Heinrich von Treitschke
Deutsche Geschichte des 19. Jahrhunderts – Erster Band
Heinrich von Treitschke

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(Aus dem ersten Bande der »Deutschen Geschichte«)

Aus der Widmung an Max Duncker

Es gibt viele Arten Geschichte zu schreiben, und jede ist berechtigt, wenn sie nur ihren Stil rein und streng einhält. Dies Buch will einfach erzählen und urteilen. Sollte die Darstellung nicht völlig formlos werden, so durfte ich den Lesern nur das fertige Ergebnis der Untersuchung vorlegen, ohne ihnen das Handwerkszeug der Forschung aufzuweisen oder sie mit polemischen Auseinandersetzungen zu belästigen.

Indem ich noch einmal zurückblicke auf die anderthalb Jahrhunderte, welche dieser Land zu schildern versucht, empfinde ich wieder, wie so oft beim Schreiben, den Reichtum und die schlichte Größe unserer vaterländischen Geschichte. Kein Volk hat besseren Grund als wir, das Andenken seiner hart kämpfenden Väter in Ehren zu halten, und kein Volk, leider, erinnert sich so selten, durch wieviel Blut und Tränen, durch wieviel Schweiß des Hirns und der Hände ihm der Segen seiner Einheit geschaffen wurde. Sie, lieber Freund, haben schon in der Paulskirche den Traum vom preußischen Reiche deutscher Nation geträumt und sind im Herzen jünger geblieben als mancher aus dem altklugen Nachwuchs; denn Sie wissen, wie erträglich die Sorgen der Gegenwart erscheinen neben dem Jammer der alten kaiserlosen Tage. Sie werden mich nicht tadeln, wenn Ihnen aus der gleichmäßigen Ruhe der historischen Rede dann und wann ein hellerer Ton entgegenklingt. Der Erzähler deutscher Geschichte löst seine Aufgabe nur halb, wenn er bloß den Zusammenhang der Ereignisse aufweist und mit Freimut sein Urteil sagt; er soll auch selber fühlen und in den Herzen seiner Leser zu erwecken wissen, was viele unserer Landsleute über den Zank und Verdruß des Augenblicks heute schon wieder verloren haben: die Freude am Vaterlande. (VII f.)


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