Ludwig Tieck
Der Alte vom Berge
Ludwig Tieck

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In der Einsamkeit des Waldes, wo die Eisenhütten arbeiteten, wo unter finstern Felsen, in der Nähe des Wassersturzes das Gelärm und Hämmern der Arbeiter weit hin, wetteifernd mit dem Rauschen der Wogen, tönte, war am Abend Eduard mit dem Inspektor des Bergwerkes zusammengetroffen, um mit diesem einige wichtige Geschäfte zu bereden und ihm Aufträge des Fabrikherrn mitzutheilen. Das Feuer leuchtete aus den hohen Oefen wunderlich in die Dämmerung hinein, die hellere Gluth des halbflüssigen Eisens, die tausend blendenden Funken, die vom Amboß unter den Hämmern der rüstigen Arbeiter ausstäubten, die Bewegung der dunkeln Gestalten in der weiten Bretterhütte, in welche der Baumstamm grünend hineingewachsen war, und im Winkel über dem Blasebalge schwebte, dieses wunderliche Nachtstück zog Eduards ganze Aufmerksamkeit an sich, als unter den Arbeitern ein lautes Gespräch und Gelächter entstand. Ein Fremder hatte ihnen so eben erzählt, was einige Bauern gestern mit dem betrunkenen Kunz vorgenommen hatten, und wie dieser heut Morgen zu seinem größten Aerger mitten in einem Kornfelde aufgewacht sei. Die Sache schien allen so wichtig, daß die Arbeit auf einige Zeit still stehen durfte.

Das gönn' ich, rief einer der breitgeschulterten Schmiedegesellen, dem hochmüthigen Kauz! Der unerträglichste und gröbste Bergmann von allen weit in der Runde! Der alles besser weiß und der klügste ist!

Wie wüthend und unsinnig soll er herumlaufen, fuhr ein Erzählender fort, denn nun ist das, worauf er am 194 hochmüthigsten war, aus und vorbei; er hat nicht nur das Korn sehen müssen, wie es auf dem Felde wächst, er hat mitten darin gelegen.

Eduard wendete sich zu diesem und fragte: Michel, Ihr seid schon wieder ganz gesund, daß Ihr so im Freien umgeht?

Ja, Herr, erwiederte der Schmidt, Dank Euch und dem alten Herrn da droben. Das Auge ist weg, das versteht sich, muß doch mancher von uns mit dem einen arbeiten können. Der Eisenfunke, der es mir ausbrannte, konnte noch größer seyn. Schmerzen hat es gegeben, das ist natürlich, aber mit Gottes Hülfe bin ich doch wieder ein gesunder Kerl geworden. Herr Balthasar hat freilich viel dabei geholfen, und seiner Pflege, Milde und Beisteuer habe ich sehr vieles zu danken. Und so wir alle, die wir ihm angehören.

Ein anderer Einäugiger fiel in diese Lobsprüche ein und fügte hinzu: es trifft sich, daß einer und der andere von uns so verstümmelt wird, denn mit dem Feuer ist nicht zu spaßen, aber wir sind von Gott durch unsern Alten gesegnet, denn wenn auch einer von uns ganz blind werden sollte, so würde der uns doch nicht verschmachten lassen.

Die Arbeiter waren wieder an den Amboß getreten und Eduard hatte nicht bemerkt, daß Eliesar, mit einem Fremden sprechend, in die Hütte gekommen war. Dieser war jener reisende Bergmann, der die Veranlassung gegeben hatte, den alten Kunz auf eine Art zu demüthigen, die diesem von allen Kränkungen die empfindlichste war. Eliesar stritt heftig und meinte, es sei gottlos, einen alten Mann auf diese Art zum Zorn, ja zur Verzweiflung zu reizen, denn er hatte gehört, daß Kunz wie ein Unsinniger durch die Berge liefe, und weder Rath noch Trost annehmen wolle. Der Fremde entschuldigte und vertheidigte sich, so gut er konnte, und während die Hämmer tobten, der Blasebalg sauste und die 195 Wasser rauschten, verhallte dieser Wortwechsel und wurde nur etwas vernehmlicher, als der wüthende Kunz selber, schreiend, mit aufgelaufenem Gesicht und glühenden Augen zu den Streitenden trat. Meine Ehre! meine große Bergmanns-Ehre! so schrie er, mein Ruhm und mein Stolz, alles ist dahin, unwiderbringlich und auf ewig! Und von nichtswürdigen Bauern, von einem elenden, blaßgelben, schmalschultrigen fremden Hungerleider bin ich darum gebracht! Im ganzen Gebirge hier, auch in vielen andern gewiß konnte kein Häuer und Steiger sich berühmen, daß er in seinem Leben nicht in die lumpige Ebene hinunter gekommen war. Im Stroh bin ich aufgewacht, im Korne, so haben es die Spitzbuben abgekartet! Die Aehren stachen mir in Nase und Augen, als ich mich besann, das struppige, jämmerliche Zeug, das ich nur in meinem Bett als Strohsack bis dahin gesehn hatte. Schimpf und Schande! Mord und Brand ist nicht so abscheulich! Und kein Gesetz dagegen, keine Hülfe, kein Menschenverstand in der ganzen weiten Welt!

