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Aventiure, wie der Herre Uolrich sînen Vinger verlôr

Als ich ankam, wurde ich freudig und freundlich empfangen, war den Rittern ein lieber Gast. Das Turnier wurde geteilt und wir zogen in der Früh auf ein Feld, das die Merre genannt wird. Dort begann man zu turnieren und wohl 100 Ritter erwarben den Tag hohes Lob.

Als sich die Menge schon verlief, bat mich Herr Uolschalk von Bozen, noch einen Speer meiner Frow zu Ehren mit ihm zu verstechen. Ich war's natürlich einverstanden; rasch banden wir beide die Helme auf und rannten mit zwei starken Speeren gegeneinander. Ein schöner Tjost geschah – der Bozener aber stach mir einen Finger aus der Hand. Und da ich mit dieser Wunde nicht weiter stechen konnte, band ich den Helm ab. Als die Ritter meine Verletzung sahen, beklagten sie mich alle sehr – ich aber sprach: »Lasset das nur sein. Ich selbst freue mich darüber; denn es ist mir eines Weibes wegen geschehen, das mir dies als einen Dienst anrechnen muß.«

Da zogen wir wieder in die Stadt – ich aber bat, mir einen tüchtigen Arzt zu besorgen. Der kam bald, besah sich den Schaden (der Finger hing nur mehr an einer Sehne) und sagte: »Der wird noch gut, wenn man ihn behandelt, wie man es tun soll.«

Dieser Worte war ich froh – und sagte: »Lügt mich nicht an! Denn gelingt es euch, und macht ihr mir den Finger gesund, so gebe ich euch, wenn ihr wollt, 1000 Pfund.«

Da verband er mir den Finger; der blieb bis zum sechsten Tag im Verbande. Als er da die Wunde ansah und sie schwarz und mißfärbig fand, da erschraken er und ich.

Und ich sprach: »Meister – mir scheint, mit eurer Meisterschaft ist es nicht weit her! Die Wunde sieht scheußlich aus.«

Da schwieg er stille und sah jämmerlich drein. Voller Sorgen saß er bei mir. Ich aber jagte ihn fort und stellte ihm in Aussicht, daß ich ihn noch beschneiden lassen werde.

Ich war sehr aufgebracht und hörte nun sagen, daß in Bozen ein tüchtiger Arzt sei. Zu dem ritt ich. Denn ich hatte gehört, daß er, wenn ich bald hinkomme, mir den Finger herrichten würde.. So brach ich eilends auf. Als ich so meinen Weg zog, schwand mir mein Leid zum Teile und ich sang meiner Herrin das folgende Lied:

 

Ein Tanzwîse.

Weh, daß mir die Gute
Verwehrt ihre Minne!
Des bin ich im Mute
Oftmals unfroh.
Sollt's mir nicht gelingen
Bei ihr, der ich singe,
So muß mein Herze ringen
Mit Trauer so,
Daß ich nimmer mehr
Je Freuden gewinne.
Ihr bringt's wenig Ehre
Steht mein Herz unhoh.

Schönheit nebst Güte
Steht wohl den Weiden;
So steht auch hoch Gemüte
Den Männern wohl.
Hoher Mut sollt
Stets gerne bleiben
Bei mir, wäre sie hold
Von der mir schwoll,
Herzens Schwere.
Davon muß ich meiden,
Freuden, deren mir wäre,
Sonst das Herze voll.

So bin ich nach Bozen gekommen; und als der Meister von meiner Ankunft hörte, kam er auch schon zu mir, besah die Wunde und versprach, mir den Finger ganz gesund zu machen. Er verband mich prächtig; und als ich dort sieben Tage gelegen war, da sendete mir eine Dame, der ich darob immer dankbar sein muß, einen Boten. Sie ließ mir sagen, sie habe gehört, ich sei den Frauen ergeben; daher sollte jede Frau meinen Unfall beklagen. Und der Bote meldete: »Herr, meine Frau sendet euch durch mich vier Büchlein, damit ihr euch damit die Zeit vertreibet. Sie sagt, es sei gute Rittersitte, sich vorlesen, singen oder erzählen zu lassen, was einst tapfere Männer den Frowen zu Ehren getan haben.«

Ich sprach: »Ich neige mich zu ihren Füßen und lasse ihr danken, daß sie also in Züchten meiner gedacht hat.« Er ritt davon, doch schon am nächsten Tage kam er wieder und erzählte: »Herr, ich bin wieder Bote. Meine Herrin sendet euch durch mich eine Weise, die in den deutschen Ländern ganz unbekannt ist und läßt euch bitten, ihr zu derselben ein Lied zu machen.«

So lernte ich die Weise und dichtete ihr das folgende Lied.

