Ludwig Tieck
Der Alte vom Berge
Ludwig Tieck

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Eliesar saß in einem feuerfarbnen weiten Schlafrocke vor einem kleinen Destillir-Ofen. Das Gemach war nur wenig erleuchtet, die Vorhänge waren halb herunter gelassen und große Bücher verbauten die untern Scheiben. Die größte Unordnung herrschte im Zimmer, so daß Eduard kaum einen Platz fand, um sich zu setzen. Gläser und Kolben, Schmelztiegel, Pfannen, Haken, Cylinder, und vielerlei chemisches Geräth stand und lag umher. Ein seltsamer Dunst vom Feuer war im Zimmer. Mit mürrischer Miene legte Eliesar 217 den Blasebalg aus der Hand und kam aus dem Winkel hervor. Er hörte nur halb, was Eduard ihm zu melden hatte, und sagte endlich mit seiner krächzenden Stimme: in acht Tagen schon? Dann bin ich mit meiner großen Operation noch nicht fertig. Könnte denn der Alte nicht noch einen, oder zwei Monate Geduld haben? Das dumme Kind weiß ja auch noch gar nicht einmal, was die Ehe zu bedeuten hat.

Eduard war über diese griesgrämelnde Weise, so wie über die Undankbarkeit des herzlosen Mannes auf das Aeußerste verstimmt. Hatte ihm Balthasar vom Wahnwitze, als von dem wahren Grund und Inhalt des Lebens so viel vorgesprochen, so schien es ihm wirklich, daß Schwiegervater und Sohn endlich aus diesem Grunde ihr trauriges Wohnhaus aufführen würden. Das Schicksal des jungen Kindes schnitt ihm durch die Brust. Tragen Sie dem Herrn, sagte er erzürnt, Ihre Bitte vor, und es gelingt Ihnen wohl, sich noch auf einige Zeit frei zu erhalten. Wenn Sie ihm recht sehr zureden, läßt er vielleicht den Gedanken der Ehe ganz fahren, denn es scheint mir, als wenn Ihnen an Röschens Besitze nicht sonderlich viel läge.

Doch, sagte Eliesar, indem er seinen Schlafrock abwarf, und sein Kleid mit großer Nachlässigkeit anlegte: doch! er setzte sich wieder an den Ofen und prüfte die Essenz, die er läuterte: dennoch, weil so das Vermögen beisammen bleibt, und ich dadurch einmal recht im Großen wirken kann. Aber der Alte läßt niemals mit sich sprechen, so wie er es einmal ausgesonnen und ausgesprochen hat, so muß es bleiben, und wenn alle Vernunft darüber zu Grunde gehen sollte. – Indessen sollte mich das am wenigsten kümmern, wenn der fremde Landstreicher mir nicht neulich den Zorn in den Leib gejagt und die Galle erregt hätte. Man sollte solche unnütze Menschen todtschlagen dürfen.

218 Was haben Sie? fragte Eduard verwundert.

Wissen Sie denn nicht mehr, fuhr Eliesar mit grimmigem Gesichte fort, jenen elenden Fremdling, der uns letzt in der Eisenhütte sein dummes Experiment vermachte? Ich soll bald sterben. Das fehlte noch, um die ganze hiesige Wirthschaft in die allergrößte Verwirrung zu bringen. Aber da, hier im Ofen wird es schon präparirt, das sicherste Mittel gegen alle derlei unnütze Furcht, und so wie es mir mit dem Beistande der Weisheit gelungen ist, Gold aus unscheinbaren Dingen hervor zu bringen, so soll mir auch die Verwirklichung jener Essenz nicht mangeln, nach welcher schon so viele große Geister, und oft vergeblich, geforscht und gesucht haben.

Eduard kam näher. In der That, rief er aus, Sie setzen mich in Erstaunen. Sie sprechen von diesen geheimnißvollen Dingen mit einer so nachlässigen Sicherheit, wie ich es noch nie vernommen habe, mir um so unbegreiflicher, da meine Vernunft mir sagt, daß das Streben nur Chimäre und die Entdeckung der Kunst eine Fabel sei.

