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Fünftes Kapitel

Der Hurone ist verliebt

Es muß gesagt werden, daß seit dieser Taufe und seit diesem Mahle das Fräulein von Saint-Yves leidenschaftlich wünschte, daß der Herr Bischof sie noch an einer anderen heiligen Handlung mit Herrn Herkules dem Harmlosen teilnehmen lassen möge. Da sie aber gut erzogen und sehr bescheiden war, wagte sie nicht einmal sich selbst ihre zärtlichen Gefühle einzugestehen. Jeden Blick, jedes Wort, jede Bewegung, die ihr entschlüpfte, hüllte sie in einen unendlich liebenswürdigen Schleier von Scham. Sie war zärtlich, lebhaft und klug.

Nach der Abreise des Bischofs fanden sich der Harmlose und Fräulein von Saint-Yves, ohne zu wissen, daß sie sich gesucht hatten; sie sprachen miteinander, ohne daß sie überlegt hatten, was sie sich sagen wollten. Der Harmlose erklärte ihr, er liebe sie von ganzem Herzen; die schöne Abacaba, nach der er in seiner Heimat toll gewesen war, könne sich nicht mit ihr vergleichen. In ihrer gewohnten Bescheidenheit erwiderte das Fräulein, er möge so schnell wie möglich mit seinem Onkel, dem Prior, und seiner Fräulein Tante sprechen. Sie werde dasselbe mit ihrem lieben Bruder tun, dem Abt von Saint-Yves. Sie erwarte, daß alle einverstanden seien.

Der Harmlose antwortete, daß er von niemand ein Einverständnis brauche: es komme ihm äußerst lächerlich vor, andere zu fragen, was man tun dürfe. Wenn zwei Parteien einig seien, brauche man keinen Dritten, um sie zusammenzubringen. »Ich frage keinen um Rat,« sagte er, »wenn ich Lust habe, zu frühstücken, zu jagen oder zu schlafen. Ich weiß wohl, daß es in der Liebe gut ist, das Einverständnis derjenigen zu haben, die man liebt. Da ich aber weder in meinen Onkel noch in meine Tante verliebt bin, so werde ich mich in dieser Angelegenheit auch nicht an sie wenden. Folgen Sie meinem Rat und fragen Sie den Herrn Abt von Saint-Yves nicht.«

Wie man sich denken kann, entfaltete die schöne Bretonin die ganze Zartheit ihres Geistes, um ihren Huronen von der Notwendigkeit gesellschaftlicher Formen zu überzeugen. Sie zürnte sogar ein wenig; besänftigte sich jedoch bald wieder. Wer weiß, wie diese Unterhaltung geendet haben würde, wenn der Herr Abt nicht gegen Abend seine Schwester in die Abtei zurückgeführt hätte. Der Harmlose ließ seinen Onkel und seine Tante, die von der Festlichkeit und dem langen Mahle etwas ermüdet waren, ruhig schlafen. Einen Teil der Nacht brachte er damit zu, in huronischer Sprache Verse auf seine Geliebte zu machen: denn es gibt kein Land auf der Erde, in welchem Liebende nicht zu Dichtern würden.

Am nächsten Tag nach dem Frühstück sagte sein Onkel in Gegenwart von Fräulein von Kerkabon, die sehr gerührt war, zu ihm: »Der Himmel sei gelobt, daß du, mein lieber Neffe, nun Christ und Niederbretone bist! Aber das genügt nicht; ich bin nicht mehr jung; mein Bruder hat nichts als ein kleines Fleckchen Land hinterlassen – das ist sehr wenig. Ich habe eine gute Priorei; wenn du dich zum Unterdiakon machen läßt, wie ich hoffe, verzichte ich zu deinen Gunsten auf meine Priorei, und du wirst ohne Sorgen leben, nachdem du der Trost meines Alters gewesen bist.«

