Ludwig Tieck
Tod des Dichters
Ludwig Tieck

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Alonso sah von seinem Golde mit einem schielenden Blick und einem grinsenden Lächeln auf und sagte: »Ich glaubte nicht den großen Helden so gelehrt: Man muß alt werden, um recht viel Wunderbares zu erfahren.«

Jetzt war die Summe vollzählig, seine spitzen Finger ergriffen die letzten Goldstücke, die er in eine seidene Börse rollen ließ, und er entfernte sich keuchend unter der Last, nachdem er sich vor dem Grafen höflich verbeugt hatte, den roten Tuchmantel weit um den Körper schlagend, damit es keiner gewahr werde, wie sehr er mit Gold belastet sei.

Als der verdrüßliche Mann sich entfernt hatte, stürzte der Florentiner, der sich nur mit der größten Mühe bis dahin hatte zurückhalten können, auf den Deutschen zu und fragte mit der größten Lebhaftigkeit: »Um des Himmels willen! Wie, wo kommt Ihr her? Was hat das zu bedeuten, daß ich Euch hier in Lissabon sehe, und jetzt!«

Der Graf sah ihn mit der größten Erwartung an und rief: »Mir sagt der Genius, ein großes Unglück ist geschehn. Redet, Mann!«

Der Deutsche sah sich behutsam um, ob auch niemand lauschen könne, und sagte dann: »Ich glaube es selbst, doch weiß ich noch nichts Gewisses zu erzählen. Auf sonderbare Weise bin ich zurückgekommen, und wie es auch dort noch sich ausweisen mag, gut geht es gewiß nicht, denn alle Anzeichen sind dagegen.«

»Ist eine Schlacht geschlagen?« fragte der Graf.

»Sammelt Euch, Freund«, sagte der Florentiner, »daß Ihr uns wenigstens das berichten könnt, was Ihr selbst gesehn und erfahren habt.«

»Zweimal«, sagte der Deutsche, »trug unsere Kavallerie gegen die weit überzählige Reiterei der Feinde einen Sieg davon, den wir nur mit wenigen Toten erkauften. Das machte unserm Heere um so mehr Mut, und wir hielten die Feinde für elende Feiglinge, die fliehen würden, sobald sie uns nur in Schlachtordnung anrücken sähen. Das war bald nachher, als wir die Landung vorgenommen hatten. Warum wir vorrückten und nicht erst einige feste Plätze an der Küste nahmen, um mit der Flotte in Verbindung zu bleiben, begriff keiner von uns; auch tadelten es manche, daß zu viele Truppen auf den Schiffen selbst zurückgelassen waren. So rückten wir vor und bezogen ein Lager in einer weiten Ebene, wo das Auge, so weit es schauen konnte, keinen Baum oder Strauch erblickte. Es währte nicht lange, so sahen wir auch das Heer der Feinde, welches sich uns gegenüber zusammenzog. Es schien weit größer, als wir es vermutet hatten, aber unser Mut blieb demohnerachtet frisch, und der junge König ritt in seinem prächtigen Schmuck, goldenem Helm und auf gold und grün geschmücktem arabischen Rosse wie ein junger Kriegesheld durch unsere Reihen. Es war ein Komet erschienen, und nun wurden eine Menge Wahrsagungen im Lager verbreitet. Am Sonntage, im Anfang August, schien es, als müßte es zur Schlacht kommen. Alle Anführer glaubten es, und der König zeigte sich in Glanz und Schönheit und sprach allen seinen tapfern Mut ein. Wir mußten schlagen und siegen oder gerieten in die größte Not, denn ein Gerücht lief durch alle Scharen, daß alle Lebensmittel schon aufgezehrt wären und daß, wenn nicht Hülfe geschafft würde, wir auf diesem Wege in die größte Gefahr gerieten. An diesem Sonntage aber kam es dennoch nicht zur Schlacht. Aber in der Nacht, als es finster geworden war, sah man den Kometen am weiten Himmel und über das leere, ausgestreckte Blachfeld in seiner ganzen sonderbaren Schrecklichkeit. Da sah ich die Beherztesten erblassen, so sehr wir auch hin und her laut sprachen, daß er den Untergang unserer Feinde anzeige. In dieser Nacht versammelte unser Stuckley uns in sein Zelt, und die Reden fielen dann dorthin und dahin. Ein Italiener wollte sich sehr mutig und frech anstellen und meinte, die Sterne am Himmel ständen da glänzend wie blinkende angefüllte Weingläser, aus welchen Geister und Engel unsre Gesundheit und unser Wohlergehen tränken, und der Komet wäre ein auslaufendes Glas, das ein angehender, ungeschickter Engel umgestoßen hätte. Aber Stuckley, der sonst ein freimütiger Mann war, fand diesen Scherz in dieser wichtigen, vorbedeutenden Nacht ungeziemlich.

Unsern Trupp führte Stuckley, der war aber auf dem rechten Flügel dem Prinzen Antonio, dem Prior von Crato, untergeben. Stuckley wollte es als gewiß erfahren haben, daß im Heere des Feindes selbst die größte Uneinigkeit herrsche und daß, wenn es erst zum Treffen käme, Tausende zu uns übergehen würden. Er meinte aber auch, wenn wir zögerten, müßten wir verschmachten, da wir uns vorsätzlich selbst von der Küste entfernt und sozusagen abgeschnitten hätten.