Die Uebrigen hatten genug zu thun, den alten kräftigen Mann von dem schwächlichen Fremden zurück zu reißen, an dem er persönlich seine Rache nehmen wollte.

Da Kunz auf diesem Wege keine Genugthuung erhalten konnte, setzte er sich in einem Winkel der Hütte auf den Boden nieder, und da jetzt Feierabend gemacht wurde, so lagerten sich die Schmiedeknechte um ihn her, einige tröstend, andere ihn verspottend. Beruhigt Euch, rief der Einäugige, die ganze Sache ist ja Kinderei. Wenn das Feuer Euch das Auge ausgebrannt hätte, wenn Ihr die unsäglichen Schmerzen hättet leiden müssen, im Gehirn, und die schlaflosen fieberhaften Nächte überstehn, dann könntet Ihr Euch beklagen, aber so ist die Sache ja nur Kleinigkeit und Einbildung.

196 Wie Ihr's versteht! rief Kunz; einfältiges Gewäsch kann jeder treiben und reden. Daß Ihr das Auge in Eurem Beruf verloren habt, ist Euch eine Ehre und Ihr könnt stolz darauf seyn und Euch damit berühmen: – aber daß sie mich da unten zwischen ihren Mist hinstecken, daß ich da wie eine Garbe, oder ein Bund Heu liegen muß, – das sind drei oder mehr Nägel zu meinem Sarge. Kunz! Kunz! Einfaltspinsel! Strohsack! so war's mir, als wenn's rund um mich her riefe. Kenn' ich doch nun den elenden, kläglichen Acker, auf dem die lumpigen Bauern sich ihr Brot erziehen müssen. Jämmerlich sieht's da unten aus, und man hört keinen Hammerschlag, kein Wasser, nicht einmal einen Pochjungen. Wie an der Welt Ende ist es da beschaffen, und ich habe mir das Getreideland und die Fläche, wo die meisten Menschen wohnen müssen, doch nicht so ganz verächtlich vorgestellt.

So stritt und sprach man hin und her, und um eine andere Rede aufzubringen, wurde von den großen Diebereien erzählt, die der Herr des Gebirges, oder der Alte vom Berge, auf so unbegreifliche Art nicht störe, und so wenig oder gar nichts dazu thue, den Räuber zu entdecken, da die Verluste, so reich der Fabrikherr auch seyn möge, doch bis zu großen Summen steigen müßten. Der fremde Bergmann sprach wieder von seinen Kunststücken, den Dieb auf sichere Weise zu fangen, und Kunz, der sich der Gespräche erinnerte, drohte nur stillschweigend mit der Faust.

Eliesar schien auf die sonderbaren Vorstellungen einzugehn, er freute sich mit gemeiner Lustigkeit, des Diebes endlich auf diese Weise habhaft werden zu können. Indem ihn Eduard in der Dämmerung der Hütte betrachtete und das Gesicht sah, dessen braune und gelbe Formen vom glimmenden Feuer ungewiß beleuchtet wurden, glaubte er, daß ihm dieser widerwärtige und ihm feindselige Mann noch niemals 197 so häßlich erschienen sei: ein geheimes Grauen überschlich ihn, indem er an Röschen dachte und daß dieser Mensch der Vertraute und Busenfreund eines Mannes sei, den er verehren mußte, wenn gleich dessen Schwächen und Seltsamkeiten gegen seine Tugenden einen grellen Abstich machten.