 

Ein Sincwîse.

Weh, warum denn sollen wir sorgen?
Freude ist gut.
Bei den Frauen soll man borgen
Frohen Mut.
Wohl ihm, der ihn kann gewinnen
Von ihnen! Der ist ein sel'ger Mann.
Freude soll man durch sie minnen,
Denn da liegt viel Ehr daran.

Wir sollen tanzen, singen, lachen
Für ein Weib.
Damit kann ein Mann es machen.
Daß sein Leib
Wert erlanget, wenn er mit Treuen
Wirbt um guter Frauen Gruß,
Wem sein Dienst nicht will gereuen
Dem wird selten Kummers Gruß.

Mit dem Wasser man das Feuer
Löschet gar.
Dunkel ist der Sonne teuer.
Offenbar
Ist die Märe; hört die Kunde;
Rechten Mann von Herzenswunde,
Glaubt fürwahr bei meinem Leib,
Heilet niemand als ein Weib –

Oweh! Oweh! Frau Minne
Mir ist weh
Blick doch her, wie sehr ich brenne.
Kalter Schnee
Müßte von der Hitze brennen.
Die mir an dem Herzen liegt.
Kannst du Minne treue minnen
So wird leicht von mir gesiegt.

Nicht länger ist der Bot geblieben, als bis das Liedchen niedergeschrieben war. Da brachte er es seiner Herrin – die es las, es für gut fand und mir zum Lohne ein Hündchen sendete. Und da es wirklich ein schönes Hündchen war, hatte ich mit dem Geschenke große Freude.

Da kam wieder ein Bote, diesmal aus der Heimat, geritten und meldete, daß in 12 Tagen ein Turnier zu Friesach stattfinden solle. Mich dauerte es sehr, daß ich nicht dabei sein sollte. Dies merkte der Arzt, dem ich meinen Wunsch, das Turnier zu sehen, auch eingestand. Da meinte er, ich könne die Reise um so leichter wagen, als er selbst mich begleiten wolle. Auf das hin ritt ich sofort weg nach Friesach in Kärnten. Dort begrüßten mich meine Freunde und beklagten meinen Finger. Viele Ritter waren da versammelt – und schon ehe ich kam, war das Turnier geteilt. Ich aber war traurig, daß ich hier mein Wappenkleid nicht zu Ehren meiner Frowe führen sollte. Das wurmte mich so, daß ich darüber dachte, wie ich das Turnier verhindern könnte. Da nahm ich den Hund, einen Gürtel, einen Ring und eine Schließspange, wohl dreißig Mark wert, bat die Ritter zusammenzukommen und erklärte ihnen, ich sei der Bote einer Frau, die dieses Kleinod jenem spende, der im Turnier den Preis davontrage. Die Ritter waren darüber alle froh und viele meinten, sie müßten den Dank erringen. Großer Neid flammte auf – jeder suchte sich den Preis zu sichern. Der Eine nahm sich daher noch Gesellen auf – der Andere mehr Pferde, der Dritte mehr Knechte – sie stritten, und darob verlief sich das ganze Turnier, da es nicht möglich war, in dem Wirrwarr Ordnung zu schaffen.

So wurde aus dem schon geteilten Turniere nichts – und ich zog heim, dann aber in das Land meiner Frowe, um vielleicht dort einen Boten zu finden. Aber – ich fand keinen und so war meine Hoffnung, sie wissen zu lassen, wie sehr ich ihretwegen wund geworden war, begraben. Aber mir taten nicht nur meine Gedanken weh. Zweimal des Tages wurde mir die Hand so verbunden, daß sie blutete.

