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Gefangenschaft

Nach diesen Liedern geschah mir ein gar übel Ding. Denn wurde gefangen genommen, und die mich fingen, waren Pilgerin von Karse und ein gewisser Weinolt.

Der Pilgerin war mein rechter Dienstmann, der mir immer treu gedient hatte, so daß ich ihm wohlgesinnt war, ihn in meine nächste Umgebung zog und er oft bei mir weilte.

Der Weinolt war ein ungemein großer Mensch, mit dem ich viel Scherz hatte. Sein Mund verstand zu lachen, während sein Herz auf Untreue sann.

Weinolt und Herr Pilgerin müssen beide unselig sein. Das wünsche ich ihnen sogar. Wo war ihr christlicher Sinn, als sie Treue für Untreue tauschten und damit auch ihre Ehre verloren?

Es war nach dem Bartholomäustage – eben lag ich gegen Mittag, nach dem Bade, in meinem Schlafgemache. Da kamen die beiden auf die Frauenburg. Als sie an das Tor gelangten, ließ man sie nicht lange warten. Mein Gesinde ließ sie ein und hieß sie willkommen. Da fragte Herr Pilgerin: »Sagt an, was macht der Herr?« Man antwortete ihm: »Er hat sich schlafen gelegt.« Da erwiderte Herr Pilgerin: »Das nenn ich bequem! Gehet zu ihm und bittet ihn, meinetwegen aufzustehen, damit ich ihn sprechen könne.« Da kam mein Kämmerer zu mir und teilte mir mit, daß Herr Pilgerin und Weinolt gekommen seien, und mich gerne sprechen möchten. »Das kann geschehen,« meinte ich, stand auf und ging ihnen freundlich entgegen. Ich trug bloß Hosen, Leinenuntergewand, darüber einen Pelzmantel. Ich umarmte sie und hieß sie herzlich willkommen. Sie dankten fröhlich – ich war gegen sie voll Vertrauen, nahm sie bei der Hand und führte sie zu einer Bank unter einer Linde, ließ Getränke bringen, zu Wein und Met Speisen reichen. Als sie gegessen hatten, fragte Pilgerin, ob ich nicht heute beizen wolle? Ich meinte, wegen des Bades ginge es nicht. Da sprach Herr Pilgerin: »So gehet doch auf die Jagd! Wir haben zwei Sperber mitgebracht und dachten hier auf die Beize zu gehen.« Ich antwortete: »Wenn ihr meine Teilnahme wünscht, halte ich gerne mit.« Ich ließ das die Meinen wissen, Vogelhunde und Falken auf das Feld bringen; so blieben nur wenige meiner Leute bei mir. Diese sendete Pilger mit allerlei Botschaften auch noch fort. Als ich so allein bei ihnen saß, winkte er seinen Knappen, von denen zwei den Torturm besetzten. Herr Pilgerin und Weinolt sprangen jäh in die Höhe, fielen mit gezückten Messern über mich her. Drei Messerwunden trug ich davon, dann wand mir Pilgerin Pelz und Mantel um den Hals und schleppte mich gegen den Turm. Ich schrie auf: »Oweh! Oweh! Was habe ich euch denn getan? Um Gottes willen, laßt mich leben.«

Die beiden hatten noch Knechte bei meinem Burgtore gelassen. Die drangen jetzt ein, vertrieben alle, die man in meinem Hause fand, daß niemand in demselben blieb. Da lief meine Gattin zu mir und schrie: »Oweh! Was soll das sein?« Die beiden sprachen: »Frau, wollt ihr die Freiheit haben, so gehet rasch vor das Tor. Dort sind die Eurigen. Gehet bald. Wir wollen all das, was er hat, oder noch erwerben mag, haben, oder das ist sein letzter Tag.«

Die Gute sah mich weinend an. Ich sprach: »Geht nur rasch. Wenn euch eure Ehre lieb ist, so bleibet nicht länger bei mir.« Da ging sie mit meinen Kindern gegen das Tor. Da rief Herr Pilgerin: »Frau, lasset uns auch euren Sohn hier, das muß so sein!« Das Kind nahm er von ihrer Hand; was er bei den Frauen an Kleidern fand, nahm er ihnen ab, ebenso den Schmuck, was fürwahr nicht ritterlich war. Dann trieb er sie vor das Tor – mein Sohn aber blieb zurück.