Am folgenden Tage, am Montage, sah nun wohl jeder, daß es zu einer Schlacht, und einer entscheidenden, kommen werde und müsse. Der König Sebastian erschien noch herrlicher geschmückt als an den vorigen Tagen. Weithin strahlten im Sonnenscheine die Edelsteine an Helm, Harnisch und dem Pferdegeschirre. Das lustige Roß sprang unter ihm, als wenn der Sieg schon erstritten wäre. Es war große Hitze an dem Tage, und die Schlacht begann erst nach der Mittagszeit. Es schien anfangs, wenigstens auf unserem Flügel, gut zu gehen, denn wir rückten weit vor, und die Feinde wichen. Nach einer Stunde etwa schien es, als wenn wir umzingelt wären. Es ward ein furchtbarer, mörderischer Kampf. Der Prinz Antonio, der zum Soldaten und Feldherrn geboren ist, sprengte jetzt zu uns heran und in das dichteste Gewimmel. Er ordnete, Stuckley befahl und rief, aber die Übermacht der Feinde war zu groß, und ich konnte abnehmen, daß wir die vielen Schritte, die wir siegend vorgedrungen waren, wieder mit vielem Verlust zurückmessen müßten. Der Prinz sendete mich zu einer andern Kolonne, um sie heranzuführen. Unter Kampf, Schuß, Geschrei und Verwirrung kamen wir aus diesem fürchterlichen Gedränge, aber ich sah in der Ferne Stuckley stürzen, seine Mannschaft war dünn geworden, Tausende lagen tot oder verwundet auf dem Schlachtfelde. Als wir uns durchgehauen hatten, verlor ich bald darauf den Prinzen aus dem Gesichte, und bald dort, bald hier ward ich von einzelnen Reitern angerennt, die ich herunterhauen mußte, bevor ich zu dem Trupp gelangen konnte, zu welchem mich Antonio hatte schicken wollen.

Auch hier war alles in der großen Verwirrung. Der Anführer war schon gefallen, ich meldete dem Sterbenden den Befehl. Aber es war nicht mehr möglich, die Regimenter dorthin zu bringen, denn es schien, daß wir von allen Seiten umzingelt waren. Er ließ den Rest seines Heeres sich zurückziehen, um dem Könige zu Hülfe zu kommen, der schon in der größten Bedrängnis sein mußte. Ich fand den König und gab dem jungen Helden soviel Nachricht, als ich imstande war. Er sendete mich rückwärts, um dem Bischof von Coimbra etwas einzuhändigen. Als ich diesen in seinem Zelte traf, fand ich ihn in brünstigem Gebet; er gab mir einen geschriebenen Zettel, um damit die Seeküste und den Kapitän einer Fregatte aufzusuchen. Einige Mannschaft ward mir mitgegeben, im Fall es Kämpfen galt. Dessen fanden wir denn auch reichlich in dem fremden, wilden Lande. Mancher meiner Kameraden, die mir mitgegeben waren, mußte noch vom Pferde stürzen.

Ich hatte mir wohl ohngefähr die Weltgegend merken können, nach welcher ich reiten mußte, aber kein Kennzeichen, keine Nachweisung war zu entdecken. Immer schwächer und schwächer hallte uns das Getöse der Schlacht nach, indem wir uns entfernten; nun fing es schon an finster zu werden, und wir hätten bald gar nichts mehr gesehen, wenn uns der fürchterliche Komet, der nun wieder aufging, nicht sein sonderbares Licht geschenkt hätte. Entsetzlich und grauenhaft war es mir, so in dieser greulichen, verhängnisvollen Nacht umzuirren, von unsrer Armee getrennt, mein braver General erschlagen, der König in Gefahr und wir wenigen auf weiter, dunkler Heide dem Zufalle preisgegeben, ermattet, ohne Nahrung, die Pferde schon schwach, kein Haus, keine Stadt, nur das rote Kometenlicht über uns.

Als die Morgenkühle wehte, merkten wir, daß wir in der Nähe des Meeres sein müßten. Da jagte uns, wie rasend, ein Schwerverwundeter nach, der sagte aus, mit Sonnenuntergang sei der König und alle mit ihm erschlagen oder gefangen. Er sprach aber im Fieber, stürzte nieder und starb mit seinem Rosse zugleich. Es war mühselig, unsre Pferde noch in Trab zu setzen, wir trafen auf einige Reisende, die uns Speise gaben, und mit dem Abend kamen wir an das Seeufer. Da holten wir einen Trupp ein, der auf Rossen einige Kisten führte. Auf Befragen waren es Leute des Bischofs von Coimbra; er hatte schon zwei Tage zuvor seine besten Habseligkeiten diesen Leuten übergeben, um sie dem Schiffskapitän zuzuführen, dem ich ebenfalls ein Schreiben brachte. Mit diesen Dienstleuten und Soldaten, die noch von gar nichts wußten, ritten wir weiter und gelangten mit ihnen auf die Fregatte.

