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Nach diesem Lobe
Der Frauendienst beginnt mit den Worten:
Den guoten wîben sî genîgen
von mir ....
die mehr sind als eine Inhaltsangabe. Sie gewähren einen Einblick in die Seele, in der es von Frauenminne singt und jubelt. Darum steht der Gruß an die Frauen an der Spitze der Lebensbeschreibung – schließt sich ein Hymnus über die Frauen an. Dann erst beginnt der Liechtensteiner sein Werk. D. Hrsg. beginne ich in Gottes Namen, nach meinen schwachen Kräften meine Erzählung, und wünsche mir, daß ihr eine Freude daran habt. Denn dies wird der Lohn für meine Arbeit, bei der ich mich streng an die Wahrheit halte, sein.
Als Kind hörte ich, wenn man vorlas, oder ich den Gesprächen der Alten lauschte, daß nur der bei Lebzeiten Ruhm, Ehre, Ansehen erwerben könne, der seinen Dienst in Treuen edlen Frauen widmet. Denen aber fiele hoher Dank und Lohn zu. Dann hörte ich sprechen, daß niemand von Rechten froh noch frohen Mutes wäre, der nicht eine Frowe so lieb hätte, wie sich selbst.
So hätten alle es gehalten,
Die ruhmvoll auf der Erde wallten.
Als ich das hörte, war ich noch ein Kind, so töricht, daß ich noch das Steckenpferd ritt. Und doch dachte ich schon, wenn auch ohne zu wissen, was es bedeutete: Wenn dem so ist, so will ich jederzeit, wie immer es auch enden kann, den Frauen dienen.
Leib, Gut, Mut und auch das Leben,
Das all will ich den Frauen geben
Und ihnen dienen so gut ich kann.
Und werd ich dann einmal ein Mann,
Mein Dienen mir nur frommen kann.
In solchen Gedanken wuchs ich bis zu meinem 12. Jahre – dachte darüber nach – fragte, wenn ich durch das Land kam, nach holden Frauen, ihrer Sitte, Schönheit, Gesinnung, Tugend und erfuhr hiebei noch manch andere Sache.
Wer gut von edlen Frauen sprach
Dem schlich ich freudig lächelnd nach.
Ihr Lob tat mir so innig wohl.
Daß ich davon ward freudevoll.
Mir tat gar mancher weise Mund
Ihr Lob und ihre Ehre kund:
Man lobte jene, man lobte die.
Man lobte dort, man lobte hie.
Der Frauen Lob erfuhr ich viel –
Von einer nun ich sprechen will.
Deren Ruhm verkündeten in allen Ländern die Allerbesten und ein jeder, der sie kannte, mußte ihr hohe Tugend zugestehen.
Sie war zur Besten auserkoren.
Sie war von hoher Art geboren.
Sie war schön, sie war gut,
Sie war keusch, voll sanftem Mut.
Lieblich waren Mund und Wangen.
Der diente ich als Page volle fünf Jahre, und konnte in der Zeit nie Unedles an ihr sehen oder über sie erfahren. Sie war zu allen Zeiten gut, reich an Weibes Züchten.
Da sprach mein Herz zu mir:
»Wenn du dich einer Frowe zu eigen geben, immer in ihrem Dienst leben willst, so wähle dir die! Der wollen wir – ebenso beständig, wie sie ist, – in Treuen anhangen.«
»Gerne folge ich dir Herz! Doch mir scheint, daß wir beide vermessen sind, wenn wir ihr um den Sold dienen, den man sonst bei lieben Frauen holt. Es ist ja meine Frowe viel, viel höher als wir Beide, so hoch geboren, daß darüber unser Dienst vergebens sein mag.«
»Schweig Leib,« erwiderte das Herz. »Höre, ich will dir sagen, – es war noch nie ein Weib so hoch, so reich, oder so edel, daß ein Ritter, der ihm nach seinen Kräften mit Herz, Leib, und Gut diente, die Hoffnung hätte fahren lassen müssen.«
»Ich schwör nun einen schweren Eid
O Herz, bei meiner Seligkeit,
Daß sie mir lieber als jedes Weib,
Ja lieber als der eigene Leib.
