Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Gendarm Schini »verduftet.«

Bericht des Brigadiers Werner.

Mit Brigadier Werner war noch ein anderer Gendarm in Illfurt, Schini mit Namen, ein früherer Artillerieoffizier, Inhaber der médaille militaire und mehrerer anderer Orden. Er war Protestant und spottete weidlich über die Vorgänge im Hause Burner. Besonders konnte er sich lustig machen über die zahllosen Fremden, die von weit herkamen, um, wie er sagte, »die Narrenpossen« der zwei Knaben sich anzusehen.

Weil aber nun in jedem Menschen eine Portion »Wunderwitz« steckt, hätte Schini doch einmal gerne und unauffällig mitangesehen, was denn eigentlich los ist. Eines schönen Tages bat er seinen Brigadier um die Erlaubnis, ebenfalls zu den Kindern gehen zu dürfen.

»Ja, gehen Sie«, lautete die Antwort, »aber erst, wenn die Nacht angebrochen ist und in Zivil.«

In seiner Eigenschaft als offizieller Berichterstatter besuchte Herr Werner die Kinder immer in Uniform. Schinis Besuch hingegen war nur ein privater. Er lieh sich irgendwo ein Zivilkleid und begab sich in der Abenddämmerung nach dem Burnerschen Hause. Da gerade viele Leute da waren, mußte er unten im Hausflur warten, bis die Reihe an ihn kam.

Jedoch das Warten dauerte nicht lange. Die Knaben lagen droben im ersten Stock in ihrem Bette. Da rief einer von ihnen die Mutter herbei und sagte leise zu ihr:

»Mutter, geh' doch auf den Hausflur; unten an der Treppe steht Gendarm Schini. Führ' ihn durch die Leute hindurch zu uns herauf, 's ist so lange, daß wir ihn nicht gesehen haben.«

Die Mutter nahm eine Lampe und ging. Aber da der Gendarm in Zivil war, erkannte sie ihn nicht. Sie kam dann zurück und sagte den Kindern, daß sie sich geirrt hätten.

»Doch, doch,« schrien beide, »Gendarm Schini ist da, er ist in Zivil.«

Jetzt schaute der Vater nach. Richtig traf er Schini und bat ihn, sofort heraufzukommen, da die Kinder das wünschten. Diese Meldung traf diesen wie ein Blitz. Er hatte genug gehört und gesehen. Im Nu war er verduftet. Kaum war der Vater ins Zimmer zurückgekehrt, so riefen die Kinder: Aha, Papa Schini hat Pech gekauft!«

Als er zu Hause angekommen war, fragte ihn sein Vorgesetzter: »Was? Schon zurück? Was haben Sie gesehen!«

»Nichts hab ich gesehen, aber gehört hab' ich. Das genügt mir.« Er erzählte nun, wie er von den Knaben erkannt worden war, obgleich sie ihn nicht hatten sehen können.

»'s ist doch eigentümlich,« bemerkte er sodann, »unsere Religion verbietet den Aberglauben, aber wie soll ich dieses Geheimnis erklären. Es müßte schon sein, daß die Kinder die Gabe des zweiten Gesichtes haben.«

Von diesem Tage an spottete er nicht mehr.

Etliche Tage darauf kam auch ein Mann vom Nachbardorf Spechbach nach Illfurt, um die Kinder zu sehen. Unterwegs ging er an einem Rebstück vorbei, wo die Stöcke über und über mit süßen Trauben behangen waren. Die Versuchung war groß und schon langte er nach einer Traube; doch, als braver Christ überwand er sich und schritt weiter.

Kaum im Hause Burner angekommen, riefen die Kinder ihm zu:

»Gelt, das waren schöne Trauben! Warum hast du sie nicht genommen? Sie waren so süß!«

Die Bestürzung des Besuchers kann man sich denken.


 << zurück weiter >>