Der Kapitän empfing uns mit Verwunderung. Er sagte, daß er nicht unter dem Befehlshaber der Flotte stehe, sondern nur den Befehlen des Bischofes zu gehorchen habe. Da nun meine Kameraden schwatzten und vielerlei erzählten, nahm er von allen Eid und Ehrenwort, daß im Schiffe nichts von allem über ihre Lippen kommen solle. Ich wollte, da ich meinen Auftrag ausgerichtet, zum Heere zurück; denn, mochte es stehn, wie es wollte, dies schien meine Pflicht als Soldat. Der Kapitän schien auf meine Reden nicht zu achten, und als ich nach einiger Zeit wieder das Verdeck bestieg, sah ich mich schon in offner See, denn er hatte die Anker gelichtet. So sei es ihm, antwortete er mir auf meine Frage, vom Bischof in jenem Schreiben befohlen worden, und es sei seine Pflicht, die Güter des geistlichen Herrn in Sicherheit zu bringen. Als wir uns dem Lande näherten, nahm er noch einmal jeden in Eid und Pflicht, von den Gerüchten nichts in der Stadt verlauten zu lassen, die, wenn sie wahr sein sollten, ihren Weg nur allzuschnell hieher finden würden.

Mit einem Boote bin ich gelandet; er liegt noch entfernt von der Stadt, weil er es wohl bedenklich finden mag, sich mit seiner Fregatte der Stadt zu zeigen. So bin ich, sozusagen durch ein Wunder, hieher zu Euch gekommen und vertraue Euch nur einzig und allein meine Nachrichten an. Das größte Unglück ist noch nicht gewiß, aber wahrscheinlich. Seht nun, wie Ihr meine Mitteilung brauchen könnt, wem von den Freunden Ihr Euch anvertrauen wollt, welche Vorkehrungen zu treffen sind, was etwa der alte Kardinal, der zukünftige König, einrichten möchte. Kurz, handelt nach Euren Einsichten und vergönnt mir, großmütiger Herr, bei meinem Freunde hier einige Tage verweilen zu dürfen.«

Der Graf Fernando war von diesem Berichte tief erschüttert. Das Nötigste schien ihm, seinem Ohm, dem Marques, alles zu vertrauen, was er vernommen hatte. Er ließ dem deutschen Hauptmann ein Zimmer in der Nähe des Florentiners einräumen und beschwor beide, von diesen Neuigkeiten oder ihren Vermutungen noch nichts verlauten zu lassen, welches die Soldaten ihm bei ihrer Ehre verhießen.

Begreiflich ist, mit welcher Trauer der alte Marques diese unseligen Neuigkeiten aufnahm. »Das Schlimmste«, sagte er, »hat sich nun also ereignet, und gerade so, wie ich es immer für wahrscheinlich hielt, und doch habe ich mir das Einschlagen dieses Wetterstrahls immer noch ableugnen wollen, immer noch beherbergte ich eine ungewisse Hoffnung. O mein Neffe, unser Land, alle Patrioten, alle wahren Portugiesen gehen einer traurigen Zukunft entgegen. Es könnte noch etwas Heilsames geschehen, wenn der alte Greis, der Kardinal, nicht unser König würde, er, der niemals etwas anders als Priester war. Schlimm und elend für uns, wenn er nur wenige Zeit, und noch schlimmer, wenn er lange regieren sollte: denn er wird alle Kräfte abschwächen und vergeuden, alle Parteien in seinem kalten Mißtrauen, welches er für Klugheit hält, von sich entfernen und so die Mittel lähmen und vernichten, die uns vielleicht noch retten könnten. Wäre er nicht da, so bräche gewiß sogleich ein Krieg mit dem übermächtigen Spanien los. Wir sind völlig geschwächt, aber doch wäre dies Unheil noch besser als jenes langsame, alle Kräfte wegzehrende Elend, welches uns jetzt bevorsteht.«

 

In der Stadt waren alle Stände in der größten Spannung und Aufregung, da es nun schon ziemlich lange war, daß man keine Neuigkeiten aus Afrika erhalten hatte.

So vorsichtig der Kapitän des Schiffes gehandelt zu haben glaubte, so konnte er es doch nicht verhindern, daß einige von seinen Leuten das Land betraten; die Diener aber des Bischofs schafften die kostbaren Geräte an das Ufer, und Gerüchte verbreiteten sich, und Erzählungen von der widersprechendsten Art wurden vorgetragen, wiederholt, übertrieben, und wie seltsame Märchen flogen die Berichte durch alle Viertel der großen Stadt. Der Marques hatte der Regentschaft vorgetragen, was er vernommen hatte, und der Kardinal Heinrich, der das Unglück nicht unwahrscheinlich fand, traf alle Anstalten, um, wenn der ungeheure Schlag wirklich gefallen sein sollte, den verlassenen Thron des Königreichs einzunehmen.

Der Tag war sehr heiß gewesen, und als die sanfte Kühle des Abends sich auf die großen Plätze der Stadt gelagert hatte und ein sanfter Wind vom breiten murmelnden Flusse herüberwehte, hörte man vor dem Palaste des Königs viel Geräusch, denn Volk und Pöbel fingen an, sich dort zu versammeln. Man murmelte von Verrätern, bösen Räten, erkauften Verleumdern, die für den König von Spanien sprächen, um durch falsche Gerüchte und erlogene Geschichten die Stadt und das Land unglücklich zu machen.