In dem Lande nun lebte ein Knecht – von großer Zucht und starker Treue. Der war mein Freund; und als er von mir hörte, kam er, mich zu besuchen, meinen Finger zu beklagen.

Ich aber meinte, daß dies nichts ausmache. Böser sei der Schmerz, den ich leide, da ich meiner Frowe nicht mitteilen lassen könne, ich sei ihretwegen wund geworden.

Der erwiderte: »Herr und Freund – noch vor zehn Tagen habe ich euer Trautlieb gesehen. Denn, wenn ihr es mir auch nie gesagt habt, so weiß ich doch! – Und weiß auch, daß sie euch nicht ungnädig gesinnt ist.«

»Nein!« erwiderte ich, »es ist unmöglich, daß jemand davon wissen kann. Nun sag' also du, bei wem du gewesen.«

Da nannte er mir ihren Namen und da geschah an mir ein Minnewunder. Das Haupt sank mir nieder und meinen Mund schloß ein Seufzer.

»Wie nun? Was treibt ihr?« fragte er. »Ihr Name hat euch schier getötet! Ihr braucht nicht in Sorge zu sein, weil ich es weiß. Das ist für euch gut. Ich habe euch so lieb, daß ihr nichts zu fürchten habt.«

»Jetzt sag mir, wer hat dir meiner Frowen Namen verraten? Zu Tode will ich mich schämen, wenn du ihn durch meine Schuld erfahren hast. Denn dann muß mir meine werte Frowe wohl immer fremd bleiben.« »Nein Herr! Ihr seid unschuldig daran. Es ist wohl 1 1/2 Jahre her, da hat mich meine Herrin zu ihr gesendet. Damals erfuhr ich es von einer meiner Nichten, der ich hoch und teuer gelobte, zu keinem Menschen davon zu sprechen.«

»Sag – da dich deine Herrin zu meiner Frowe sendet – kannst du sie da sehen, verstohlen mit ihr sprechen? Da kann ich noch ein seliger Mann werden.« »Ich kann mit ihr heimlich sprechen – kurz oder lang, wie ich will, und ich bin ihr immer willkommen.« Ich erwiderte: »Froh bin ich, daß du so mit ihr stehst; und daß du mit ihr redest, was du willst, ist mir eine Herzensfreude. Denn nun sollst du, mein lieber Freund, mein Bote sein.«

»Gerne bin ich dazu bereit, Herr und ich sage ihr alles, was ihr mir auftragt. Ihr sage ich, was ihr wünschet und euch die Antwort, die sie mir gibt.«

»Freund – das muß dir Gott lohnen! Reite nun also hin zu ihr und erzähle ihr, daß ich vor kurzem einen Finger ihretwillen verloren habe. Denn der ist durch einen Tjost dahin. Verlust und Gewinn will ich um sie tragen, wie sie mir beides bringt. Auch bitte meine Frowe, sie möge mir gestatten, ihr Ritter zu sein und bitte sie, sie möge mir durch dich etwas entbieten, das meinem Herzen wohl tut. Bringe ihr auch dies Lied von mir und sag' ihr, daß ich keinen Tag ihrer vergaß, sie jederzeit in meinem Herzen gefangen liegt.«

Da nahm er Abschied und ritt hin, ward von meiner Frowe willkommen geheißen und um Nachrichten von seiner Herrin gefragt. Da sprach der Knappe züchtiglich: »Schöne Fraue tugendlich, wenn ich euch soll die Wahrheit sagen – ich sah sie nicht, seit vielen Tagen. Mich hat ein Ritter hergesandt, dessen Kummer mir ist wohlbekannt. Der entbietet euch reiner Frauen gut, in Treuen diensthaften Mut. Er hieß mich seinen Kummer sagen und um Gnade bei euch flehen. Er hat vor kurzem in eurem Dienste eine Wunde erhalten – denn es wurde ihm ein Finger aus der Hand gestochen. So hat er ihn in eurem Dienste ritterlich verloren. Er hat euch zu seiner Frowe auserkoren und kann nimmer froh werden, wenn ihr, hohe Frau, ihm nicht gnädig seid.«

