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Die Venusfahrt

Eine eigene Behandlung verdient die Fahrt, die der Liechtensteiner als Frau Venus durchgeführt hat, schon deshalb, weil sie damals und heute ein besonderes Aufsehen erregt hat, bzw. erregt und aus ihr allerlei Schlüsse gezogen wurden.

Der Tatbestand ist kurz folgender:

Ulrich will zu Ehren seiner Dame eine Fahrt unternehmen, wie noch keine war, und sie stimmt dem Gedanken zu, den Zug in der Art zu gestalten, daß Herr Ulrich, als Königin Venus, turnierend durch die Lande zieht. Niemand soll erfahren, wer es sei – deshalb trägt der Held Schleier und Handschuhe – und spricht mit niemanden, der nicht seinem Gefolge angehört.

Er ist vollkommen gerüstet – trägt aber statt des Wappenrockes Frauengewand – und, um seine Weiblichkeit zu markieren, Zöpfe. Auf dem Helme trägt er eine Krone. – In diesem Aufzuge, der mehr einer Allegorie als einer Verkleidung gleicht, und schon wegen des Namens »Königin Venus« als solche zu werten ist, zieht er mit der durchaus unweiblichen Betätigung des Turnierens bzw. Lanzenbrechens beschäftigt, in dreißigtägiger Fahrt durch die Alpenländer, besucht manchmal, dann ebenfalls in Frauentracht, die Kirche und wird, man kann es ruhig sagen, überall jubelnd empfangen. Insbesonders die Frauen drängen sich, ihn zu sehen, sind darüber gerührt, daß er zu ihren Ehren Frauentracht angelegt habe –, (was einen Schluß erlauben würde, daß die Frauen selbst sich in ihrem Verhältnis zum Manne als minderwertig betrachteten oder fühlten), beschenken ihn – lachen über seine Versuche, seine Bewegungen der fraulichen Zucht gemäß zu gestalten. Er selbst fühlt sich trotz seiner Kleidung vollkommen als Mann – führt gelegentlich recht lose Reden, und es ist nicht eine Spur zu finden, daß er die Fahrt aus einem Grunde unternommen hätte, der sich als eine Perversion des Geschlechtstriebes darstellen könnte. Ja – während der Fahrt besucht er sogar seine Gattin – und bleibt zwei Tage bei ihr.

Trotzdem hat man in neuerer Zeit geschlossen, daß der Liechtensteiner sexuell nicht ganz normal gewesen sei.

Ich muß gestehen – wie man dazu kam, verstehe ich nicht!

Ich kann es mir nur daraus erklären, daß jene, welche diese Ansicht zum besten gaben, den Frauendienst entweder gar nicht oder nur sehr oberflächlich, eventuell aus Hörensagen oder Auszügen kannten. Denn in ihm findet sich nichts, was dieser Ansicht Vorschub leisten könnte – außer man nützt die bloße Tatsache, daß er sich Zöpfe anschaffte, statt des Wappenrockes über dem Harnische ein Frauenkleid trug, in dieser Richtung aus.

Es ist mir bekannt, daß der geschlechtlich vollkommen normal empfindende Mensch eine Konstruktion ist, wie der » bonus pater familias« des römischen Rechtes. Ich weiß auch, daß unzählige Zwischenstufen von einem Pole zum anderen führen – die verschiedensten Variationen möglich sind, daß unter der Schwelle des Bewußtseins Dinge schlummern, zu denen man nur auf dem Umwege über Schlüsse und Analogien kommen kann.

Aber, wie man sich den Liechtensteiner als Exempel aussuchen konnte, das verstehe ich nicht. Denn dazu gehört nicht nur guter Wille – sondern auch eine geradezu verblüffende Unkenntnis des primitiven Menschen, der Zeit, in der Herr Ulrich lebte – seiner Persönlichkeit und der Gegenwart.

