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Georg Queri

Gulbransson sagte einmal, er habe noch nie einen so echten gotischen Bauernschädel gesehen, wie den Queris. Und mir erschien er immer wie aus einem Breughelbilde herausgeschnitten, mit seinem kugelrunden Kopfe, in dem ein Paar schlaue, lustige Augen saßen.

Er stammte aus einer alten Bauernfamilie, die am Starnbergersee ansässig war, und er sprach rühmend davon, daß die Queris vom heruntern Seezipfel bis Ammerland hinauf einen Ruf als gefürchtete Raufer gehabt hätten.

Ihm selber hat es ein Unfall, den er als frischer Schulbube erlitten hatte, unmöglich gemacht, diese Eigenschaft der Familie weiterzubilden, aber ihren urwüchsigen Humor erbte er, und der hat viele schwere Proben siegreich bestanden.

Als Bub lag er fast ein Jahr lang im Streckverband, nachdem er sich durch einen schweren Sturz beim Turnen den linken Hüftknochen zerschmettert hatte.

Das Bein blieb verkürzt, und zeitlebens machten sich bei ihm die Folgen des Unfalls geltend, da sich immer wieder Knochensplitter ablösten und Eiterungen herbeiführten; mehrmals wurde er operiert, vernäht und wieder operiert, aber die langen Wochen im Krankenhause konnten sein Gemüt so wenig vergrämen wie dürftige Verhältnisse, mit denen er zu kämpfen hatte. Er wurde der lustige Queri, an dem der Alt-Münchner seine helle Freude hatte, ein liebevoller Beobachter und Schilderer seiner Landsleute und ihrer Lebensfreude.

Wo Queri war, saß Altbayern mit seinem breiten Lachen und seinem schlagfertigen Witze am Tische, und er war nicht bloß der Lobredner, er war vor allem selber das Beispiel der Unverwüstlichkeit unseres Stammes.

Seine Begabung reichte aber weit über die Fidelität hinaus, in der sie manchen Kritikern zu stecken schien.

Sie war von guter Bauernart, tüchtig und derb und in der Derbheit gutmütig und heimatfroh.

Ich lernte ihn näher kennen, als er 1910 während der ammergauer Passionsspiele bei meinen Verwandten wohnte.

Was er mir von seinem Leben erzählte, seine Art, den Himmel immer voller Baßgeigen zu sehen und, was fehl schlug, leicht zu verschmerzen, auch in bescheidensten Verhältnissen nie ängstlich und nie kleinlich zu sein, jede Behaglichkeit ausgenießend an allem Genüge zu finden, machte ihn mir lieb.

An Ernst fehlte es ihm keineswegs, und er hat sich ohne Hilfe, ganz aus Eigenem, vom kleinen Reporter münchner Blätter zum geachteten Schriftsteller durchgearbeitet.

Als Altbayer trug er das Seriöse nicht zur Schau, sondern versteckte es hinter einem fröhlichen Leichtsinn, den manche, die ihn nicht genauer kannten, sehr irrtümlich für den Grundzug seines Charakters nahmen.

Er hat viel gearbeitet, freilich auch einiges flüchtig herausgebracht, nach dem alten süddeutschen Rezept: »Es tuat's scho …«

Aber er schritt vorwärts und ließ sich vor allem nicht durch Selbstgefälligkeit darin beirren.

Im Sommer 1919 kam er auf etliche Wochen zu mir nach Tegernsee, und der Umgang mit ihm wirkte in der gedrückten Stimmung befreiend. Von den miserablen Zeitläuften ließ sich der Queri Girgl nicht unterkriegen, und er sah durchs schwärzeste Gewölk den blauen Himmel durchschimmern. Alles mußte wieder besser und gut werden, denn alleweil hängt es nicht auf eine Seite, und hinterm Schlechten kommt das Gute. Er schmiedete Pläne, hatte dies vor und hatte jenes vor, und wer ihn so unbekümmert von der Zukunft reden hörte, konnte die Gegenwart vergessen.

In Tegernsee wurde sein Singspiel: »Matheis bricht's Eis« mit starkem Beifall gegeben, und er setzte mir auf der Heimfahrt vom Theater auseinander, wie er selber in dem Singspiel nur einen ersten Schritt zur heitern Volksoper erblicke.

Andern Tags kehrte er nach Starnberg zurück, um sich ins Bett zu legen und die Ausheilung einer immer wiederkehrenden Eiterung abzuwarten.

Er stand vom Krankenlager nicht mehr auf; nach etlichen Wochen wurde er nach München in die chirurgische Klinik verbracht und starb nach einer Operation Ende November.

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