Mein Weib und mein Gesinde schieden, nahmen klagend den Weg gegen Liechtenstein; rasch flog die Nachricht im ganzen Lande umher und in Kürze waren dritthalbhundert oder noch mehr meiner Freunde bereit. Von Judenburg zogen sie in Eile gegen die Frauenburg. Ihr könnt mir aber glauben, daß ich sie nur ungern kommen sah. Denn sie brachten mir neues Ungemach, ja Lebensgefahr. Denn als sie vor die Burg angestürmt kamen, nahm mich Herr Pilgerin auf einen Vorbau und sprach: »Wollt ihr länger leben, so heißet sie von dannen ziehen.«

Ein Seil band er mir um den Hals, fuhr fort: »Ich fürchte sie alle miteinander nicht. Aber wenn sie irgend einen Versuch machen zu stürmen, so hänge ich euch hier gegen sie hinaus.«

Da schrie ich, so laut ich nur konnte zu den Freunden: »Was wollt ihr? Wollt ihr mich töten? So könnt ihr mich aus meiner Not nicht erlösen. Kommt ihr näher, so bin ich tot. Ich muß sterben und ihr könnt ihnen doch nicht schaden.«

Ich drohte und bat so lange, bis sie abzogen und mich gefangen ließen. Diese Nacht litt ich gar große Not. Man drohte mir oft, ich müsse bei Tagesanbruch sterben. Als der Tag kam, war ich überzeugt, daß ich den Tod finden würde. Da suchte ich, ob nicht irgendwo in meinem Gefängnisse ein Brot läge. Ein Stücklein fand ich – weinend hob ich es vom Boden. Mit dem kniete ich nieder, klagte mich vor Gott aller meiner Sünden an. Unter Tränen nahm ich in Ehrfurcht das heilige Mahl und empfahl meine Seele Gott. Da kam Herr Pilgerin zu mir herein. Töten wollt er mich. »Wenn ihr länger leben wollt, was wollt ihr uns geben?« fragte er. »Ich gebe euch alles, was ich habe und was ich noch erwerben mag. Ihr bekommt viel Gut dafür, wenn ihr mich leben lasset.«

Wie feind mir auch Pilgerin war, so half doch die Versprechung. Er überlegte: »Er gibt mir Gut und ich kann dabei doch meinen Mut an ihm fühlen, wie ich will. Er muß mir viel Gut geben und schließlich lasse ich ihn doch nicht frei. So soll es sein.« Er ließ mich an eine Kugel schmieden, die war unmäßig groß. In dieser Fessel war mir mancher Tag lang, und in dieser meiner Not sang ich folgendes Lied.

Nun hilf, Weibes Güte!
Ich bedarf der Hilfe dein:
Mir will Hochgemute
Sterben in dem Herzen mein.
Weibes Güte, du bist gut.
Hilf, daß nicht verderbe jämmerlich mein hoher Mut.

Wohin dringt die Mär,
Daß ich hier gefangen bin,
Wird Frauen das Herze schwer,
Da ich ihnen so lang schon dien.
Jede, die weibliche Güt' hat, fleht.
Ich weiß das wohl, mein Kummer zu Herzen geht.

Durch wen auch mich verlören
Die guten Frauen, der wisse fürwahr:
Die Schuld sie vergäßen
Nicht in hundert Jahr.
Das ist Recht: Es ist also;
Da ich bin durch ihre Leiden traurig und durch ihre Ehren froh.

Meiner Frowen Güte
Und ihr lieblich schöner Leib
Stärkt mein Hochgemute:
In ihr ehr' ich alle Weib.
Dies hat sie veranlaßt wohl.
Daß ich um ihrer Ehre willen dienen allen Frauen soll.

Dem viel werten Weibe
Muß man hohe Tugend zugestehen.
An ihrem süßen Leibe
Ward Unweibliches nie gesehen.
Sie ist schöne, sie ist gut.
Freundlich, keusch und treu, in Zucht weiblich gemut.

Röter als eine Rose
Ist ihr Mund, süß und heiß.
Sie ist mit Züchten lose
(Schönere Frau ich nirgends weiß)
Braun die Braue, weiß der Leib.
Durch Geburt eine Herrin ist sie, und durch Tugenden ein Weib.