Nicht der Gegenwart, wie sie sich in Berlin in der Friedrichstraße nächtlings herumtreibt, in Salons herumlungert, von Überfeinerung zur Perversität gelangt – sondern der Gegenwart, wie sie in Alpen-Dörfern lebt und tobt – unter Verhältnissen lebt, wie sie der Lebensführung eines Rittersmannes um 1240 entsprechen. Dort ist es ein großer Spaß, wenn einer der Burschen sich entschließt, die Kleider seiner Mutter, seiner Schwester anzuziehen, sich in den Kitteln, unter denen die Hosenbeine und die Goiserer herausschauen, unter die Mädchen mischt, zimperlich tut, in der Fistelstimme spricht, anzügliche Reden führt, sich zuerst lange drängen laßt, und dann, anstatt zu nippen, ein Krügel Bier herunterschüttet, sich mit anderen Burschen balgt, ihnen höchst unweiblich über Bänke und Tische nachsetzt. Es sind das Streiche, die dem Wunsche nach Abwechslung, nach Lachen und hemmungsloser Fröhlichkeit entspringen, harmlose Scherze, bei welchen die Maske als Frau oder Mädchen nur deshalb gewählt wird, weil die Bestandteile des Kostümes leicht zu beschaffen sind und der komische Erfolg sicher ist.

Und wer da spitzfindige Schlüsse auf geschlechtliche Zwischenstufen ziehen wollte, würde zunächst verständnislos angestaunt – und dann feierlich – auch von den Mädeln – durchgeprügelt werden.

Wenn wir nun in die Vergangenheit blicken, so sehen wir zunächst einen Unterschied in der Zeit, die damals zu geselligen Unterhaltungen diente. Bei uns ist dies der Winter, der sogenannte Fasching – der mit Bällen, Redouten, Maskenumzügen und derlei erfüllt ist. Zur Zeit Ulrichs lebte man wohl auch gesellig – und war der Winter, wie wir aus dem Frauendienste wissen, die Zeit, zu der man »Frauen sehen ging«, wie der Ausdruck lautet. Das heißt, man besuchte seine Nachbarn auf ihren Burgen. Das war aber auch alles. Die Zeit der Feste war der Sommer – und das bedingt, daß all das, was wir in Sälen abtun, sich mehr oder weniger im Freien abspielte. So fallen Mummenschanz und Maskerade, Bälle und sonstige Feste in eine uns ungewohnte Jahreszeit, wodurch schon Verhältnisse eintreten, die uns fremd anmuten. Denn bei uns gehört der Sommer dem Sporte. Damals aber mußte der Sommer der Unterhaltung und dem Sporte zusammen dienen, fand eine Vermengung und Durchdringung dieser beiden Dinge statt, die wir nicht mehr kennen.

Ich möchte da fast sagen, daß bei uns der Fasching die Zeit der Unterhaltung für die Frauen, der Sommer jene für die Männer ist, während damals diese Scheidung noch nicht eingetreten war. Aber auch damals wollten beide Geschlechter sich unterhalten, lachen, fröhlich sein – wollte man sportliche Ehren erringen, auffallen – genau so, wie dies heute noch der Fall ist.

Und so kamen denn die verliebten Ritter im Sommer auf allerlei Faschingseinfälle – die sich zum Teil in eine Form kleideten, die uns heute mindestens sonderbar erscheint. So behängt Ilsung von Scheufling sich und seine Waffen mit 520 Schellen, reitet einer, statt mit dem Harnische bloß in einem seidenen Hemde einher, schmückt man den Helm mit allerlei Zieraten – wie Büffelhörnern, Adlerflügeln, Gänsefedern, Schleiern usw., hüllt man sich in eine Farbenpracht, von der wir uns kaum eine Vorstellung machen können.

Und wenn wir jetzt auf den speziellen Fall übergehen, so müssen wir zunächst das bedenken, was wir schon oben gesagt haben – dann aber auch nicht aus den Augen lassen, daß der Liechtensteiner, als er die Venusfahrt unternahm, verliebt war, es zu sein glaubte, es erscheinen wollte. Er war also in einer Gemütsverfassung, in der man auch heute noch Dinge macht, die man kurz und bündig als Dummheiten bezeichnet – und von denen man hofft, daß sie »ihr« gefallen, imponieren werden. Man bringt nicht nur Blumen und allerlei Leckereien – man reitet, ficht, macht halsbrecherische Hochtouren, schlägt Partien, hält sich einen Rennstall, ein Auto, dessen größte Geschwindigkeit einen Selbstmordversuch bedeutet. Dies tut man in der nüchternen Gegenwart, in der das Verständnis für den Wert körperlicher Tüchtigkeit erst langsam wieder an Boden gewinnt!

Zu Herren Ulrichs Zeiten aber herrschte allgemeines Verständnis für die Kraft und den Mut des Mannes, war man so primitiv, daß die Frauen es als eine Huldigung empfanden, wenn die Männer zu ihren Ehren kämpften bzw. im Scheinkampfe ihre Kräfte maßen.