Die Schmiede hörten dem Gespräch mit Aufmerksamkeit zu, sie glaubten dem Fremden, doch brachte jeder ein anderes abergläubisches Mittel in Vorschlag, zu welchem der Sprechende jedesmal noch ein größeres Zutrauen hatte. Eduard ward, so viel Widerwillen ihm auch das Geschwätz erregte, doch, ohne es fast zu bemerken, in diesem Kreise festgehalten. Gespenstergeschichten wurden erzählt, man sprach vom wilden Jäger, den viele gesehn haben wollten, von Berggeistern und Kobolden, dann kam man auf Vorzeichen und Orakel, und das Gespräch wurde immer lebendiger, die Erzählenden immer eifriger, so wie die Hörenden aufmerksamer.

Kobolde, sagte Michel, giebt es, denn ich bin selber vor zehn Jahren mit einem gut bekannt gewesen, mit dem es sich auch ganz leidlich umgehn ließ. Der Knirps hat mir auch damals vorher gesagt, daß ich um diese Zeit das rechte Auge einbüßen würde.

Was war das für ein Kerl? rief ein andrer Schmiedegesell; und warum hast Du uns das noch niemals erzählt?

Als ich in der Bergstadt, sagte Michel, fünf Meilen von hier, meine Lehrjahre überstanden hatte, und nun zum alten Meister Berenger in die Hütte kam, wurde ich denn, wie das jedem jungen Kerl geschieht, von den andern Gesellen im Anfang gehänselt und zum Narren gehalten. Wenn ich nicht mehr lachte und es verdroß mich, gab es Schlägerei, ich theilte aus und bekam, wie es in solchen Lagen und Verhältnissen nicht anders seyn kann. Besonders war mir ein greisbärtiger Schmiedeknecht am meisten aufsässig und 198 zuwider, ein riesenhafter Kerl und dabei klug, der so spitzig reden konnte, daß man sich wohl ärgern mußte, wenn man es sich auch beim Morgenseegen noch so fest vorgenommen und eingeprägt hatte, daß einem die Galle gewiß nicht überlaufen sollte. In meiner Drangsal weinte ich oft vor Bosheit, denn in der Stadt hatte ich mich klug gedünkt, und manchem war vor meinem losen Maule bange gewesen. Als ich mal in der Nacht recht bedrängt und traurig war, ich lag da drüben auf dem Knorrenberge ganz allein in einem kleinen Stübchen, im Hause wohnte nur noch eine steinalte Frau, – so hörte ich plötzlich neben mir gehn und rascheln. Ich machte den Fensterladen etwas auf, der mir zu Kopfen war, und wie der helle Mond so ein wenig hinein schien, sah ich ein kleines Wesen, das mir die Schuh abbürstete. Wer bist Du? fragte ich die Krabbe, denn er sah fast wie ein Bürschchen von eilf Jahren aus. – Still! sagte der Kleine und bürstete eifrig fort, ich bin ja der gute Camerad, der Silly. – Silly? fragte ich, den kenn' ich nicht. – Frau kennt ihn, Ursel kennt ihn, sagte der Kleine und stellte die Schuh auf den Boden. – Laß meine Sachen liegen! rief ich. – Rein machen, abstäuben, sauber fegen, antwortete mir das Gethier, und machte sich an meinen Sonntagshut. – Spektakel und kein Ende! gab ich wieder zur Antwort, putze Deine eigene Nase. Er lachte und that gar nicht, als wenn ich in meiner eigenen Stube was zu befehlen hätte. – Fürchtest Dich, kicherte er dann, vor dem großen Ulrich. Nicht Noth zu fürchten. Frage ihn morgen, wenn er wieder anfängt, wo er den braunen Brandfleck oben auf dem Kopf über der rechten Augenbraue her hat, dann wird er wie ein Lamm. – Das Gezeug war weg. Ich horchte, nichts da. Den Fensterladen macht' ich wieder zu und schlief ein. Am Morgen war mir, als hätt' ich alles nur geträumt. Aber 199 doch waren meine Schuh sauber und mein Hut abgebürstet. Ich fragte endlich die alte taube Ursel nach dem unbekannten Burschen. Es dauerte lange, ehe ich ihr deutlich machen konnte, was ich wollte. Ach! schrie