Ich will ihr dienen so wie heut
Jetzt und in alle Ewigkeit.«
So sprachen Herz und Überlegung oftmals. Da trat ich dann vor sie hin; und während ich in Schauen versunken stand, dachte ich mir: »Heil mir, wenn sie wirklich meine liebe, süße Frowe wird! Aber wie soll ich es nur anstellen, daß ich ihr recht diene? Es steht viel edle Jugend in ihrem Dienste! Doch niemand soll ihr besser dienen, als wie ich. Und wenn vielleicht doch einer der Edelknaben ihr besser dient, so spricht sicherlich sein Herz nicht so von ihr, wie meines. Da kommt mir keiner nahe.« Eines geschah mir oft. Wenn ich in der Sommerszeit den Auftrag erhielt, ihr schöne Blumen zu brechen, so trug ich sie stets selbst zu ihr. Wenn sie sie dann in ihre weiße Hand nahm, die Blüten ebendort anfaßte, wo ich sie gehalten hatte, dann erfüllte mich jedesmal eine tiefe, tiefe Freude. Manchmal war mein Glück noch größer. Es geschah, daß ich dazu kam, wenn man meiner Frowe vor der Mahlzeit Wasser über die linden Händchen rinnen ließ. Dies Wasser, das ihre Finger genetzt, trug ich verstohlen davon, und die Liebe zwang mich, meine heißen Lippen darin zu kühlen.
So diente ich ihr kindlichen Sinnes, wie eben ein Kind dienen kann, bis auf den Tag, da mich mein Vater von ihr nahm. Damals lernte ich die Trauer und der Liebe Kraft kennen. Ich schied wohl – aber mein Herz blieb bei ihr. Es wollte nicht fort und es war eine wundersame Sache, wie mein Leib sich entfernte, mein Herz aber bei ihr verweilte. Bei Tag und bei Nacht blieb es in ihrer Nähe, pflegte nur selten der Ruhe. Wo immer ich auch schritt oder ritt – meine Gedanken weilten bei ihr. Und die Liebe hatte solche Gewalt über mich, daß ich die Frowe jederzeit sah, wie ferne sie auch war. Darüber will ich nicht mehr sprechen, denn die Erinnerung tut mir heute noch weh.
Damals gab man mich zu Markgrafen Heinrich von Istrien, einem Manne, reich an hohen Eigenschaften. Die Streitfrage, ob man Österreich oder Istrien lesen soll, erscheint mir gänzlich belanglos.
Er verehrte die Frauen, war ihnen hold, sprach, wie es Ritterspflicht ist, gut von ihnen. Er war freigebig, gütig, kühn, hochgemut, mit schlichten Menschen einfach, mit Weisen klug, litt um der Ehre willen Ungemach, sprach nie ein böses Wort, war stets freundlich, Freunden, auch geringen Standes, treu, von ganzer Seele fromm.
Mein lieber Herr sagte mir oft, daß, wer in Ehren leben wolle, sich einer reinen Frau zu eigen geben müsse. Davon würde er hochgemut. Er sagte, es könne keiner ein Biedermann sein, der nicht den Frauen untertan wäre. Er erzählte mir von seinen eigenen Taten, lehrte mich die Frauen loben, das Streitroß reiten, süße Worte zu Liedern setzen. Und immer wieder ließ er es mich hören, es ziere einen jungen Mann, gut von den Frauen zu sprechen. Süße Worte und gute Werke seien edlen Frauen genehm. Schmeichelreden würden bei ihnen zu nichts führen, ja sogar schaden.
Wenn ich das, was er mir riet, immer getan hätte, ich wäre jetzt an Ehren reicher, als ich es bin.
Vier Jahre vergingen so in Sehnsucht – da starb mein Vater, und ich mußte fort wie jeder, dem der Väter Erbe zufällt. Schwer nahm ich Abschied von meinem lieben Herren – ritt heim – nach Liechtenstein in Steiermark.
Dort war es damals Sitte, daß die Knappen fleißig turnierten, um dabei nicht nur ritterliches Leben, sondern auch ritterliche Gesinnung zu lernen. Wo ich nur konnte, tat ich zu Ehren meiner Frowe mit. Denn ich überlegte: Wenn ich ihr diene, muß der Dienst nach ritterlicher Sitte erfolgen. Man muß mich Tag für Tag in ihrem Dienste im Helme sehen. Ihr zu Ehren muß ich Ehre gewinnen. Denn ihretwegen und durch sie erwerbe ich sie. Wolle Gott, daß meine Mühe an ihr nicht verloren sei.