Keusch auch lächeln, lachen
Kann ihr kleiner roter Mund.
Sie kann lieblich machen
Ihre Gebärde zu jeder Stund.
Ihr Mund und ihre Augen licht.
Wenn die mich anlachen, hohen Mutes man mich sieht.

Das Lied war lieblich und es erschien manchem wunderlich, daß ich in solcher Not ein neues Lied sang. Doch ich wollte meiner Frowe nicht vergessen.

So lag ich ein Jahr und drei Wochen gefangen. Grimme Not litt ich die Zeit, gar oft war mir der Tod nahe und ich beinahe erschlagen. Mit Messer und Schwert fiel mich der jähzornige Mann an. Ich sag's euch: Wenn Gott mich nicht oft gerettet hätte, ich wäre tot geblieben. Der half mir in meiner Not.

Da war Graf Meinhard von Görz von dem Kaiser uns als Herr in das Steirerland gesendet. Als der von meinem Schicksale erfuhr, ritt er mit vielen Herren vor die Frauenburg und machte mich frei. Als Pfand mußte ich meine beiden Söhne und meine beiden Töchter lassen. Meine Burg machte ich seither frei – wie – erzähle ich nicht. Als ich frei war, wurde ich wieder der, der ich gewesen war. Ich hatte viel Reichtum verloren. Was liegt daran? Ich war wieder hochgemut. Möchtet ihr wissen, wie ich der Not vergaß? Ich sag es euch! Ich sah, daß nur das Lachen meiner Frowe mir wohl tat und durch ihr Lachen gewann ich frohen Mut. Denn ihr Mund kann so süß lachen, daß, wenn sie mich anlacht, ich froh werden muß und mein Trauern schwindet. Wenn ich in meinem Gemache allein liege, schlafen will, weilt mein Herz bei ihr. Meine Gedanken fliegen zu ihr, spielen mit ihr und wir sind miteinander froh.

Da sang ich dieses Lied:

Frowe, meiner Freuden Frau,
Herrin über alles was ich han,
Wenn ich eure Schönheit schau
Und mich eure Augen lachen an.
So werd ich von Herzen also froh.
Daß mein Mut steht wie die Sonne hoh.

Weiblich Weib, durch eure Güte
Bin ich oftmals worden hochgemut.
Nun ist mein Leib in Ungemüte
Gekommen. Auch darin ward ihr mir gut.
Lachet mich mit munteren Augen an;
So ist es um mein Trauern ganz getan.

Lachen eurem roten Munde
Schöne steht, und euren Augen licht:
Davon freu ich mich zur Stunde,
So daß man aus meinen Augen sieht
Freudentränen brechen dann.
Wenn mich Mund und Augen lachen an.

In dem Herzen, hinter Siegel,
Hab' ich euren reinen, süßen Leib,
Und die Stäte ist der Riegel,
Daß daraus ihn weder Magd noch Weib
Kann verdrängen bei Nacht oder Tag.
Ihr seid die, an der von je meine Freude lag.

Mich freut die so süße Unruhe
Daß ich soll immer in eurem Dienste sein.
Euer Mund der kann so süße
Sprechen, daß es freut das Herze mein.
Eure minniglichen süßen Wort
Sind gar meiner hohen Freuden Hort.

Dies Lied wurde viel gesungen, als mancher in Steiermark und Österreich durch Raub litt. Meine Frowe aber machte mich so froh, daß ich, wie immer es auch im Lande zuging, nie den Kopf hängen ließ. In ihrem Dienste sang ich noch manch Lied.

Und nun will ich den Frauen den Rat geben, sich besser, als wie früher vor den Männern zu hüten. Denn deren Zucht ist schlecht geworden und sie wollen von Stätigkeit nichts wissen. Ich rat euch drum: »Fragen und sehen, in Züchten merken und spähen!« Ihr, süße Frauen, sollt es gut bedenken, wem ihr euren Leib zur Freude gebet. Denn sonst reitet hinter der Freud die Reue. Ihr sollt auch bedenken, daß mancher Mann die Frauen betrügen will und dies als eine Kunst betreibt. Eine edle Frau wird ferner bedenken, daß jähes Verlangen und rasches Gewähren weder Mann noch Weib ehren, daß Flatterhaftigkeit weder dem Manne noch der Frau zur Zierde gereicht.

