Jakob Wassermann
Das Gold von Caxamalca
Jakob Wassermann

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20

Atahuallpa ging aus dem Saal, aber kurz nachher ließ er den General bitten, er möge die Hinrichtung bis zum folgenden Morgen verschieben, da er im Angesicht der Sonne sterben wolle. Don Almagro und einige andere erhoben Einspruch dagegen, aber der General gewährte die Bitte des Fürsten. Zugleich traf er allerlei Vorkehrungen gegen einen Angriff der Peruaner, die vielleicht im letzten Augenblick noch versuchen würden, ihren König zu retten. Man hatte seit einigen Tagen eine auffallende Bewegung auf den Landstraßen und in den Bergtälern bemerkt. Die Wachen wurden infolgedessen verstärkt und die Feldgeschütze geladen.

Es gab außer mir noch einige andere Männer im Lager, die sich dem Todesurteil widersetzten, und nicht bloß stumm wie ich. Sie verwarfen die urkundlich festgestellten Beweise als unzulänglich oder willkürlich und leugneten die Befugnis, ein solches Gericht über einen regierenden Fürsten inmitten seiner eigenen Staaten zu halten. Doch mit ihren Argumenten regten sie die große Mehrheit nur zum Zorn auf, und abermals entstand Hader, abermals widerhallten Platz und Straßen von tobendem Geschrei und Waffengerassel.

Der Inka erkundigte sich bei mir, was der Lärm bedeute. Ich hatte nicht den Mut, ihm die Wahrheit zu gestehen. Mit Ketten an den Füßen kauerte er in der Mitte des Raums. Seit der Verkündigung des Urteils hatte man für nötig befunden, ihn auf so schimpfliche Weise zu fesseln. Rings saßen schattenstill seine Getreuen. Er war sichtlich in Unruhe und hob bisweilen den Kopf, als wolle er Ausschau halten. Am späten Nachmittag traf ein Bote ein, flüsterte etwas, warf sich auf die Erde nieder und blieb regungslos liegen. Nach einer Stunde erschien ein zweiter, nach einer weiteren Stunde ein dritter. Sie mußten einen Auftrag gehabt haben, dessen Vollziehung dem Inka sehr am Herzen lag, denn jedesmal, wenn er die geflüsterte Meldung vernommen, wurde seine Miene heller und wich die Unruhe von seinem Wesen.

Er erwartete die Ankunft seiner Ahnen. Das war auch die Ursache der Bewegung, die wir seit mehreren Tagen unter den Peruanern wahrgenommen hatten. In der Voraussicht und im deutlichen Vorgefühl seines Schicksals hatte Atahuallpa schon vor vielen Tagen nach dem großen Tempel der Sonne in Cuzco geschickt, damit seine toten Ahnen zu ihm kämen, da er nicht zu ihnen kommen und das Totenmahl halten konnte, wie es jeder Inka tat, der sein Ende nahen fühlte. Für sie wurden die Wege gereinigt, zu ihrem Empfang bereitete sich draußen in der Landschaft das Volk.


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