Bei Ulrichs Dame aber verfing, wie die Ereignisse zeigten, die gewöhnliche Turniererei nicht mehr. Sie war »blasiert« und so kam Ulrich zu dem Wunsche, etwas was noch nie dagewesen, zu veranstalten, was ungeheures Aufsehen erregen mußte. Dieser Wunsch entsprang nicht nur seiner Natur, sondern der ganzen Zeit, die allgemein nach Ruhm und Ehre strebte, wovon wir wahrscheinlich nur deshalb nicht mehr wissen, weil die Forschung sich auch auf diesem Gebiete lieber mit der italienischen Renaissance als mit der Heimat beschäftigt. So kam er auf die Venusfahrt, die schon in ihrer äußeren Aufmachung Aufsehen erregen mußte, eine ganze Serie von Kämpfen bedeutete, Gelegenheit bot, ein glänzendes, ja königliches Gepränge zu zeigen, und auch der Frowe Anerkennung abnötigen mußte.

Ich bezweifle es sehr, daß er oder seine Zeitgenossen den mythologischen Inhalt, der sich uns mit dem Namen Venus verbindet, voll erfaßt haben. Ich glaube – ein Mann, der den Tantalus zu einem Märtyrer macht, wird von der Frau Venus kaum mehr gewußt haben, als daß sie einmal eine Königin oder Göttin der Minne gewesen sei. Denn selbst spätere Zeiten hatten von der antiken Mythologie nur sehr verworrene Vorstellungen – und ich erinnere mich mit Vergnügen an einen Holzschnitt des 15. Jahrhunderts, auf dem Apollo zu einem Götzen der Mohammedaner gemacht war.

Wie dem auch sei – die Vorstellung des Liechtensteiners von der Frau Venus war jedenfalls eine andere, als wir sie haben – und es fiel ihm, wie schon erwähnt, auch gar nicht ein, die Konsequenzen in unserem Sinne zu ziehen. Er trug Helm, Harnisch usw. – und markierte bloß durch Äußerlichkeiten die Frau – ritt also als Allegorie durch die Lande. Um zu erfahren, wie sich seine Zeitgenossen zu diesem Einfalle stellten, muß man sich gegenwärtig halten, daß tatsächlich ein jeder, der sich mit ihm maß, hiemit bekundete, daß er an der Maskerade nichts Anstößiges fand. Da verzeichne ich zuerst einen Landesherren, den Grafen von Görz, dann den Domvogt von Regensburg, den von Gars, die Kuenringe, kurz, die Mitglieder der vornehmsten Geschlechter. Im ganzen muß er über 300 Gegner gefunden haben, da er, wie er selbst erzählt, 271 Ringe verschenkt und selbst 307 Speere verstochen hat. Das sind Zahlen, die zu denken geben – bezeugen, was auch Ulrich meldet, und was man daher nicht unbedingt glauben muß – daß seine Fahrt allgemeinen Anklang fand, ein ungeheures Interesse erweckte. Verkleidungen scheinen überhaupt nichts besonders Ungewöhnliches gewesen zu sein. Herr Ulrich selbst ritt einmal als König Mai – Herr Zachäus von Himmelberg stach als Mönch, Otto von Buchau als windisches Weib – letzterer ebenfalls, um dadurch seiner Frowe zu gefallen. Man sieht – auch andere hatten Einfälle, die uns merkwürdig erscheinen, ebenso wie der Gedanke heute manchen sonderbar vorkommen wird, sich, um seine Frowe zu ehren, schweren körperlichen Beschädigungen auszusetzen.

Aber auch hier zeigt uns eine kurze Überlegung, daß wir uns doch nicht so wesentlich geändert haben. Denn auch heute hoffen manche jungen Leute durch eine steile Quart »ihr« zu imponieren. Weiters ist zu bemerken, daß es Ulrich darum zu tun war, wenigstens eine Weile unerkannt zu bleiben. Der Gründe hiefür können Legion gewesen sein. Man kann vermuten, daß dies mit Rücksicht auf die Dame geschah, und daß die Wahl auf die Frau Venus auch deshalb fiel, weil diese Gestalt die Möglichkeit einer gründlichen Unkenntlichmachung bot, die nicht so sehr ein anderes Geschlecht vortäuschte, als den Träger der Verkleidung zu einem derzeit namenlosen und daher rätselhaften Wesen machte. Nicht bloß die Heiterkeit, die seine Art zu gehen bei den Frauen auslöste, ist eine Gewähr dafür, daß sein Geschlecht bald erkannt wurde – manche Damen sagen es ihm geradezu ins Gesicht und andere erweisen ihm Aufmerksamkeiten, die sie für eine Frau sicher nicht gehabt hätten.

