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Friedrich Steub

Wer war Friedrich Steub? Ein fragender Blick antwortet mir, ein Kopfschütteln, ein Achselzucken.

Ich sprach von ihm mit einem berühmten Maler. »Ach ja … Steub, der Schriftsteller … ›Herbsttage in Tirol …‹«

»Nein, der feinste Zeichner der ›Fliegenden Blätter‹.«

Der Berühmte lächelte. Er war doch mit vielen befreundet gewesen, die das Münchner Witzblatt zu seinen Besten zählt, mit Busch, Oberländer und andern.

Aber Steub?

Ich erinnerte ihn an die prachtvoll gezeichneten Raufereien, an die Bauern, Jäger, Holzknechte, Flößer, an die Ritter und vor allem an die wundervollen arabischen Typen.

Bei denen kam ihm eine Erinnerung.

»Ach ja, natürlich! Die waren allerdings fein, aber ich habe den Namen nie gelesen.«

Das war es.

Steub, der seine besten Sachen auf Holzstöcke gezeichnet hatte, war so bescheiden gewesen, selten seinen Namen beizufügen, und in unserer Zeit, wo man sich daran gewöhnt hat, sich nur das zu merken, was einem immer wieder fettgedruckt und laut hinausgeschrien ins Gedächtnis eingeprägt wird, übersah man den Mann, der nur seine Werke für sich sprechen lassen wollte.

Unter den Künstlern gab es wohl verschiedene, die ihre helle Freude an den Zeichnungen Steubs hatten und sie rühmten, aber, wie das Beispiel zeigte, es gab andere, denen, trotz ihrer ehrlichen Anerkennung jedes Könnens, der Namen wie das Werk dieses Besten unbekannt geblieben waren.

Die Münchner Presse fand keine Veranlassung, einen Künstler ans Licht zu ziehen, der in seiner Zurückgezogenheit viele Jahre hindurch mit einer Meisterschaft, die unter den Gleichzeitigen wie unter den Nachfolgern keiner erreicht hat, Nahes und Fernes schilderte, der einen dachauer Bauern mit dem gleichen tiefinnerlichen Humor wie einen Weisen aus dem Morgenlande wiedergab.

Wie hätte das Publikum Notiz von einem Manne nehmen sollen, der nicht in der Zeitung stand? Dem kein Kritikus sein Wohlgefallen aussprach?

Das hätte zur Voraussetzung gehabt, daß ein beträchtlicher Teil der Menge selbständig geurteilt hätte.

So blieb also ganz erklärlicherweise der ungenannte Steub unbekannt und sah still und bescheiden um sich Berühmtheiten wie Spargel aufschießen, kommen und gehen, mit Jahrmarktgeschrei gepriesen und wieder vergessen werden.

Er wurde in seiner Vaterstadt an die siebzig Jahre alt, ohne je von einem Reporter interviewt oder von einem Bürgermeister beglückwünscht zu werden. Er starb in Verborgenheit, und nach seinem Tode konnte man entzückende Handzeichnungen von ihm um Preise erwerben, die hinterm Einer noch nicht einmal eine einzige Null aufwiesen. Und doch war er, was ich ohne Hang zu Superlativen wiederhole, der beste und reichste und humorvollste Zeichner der »Fliegenden Blätter«.

Etliche Jahre nach seinem Tode erzählte man sich in Künstlerkreisen, daß sich ein kluger berliner Verleger an Steub gewandt und ihn gegen hohes Honorar zur Illustrierung des Don Quixote aufgefordert habe.

Wenn es nicht wahr ist, ist es gut und trefflich erfunden, denn es wäre ein klassisches Werk, eine Wiedergeburt des wundervollen Romanes geworden.

Steub soll abgelehnt haben, sagen die einen, die andern erzählen, er sei vor der Ausführung krank geworden und gestorben. Gewiß ist, daß wir um dieses herrliche Werk gekommen sind.

Georg Queri trug sich, wie ich weiß, jahrelang mit dem Gedanken, das Lebenswerk des großen Künstlers zu sammeln und herauszugeben.

Der Verlag von Braun und Schneider verhielt sich reserviert, und der Umstand, daß fast alle Originale Steubs auf Holz gezeichnet sind, mag Schwierigkeiten gemacht haben.