»Wer hat dir erlaubt, mit mir so zu reden? Welcher Mann hat dich hergeschickt? Sag mir den Namen und wisse, es ist mir sehr unlieb, daß du solches von mir verlangt hast.«

»Fraue – es ist Herr Ulrich von Liechtenstein! Und sollt' er, liebe Frau, nur einmal verstohlen bei euch sein, so tauscht er dafür nicht den Gral, den der werte Parzifal sich ritterlich erstritten. Sein Paradies, sein Himmelreich ist ihm euer Leib so freudenreich.«

»Sag' ihm, er soll von solcher Rede abstehen! Denn sie klingt mir schlecht! Ich selbst hab es ihm schon gesagt, daß er mir nicht behagt. Was er so töricht von mir begehrt, dessen scheint er mir nicht wert. Er soll sich nicht weiter mühen – Die Dummheit mach ich fürwahr nicht, daß ich nahm an die Dienste sein, wovon sich kränkt die Ehre mein.«

Mein Bote widersprach – sang schließlich das Lied und die Weise, die ich ihr zu Ehren gedichtet hatte.

 

Daz ist ein Tanzwîse.

Wohl mir, es ist gelungen,
Was ich lange hab begehrt:
Ja ich habe sie gezwungen,
Von der ich soll werden wert.
Seitdem mir dies könnt gelingen
Wähne ich, sie muß bringen
Glück für mich in allen Dingen.

Sie soll mir Freude und Ehr
Und dauernde Freude geben!
Oder ich muß immer mehr
Ohne Trost in Sorgen leben.
Aller meiner Freuden Pfand –
Und was meine Sorgen bannt –
Das liegt all in ihrer Hand.

Wenn auch wenig sie's empfindet,
Muß sie mir verbunden sein.
Band, mit welchem ich sie binde
Das sind alle Sinne mein;
Herze und alle mein Gedanken
Treue ohn allem Wanken,
Rechte Stät' ohn' jedem Schwanken.

Mitten in dem sehnend Herze
Ist das Lager ihr bereit.
Da sind auch all meine Schmerzen,
Lieget auch mein klagend Leid.
Diesen zweien, so leid's mir sei
Muß sie so lang liegen bei,
Bis sie mich macht von beiden frei.

Hoffnung mag sie wohl behalten
Wie dies ein Gefangner muß.
Will sie mir nun hilfreich walten
Geben meinen Schmerzen Buß;
Ihr Silber bleib' und auch Gold;
Sie sei mir ganz anders hold:
Denn ich will ihr'n Minnesold.

Ihre sanfte Güte machet
In Gedanken mich gar froh,
Und mein Mund vor Freude lachet,
Wenn daran ich denke so,
Daß nie Weib war je so gut
Noch so wohlgemut.
Der Gedank' mir Gutes tut.

Als sie dies Lied vernommen, meinte die Süße: »Das Lied ist wirklich sehr gut. Aber was damit? Das Lied, und das, mit dem er mir sonst noch dienen kann, machen mir keine Freude und das sollst du ihm sagen. Bitte ihn auch, daß er nicht mehr um mich werben soll. Und wenn er es nicht glauben will, so sage ihm noch, daß er sich sonst von mir nur Schande holt. Sag ihm auch, er sei töricht, mir auf eine Hoffnung zu dienen, die einem Könige zu hoch wäre. Denn es ist kein Mann so hoch geboren, daß eine solche Rede von ihm mich nicht in Zorn bringen würde.«

Da nahm er denn Abschied und ritt zu mir, der ich ihn freudig begrüßte, nach der Frowe fragte.