Es fehlte nur an irgendeiner unbedeutenden Veranlassung, um diese Funken zur hellen Flamme aufzublasen.

Ein Jubelgeschrei entstand, als jetzt der riesengroße Minotti aus einer Gasse trat, von einem Schwarm des Pöbels begleitet. Sie trugen wieder die geweihte Fahne, und Minotti rief: »Wie lange, ihr edlen Freunde, ihr Bürger der Vorstadt, ihr Tagelöhner, die es am besten mit dem Vaterlande meinen, wie lange soll eure zähe Geduld noch zusammenhalten, ohne zu zerreißen? Unsre giftigen Feinde verbreiten schlimme Nachrichten und predigen von Unglück, um nur unser patriotisches Bestreben zu hindern und unmöglich zu machen. Warum werden uns immer noch die versprochenen Schiffe vorenthalten? Sind es nicht die bestochenen Bösewichter, die erkauften Verräter, die uns von unserm edlen Könige, dem großen portugiesischen Helden, zurückhalten? Ginge es nach ihrem Wunsche, so wäre freilich unsre afrikanische Heeresmacht schon vernichtet, damit sie nur ihr Glück auf den Trümmern unsers Vaterlandes erbauen könnten. Dulden wir denn, wie gescheuchte Rehe, alles dieses und nennen uns Männer und wollen Portugiesen heißen?«

»Nein! Nein!« brüllte der Haufen. »Wir wollen Rache, Rache nehmen!«

Aus dem Palast der Regentschaft trat jetzt Alonso heraus, der verstimmt und erzürnt schien. Seine Augen funkelten rot in seinem bleichen Angesichte, sein Gang war ungewiß, und seine Hände zitterten. Die Regentschaft hatte es ihm abgeschlagen, seine letzten Rechnungen zu bezahlen, bis man aus Afrika erst nähere Kunde erhalten habe. Der Vorschuß, der ihm vor einiger Zeit verheißen war, um Proviant und Waffen dem Heere nachzusenden, war ihm geradezu verweigert worden, und auf sein ungestümes, fast unverschämtes Andringen und Mahnen hatte er verdrüßliche und kränkende Worte vernehmen müssen. In Angst um sein Geld, getäuscht in der Hoffnung eines reichen Gewinnes, trat er jetzt in grimmiger Stimmung in den aufgeregten Haufen, in welchem ihn viele wiedererkannten und ihn mit Lachen und Freude begrüßten.

»Da kommt unser echter Patriot«, rief der Holzarbeiter Barnaba, »er kommt von dem Regenten! Er wird uns die Wahrheit sagen können!«

»Freilich! Freilich!« schrie Minotti. »Er muß uns verkündigen, wie es steht! Wir wollen uns nicht länger am Narrenseile führen lassen!«

Alle nahmen den vor Wut und Furcht zitternden Alonso in die Mitte, und er sagte stotternd: »Verehrte Freunde, hochedle Mitbürger, die Patrioten, die sich aufopfern, wie ich es getan habe, werden verkannt und sind unglücklich. Man lügt, man schmiedet die tollsten Erfindungen, um uns, die freien Männer, in die Ketten der Sklaverei zu werfen. Fremdlinge, müßiges Gesindel, hergelaufene Menschen lassen sich dazu gebrauchen, euch, ihr hochachtbaren Bürger, durch Lügenkünste elend zu machen und die schönsten Bestrebungen schon in der Geburt zu ersticken. Ich sehe es wohl, daß ich aufgeopfert werden soll, daß man es so gekartet hat, daß euer flammender Kriegesmut unserem bedrängten, aber siegenden Könige nicht zu Hülfe ziehen soll.«

»Wir wollen! Wir wollen!« schrien alle Haufen, und der große Platz ward immer mehr mit Menschen angefüllt, welche die Neugier aus den benachbarten Gassen herbeizog.

Da der Tumult so angewachsen war, kam auch von seinem Spaziergange der Graf Fernando herbei, vom Italiener, der fast genesen war, und dem deutschen Hauptmann begleitet. Er wollte nach dem Hause seines Oheims, des Marques, und mußte sich, um dahin zu gelangen, durch die stets anwachsende Menge drängend hindurcharbeiten. Jetzt waren sie schon in die Nähe der Fahne und des großen, schreienden Minotti gelangt, als der ergrimmte Alonso rief: »Seht, meine edlen Mitbürger, hier ist der Verräter, dieser ungeschlachte deutsche Hauptmann, welcher die Lüge vom Untergange unsers Königs verbreitet hat!«

»Bösewicht! Mörder!« schrie der Haufe. »Auf ihn zu!« riefen andere. »Schlagt ihn nieder, den Schurken!« brüllte es von dort, und zugleich waren Degen gezogen und Knittel und Piken geschwungen, und alles drang auf Fernando und dessen Begleiter ein.

Der Graf sprach und rief, um den aufgeregten Pöbel zu beruhigen. Einige wichen und machten Platz, manche, die ihn von Person kannten und ehrten, stellten sich auf seine Seite und riefen ihren Bekannten zu, sich zu mäßigen.

Doch Alonso, vom Geschrei des Haufens begeistert und ihren Armen vertrauend, rief: «Nieder mit ihnen!« und zog den Degen.