Drei volle Jahre zog ich so als Knappe turnierend durch das Land, lernte mancherlei und errang Ehre. Dann wurde ich bei einer Hochzeit, die so schön, so herrlich, so glänzend war, daß ich keine zweite ähnliche sah – Ritter. Der Herzog Leopold von Österreich gab damals seine Tochter einem Fürsten von Sachsen zur Ehe. Da schlug der edle Fürst eine Anzahl Knappen zu Rittern. Wohl tausend Grafen, Freiherrn, Dienstleute und Ritter erhielten Gold, Silber, Pferde, Prunkgewänder zum Geschenke, 5000 oder noch mehr Ritter waren bei ihm Gäste. Es gab Tanz, Feste, Buhurte, allerlei ritterliche Spiele. Die Herzogin selbst, ihre liebliche Tochter, viele edle Frauen waren anwesend und gaben uns hohen Mut. Auch meine Frowe war anwesend, doch war sie stets so umlagert, daß ich während der ganzen Zeit nicht einmal ein Wort mit ihr wechseln konnte, worüber ich mich lange grämte.
Als sie mich unter dem Schilde sah, sprach die Güte zu einem meiner Freunde: »Es freut mich von Herzen, daß Herr Ulrich hier Ritter geworden ist. Damals, als er in meinem Hause war, war er noch ein Knabe. – Ich meine den von Liechtenstein.«
Als mir mein Freund dies erzählte, dachte ich mir fröhlich: »Möchte sie gar wünschen, dich zum Ritter zu haben?« Dieser Einfall war töricht – aber süß, erfüllte mich mit Freude und Stolz.
Die Hochzeit nahm ein Ende. Man schied und zog fröhlich in alle Winde, begann da und dort zu Ehren der Frauen zu turnieren. Nirgends fehlte ich, wollte ich doch zu Ehren meiner Frowe bei allem anwesend sein. Diesen Sommer bin ich einmal bei einem solchen Anlasse 12 Stunden im Sattel gesessen, habe meine Kraft mit manchem starken, erfahrenem Manne gemessen, und ich danke es sicher nur meiner lieben Frowe, daß ich nie besiegt wurde.
Der holde Sommer verging – der grimme Winter kam. Da mußte ich notgedrungen das Turnieren lassen. Sehnsucht saß neben mir auf der Burg, ließ mein Herz selten frei. Verstohlen und heimlich mußte ich meinen Kummer tragen. Denn meine Frowe war so wohl behütet, daß ich ihr nie sagen konnte, wie sehr ich sie liebte. Darüber sank ich in Trauer, suchte auch vergebens einen Boten, der ihr hätte künden mögen, wie herzlieb sie mir sei.
So wußte sie es lange nicht, daß ich ihr diente. Und ich mußte darob trauern, in Sorgen zu Bette gehen, voll Sorgen aufstehen, in Sorgen ruhen und wandeln. So litt ich schwere Herzensnot.
Nun höret, was sich ereignete.
Ich kam als Gast auf eine Burg, deren Herr mich als Freund empfing und ehrte, ebenso wie seine Ehefrau, meine Niftel, die mich herzlich willkommen hieß, und mich bald zu einer Aussprache zu sich bat. Sie sprach:
Die Nummern bezeichnen die Strophen des Originales nach der Bechsteinschen Ausgabe. Hrsg.
»Neffe, was soll ich viel reden. Ich verspreche, in einigen Tagen will ich es ihr sagen – und Gott gebe es, daß es dir gut ergehe, daß das, was du ihr sagen läßt, ihr gut und angenehm klingt.«
65 | »Ich neige mich bis zu deinem Fuß,
In Ewigkeit ich dir danken muß, Daß dein getreuer roter Mund Will machen meiner Frowe kund, Daß ich ihr als ihr Ritter dien', So daß mein Herze, Leib und Sinn, Ihr immer sind ganz untertan So lang ich Leib und Leben han. |
66 | Gar schönes Lied sang ich zum Preis
Ihr. Das sollst mit Fleiß Mir bringen vor die Ohren ihr. Dann aber künde raschest mir Ob es ihr hat gefallen wohl So wie es ihr gefallen soll.« Da schied ich von der Niftel mein Und schickte ihr dies Liedelein. |
Dies ist eine Tanzweise!
Da dachte ich: »Da ich ihr einen Boten gesendet habe, der ihr nach meinem Willen meine Wünsche kündet, will ich fröhlich sein. Hinter mir liegt die Trauer! Hochgemut will ich leben.« Unruh ließ mich nicht rasten. Fünf Wochen ritt ich im Lande kreuz und quer, besuchte Burgen, nirgends lange verweilend. Da erhielt ich die Nachricht, daß meine Niftel meinem Wunsche gemäß zu meiner Frowe gefahren, und nun zurückgekehrt sei. Sofort ritt ich zu ihr, und nach herzlichem Gruße sprach sie: »Ich habe für dich getan, was ich vielleicht besser hätte lassen sollen, was dir wenig nützt, und mir wenig frommt.