Nun will ich euch fünf Dinge nennen, die das Glück des Mannes ausmachen. Das erste sind die Frauen, das zweite gute Nahrung, das dritte und vierte schöne Pferde und vornehme Kleidung, das fünfte ritterlicher Schmuck. Wer diese fünf Dinge hat, ist hochgemut und ein reicher Mann. Wenn er sie recht verwendet, wird er davon Freude haben. Aber das wird niemals ein wirklich reicher Mann, der sein Vermögen nicht verständig benutzt.

Ich weiß aber noch vier Dinge, nach denen alle Menschen streben. Wer eines davon erwirbt, mag wohl viel gewinnen. Niemand aber hat je alle vier erworben – denn sie wollen auseinander. Das wäre ein selig reicher Mann, der alle vier hätte. Aber es ist ein vergeblicher Versuch, darnach zu streben.

Das erste ist die Gnade Gottes.

Das zweite die Ehre auf Erden.

Das dritte gemächlich Leben, das vierte Vermögen. Nach diesen vier Dingen strebt ein jeder Tag und Nacht, doch keiner vermag sie alle vier zu erringen.

Mancher läßt Ehre, behagliches Leben und Gut für Gottes Gnade fahren. Der hat den besten Teil und ist der Klügste. Mancher läßt Gottes Huld der Ehre wegen. Darum verschwendet er sein Gut, hat selten Behaglichkeit. In Sorgen altert er, und teuer kommt ihm das Lob von Mann und Frau, so daß sein Leben in Leid endet. Ein dritter wieder kümmert sich um Gottes Gnade nicht, achtet auch nicht auf Ehre; Behaglichkeit flieht ihn. Er liebt nur das Gut, vermehrt es immer und immer, umsonst und wieder umsonst. Der Vierten findet man leider auch viel. Wie Schweine sind sie gesinnt, lassen des bequemen Lebens halber Gott, Ehre und Gut, vertun die Zeit im Sumpfe des Wohlergehens.

Das Fünfte ist unser Unheil. Es ist das versäumte Leben. Das trifft den, der alle vier erringen will – und – alle vier lassen muß. Er säumt da und dort und hat schließlich nichts. Von diesen bin ich einer. Ich hatte den Mut und den Wahn, alle vier zu erlangen – wähne das noch – und bin genarrt. Den einen Tag will ich Gott dienen, den anderen Ehre, den dritten Gut erwerben, den vierten in Behagen leben. So töricht bin ich aber doch nicht, daß ich meine Jahre so dahin verschwende. Ich habe doch das Beste gewählt, indem ich den Frauen diene. Ich glaube fest, daß der liebe Gott in seiner Gnade die Treue bedenken wird, die ich gegen sie hege, in der ich ihnen ohne Falsch diene. Ich wünsche euch Frauen langes Leben, daß Gott euch sein Himmelreich gebe, – ihr aber wollt mir wünschen, daß meine Frowe mir huldreich sei. Ihr sollt auch nicht vergessen, daß ich mit süßen Worten euer Lob singe, es, so gut ich kann, verkünde und bitte euch, daß ihr bei Gott meine Fürsprecherinnen seid, er mir rechtes Ende und solchen Sinn gebe, daß ich freudig von der Erde scheide. Dreiunddreißig Jahre lang war ich Ritter, als ich dieses Buch gedichtet. Viele Lieder sind in ihm vereinigt, in denen ich das Lob der Frauen gesungen –und wenn es deren noch mehr werden sollten, so schreibe man sie zu dem Buche, das ich im Auftrage meiner Frowe verfaßt habe. Ich weiß wohl, daß es nicht schicklich ist, daß ich selbst von meinen Taten spreche. Doch konnte ich's nicht anders, da es mir meine Frowe gebot. Denn was sie mir befiehlt, dem muß ich in Treuen mich unterwinden.

Dies Buch soll guter Frauen fein:
Darinnen hat die Zunge mein
Gesprochen ihnen manch süßes Wort.
Es soll sein ihres Lobes Hort:
Ihr Lob kann d'ran steigen hoh.
Es soll sie oftmals machen froh.
Frowendienst ist es benannt,
Als solcher soll es sein bekannt.


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