»Recht«, schrie das Volk, »haut sie alle nieder, diese Fremden, diesen verruchten Adel!«

Fernando, so nahe bedroht, zog, ungern zwar, der deutsche Hauptmann stellte sich mit seinem Schwert voran, indem er sagte: »Gegen diese Kanaille ist zwar keine Ehre zu erwerben, aber Not kennt kein Gebot, und das Fechten ist auf alle Fälle etwas Schönes!«

Auch der Italiener hatte schon den Degen entblößt; doch Fernando, welcher besonnen blieb, rief mit lauter Stimme: »Don Alonso! Was treibt Ihr? Welcher böse Geist drängt Euch in dieses Getümmel? Besinnt Euch, alter Mann!«

Alonso wich zurück und machte Miene, sein Schwert wieder einzustecken, als der große Minotti ihn stark am Arm ergriff und schrie: »Wie? Ein Renegat, Don Alonso? Der Volksfreund feige? Die Schande werdet Ihr uns doch nicht antun?«

Alonso zog den Degen wieder zurück und schwang ihn gegen den Deutschen. Plötzlich fielen Schläge und Hiebe, und Alonso stieß nach der Brust des Hauptmanns. Dieser aber wandte geschickt den Stoß ab und stach sein Schwert bis an das Heft in die Brust des aufschreienden Alonso. Der Alte stürzte hin, und ein großer Blutstrom floß aus der Wunde. Alles wich, und Fernando hatte sich indessen schon durch Hülfe des Florentiners Raum gemacht.

Alonso war tot, und ein plötzlicher Schreck über diesen Vorfall hatte alle, welche nahe standen, ergriffen. Dadurch gelang es dem Grafen, mit seinen beiden Begleitern so viel Raum und Zeit zu gewinnen, daß er den Palast seines Oheims erreichen konnte.

Die Dienerschaft des Marques war vom Getümmel schon herbeigerufen worden und nahm den Grafen, den Florentiner und den Deutschen, die sich jetzt fechtend und zum Frieden ermahnend zurückzogen, in ihre Mitte, und so gelangten sie endlich unbeschädigt in den Palast. Der alte Oheim ging seinem Neffen entgegen und begab sich dann zum Volke, das ihm allenthalben, durch seine Rede und ehrwürdige Gestalt gebändigt, Raum machte. Es hörte seine Ermahnungen an, und nach und nach zerstreute sich die Masse. Die Diener Alonsos trugen den Leichnam nach dessen Hause.

»So hat der Geizige seinen Untergang gefunden«, sagte der Marques, als er in den Saal zurückkam, »wie viele Drangsal hat der Mann in seinem Leben allen denen angetan, die von ihm abhingen oder ihm untergeben waren.«

»Es war Notwehr«, sagte der Deutsche, »sonst war an dem blassen Mann nicht viel zu erschlagen, ein Kind hätte ihn umhauen können. Darum mußte er sich nicht in den Krieg und Kampf begeben, da er so wenig Stahl und Eisen bei sich hatte.«

»Ich hoffe«, sagte der Greis, »in diesen unruhigen Zeiten und da es in einem Auflauf geschehen ist, wird um diesen Totschlag nicht viele Nachfrage geschehen: Indessen wird es doch nötig sein, Maßregeln zu treffen. Oder zieht Ihr es vielleicht vor, mit dem segelfertigen Schiffe nach Italien abzureisen?«

»Gewiß«, rief der Deutsche hocherfreut, »wenn ich hoffen darf, da ich alles eingebüßt habe, daß mir die Regierung dahin verhilft. Ich möchte wohl mein altes Vaterland und das ehrbare, liebe Nürnberg einmal wiedersehen. Vielleicht leben meine Verwandten noch, vielleicht ist mir sogar eine Erbschaft zugefallen; kann auch sein, daß ich irgend in dem Heere meines deutschen Kaisers eine vorteilhafte Anstellung finde, denn wackre Kriegesleute sind doch immerdar und allenthalben zu brauchen.«

»Nein, tapfrer Freund«, sagte der Marques mit gütigem Tone, »Ihr sollt wenigstens bequem und sicher nach Eurem Vaterlande gelangen, denn das sind wir dem Manne schuldig, der unserm unglücklichen Könige so redlich geholfen, der seinen Anführer Stuckley verloren und unserer Großmut vertraut hat.«

Er sprach mit dem Neffen, und sie statteten den Hauptmann so reichlich aus, daß er, der dergleichen niemals hatte hoffen dürfen, von diesem Edelmute tief gerührt war. Der Italiener blieb im Hause des jungen Grafen Fernando auf dessen dringende Bitten, denn der Jüngling hatte sich an den Umgang des Florentiners so gewöhnt und eine solche Freundschaft zu ihm gefaßt, daß er sich jetzt unmöglich von ihm, und zwar so plötzlich, trennen konnte.

Als der Deutsche abgereiset war, bemerkte der Marques gegen seinen Neffen, wie er überzeugt sei, daß durch den Tod Alonsos die langwierigen und verdrüßlichen Prozesse gewiß schnell beendigt würden, denn die weitläuftigen Verwandten und Erben würden sich gewiß zu billigen Vergleichen bereitwillig finden und jene Summen, die Alonso ganz widerrechtlich gefordert habe, schwinden lassen.