»Sie wollte mit mir von dir nicht mehr reden. So kann ich dir nur den Rat geben, sie, da sie so stolz und abweisend ist, nicht zu deiner Frowe zu machen. Wenn dir deine Ehre lieb ist, so lasse den Wunsch, ihr zu dienen, fallen, und lebe anderswie hochgemut.«
»Niftel«, erwiderte ich, »den Rat befolge ich nicht! Ich lasse von meiner Frowe nicht – in ihrem Dienste will ich leben, von ihr erst beim Tode lassen.«
»So will ich nicht mehr dein Bote sein!«
»Niftel! Du darfst mir jetzt noch nicht verzagen! Du sagst, daß mein Mund der Frowe mißfällt – da laß' ich ihn eben schneiden, damit sie das nicht mehr sagen kann.«
Die Niftel redete mir davon ab – ich aber erwiderte: »Gott möge dich segnen, Niftel! Ich werde dich wissen lassen, wie es mir dabei ergeht, und bitte dich bei deiner Treue, dies dann der Frowe zu vermelden.«
So ritten wir zusammen den Weg nach Graz, und der Arzt fing eines Montags in aller Früh mit dem Schneiden an. Er wollte mich binden, doch ließ ich dies nicht zu. Er meinte, es geschehe leicht ein Schaden –
Der diene ich und was ihr an mir nicht behagt, das opfere ich ihr ohne Bedenken. Mißfiele ihr meine rechte Hand, – ich schlüge sie ab. Doch ich will davon nicht sprechen. Sag nur – er will das, was die Herrin will.« Der Knappe schied – ich aber lag an der Wunde wohl sechseinhalb Wochen dort.
Das ist diu ander Tanzwîse.
Ich vermag nicht zu singen
Von der Nacht – die gibt mir Freude nicht!
Das fröhliche Klingen
Bringt mir der Tag, denn er ist licht.
Auch gleichet sein Schein
Der Frauen mein;
Davon allein.
Muß er selig sein.
Es mag von Rechten
Loben die Nacht, dem selig Lager ist bereit,
Mir tut sie flechten
Sehnendes Leid.
Darum ich sie meid'.
Und lobe den Tag,
An dem ich sie mag
Sehen, die mir wohl heilet Sorgenplag.
Den Tag ich ehr'
Da ich die Vielliebe erstmals sah.
Seither immer mehr
Gab die Nacht mir Leid und Ungemach.
Sie ist mir gram,
Ich ihr allsam.
= ebenso.
Heil dir Tag, vielselig sei dein Nam'.
Wenn mich bedrückt
Haben nachts die Sorgen in heller Schar,
Werd' tief ich beglückt
Wenn der Tag erstrahlt klar.
Mich erfüllet der Wahn
Daß ich gehen kann,
Meine holde Frowe schauen an.
Gar gerne ich wollt'
Loben die Nacht, ging es mir einmal so,
Daß ich liegen sollt'
Nahe bei ihr, die mich nun macht unfroh.
Was war ich dann
Für ein sel'ger Mann!
Weh mir, daß sie's nicht gewähren kann.
Die Niftel war bereit, Lied und Brief zu senden und wir machten aus, daß sie eine Antwort der Frowe mir nach Liechtenstein senden solle. So schied ich – sie aber sendete rasch einen Boten – der nur kurz bei der Frowe verweilte. Denn als die Brief und Lied gelesen, antwortete sie in einem Schreiben, das mich seither oft und oft gefreut hat. Diese Antwort ließ die Niftel mir sofort zukommen – und ich hätt' es nimmermehr gedacht, daß ein so kurzes Briefelein ins Herz könnt bringen Sonnenschein.
Der Brief lautete so: Der erste uns erhaltene Privatbrief in deutscher Sprache!
Meine Huld und meine Gnade entbiet ich dir willig und tue dir kund, daß ich am nächsten Montage von dem festen Hause abreise, auf dem ich jetzt sitze, und zur Burg reise, die du wohl kennst und bin die Nacht über in dem Markte, der in deiner Nähe liegt. Nun bitte ich dich, es nicht zu versäumen, daß du mich besuchst, denn ich will dir auf all das antworten, was du mich hast wissen lassen. Sollte auch dein Neffe hinkommen, so sähe ich ihn gerne, um zu sehen, wie sein Mund jetzt ist, aber sonst aus keinem Grunde.