Der Harmlose erwiderte: »Möge es Ihnen stets gut gehen, lieber Onkel, und möge Ihr Leben von größter Dauer sein! Ich weiß nicht, was Unterdiakon und verzichten bedeutet. Alles ist mir recht, wenn nur Fräulein von Saint-Yves immer zu meiner Verfügung ist!« – »Ach! mein Gott, was sagst du? Du bist wohl wahnsinnig verliebt in dieses schöne Mädchen?« – »Ja, lieber Onkel.« – »Ach, lieber Neffe, es ist unmöglich, daß du sie heiratest.« – »Oh! es ist sehr möglich, denn sie hat mir nicht nur die Hand beim Abschied gedrückt, sondern mir auch versprochen, daß sie mich zum Gatten haben wolle. Ich werde sie sicher heiraten.« – »Es ist unmöglich, sage ich dir. Sie ist deine Patin: es ist schon eine furchtbare Sünde von einer Patin, ihrem Patenkinde die Hand zu drücken. Ganz unerlaubt ist es aber, seine Patin zu heiraten. Göttliche und menschliche Gesetze sind dagegen.« – »Potz Blitz, lieber Onkel, Sie spotten meiner; warum soll es verboten sein, seine Patin zu heiraten, wenn sie jung und hübsch ist? Ich habe in dem Buche, das Sie mir gegeben haben, nirgends gefunden, daß es verboten sei, Mädchen zu heiraten, die den Leuten helfen, sich taufen zu lassen. Ich entdecke jeden Tag, daß man hier eine Unmenge Dinge tut, die nicht in Ihrem Buche stehen, daß man aber nichts tut von dem, was darinnen steht. Ich sage offen, daß dies mich erstaunt und ärgert. Raubt man mir die schöne Saint-Yves unter dem Vorwand meiner Taufe, so warne ich Sie: ich werde sie entführen, mich selbst aber zurücktaufen lassen.«

Der Prior war bestürzt; seine Schwester weinte. »Mein lieber Bruder,« sagte sie, »es darf nicht sein, daß unser Neffe sich selbst in die Verdammnis bringe. Unser heiliger Vater, der Papst, kann ihm Dispens gewähren, dann mag er auf christliche Art glücklich werden mit allem, was er liebt.« Der Harmlose umarmte seine Tante. »Wer ist«, sagte er, »dieser reizende Mann, der mit so viel Güte Burschen und Mädchen in ihrer Liebe beschützt? Ich will sogleich mit ihm sprechen.«

Man erklärte ihm, wer der Papst sei; der Harmlose wurde noch erstaunter als vorher. »Es steht nicht ein einziges Wort davon in Ihrem Buch, lieber Onkel; ich bin gereist; ich kenne das Meer; wir sind hier an der Küste des Ozeans; und ich soll das Fräulein von Saint-Yves verlassen und einen Mann, dessen Sprache ich nicht kenne, der vierzig Meilen von hier, am Mittelländischen Meer wohnt, um Erlaubnis fragen, ob ich sie lieben darf? Das ist eine unfaßbare Lächerlichkeit. Ich gehe sofort zu dem Herrn Abt von Saint-Yves, der nur eine Meile von hier wohnt; ich sage Ihnen, ich werde meine Geliebte noch am heutigen Tage heiraten.«

Während er noch sprach, trat der Amtmann ein, der nach seiner Gewohnheit fragte, wohin er gehe. »Ich gehe heiraten«, rief der Harmlose schon im Weglaufen. Eine Viertelstunde darauf war er bei seiner schönen und geliebten Niederbretonin, die noch schlief. »Ach! mein Bruder,« sagte Fräulein von Kerkabon zu dem Prior, »du wirst niemals einen Unterdiakon aus unserem Neffen machen.«

Der Amtmann war sehr verstimmt über diesen Plan; er wünschte, sein Sohn solle Fräulein von Saint-Yves heiraten; und dieser Sohn war noch dümmer und noch unerträglicher als sein Vater.


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