Ludwig Tieck
Der Alte vom Berge
Ludwig Tieck

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Eduard hatte nicht bemerkt, daß der Morgen schon dämmerte, so sehr hatte er sich in diese seltsamen Blätter vertieft. Er hätte auch ohne Zweifel noch viel länger gelesen, wenn ihn nicht jetzt ein lautes Schreien und heftiges Klopfen an seiner Thür unterbrochen hätte. Er stand auf, um nachzusehen, als Kunz, roth, keuchend und mit wilden Geberden in sein Zimmer stürzte.

Da haben wir's! rief der Bergmann im höchsten Zorn; hab' ich's nicht schon damals gesagt, daß der Landstreicher die Bosheit selbst ist? Lassen Sie ihn nur, Herr Inspector, gleich in zentnerschwere Ketten schmieden, und den Hund mit Ruthen zerhauen, daß ihm das Leben und die verruchte Seele zollweise ausfährt!

242 Was habt Ihr denn? fragte Eduard; ich fürchte, Ihr habt Euch vom Fieber aufgerafft, und seid im Rasen.

Ha! schrie Kunz, nun wird mir meine böse Krankheit schon vergehn, nun die Bestie auf ihren Lastern ertappt worden ist! Der wird mich nun nicht mehr in die abgeschnackten Strohhalme hinunter tragen!

Von wem redet ihr denn? fing Eduard wieder an; doch nicht von dem fremden ungarischen Bergmann?

Von keinem andern, antwortete Kunz: das Ungeheuer hat gestohlen und hängt mit einer ganzen Diebesbande zusammen. Hören Sie, kurz und gut: ich konnte die Nacht doch nicht schlafen, trieb mich also im Walde um, auch um mir etliche Kräuter für meine Krankheit zu suchen. Es fängt schon an zu dämmern, da hör' ich was da unten, auf dem einsamen Fußsteige im dichtesten Walde wie karren, und dabei stöhnen und ächzen, wie man denn so in der Nacht alles deutlicher hört und versteht. Ich darauf zu. Karren zwei Kerle unter Angst und Seufzern und der blasse Schuft geht daneben und treibt sie an. Spitzbuben! schrie ich auf sie los; und, ich habe das Wort noch nicht aus dem Halse, so rennen die beiden Strauchdiebe fort, den blassen magern Gauner aber halte ich fest, der Karren mit den geraubten Sachen bleibt im Walde. Sie bringen ihn aber nach, denn zwei Arbeiter begegneten mir, die schickte ich zurück, und den ungarischen Woywoden habe ich selbst hergeschleppt.

Indem kam das ganze Hans in Aufruhr. Der Fremde saß gebunden draußen, Bergleute, Spinner und Weber drangen herein, von den Mühlen kamen Menschen und alles schrie, und jeder verwunderte sich über den andern, alle wollten zugleich erzählen, und keiner schien zu wissen, was denn vorzutragen sei, so daß Eduard und Kunz verwirrt und verstört diesen und jenen fragte, bis der Bergmann mit seiner 243 donnernden Stimme dazwischen rief: alle das Maul gehalten! Nur der soll Rapport geben, den der junge Herr fragen wird!

Der einäugige Michel stand in der Nähe, und da sich Eduard an ihn wandte, so erzählte dieser. Es mochte in der dritten Stunde nach Mitternacht seyn, als ich von der Hütte herauf ging, um recht früh da drüben im Zainhammer eine Botschaft auszurichten. Ich geh durch den Wald den Steg hinauf und denke nichts Böses, nur daß mir, wie ich schon ziemlich nahe am Magazin bin, alle die Nachtdiebereien einfallen, die nun da schon seit so lange sind ausgeübt worden. Ich möchte wohl den Schelm erwischen, sagt' ich so vor mir hin, – als – mit einem male ein Schuß fällt. Ein Schuß! holla! das fiel mir aufs Herz. Sind doch keine Jäger hier in der Nähe, so sprech' ich und rappl' und arbeite mich etwas rascher und emsiger hinauf. So hör' ich auch schon Schreien und Zeter und Lärm, Gepolter und Zank. Das Ding, denk' ich, ist nimmermehr richtig. Oben bin ich und seh' auch schon die Bescheerung. Das Magazin offen, einige Karren, Menschen davor, sie laden auf: eine kleine Figur, die ich im Finstern nicht erkenne, keucht und ächzt, schreit und klagt, humpelt herum und fällt wieder nieder. Ich den Kerlen nach mit den gestohlnen Sachen. Da halten mich welche fest und drücken mir die Augen zu. Es wird stiller, schreien kann ich nicht, hätte mir auch nicht viel geholfen. Wie sie wieder los lassen, ist nichts mehr in der Nähe. Auch der Hinkende, so viel ich suche, ist fort, und nicht mehr zu finden. Wie ich näher an die Häuser komme, schreie ich alles wach, daß die Leute nur das Magazin bewachen, daß sie den Spitzbuben nachlaufen sollen.

Und ich! rief Kunz, habe den General-Beutelschneider 244 beim Kragen erwischt, den Propheten von neulich, der in Eurer Hütte das Kunststückchen mit dem Schwefelholze machte. So erzählten sie alle nun wieder, schrieen und lärmten eben so arg, als zuvor. Doch Eduard ordnete alles an, was jedem obliege, ließ den Fremden bewachen, das geraubte Gut herein bringen, und gebot dann Stille, um den alten Herrn nicht, wenn er noch schliefe, in seiner Ruhe zu stören. Er selber eilte mit einigen nach dem Magazin, um auch dort Vorkehrungen zu treffen, und noch mehrere der Diebe, wo möglich, zu entdecken.



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