Und während sie zu ihren Frauen schritt, stand ich verstört da, dachte – »Wehe! Wie ist mir geschehen! Ich hab mich so benommen, daß sie recht hat, wenn sie mir nie wieder gnädig wird.« So stand ich in Beschämung – doch bald hieß ein Ritter mich den Platz verlassen, damit die Frauen in ihr Gemach könnten. So ritt ich denn zu einer Herberge in der Stadt, fand ein entlegenes Kämmerchen und erklärte den Leuten, ich sei krank. Dies war auch wahr. Ich war wie zerschlagen und mein Herz litt große Not. Schlaflos wälzte ich mich hin und her, beklagte mich, mein Schicksal, mein Benehmen, und betrachtete meine Frowe als verloren. In Klagen verbrachte ich die Nacht. Ich saß, ich lag, ich stand, ich ging, rang die Hände in Verzweiflung. So fand mich in der Früh einer meiner Verwandten. Der fragte, was mir fehle. Ich sagte: »Schmerzen hab ich in meinem Herzen, sie werden ärger und ärger, so daß ich meine, es wird mir brechen. Ich kann weder sitzen noch stehen, bloß wenn ich gehe, kann ich es ertragen.« Er erwiderte: »Es ist ein Arzt im Orte.« »Den bringe mir.« Und während er in die Stadt eilte, bat ich um Roß und Knecht, und sprengte dorthin, wo ich die Frowe gestern verlassen hatte. So wie ich es mir gewünscht hatte, kam sie mir entgegengeritten. Sie grüßte mich – und ich – redete. »Gnade! meine Frowe, Gnade! Um Gottes willen, der Tugend willen, die er euch geschenkt, habt Gnade. Gnade, gnadenreiche Frau! Ihr seid es, an der meine Freude hängt, ihr seid meiner Freuden hohe Zeit.
»Nun lasset mich endlich mit eurem Geraune in Ruh! Ihr wisset wohl, man behütet mich. Wenn jemand eure Worte vernommen, mag mir das schaden. Lasset mich in Frieden!« Dabei sah sie sich um und rief einem Ritter zu: »Ihr sollt her zu mir reiten – es ist nicht gut, daß nur einer bei mir ist. Seht zu, daß das nimmermehr geschieht.« Darauf ich: »Sie hat recht gesprochen. Es schickt sich nicht, daß ihr uns zwei allein lasset. Ruft noch mehr Ritter her.« So ritten dann sechs oder mehr mit uns.
Das war das Ende unseres Zwiegespräches.
Da nahm ich Abschied, und ritt fröhlich davon – denn schließlich war es mir doch gelungen, ihr, meinem Freudenscheine, etwas von meinen Wünschen zu sagen.
Voll freudigen Mutes suchte ich ritterliche Taten – wo es solche gab, sah man mich. Und es gelang mir auch in diesem Sommer, einen tapferen Ritter in gleichem Kampfe niederzustechen. So lange das warme Wetter anhielt, zog ich als rechter Frauenritter in den Landen umher. Und erst als der Winter kam, fand ich Ruhe. Da dichtete ich ein Lied und ein Büchlein, die ich beide durch meine Niftel an die Herrin gelangen ließ.
Hie hebt sich daz erste Buechelîn.
»Deinen Weg behüte Gott
Du kleines Buch, getreuer Bot,
Daß du glücklich weiter fahrest.
Deine Zucht dabei bewahrest.
Mit Reden, wie man bei Hofe soll.
Und kannst dich da gebahren wohl.
So hab ich Freud' – du Ehr'
Ohne Zweifel, immer mehr.
Zu dem, was mir bereitet Freud
Wirst du wohl gerne sein bereit.
Heil den Augen, welche wollen
Offen oder auch verstohlen.
In dich am Hofe sehen.
Und kannst du hohe Art erspähen.
So ist 's sie, der ich dich gesandt,
Der immer dienet meine Hand.
Die Reine, die Süße, die Gute genannt,
Und als die Beste anerkannt,
Die die Herrin ist über alles Land.
Deß sei vor Gott meine Seele Pfand.
Ach! Dürftest du von mir
Gnade heischend künden ihr
Gruß und all die Dienste mein!
Könnte es leicht schicklich sein.
Und war es nicht gar zu viel.
Und ging's nicht über der Sitte Ziel
So solltest du der Guten sagen,
Wie nahe ich sie hab' getragen
Nun lange schon in meinem Mut
(Gott halt' es mir zu gut)
Und wie ich ihr statt and'rem Weib
Das Herze mein und auch den Leib,
Den Mut, den Sinn und all mein Leben
Zu Lehen gerne hab' gegeben.
Und wie ich gerne ihrer Huld
Wegen, schweres Leid erduld';
Gut, Leib und Ehre,
Zu ihrem Dienst kehre.
Ihr, die mein Herz zuerst erschloß
Und hinein als erste schoß
Die Gedanken der Minne,
Der stark sehnenden Sinne ...