sie endlich, ist das kleine Bürschle bei Dir gewesen! Nu, nu, viel Glücks, mein großer Junge. Das Dingelchen schadet keinem, und bringt jedem Glück, mit dem es sich einläßt. Ich kenn' ihn schon an die vierzig Jahr. Er geht herum in die Häuser, wo ihm die Menschen gefallen, und hilft ihnen in der Haushaltung, bald dies, bald jenes. Alles rein machen, das ist seine liebste Beschäftigung. Staub kann er nicht leiden, schmutzige, russige Töpfe und Küchengeschirr sind ihm zuwider, da scheuert er denn oft aus Leibeskräften. Blanke Messingsachen, glänzendes Kupfergeschirr, darin ist er ganz vernarrt, auch zinnerne Teller hat er gern. Manchmal hat er mir Groschen gebracht, blank und neu, wie aus der Münze. – Aber wer ist das Kraut? schrie ich. – Wer soll das Kindchen seyn? sprach sie. Die Leute wollen es Kobold nennen, oder Männle, er selbst schreibt sich Silly, das ist sein Taufname. Aber er ist ein guter freundlicher Geist und darum mußt Du ihm ja nichts zu Leide thun, daß er nicht auf Dich böse wird. – Ich hatte von solchen Kerlen gehört, aber nicht daran glauben können. In der Schmiede ging das Necken wieder an, der greise Ulrich machte mich ganz wüthig, denn sie hatten nun meine Empfindlichkeit gemerkt und arbeiteten desto lustiger in diese hinein. Ich wollte dem greisbärtigen Schlingel schon das glühende Eisen in seinen schneeweißen Kopf stoßen, als mir Silly einfiel. Und der braune Brandschaden da, sagt' ich, wißt Ihr, Ulrich! So rief ich, ohne was bei zu denken, da wurde der alte Riese so still, zaghaft und fromm, daß ich die Augen weit aufreißen mußte. Von dem 200 Augenblicke an war der wilde Mensch mein Freund. Ja er wurde gegen mich so demüthig, daß ich bei allen andern dadurch gewann, und von nun an recht hoch am Brette stand. Als wir bekannter mit einander wurden, erzählte er mir im Vertrauen, daß er in der Jugend sich einmal hätte beikommen lassen, mit Hülfe eines Dienstmädchens einen Diebstahl auszuführen. Er hatte sich schon in die Stube geschlichen, in der Meinung, daß alles schliefe. Der Schmidt aber, noch wach, sei ihm mit einem brennenden Span, vom Heerde gerissen, entgegen gerannt, und so sei ihm Kopf und Haar versengt worden. Er meinte, daß kein Mensch diese Geschichte wisse, der er sich schäme, und darum bat er mich himmelhoch, sie keinem wieder zu sagen, da er schon nicht begreife, wie ich sie könne erfahren haben. Darin irrte er aber eben, denn ohne ihn selbst hätte ich kein Wort davon gewußt. So ging denn seit dem mein Leben ganz ruhig hin und der Kleine kam immer von Zeit zu Zeit und half mir in meiner Wirthschaft. Bald aber erzürnten wir uns doch. Er war oft so schnell, so unvermuthet da, manchmal, wenn ich an nichts weniger dachte, daß ich etliche mal recht von Herzen erschrak. Sagte ich einmal darüber ein Wort, so wurde er sehr böse und meinte, ich sei undankbar, daß ich seine vielfältigen Dienste nicht anerkennen wolle. Nun hatte ich kürlich von einem durchreisenden Engländer gehört, daß der Name meines Koboldes in englischer Sprache »albern« bedeute, und daß man in England ein solches Wesen Puck, oder auch Robin Gut-Fell nenne, und da ich meinem kleinen Gaste dies treuherzig wieder erzählte, ihm auch zugleich, weil er mich wieder erschreckt hatte, eine kleine Schelle anhängen wollte, damit ich ihn immer hören könne, ehe er zu mir käme, so wurde der Geselle aus der Maßen böse und wüthig, 201 prophezeite mir, daß ich um die Zeit das Auge verlieren würde, und verschwand mit einem großen Gerumpel. Seit dem habe ich auch den Kauz nicht wieder gesehn.