Indessen verschwanden alle diese Betrachtungen, aller Gewinn und Verlust bald für die Vaterlandsfreunde gänzlich, als das Ungeheure, was bis dahin nur Furcht und Wahrscheinlichkeit gewesen war, sich in Gewißheit und Überzeugung verwandelte.

 

Die Schiffe, welche bis dahin an der Küste von Afrika vor Anker gelegen hatten, kehrten zurück. Mit ihnen einige Krieger, die sich aus der Gefangenschaft gelöset hatten, andre, die ihren Wächtern entflohen waren. Der Prinz Antonio, Prior von Crato, hatte wie durch ein Wunder das Mittel gefunden, sich um einen geringen Preis von seinen Ketten loszukaufen, es war ihm gelungen, seinen Hütern die Meinung beizubringen, er sei nur von geringem Stande und besitze kein Vermögen, und kein Portugiese von denen, welche mit ihm gefangen waren, hatte ihn verraten.

Nun erfuhr man mit allen Umständen, daß jenes Gefilde am Alcagar ein ungeheures Lager des Todes geworden war, auf welchem der Adel Portugals, seine Jugend und Kraft, alle seine Hoffnung erschlagen lag. Und glücklich mochte man die nennen, die kämpfend hier gefallen waren. Viele Tausende schmachteten als Gefangene und Sklaven in dunkeln Kerkern, in unzugänglichen Wüsten und erlagen der Arbeit und Geißel. Noch nie, seit Portugal seine Geschichte kannte, hatte ein so ungeheures Unglück das weinende, verwaisete Land geschlagen. Kein Stand, keine Familie, die nicht Tote oder Verlorene bejammerte. Manche Stämme des Adels waren ganz ausgestorben, andere verarmten völlig, um die großen Lösegelder aufzubringen, die die Afrikaner für die Gefangenen forderten: und glücklich noch diejenigen, die Bruder, Vater oder Sohn mit dem Verlust ihrer Habe zurückkaufen konnten.

Nur wenige Stunden hatte die Schlacht gewährt, und die ungeheure Niederlage war entschieden. Bald war aller Zusammenhang gelöset und jeder Plan unmöglich. Widerspruch und Mißverstand kreuzten, störten und vernichteten jede Anordnung. Nur um das Leben war noch der Streit, und die Portugiesen und ihre Hülfssoldaten suchten nur noch ihren Tod zu rächen und ihr Blut den Ungläubigen zu verkaufen, an Rettung dachte keiner mehr. Ein Teil des Heeres war abgeschnitten und wurde von den siegenden Feinden und ihrer Übermacht verfolgt, die Christen flohen kämpfend, ohne zu wissen wohin. Alles ward noch vor der Nacht gefangen und erschlagen.

Am längsten hielt sich die Schlacht in der Nähe des heldenmütigen Königes. Er tat als Soldat Wunder der Tapferkeit. Fast allein stand er endlich im Leichengefilde. Da, als er die Unmöglichkeit der Rettung sah, band er ein weißes Tuch auf die Spitze einer Lanze, in der Absicht, sich zu ergeben, doch die rohsten Horden, die hier stritten und plünderten, verstanden dies Zeichen des Friedens nicht oder wollten es nicht verstehn, der kostbare Waffenschmuck des jungen Helden, die Edelgesteine, das Gold reizten diese wilden Barbaren, und im gedrängten Haufen erschlugen sie den königlichen Jüngling, dessen tapfre Hand noch manchen in der letzten Todesverzweiflung niederschlug. Dann ward der Leichnam beraubt, und es war den trostlosen Freunden nach einigen Stunden schwer, im nackten, mit Wunden bedeckten Körper, im gespaltenen und entstellten Haupt den schönen Sebastian wiederzuerkennen.

Alle diese Nachrichten wurden noch furchtbarer bestätigt, als die Leiche des Königs in Lissabon vom Schiffe gehoben ward. Durch alle reichen Ebenen des Landes, in den fernen Tälern, auf den hohen Bergen war alles eine Wehklage, und wer nicht weinte, war in stummer Verzweiflung. Nirgend Rat, Hülfe oder Trost. In diesem dunkeln Elende griffen viele Gemüter zum Wunderbaren und Phantastischen, um sich, wie trunken von Schmerz, an Wolkenbildern wenigstens zu erlaben. Sie meinten, die Überzeugung fassen zu können, dieser unkenntliche Leichnam sei nicht der ihres geliebten Königes, dieser habe sich gerettet und lebe irgendwo unerkannt, wenn auch jetzt in der Gefangenschaft: zur rechten Zeit aber würde er, wenn auch spät, wieder erscheinen, um alle die Wunden zu heilen, die seine übereilte Kriegeslust dem Lande geschlagen hatte. Dieser Wunderglaube, dies Hoffen auf einen Helden und Erretter, der sich nur verbirgt, um mit Kraft wieder aufzutreten, meldet sich in allen Jahrhunderten, wenn allgemeines Elend die Völker betäubt und in ihren Grundlagen erschüttert.