Das tat sie alleine,
Die Süße, die Reine,
Die Hohe, die Werte,
Die würdigste der Erde,
Von rechter Weibeswürdigkeit.
Das nehm' ich wohl auf meinen Eid,
Daß sie ganz ohne welche List
Voll mancher hoher Tugend ist,
Zu hoher, als daß mir wär' gegönnt
Zu sprechen, wie ich es sonst könnt'.
Auch magst du wohl der Guten sagen,
Und mir dabei ja nicht verzagen.
Daß ich auf ihre Gnade gar
In hohen Freuden jauchzend fahr'
Seit der seliglichen Stund',
Da ich ihr tat ein wenig kund,
(Doch weniger, als ich es sollte
Und als mein Wille es auch wollte)
Den heischenden Willen, den ich trage
Nach ihrer Gnade manche Tage,
Und daß ich um ihrer Gnade Gewinn
Ihr Ritter immer gerne bin.
Das mag ihre Güt' erlauben wohl,
So wie sie es von Rechtens soll.
Da ich von Kindheit an ihr Knecht
Gewesen bin, so hat sie Recht,
Daß sie mich laß' ihr'n Ritter sein.
Ich leiste ihr die Dienste mein.
So daß sie ihrer sich nicht braucht schamen.
Es sei für ihren vielwerten Namen
Immer mehr noch sein getan,
Was ich an Dienst nur leisten kann.
Dazu dien' auch mein neuer Sang.
Scheints aber ihr, ich sei zu krank
An meinen dummen jungen Tagen,
Daß ich die Bürde nicht könnt' tragen.
Wie sie gar süß es hat gesprochen
Jüngsthin, als sie mich hat gesprochen –
Um meinetwegen ihr doch künd:
»Bin ich an Alter nur ein Kind
So bin ich doch nun schon so weis'.
Daß ich erringe Ritters Preis,
Wenn sie's als Dienst annehmen will.«
»Bot', ich getrau' mich nicht so viel
Auftragen, als ich sollte.
Selbst wenn ich's tun wollte
Und ich mit Recht vertraue dir.
Und bringst du liebe Märe mir.
So steht fürwahr meine Freude hoh,
Bin dann auch immer mehre froh.
Drum lieber Bote werbe so.«
»Was ihr gebietet wird getan.
Könnt' ich, wie ich den Willen han.
Den Lohn als Bot' erwerben
Ich ließ ihn sicher nicht verderben,
Möcht dem mich unterwinden.
Daß keiner wohl möcht finden.
Daß ich dabei je müßig sei.
Nur diese Huld von euch mir sei,
Daß ich die Ängsten sage,
Die diesetweg' ich trage.
Ich weiß, wie es bei Hofe steht,
Wo Frau Gerüchte spähend geht
Und nimmt da alle Dinge wahr!
Da würde ich zum Spotte gar!
Mein größtes Leid will ich gestehen –
Hab' nicht das Recht zu Hof zu gehen!
So rechte, reine Weibeshand
Die ihr mir habet oft genannt
Wie dürft' ich die wohl rühren an?
Doch war' ich so wie ihr ein Mann
(Was ich zu meinem Leid nicht bin)
Und hätt ich tausend Männer Sinn
Ich wind' die Fahrt besorgen wohl.
Niemand mir das verbieten soll.
Und sollt' sie zürnen ob der Kund
Es leichtiglich geschehen kunnt
(Gar gut kenn ich der Frauen Zorn)
Daß ich das Leben hab' verlor'«.
Sie ordnet an, ganz kurzer Hand
In ihrem Zorne, daß verbrannt
Ich werd auf einem Roste.
Wer kommt mir da zum Troste?
Oder mir geschehen Schmerzen,
Von ihr in meinem Herzen,
Das nimmermehr heilt.
Ärger als gevierteilt.
Als wie ein Sonnenstaub so klein
Ist vielleicht das Licht mein!
Soll aber es mir so ergehen.
Daß ich doch Hoffnung kann ersehen.
Daß sie bezähmt den Zorn auf's Best'
Und mich zur Rede kommen läßt, –
So wie ich meine Rede sage
Schon von demselben Tage
Des kann ich sicher sein –
An, muß ich in den Kerker rein –
Er heiße Lade, heiße Schrein.
Ich muß verschlossen sein –
Wie im Gefängnis!
Von solcher Betrübnis
Werd ich gewiß verderben.
Und was ich sollte werben.
Das ist verdorben gar.«
»Nein, wie immer ich fahr,
Deine Angst ist ohne Not.