Aber doch, diese nachträgliche Entdeckung des Meisters soll und wird noch kommen.

Ich lernte den alten Herrn im Jahre 1900 kennen.

Schlittgen, Bruno Paul und ich gingen als Deputation zu ihm, um ihn zu bitten, für das von uns vorbereitete Burenalbum eine Zeichnung zu liefern.

Er wohnte damals in der Fürstenstraße, in einem älteren Hause über vier Stiegen.

Die Wohnung war klein und bescheiden, ungefähr wie die eines pensionierten Bezirksamtmannes, der sich nach München zurückgezogen hat.

Wir wurden in ein Zimmer geführt, in den Salon älteren Angedenkens, in dem selten benützte Möbel standen und die guten Bilder hingen.

Steub kam nicht allein. Den kleinen, schmächtigen Herrn, in dessen gutmütigem Gesichte ein Paar helle, freundliche Augen auffielen, begleitete eine hagere, etwas säuerlich blickende Dame, die abseits Platz nahm und uns mißtrauisch musterte.

Wir brachten unser Anliegen vor und sagten ihm, wie wir uns freuten, wenn er sich an unserem Album beteiligen würde.

»Ja, wenn die Herren glauben, daß ich da mittun kann, wo so viel berühmte Leute und solche Namen dabei sind.«

Er sagte es schlicht als seine wirkliche, ehrliche Meinung. Ich weiß nicht, ob es den andern auch so ging, aber mir stieg es brennheiß herauf, und ich schämte mich über das »Genannt- und Bekanntsein«, das diesem liebenswerten, echten Künstler versagt geblieben war.

Wir beeilten uns, ihn von dieser Ansicht abzubringen. Jeder von uns versicherte ihm, daß wir seinen Namen und seinen Beitrag über alle andern stellten.

»Die Herren sind so freundlich; ja, wenn Sie glauben, sehr gern …«

»Aber der Schneider muß damit einverstanden sein …« klang es von der Ecke herüber. Die sehr viel bestimmter auftretende Frau Steub sagte es, und sie zog dabei einen Schal, den sie um die Schultern trug, straffer an.

»Ja … ja … natürlich, der Schneider, mein Schwager, wissen S', der muß seine Zustimmung geben. Aber ich wüßt' nicht, warum er dagegen sein sollt'. Meinst d' nicht?«

Die Frage klang etwas schüchtern, und Madame zog zur Antwort nur die Achseln in die Höhe.

»Aber was … was meinen die Herren, sollt ich machen, das heißt für den Fall, daß … natürlich …, daß mein Schwager … nicht wahr …, was wär den Herren passend? So was Politisches … wissen Sie … das liegt mir halt gar nicht …«

Schlingen sagte, am liebsten wäre uns eine Rauferei, wie er deren so viele mit unnachahmlichem Humor gezeichnet habe.

»Ja, wenn's das is!« rief Steub erleichtert. »So was könnt ich Ihnen natürlich sehr gern machen.«

»Zuerst muß aber der Schneider gefragt werden.«

»Freili, freili … Ich red' gleich morgen mit ihm, und nachdem der Herr Schlingen beteiligt ist, wird's ja keinen Anstand haben.«

Dieser, der ja auch Mitarbeiter der »Fliegenden Blätter« war, versprach Steub wie uns, daß er seinen Einfluß geltend machen werde.

Es gab noch ein paar technische Fragen zu erledigen, und dann verabschiedeten wir uns von Steub, der uns an die Türe begleitete, jedem die Hand drückte und unsere Freundlichkeit rühmte.

Madame hielt sich im Hintergrunde, blieb aber wachsam und verhinderte, daß der gutmütige Herr uns im Drange seines Herzens etwa eine bindende Zusage erteilte.

Herr Schneider gab übrigens seine Einwilligung, und wir erhielten einen echten, reizenden Steub, eine Keilerei streitender Kleinbürger. Ich besitze das Original und halte es hoch in Ehren.

Ich habe den trefflichen Mann nicht mehr gesehen; er starb etliche Jahre später.

Seine Frau war ihm im Tode vorausgegangen.

*


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