»Sie ist gesund und läßt euch sagen, daß ihr den Dienst aufgeben sollt, wenn euch Leben und Ehre lieb sind. Denn tut ihr es nicht, will sie euch Schaden tun, daß ihr schweres Leid zu tragen haben werdet. Ihr seid ihr zu wenig hohen Standes. Daß ihr von ihr Dinge begehren könntet, die ihr noch kein Mann zugemutet hat – darüber ist sie empört.«

»Nun wisse, Freund, wie immer sie auch gegen mich handelt, ich will ihr dienen bis an mein Lebensende, bis sie mich in ihre Gnade aufnimmt. Wenn mich bloße Worte abbringen könnten – dann hätte ich weder hohen Sinn noch männlichen Mut. Und da nun des Sommers Zeit dahin, so frage ich dich, ob ich nicht vielleicht nach Rom wallfahren sollte?«

»Herr, der Gedanke gefällt mir wohl. Denn von diesem Dienste haben Gut, Seele, Leib, Freunde und Kinder Gewinn.«

»Da es dir so wohl gefällt, willst du die Reise mitmachen?«

»Das tue ich gerne, wenn ihr nur wollt.«

So zog ich mit dem Knappen fort und blieb 60 Tage in Rom. Nach Ostern schied ich und sang meiner Frowen ein neues Lied.

 

Eine Singweise.

Nun schauet, wie des Maien Zeit
Gezieret hat den grünen Wald,
Und schauet, wie die Heide weit
Ward wonnigliche Blumensaat.
Die Vögel singen wie im Streit,
Ihre Freud' ist worden mannigfalt.
Geschwunden ist nun ganz ihr Leid,
Der Maie sie getröstet hat.

Der Maie tröstet all was lebet,
Nur mich nicht, minnesiechen Mann;
Das Herze mein ist minnekrank.
Drum muß ich ohne Freude sein.
Wenn sich mein Leib in Freuden hebet –
So sieht das Herz mich weinend an,
Erinnert mich an ihren Dank –
Da muß ich lassen die Freude mein.

Ein hohe Minne suchender Mann
Mit stätem Mute. – Das bin ich.
Nach hoher Minne geht mein Sinn,
Treibt unsanft mir das Herze mein.
Frowe, die Falsches gar nicht kann,
Der Frauen Kron', denk' an mich,
Wenn du es kannst gnädiglich,
In der hohen Tugend dein.

Sie sagen, ich sollt' auf Gottes Wege
Dein Lob nicht singen, Frowe mein,
Da dies an mir ihm nicht behagt.
So will ich sprechen mein Gebet:
Deine Ehr' hab Gott in seiner Pflege,
Dein Leib aber soll empfohlen sein
Marien, der vielhehren Magd,
Die Übles noch an niemand tät.

Das Lied sang ich auf dem Wege – und konnte es leider meiner Frowe nicht senden, da ja mein Bote mit mir auf Fahrt war. Dann kam ich heim, band den Sommer gar oft den Helm fest, kämpfte zu Ehren meiner lieben Frowe. So verging der Sommer, und da bat ich den Boten, zu der Guten zu reiten. Er war dazu bereit, auch, ihr mein Leid zu schildern. Da ritt er mit meinen Liedern zu meiner Frowe.

»Gnade!« sprach er, »Gnade! – Hoffentlich seid ihr besser gelaunt als das letzte Mal.«

»Was Hab ich dir denn zuleid getan? Ich bin dir doch immer hold gewesen und wenn ich dir auch nichts besonders Liebes tue, so tue ich dir doch auch nichts Böses.«

»Fraue, das lohne euch Gott. Ich bin neuerlich als Bot gekommen. Und es sendet mich ein Mann, der ohne euch nicht leben kann, der euch seit Jahren in ritterlicher Stätigkeit dient, und dem ihr es endlich doch lohnen solltet. Er hat Dinge vollbracht, wie kaum einer und es hat wohl nirgends eine Frau einen Ritter, der ihr so in Treue dient. In kurzer Zeit hat er viel Rittertaten vollbracht und wenn ihr es ihm nicht bald lohnet, so geht er daran noch zugrunde. Auch schöne neue Lieder hat er euch zu Ehren gesungen und sendet sie euch.«

 

Ein Tanzwîse.

Wie kannst du, Minne,
Mit Sorgen die Sinne,
Den Mut betäuben mit sehnender Klage!
Denn durch deine Freud'
Bin ich in Leid
Gar all' meine besten Tage.
Nur Einer, hat
Gelautet dein Rat,
Soll dienen ich schöne.
Mit Stätigkeit;
Doch mir zum Lohne
Wird immer nur Leid.