Wer sollt' in den Tod
Einen lieben Boten senden?
Mein Haupt wollt' ich verpfänden
Selbst wenn ich gegen sie nicht gut getan
(Wozu den Willen ich nie gewann)
Wird sie die Zucht nicht brechen.
Zu dir nichts Arges sprechen!
Du kannst vielmehr mir glauben das:
Sie kommet dir entgegen, daß
Du glaubst, du wärst des Kaisers Kind!
So groß die Tugenden ihr sind!
Was willst du größ're Ehr'
Was willst du Freude mehr
Als die, die heimlich dir
Geschehen wird von ihr?
Dürft' ich wie du ihr nahe sein,
Der liebenswerten Frowe mein,
Ich tauschte selbst nicht um den Gral
Den der kühne, werte Parzival
Mit harter Müh nach Ritters Sitt'
Und vielem Leide sich erstritt.
Ich tauschte deine Stelle dort
Um für kein Reich an andrem Ort
Und hätte ihrer Minne Sold
Viel lieber als aller Heiden Gold.
Und wüßt' verschwiegen ich deinen Sinn,
Ein Geheimnis gäbe ich dir hin
Und einen Wunsch, den ich han
Nun schon gar lange Zeit getan
Mit Herzen und mit Mund
Von getreuer Seele Grund.
So wisse denn du Bote mein.
Der selber ich möcht' gar gerne sein.
Wenn du kommst an das Ziel der Reis'
Und dich die kleinen Händchen weiß.
In Gut' beginnen zu wenden,
Zu streicheln, an allen Enden,
Und ihrer lieben Augen Blick
Verstohlen kommt zu dir zurück
Sie dir zukehrt den roten Mund –
Da, zur selben Stund'
Möcht' ich 'nen Kuß ihr stehlen –
Das sollst aber treu verhehlen!
In welchem Glücke war ich dann!
Was war ich für ein sel'ger Mann!
Ich war' so freudenreich.
Daß ich den Englein gleich
Ohn' allen Zweifel war.
O weh! Ich klage immer mehr.
Daß ich die Fahrt da lassen soll;
Das tut mir anders als wie wohl.
Es geleiten dich fürwahr dahin
Mein Herz und alle meine Sinn,
Und reden von meinem Willen viel
Doch niemals mehr als was zum Ziel
Ihren Ehren wohl geziemt.
über Minne Rat mein Herz sich nimmt.
Keinen Wunsch, der wenn auch klein.
Gegen ihre Ehre könnte sein.
Haben meine törichten Gedanken
Die an allerlei Gebrechen kranken,
Verleitet mich gegen die Fraue mein –
Bot! Das soll verschwiegen sein!
Nicht ihr zu Ohren werden bracht
Da ich, bei Gott, nicht dran gedacht.
Mir wär der Gedanke all zu viel –
Nimmer ich so dummeln will,
Mich auch niemals vergehen,
Sie heimlich zu sehen
Ohne Erlaubnis freventlich«.
Das Büchlein hat zwar ungefähr doppelten Umfang, doch glaube ich, daß die mitgeteilte Probe genügt, um sich ein Bild davon zu machen. Hrsg.
Als meine Frowe das Büchlein gelesen hatte, fragte sie: »Sag' an, wer hat dich hergesendet? In wessen Auftrag bist du hergeritten?« »Meine Herrin sendet mich« erwiderte er. »Und weißt du, was da drinnen steht?« »Viel hochgelobte Frau, das ist mir bei Gott unbekannt. Meine Herrin hat mir nichts anderes gesagt, als daß da herinnen ein Gebet stünde. Sie hat mir auch einen Brief mitgegeben, von dem ich überhaupt nicht weiß, was er enthält. Ich weiß nur, daß ich ihn hier abgeben soll. Nehmt ihn, Fraue, von mir und wisset, daß, so jung ich auch bin, ich eine Botschaft wohl ausrichten und auch verschwiegen sein kann.« Sie nahm den Brief, hieß den Boten warten. Frohgemut ging sie in ihr Gemach, wo sie den Brief las. In dem Briefe aber stand folgendes Lied.
Eine langiu Wise.
Fraue, liebe Fraue mein.
An deinem Dienst ich nie verzage.
Wie du willst, so will ich sein.
Merk' dir auch, was ich nun sage:
Fraue, ich weiß wohl, wenn ich deinen Freundesgruß
Nicht verdien in meinen jungen besten Tagen,
Daß ich in Sorgen altern muß.
Wie töricht auch mein Herze sei,
So gibt es mir doch guten Rat;
Daß meinen Dienst ich euch wohl weih' –
Euch, die jede Tugend hat.