Windbeutel über alle Windbeutel! rief Kunz, als die Erzählung geendigt war. Mann! könnt Ihr denn nicht den Mund aufthun, ohne zu lügen, und kommt doch nun schon in die Jahre? Leute, die eine Zeit lang mit Geistern umgehn, kriegen mehr Verstand. Die Handthierung der wunderlichen Wesen ist mehr mit überirdischen, seltsamen Dingen, und wenn sie zu uns kommen, so kriegt man schon durch den Schreck, ehe man sich ein Bischen an sie gewöhnt hat, etwas Nachdrückliches und Gehaltreiches.

Besonders, rief jener Bergmann erboßt, wenn man eine Nacht im Kartoffelnfelde geschlafen hat.

Daß diese Nacht, fuhr Kunz fort, und diese abscheuliche Begebenheit, diese ehrvergessene That eines Landstreichers, mein Tod seyn wird, weiß ich so gut, als ihr selber. Lange werd' ich's nicht mehr machen.

Kann seyn, sagte der blasse Fremde, indessen wißt Ihr ja immer noch nicht, ob ich nicht selber ein solcher Kobold bin, der Euch von Euren Narrheiten hat kuriren wollen. Um gut Freund mit Euch zu werden, barscher, hochmüthiger Mann, dazu gehörte denn freilich, daß Ihr mir etwas leutseliger entgegen kamt. Weisheit, Erfahrung, Seelenstärke theilt sich oft von denen mit, hinter welchen man es am wenigsten sucht. Wenn ihr, meine Herren, aber wissen wollt, wer von allen zuerst sterben wird, so kann dazu bald Rath geschafft werden.

Sie saßen alle im Kreise auf Bänken und Schemeln umher. Der Fremde zog eine blecherne Büchse aus seiner Tasche, indem er fortfuhr: der kleine brennende Span, den ich anzünden werde, muß schnell von Hand zu Hand gehn, 202 und in wessen Faust er erlischt, der ist von uns der nächste zum Abscheiden. Alle sahen den Fremden erwartungsvoll an. Dieser stieß einen kleinen hölzernen Stecken heftig in die Büchse, indem er etwas murmelte, und zog ihn brennend und flackernd aus dem Gefäße. Eliesar, der nächste, empfing ihn, gab ihn weiter, und so ging das Funken sprühende Stäbchen aus einer Hand in die andre. Es hatte den Kreis gemacht, und kam zu Eliesar zurück, der es ungern annahm und es eben weiter geben wollte, als es hell aufsprühend plötzlich zwischen seinen Fingern erlosch. Narrenpossen! rief er verdrüßlich, indem er das Holz auf den Boden warf und zornig aufsprang. Aberglauben über Aberglauben! Und wir sind auch so gutmüthig, daß wir uns zu dergleichen Fratzen gebrauchen lassen.

Er sah mit seinen brennenden Augen den Fremden scharf an, schlug ihm dann auf die Schulter und entfernte sich mit ihm. Der Mond war indessen aufgegangen und beschien hell die waldige Felsengegend, die Gesellschaft ging aus einander, und Eduard begab sich auch auf den Rückweg. Als er den einsamen Fußsteig hinauf schritt, hörte er lebhaftes Gespräch, es schien ein Zank zu seyn, und als er näher kam, glaubte er Eliesar und den Fremden zu unterscheiden. Er schlug darum einen andern Weg ein, theils, um sie zu vermeiden und nicht in ihrer Gesellschaft zurück gehn zu müssen, theils auch, um nicht den Anschein zu haben, als hätte er ihre Angelegenheit und den Zwist etwa behorchen wollen, denn Eliesar war argwöhnisch und gegen jeden Menschen mißtrauisch, obgleich er es sehr übel empfand, wenn man ihm nicht ein unbedingtes Vertrauen erwies.

Im Hause war alles still, und nur Röschen sang mit unterdrückter Stimme, kaum hörbar, ein einfaches Lied in ihrer abgelegenen Stube. Eduard war gerührt, und so 203 heftig, daß er sich selbst über seinen aufgereizten Zustand verwundern mußte. Ehe er einschlief, hatte seine Wehmuth so zugenommen, daß er nahe daran war, Thränen zu vergießen.



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