»Was klagest du Dummer
So seligen Kummer,
Den ich durch Güt' dir geraten han;
Daß du der Guten,
Der reingemuten
Wärest in Treuen viel untertan?
Schafft dir den Tod
So süße Not
So sanfte Schwer!
So lieblicher Zwang.
Weh! Zweifler
So bist Du gar krank!«

Will sie's bedenken
So muß mich wohl kränken,
Sorg' ohne Trost, die ich leide von ihr.
Ja, wollt' ihre Huld
Mein Leiden in Geduld
Bedenken und auch ihre Güte an mir.
Schon lang' sie mein Leib
Statt andere Weib
Liebt Tag und Nacht
Von Herzen gar.
Weh! Welch Wunder macht
Daß sie des wird nicht wahr?

»Du darfst nicht sorgen,
Daß vor ihr verborgen
Deine stäte Treu' noch lange sei.
Ja selbst deinen Träumen
Wohnen ohne Versäumen
Ihre Augen, ihre Ohren stets spähend bei;
Wird sie fürwahr
An dir gewahr,
Daß dich nicht kränket,
Ein falscher Verdacht,
So wohl dich beschenket
Ihr Dank mit Macht.«

»Mit stätem Mute,
Mit Leib und mit Gute,
Mit Fug und Recht, ohn' all arger Sitt'
Sollst du erringen,
Ihre Gunst dir erzwingen,
Daß sie dir Herz und Leib teilet mit.
Sie Reine gut.
Was immer sie mir tut,
So ist all meine Ehre
Mein Leib, mein Leben
Ihr immer mehr
Zu Eigen gegeben.«

Als sie dieses Lied vernahm, sprach sie: »Ich bin dem gram, der dieses Lied gesungen, denn er wirbt um meine Ehre. Es ist wirklich und wahrhaft töricht, daß er seinen Sinn gerade darauf gerichtet hat. Ich habe ihm doch sagen lassen, daß ich ihn hasse, so lange er nicht von solchen Reden abläßt. Und wenn du, Knappe, dies ihm nicht ausgerichtet hast, so hast du übel gehandelt.«

»Hochgelobte Frau – ich hab's getan. Er aber hat gesagt: »Was sie auch gegen mich sprechen kann, so lasse ich doch nicht von ihr. Ich diene ihr, was mir auch geschehen mag, bis an meinen Tod.« Und dies soll ich euch sagen.«

»Ihr beide könnt schöne Worte! Doch eines will ich dir noch sagen. Du hast erzählt, er habe einen Finger in meinem Dienst verloren. Das ist nicht wahr! Man hat mir gesagt, daß er ihn noch habe.«

»Fraue – er hat ihn noch. Das ist wahr. Aber er ist ihm ganz verkrümmt, so daß er ihn nicht ausstrecken kann und wenig Nutzen von ihm hat. Aber mit ihm hat er in eurem Dienste manchen großen Speer verstochen.«

»Ich gönn ihm seinen Finger wohl. Doch anlügen soll man mich nicht, wie du es getan hast. Deshalb rede ich nicht mehr mit dir – und fahre hin, wie du hergefahren bist.« So schied mein Bote von ihr und kam zu mir, der ich ihn froh begrüßte. Ich fragte ihn um Nachricht und er sagte: »Sie hat mir nichts aufgetragen und hat mir verboten, ihr noch von euch zu reden. Sie sagt, es tue ihr weh und sie sei empört, daß ich ihr gesagt, ihr hättet einen Finger in ihrem Dienst verloren. Das sei unwahr – ihr hättet ihn noch. Ihr seiet nur ein wenig wund geworden. Und ich hätte sie belogen und betrogen. Mich haßt sie, euch aber gönnt sie es, daß ihr den Finger habt. Ihr Zorn gilt der Lüge.«

Ich überlegte: »Wenn mir meine Frowe böse ist, weil ich den Finger noch habe, so kann dem abgeholfen werden. Er steht mir ohnehin krumm. Ich schlage ihn ab und sende ihn ihr! Da muß sie mir doch glauben, daß ich ihn nicht mehr habe, wenn er vor ihr liegt. Er muß also weg.«


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