Vernunft! rief der kleine Mann, und zog unzählige Falten in sein dürres Gesicht. Diese Vernunft dürfte wohl die rechte Chimäre seyn und immer nur Fabeln ausgeboren haben. Nehmen Sie diese Goldstangen, die ich gestern in diese Form goß, nachdem ich in voriger Woche das Metall aus dem Blei gewonnen hatte, da steht der Probirstein, streichen Sie, und dann sagen Sie, ob es nicht ächtes, wahres Gold ist.

Eduard nahm die schweren Stangen, brachte sie auf die Probe, und sie zeigten sich als ächt. Sie müßten denn glauben, fuhr der Laborant fort, ich schaffte erst die Dukaten an, um sie als ein Unsinniger so einzuschmelzen, sonst werden Sie nichts mehr einwenden können. – Wollen Sie diese 219 beiden Stangen zum Andenken behalten? Ich schenke sie Ihnen.

Eduard sah die kleine Figur mit Verwunderung an, dann legte er die Stangen wieder auf den Tisch und sagte: nein, ich will Sie nicht berauben, das Geschenk wäre allzubedeutend. Aber Sie sollten dieses große Vermögen nicht so roh und unscheinbar hier unter den übrigen Sachen herum liegen lassen: Sie könnten dadurch Diebe und Räuber anreizen.

Keiner sucht es bei mir, antwortete jener, wieder vor seinem Ofen thätig: keiner erkennt das Gold in der unscheinbaren Form. Auch giebt es noch Mittel, Raub und Einbruch abzuhalten, von denen Sie sich auch alle nichts träumen lassen. – Wenn Sie aber noch zweifeln, bringen Sie mir das nächstemal einen Thaler, den Sie heimlich zeichnen mögen, und ich gebe ihn Ihnen als Gold zurück. Nur muß die Sache unter uns bleiben. – Dann werden Sie auch nicht mehr zweifeln, daß ich die Lebens-Essenz wohl noch finden werde. – Nur jenem lumpigen fremden Menschen, dem boshaften Kräutersucher und erbärmlichen Magier möcht' ich seine Strafe zubereiten können! Er sollte mir nur hier einmal in mein Gehege treten! Der sollte sich bei allen seinen verächtlichen Kunststücken verwundern! Ich bin auf den Kerl so ergrimmt, daß mir das Blut in den Kopf steigt, so wie ich nur an ihn denke!

Wie hat, warf Eduard ein, jener armselige Spaß nur einen so tiefen Eindruck auf Sie machen können?

Spaß? schrie Eliesar; Herr! ist das Spaß, daß ich in diesen Tagen die Höllenangst, diese scheußliche Furcht vor dem Tode nicht wieder aus dem Leibe habe kriegen können? Immer steht mir das Beingerippe und die eigne Verwesung vor den Augen. – Der Kunz da drüben ist auch krank 220 geworden, und lamentirt darüber, daß er seine Reputation verloren hat. So ein Mensch, wie dieser Unbekannte, ist ja so schlimm, wie ein Mörder. Und ärger! denn er legt einem das Gift, ohne selbst etwas zu wagen, in öffentlicher Gesellschaft, in den Körper! – Er sprang auf. – Hören Sie! rief er, und umfaßte Eduard. – Ja, der Alte hat Recht, die Hochzeit muß recht bald seyn, so bald wie möglich, morgen, übermorgen, der Sicherheit wegen. Ich kann auch nach der Heirath noch meine lebensrettende Essenz suchen. Nicht wahr? – Wer wird denn auch gleich so schnell sterben, Freundchen, Fleisch und Gebein halten ja doch noch so ziemlich zusammen.

Er lachte laut, daß er sich schüttelte, und bei den Verzerrungen des Gesichtes ihm die Thränen aus den stechenden Augen drangen. Eduard, der den Mürrischen noch niemals hatte lachen sehen, entsetzte sich vor ihm. Er sagt ihm, als der Alte wieder beruhigt war, er könne unmöglich dem Herrn Balthasar jetzt diesen Wunsch des Laboranten vortragen, die Sache würde in der Ordnung, wie sie einmal festgesetzt sei, wahrscheinlich vor sich gehn. Er war froh, als er Zimmer und Haus hinter sich hatte, und wieder im Freien athmen konnte. Sein Entschluß, die Gegend zu verlassen, stand fester, als je, er wollte selbst, wenn dies seine Reise beschleunigen könne, auf die große Belohnung verzichten, die ihm Herr Balthasar zugedacht hatte.



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