Der alte Kardinal hatte den Thron eingenommen. Niemand widersprach, und keiner konnte sich seinen gerechten Ansprüchen widersetzen. Aber die allgemeine Trauer ließ auch nicht einmal einen Anschein von Freude aufleben; der verständige Patriot konnte sich über die Unfähigkeit des ergrauten Priesters nicht täuschen, der im kirchlichen Amte, unter Ausübung geistlicher Funktionen, in engen Kreisen lebend, ein Greis geworden war. Auch in glücklichen und ruhigen Zeiten wäre er zu schwach und unbeholfen gewesen, um seinem großen Berufe vorzustehn. In diesen Zeiten der Not warteten alle Parteien nur auf sein Hinscheiden, welches binnen kurzem erfolgen mußte, und jedermann glaubte, nur mit seinem Tode könne die Hoffnung wieder in das verwaisete Vaterland treten. Heinrich selbst aber, der vormalige Kardinal, meinte, die Kunst der Regierung sei eine leichte, und die Geistlichen und Schmeichler, die ihn umgaben, stärkten ihn in diesem Wahn. Es war in diesem Kreise sogar schon die Rede davon gewesen, den alten, schwachen Greis zu vermählen, um Erben zu erzeugen, die den Anspruch Spaniens vernichten sollten. Der König aber hatte selbst, nach einiger Überlegung, diesen Vorschlag als unstatthaft abgewiesen.

Der Pöbel, welcher noch vor wenigen Wochen so übermütig und heldenkühn tobte, schalt jetzt den Feldzug töricht und den verstorbenen König unbesonnen und tollkühn. Alle hatten es jetzt vorhergesehn, wie der Erfolg sein werde und sein müsse, doch habe die Partei des Adels und der Priester allein dieses abenteuerliche Unternehmen zum Verderben des Volkes in den Gang gebracht, indem keiner der Anführer jemals verständigen Rat habe anhören wollen.

Es ist zu ermessen, was die Freunde, der Marques, dessen Neffe und die hochgesinnte Catharina, bei der Katastrophe dieser Tragödie gelitten hatten. Sie verstanden sich auch ohne Wort und Rede, auch wird edlen Seelen das Unglück gleichsam entweiht, wenn vieles darüber gesprochen wird, was doch zu keinem Ziele führen kann. Der junge Mann, dessen Leben noch im Frühling stand, suchte seine Verwandten durch Erzählung, Gedicht und freundschaftliches Gespräch zu erheitern und zu zerstreuen. Der alte Christoforo, der seitdem fast gesund geworden, sprach von Indien und zeigte ihnen in munteren und lebendigen Darstellungen die Sitten jener Völker, die wunderbare Art jener Landschaft und Natur. Zuweilen besuchte sie der Prinz Antonio, der gern alle die Patrioten vereinigen wollte, die sich in Zukunft ihm gegen Spanien anschließen könnten.

Die Freunde aber erstaunten nicht wenig, als der Prior von Crato ihnen ankündigte, daß er sie und Lissabon binnen kurzem, und zwar auf eine unbestimmte Zeit, verlassen würde. Als alle über diesen Schluß erstaunten und ihn nicht begreifen konnten, sagte der Prinz mit bitterem Lächeln: »Ja, meine Freunde, ich werde mich freiwillig verbannen, um nicht abzuwarten, daß ich gezwungen und auf Befehl die Stadt verlasse. Ist es nicht sonderbar, daß der alte König auf mich eifersüchtig ist? Er fürchtet und haßt Philipp von Spanien, ihn graut vor dem Gedanken, daß unser Vaterland seine Selbständigkeit einbüßen dürfte, und doch läßt er alle meine Schritte bewachen und fürchtet meine Verbindung mit den Patrioten. Es ängstigt ihn der Gedanke, daß sich eine Anzahl Wohlmeinender schon jetzt an mich anschließen und ihre Hoffnungen an meinen Anspruch binden möchten. Und doch weiß er, daß ich es allein bin, der in Zukunft im Namen Portugals mich den Spaniern entgegensetzen kann, er wünscht und billigt es auch, nur soll ich jetzt seine Autorität nicht trüben und seine Regierung hemmen. So berauscht sich dieser Greis noch am Grabe und sterbend in der Leidenschaft des Herrschers und träumt von Macht und Kraft seiner Majestät. So aber ist das eitle Herz der Menschen, und so lähmt er lieber das, was in Zukunft, vielleicht bald, geschehn kann, um nur für jetzt nicht an Ansehen einzubüßen.«

Fernando war mehr als jemals in dem Gartenhause der Donna Catharina. Er beschäftigte sich stundenlang mit Maria, dem wundersamen Kinde, und wenn er ihre Eigenheiten beobachtete und an den Plan dachte, den er mit dem Oheim verabredet hatte, wenn er sie als Gattin sah und sein künftiges Glück an ihrer Seite, so trat wohl das Unglück seines Vaterlandes in den Hintergrund seiner Seele zurück. Catharina sowie der Marques litten immerdar, weil keine Hoffnung sie aufheiterte, doch waren sie jetzt so völlig resigniert, daß nur eine stille Wehmut ein Zeichen ihres Schmerzes war.

Fernando ward überrascht, als an einem Tage Luis in seine Wohnung trat. Er hatte in dieser bewegten, schrecklichen Zeit jene Bestellung und Abrede vergessen und war um so mehr erfreut, den feinen Mann, den er hatte liebgewinnen müssen, ohne daß er ihn erwartet hatte, eintreten zu sehn.