Da es mir seinen Rat mit Treuen sagt,
Deß mir der Leib, der Mut noch nie ward frei,
So folge ich ihm auch gar unverzagt.
Kaum daß ich die Vernunft gewann,
Da riet es mir das Herze mein:
Wenn ich erst einmal würd' ein Mann,
So müßt' ich ihr zu Diensten sein.
Nun ist gekommen mir die Zeit, die ich ihr dienen soll.
Nun helf mir Gott, daß ich so leist, die Dienste mein,
Daß nicht bloß Leiden ich mir hol
So ist sie über meinen Leib
Herrin und übers Herze mein,
Sie, das viel wunderwerte Weib:
Und wessen sollte ich je lieber sein?
Wollt' sie die Dienste mein und meinen Sang,
Wo würd' mir sonst so großer Gnaden Schein?
Wo fand ich sonst so rechten hohen Dank?
Wer könnte mir so hohe lohnen
Den Dienst und all mein sehnend Leid?
Als die, die ich mir hab gewonnen?
Denn sie hat Zucht und Würdigkeit.
Hoher Mut, du zwingst mir den Leib zu hoh
Und das Herze mein ist gern dazu bereit
Da es ja stets die nied're Minne floh.
Nied're Minne! An Freuden tot
Ist der, dem sie hat obgesieget.
Gibt auch die hohe, sehnende Not,
Heil doch ihm, der derselben pfleget;
Sie gibt Sorge – doch ist die Sorge freudenreich.
Frau – daß meine Sorg' euch wenig wieget
Darüber sorg' ich mich immer gleich.
Zwei Tage weilte der Bote – da sendete die Frowe nach ihm und sprach: »Da nimm das Büchlein und bring es wieder deiner Herrin. Ich hab's genau gelesen. Es steht wohl ein gut Gebet darin, doch will ich's noch bedenken.« So brachte der Bote das Buch wieder seiner Herrin. Die machte es auf und bemerkte, daß nun mehr darin geschrieben sei. Da schickte sie es mir sofort. – Und ich, als ich an einer Stelle mehr Zeichen sah, ward froh und vermeinte: »Ich weiß wohl, sie ist gut. Vielleicht schreibt sie mir auf dieser Seite hier Dinge, die meinen frohen Mut vermehren. Vielleicht hat sie mir Freundesgrüße entboten. – Da will ich dann in Freuden leben und all mein Trauern gern aufgeben.« Mein Schreiber weilte nicht bei mir, der heimlich meine Briefe las und meistens auch die meinen schrieb. Davon das Büchlein liegen blieb, ungelesen zehn der Tage. Bei meiner Ehre ich euch sage, daß all die Zeit das Büchelein, niemals kam vom Busen mein. Wenn ich des Nachts des Schlafes pflag, das Büchlein nahe bei mir lag. Ich hatt' es lieb und dachte mir, es stünd' am Ende etwas hier, von meiner Fraue, davon meine Sehnsucht würd gestillt. Endlich kam mein Schreibersmann, den ich in meine Kammer nahm (das mußte gar verstohlen sein), bat ihn zu lesen das Büchelein. Und als er's las, da stand darein (nun kann's ja wohl gesaget sein)
Es spricht mancher Mann,
Woran sein Herz nicht glauben kann,
Besonders wenn von fremden Dingen
Er begehrt zu gewinnen Sinne.
Wer begehrt, was er nicht soll
Der hat's sich selbst versaget wohl.
Wer begehrt, was er nicht soll.
Der hat's sich selbst versaget wohl.
Wer begehrt, was er nicht soll,
Der hat's sich selbst versaget wohl.
Als mir vorgelesen worden, was ich euch hier gesagt habe, tat es mir weh; mein armes Herz war voll Trauer und mein Leib war schwer. Dann sprach ich: »Wie mir die Reine, Süße tut, das muß von Recht mir dünken gut. Was immer sie über mich sprechen mag, das muß mir gut dünken. Denn da ich mich ihr gegeben habe, muß ich nach ihrem Willen leben, sie tue mir übel oder wohl – Mein Leben lang ich ihr dienen soll in Treue, bis an meinen Tod. Wie jung ich auch an Jahren bin, so weiß ich doch genau, daß es in der ganzen Welt kein anderes Weib gibt, von dem ich so froh und hochgemut werden könnte, wie von ihr. Daher will ich ihr in Treue weiter dienen. Und endet einmal der lange Winter, so werde ich ihr wiederum irgendwie dienen, daß ich ihr besser gefalle. Leib und Gut wag' ich um sie.«