene Entzücken, die unstillbare Begehrlichkeit und wesenlos neidhafte Angst verrieten, die in ihnen tobten.

Ich stand in der Mitte des Platzes und hatte allmählich mein Augenmerk nur auf den Inka gerichtet. Er schien nicht recht zu begreifen, was sich vor seinen Blicken abspielte. Indem er angestrengt nachdachte, näherte sich ihm Felipillo und sagte mit leiser Stimme und heuchlerisch-demütigem Gebaren einige Worte zu ihm. Wie ich später von Hernando de Soto erfuhr, der es von Atahuallpa selber wußte, war Felipillos Rede so: „Sie wollen Gold. Sie winseln um Gold, sie schreien um Gold, sie zerfleischen einander um Gold. Frag sie um den Preis deiner Freiheit, und du wirst sie mit Gold kaufen können. Es gibt nichts in der Welt, was sie dir nicht für Gold geben würden, ihre Weiber, ihre Kinder, ihre Seele und sogar die Seelen ihrer Freunde.“

In jener Stunde ahnte ich nur den Sinn der wahren und furchtbaren Worte. Was mich bis ins Innerste bewegte, war der Ausdruck des Grauens und Grübelns im Gesicht Atahuallpas. Es ist sicher, daß er von da ab unablässig über dies eine nachdachte, denn er vermochte nicht daran zu glauben, daß man für ein so nichtiges Ding, wie es das Gold in seinen Augen war, ein so wichtiges wie die Freiheit gewinnen, ja daß man überhaupt etwas damit erkaufen, etwas dafür haben könne. Etwas haben: das war in seinen Augen ein ganz anderer Begriff als in unsern. Der Gedanke, etwas mit Gold zu erkaufen, mußte ihn im tiefsten Gemüt erstaunen und beunruhigen. In jener Stunde, beim Anblick meiner vom Gold berauschten Gefährten auf der einen Seite und der stummen Gestalt und staunenden Miene des Inka auf der andern, wurde mir zum erstenmal deutlich, wie fremd wir ihm waren, unfaßbar und schaurig fremd, nicht wie Menschen aus einer Welt, die er nicht kannte, sondern wie Wesen von einer ganz und gar unerklärlichen Beschaffenheit.


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