Er ging ihm mit der größten Freundlichkeit entgegen, reichte ihm die Hand und sagte: »Willkommen, liebster Mann, unserm trauernden Hause und einer klagenden Familie. Ich gestehe es, ich hatte unsre Verabredung ganz vergessen, und darum verzeiht Ihr mir, wenn ich Euch bitte, mich heut zu begleiten, daß wir in einem Landhause unsern Abend zubringen. Ich darf einer sehr lieben Verwandtin, die mich erwartet, mein Wort nicht brechen.«

»Aufrichtig, Herr Graf«, erwiderte Luis, »ich hatte mir fest vorgenommen, Euer Haus und Euch, den ich liebe und achte, nicht wiederzusehn, denn mich erfaßte die Reue, daß ich mich wieder Menschen, wenn auch wohlwollenden, hingegeben hatte. Aber unser gemeinschaftliches großes Unglück löscht so alle kleineren Rücksichten aus, daß mir das als höchst gleichgültig erscheint, was mir noch vor einigen Wochen übermäßig wichtig war.«

»Recht so«, sagte der Graf, »alle Guten und Edlen müssen sich jetzt inniger als je verbinden und Launen, Vorurteile und Leidenschaften aufgeben. Wir haben das Ungeheure erlebt und gehn schweren Zeiten entgegen. Ich verstehe es wohl, daß, wenn unser Herz vom furchtbarsten Schlage getroffen ist, wir das kleinere Leiden fast scherzend aufnehmen können. Und so scheint Ihr mir, trefflicher Mann, viel heiterer als damals, da Ihr mich beehrtet: Euer Auge ist lebhafter, Eure Farbe gesunder und der Ausdruck Eures Gesichtes lächelnder.«

»Gewiß«, antwortete Luis, indem eine leichte Röte über das blasse Antlitz flog: sein Mund war schmerzhaft bewegt, und die Lippen zitterten. »Mein Genius hat mich neulich in der Nacht geküßt«, sagte er mit leiser Stimme, »und seitdem bin ich vom Traum des Lebens erwacht.«

»Wie meint Ihr das?« fragte Fernando.

»Seht Ihr es nicht«, antwortete Luis, »daß es der Tod ist, der aus meinem Auge leuchtet? Daß die Erlösung da ist, die Überzeugung lächelt von meinen Lippen. Mein Leben ist aus der Brustwunde unsers Königs dahingeflossen, der heiße Staub dort hat mein Blut getrunken. Noch wenige Stunden zittert dies mein Gebein als schwache Hülle des lebensmüden Geistes. Führt mich, geehrter Herr, wohin Ihr wollt.«

»In der Stimmung«, sagte Ferdinand, »darf ich wohl kaum meine Bitte wiederholen, mir bei Entzifferung einiger unleserlicher Manuskripte behilflich zu sein?«

»Warum«, antwortete Luis, »sollte ich Euch diesen kleinen Dienst nicht leisten? Gebietet über mich.«

Ferdinand nahm Mantel und Degen und ließ den Hauptmann rufen, welcher ihn ebenfalls zum Landhause Catharinens begleiten sollte, wo er schon vorgestellt worden war und freundliche Aufnahme gefunden hatte. Sie gingen schweigend durch die Stadt, und als sie sich im Freien befanden, sahen sie einen Neger, welchem Luis einen Wink gab. Der Schwarze folgte ihnen, von den andern beiden unbemerkt, in einiger Entfernung.

Luis schien bewegt, als man sich nach der einsamen Straße wendete, die zwischen Gärten und Mauern zum Landsitze Catharinas führte. Jetzt ward der Palast und der freundliche Garten sichtbar, und Luis sagte mit zitternder Stimme: »Wohin führt mich der Freund? Hieher? Zu diesen Lauben, zu diesem Springbrunnen? Hier, wo ein Engel schon mit mir redete? O Himmel! Ist es nicht, als wenn alle Jugendträume lebendig werden wollten?«

Fernando stand still. »Seid Ihr denn etwa«, sagte er, indem er seinen Begleiter scharf ansah, »der fremde Mann, der oft vor diesem Garten verweilte, von dem mein kleines Mühmchen so viel Schönes erzählte, derselbe, dem Maria soviel vorgeschwatzt hat?«

»So ist es«, sagte Luis kaum hörbar, mit unterdrückter Stimme.

»So gehört Euch auch«, fuhr der Graf fort, »jener Neger an, der uns schon seit lange nachfolgt?«

»Ja«, sagte Luis.

Das Tor ward geöffnet, und der florentinische Hauptmann ging die Stiege hinauf, Donna Catharina, den Marques und Maria zu begrüßen.

Der Graf lud seinen Gast in den untern kühlen Gartensaal, wo er ihm einen Lehnstuhl anbot und ein zierliches Tischchen vor ihn stellte. »Habt die Güte«, sagte er dann, »diese mir teuern Blätter unterdessen anzusehn, die ich mir dann, mit Euerm Beistande, abschreiben will, um sie als ein kostbares Gut zu bewahren. Ich verlasse Euch auf kurze Zeit, um meiner würdigen Muhme Euern Besuch zu melden.«


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