Aber ebenso wie ich es ablehne, in der Allegorie als Frau Venus etwas anderes zu sehen, als einen Scherz – ebenso überzeugt bin ich davon, daß manche, die den Ladebrief erhielten oder von ihm hörten, eine ganze Weile der Überzeugung gewesen sind, daß die Königin Venus tatsächlich höchstpersönlich erscheinen und tjostieren werde. Denn die Welt war damals voller Wunder – Zwerge lebten in den Bergen, irgendwo in den Fernen sprengte das Einhorn durch den Wald, lebte der Vogel Phönix, gab es den Gral, Zauberer, Menschen mit nur einem Fuße, versteinerte Menschen, nährte der Pelikan seine Jungen mit seinem Blute. Warum sollte da nicht auch die Königin Venus existieren, vor der zudem die Geistlichen Angst hatten? Und Ulrich selbst glaubt eine Weile, daß tatsächlich ein windisches Weib gegen ihn reiten wolle, führt bei dieser Gelegenheit lose Reden, die sehr eindeutig zeigen, daß er sich auch als Frau Venus vollkommen als Mann fühlte.

Die meisten aber werden, wenn sie vom Zuge hörten, gefragt haben – »wer ist das?« und diese Frage – das Geheimnis, mit dem sich der Liechtensteiner umgab, muß die Frage, wem zu Ehren ein Mann sich der Fahrt unterzog, völlig überwuchert haben.

Man kann sich leicht vorstellen, wie man zunächst ungläubig der Kunde lauschte, die der Brief brachte – man erstaunt vernahm, daß an der Sache doch etwas sei, Boten von der Pracht erzählten, die Märe zur Tatsache wurde – und wie da ein tolles Raten anging, wer das wohl sein könne, und dabei doch niemand auf den Herren Ulrich verfiel, der ja nach Rom wallfahren gegangen war, erst im Sommer zurückkehren sollte.

Je tiefer der Zug in die Alpen vordrang, je mehr Erfolg der Frau Venus beschieden war, um so höher müssen die Wogen der Neugierde gestiegen sein, um so weniger Interesse erregte die Frage, wem die Huldigung gelten könne. Und als nach der Fahrt das Rätsel gelöst war – wird man sich im stillen einen Reim gemacht, und vom Liechtensteiner und nicht der Frowe gesprochen haben.

Und wenn wir schon beim Liebesleben des Herren Ulrich sind, so mögen gleich noch einige Zeilen Platz finden.

Man hat noch verschiedenes in den Frauendienst hineinlegen wollen – was den Widerspruch herausfordert, wenn man das Buch wirklich genau kennt, sich über die Person des Liechtensteiners ins Klare gekommen ist. Eben um seine Gestalt schärfer hervortreten zu lassen, habe ich den historischen Teil etwas ausführlicher gehalten, habe auch auf die Urkunden gegriffen, soweit sie mir durch die Publikation Falkes zugänglich waren. Und da zeigt es sich, daß Herr Ulrich eine ungemein rührige und tatkräftige Persönlichkeit gewesen ist, deren Bedeutung durch die Dokumente erst voll zum Vorscheine kommt. Da scheint denn ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Liechtensteiner der Urkunden und dem des Frauendienstes zu sein. Ich sage scheint – denn der Frauendienst ist nicht ein historisches Dokument im engeren Sinne – er ist Dichtung und Wahrheit – was schon durch die gebundene Sprache hervorgehoben wird.

Außerdem aber ist eines zu bedenken – was mir besonders wichtig erscheint. Der Liechtensteiner hat den Frauendienst in einem Alter verfaßt, in dem er schon von der Warte der Jahre auf die Abenteuer seiner Jugend zurückblicken konnte. Was sein Herz als hohen Fünfziger bewegte, das zeigen uns die letzten Abschnitte seiner Lebensbeschreibung ganz genau. Er wollte erzieherisch wirken, wollte die alten Ideale aufrechterhalten, wollte die junge Generation, mit deren Treiben er nichts weniger als einverstanden war, erziehen. Und ich denke, daß er die Geschichte seiner ersten, nicht immer glücklichen Liebe deshalb so ausführlich erzählt hat, um den Jungen zu zeigen: so sind wir gewesen! »Ich, der bekannte Liechtensteiner, habe meine Dame auch nicht von heute auf morgen errungen. Ich mußte ihr in Treue durch Jahre dienen, bis sie mein ward. Und sie, sie hat auch nicht sofort ja gesagt. Sie hat mich erst auf die Probe gestellt, ob ich ihrer auch wert sei – hat sich mir erst gegeben, als sie meiner sicher war, ich ihretwegen allerlei Ungemach auf mich genommen.«

Eine Stütze für diese Ansicht finde ich in dem Umstande, daß es zwischen den beiden doch zum Bruche kam. Viel mehr, als sie ihm beim verunglückten Stelldichein angetan hat, konnte ihm die Dame überhaupt nicht antun. – Und wenn er dann doch aus ihrem Dienste schied, so schließe ich daraus, daß das Abenteuer sich nicht ganz so zugetragen haben wird, als er es schildert. Schon der Herausgeber des Textes vermutet, daß die Verkleidung als Aussätziger eine dichterische Ausschmückung ist. Ich glaube, daß noch viel mehr dazu gehört – insbesondere der Unfug, den der Schaffner treibt. Es wird daher das Element der Schilderung der erlittenen Unbilden abgeschwächt – ein Moment, das als Anzeichen einer masochistischen Neigung gedeutet wurde – und übrig bleibt ein aus lehrhaften Gründen dichterisch ausgeschmücktes unangenehmes Abenteuer – bei dessen Erzählung die Zeitgenossen herzhaft gelacht haben werden.

Wenn ich nun meine Ansicht kurz zusammenfasse, so geht sie dahin, daß Herr Ulrich als Unfreier in einer sowohl rechtlich und auch gesellschaftlich ungünstigen Stellung, von Ehrgeiz getrieben, den Versuch gemacht hat, seinen Weg in die Gesellschaft zu finden und zu erzwingen. Um das zu erreichen, sucht er sich eine möglichst hoch stehende Frowe, die er nun ansingt und anschmachtet. Dadurch wird er interessant – bekommt ein gewisses Ansehen. Aber das genügt noch nicht. – Er ist, wie man heute sagen würde, noch immer der Herr Niemand, der Emporkömmling, den man gelegentlich duldet, der aber noch immer nicht in die Gesellschaft aufgenommen ist. Will der Herr Neureich heute seine Vergangenheit vergessen lassen, so tut er das, was mein Vater als »Das Schinkenbein hinaushängen« bezeichnete. Das heißt, er gibt Feste, hält sich Pferde, Auto und eine Geliebte, spielt und läßt seine Partner gewinnen.

Andere Zeiten – andere Mittel! Ulrich unternimmt den Zug als Frau Venus, bei dem er das Geld mit vollen Händen hinauswirft, bei dem er jedem, der einen Speer mit ihm bricht, einen goldenen Ring schenkt, bei dem er mehrmals seine Gegner bewirtet, der ihn mit dem ganzen alpenländischen Adel bekannt macht, ihn mit zwei Regierenden – dem Grafen von Görz und dem Herzog von Kärnten – zusammenbringt, seinen Namen überall hin trägt und nicht nur seine Frowe, sondern alle zur Bewunderung und Anerkennung zwingt. Sie macht aus dem Unfreien, dem Dienstmanne, eine angesehene Persönlichkeit, die nun sogar das zuerst gesteckte, allzu hoch erscheinende Ziel, die Liebe der vornehmen Dame – allerdings erst nach einer weiteren Probe – erringt.

Ich sehe hier weniger Erotik als den Drang nach Ansehen – eine vielleicht krankhafte Sucht nach Ruhm, Ansehen, Erfolg, einen eisernen Willen und eine kühle Überlegung, welche die damals möglichen Schritte, das Ziel zu erreichen, bestimmen. Deshalb wird er auch, um seine Zugehörigkeit zur besten Gesellschaft zu betonen, so sehr auf die Zucht und Maße gesehen, später gegen die Flatterhaftigkeit gewettert haben.

Er ruft der Jugend zu:

Nicht bei Tanz und durch Gelage haben wir die Gunst errungen – wir haben gekämpft, haben Rittertaten vollbringen, die Zucht wahren müssen, um der Frauen Gunst zu erringen, ein Jemand zu werden.


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