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Verlust des Himmels. Höllenpein.

Aufzeichnungen des Herrn Pfarrers Brey.

Der Gedanke, daß er den Himmel verloren, und zwar auf ewig, machte den Satan namenlos unglücklich. Mehr wie einmal rief er aus dem Mund der unglücklichen Kinder: »O wie schön ist's da oben, wie schön ist's da! Ach, wenn es mir ein einziges Mal vergönnt würde, diese Herrlichkeit zu schauen, wie glücklich wäre ich!«

Ein anderes Mal sagte er: »O wie ist doch der Himmel so schön. Wenn ich ihn auch einmal schauen dürfte, aber nein – ich werde ihn nie sehen.« Als der anwesende Herr Tresch ihn fragte, warum er ein solches Verlangen offenbare, klagte er: »Ich bin dazu gezwungen durch die drei, die stärker sind als ich.«

Nachdem Theobald nach der Anstalt Saint-Charles in Schiltigheim überführt worden war, verhielt er sich die ersten drei Tage hindurch still und ruhig. Am Abend des vierten Tages jedoch zeigte sich der Teufel wiederum in seinem Körper: »Ich bin da,« rief er auf einmal, »und ich bin in Wut.« Die Schwestern fragten ihn darauf, wer er denn sei? – »Ich bin ein Fürst der Finsternis.« – »Wo wohnest du?« – »In der Hölle.« – »Möchtest du nicht in den Himmel hinein?« fragten die Schwestern weiter. – »Doch, aber es gibt für mich keine Hoffnung mehr, hineinzukommen.« – »Wer hat dich aus dem Himmel gejagt?« – »Michael der Stinker, Michael mit seinem Schwerte.« – »Was würdest du machen, um in den Himmel hineinzugelangen?« – »Ich würde tausend Jahre auf Nadelspitzen ›krobbeln‹; ich würde auf scharf geschliffenen Messern rutschen, um hineinzukommen.« – »Aber warum bist du denn fortgejagt worden?« – »Ich wollte selbst der Höchste sein.« – »Wie heißest du?« – »Das geht dich nichts an.« – Er fügte bei, daß er ein Fürst der Hölle sei, der Legionen Teufel in den Lüften kommandiere, und wenn diese Teufel Körper hätten wie die Menschen, würde man das Licht der Sonne nicht sehen vor ihrer Menge.

Von der Hölle bezeugte er, daß die katholische Kirche das Richtige lehre, aber er fügte hinzu: »Das Feuer der Hölle ist nicht das, was ihr glaubet. Ihr könnt euch keinen Begriff davon machen; es ist viel heißer und brennender und man leidet daselbst fürchterlich.« Dabei gab er gewöhnlich dem Wunsche Ausdruck, von Gott ganz vernichtet zu werden.

Als er gefragt wurde, welche Sprache man in der Hölle spreche, begann er mit großem Wortschwall und mit unheimlicher Schnelligkeit ein Kauderwelsch vorzutragen, das ein Gemisch von Latein und Italienisch zu sein schien und in dem nur das oft wiederkehrende Wort »Viktoria« zu verstehen war. Alsdann sagte er in deutscher Sprache: »Das ist die Sprache, die wir dort reden. – »Wo dort?« fragte Herr Tresch, »in der Hölle?« »Ja, in der Hölle,« antwortete er.

Am Abend des 28. März 1868 schilderte der Besessene die Leiden Jesu Christi. Als er von der Todesangst im Oelgarten sprach, rief er plötzlich aus: »Wahrhaft, du hast sehr warm, entsetzlich warm, du bist in Schweiß gebadet für die Sünden der Menschen.« – Er bekannte auch, daß er bei der Kreuzigung zugegen gewesen sei, daß er die Juden aufgereizt habe, ihn zu martern; er habe die Schläge gezählt, die auf ihn gefallen seien. Darauf fragte ihn ein Besucher, wie es in der Hölle aussehe? – »Nicht gut,« antwortete er. Als er noch weiter forschte, wurde er unwillig und sagte: »Es geht dich nichts an, mach' daß du hineinkommst, dann wirst du es schon erfahren.«

Ab und zu suchte Satan auch Propaganda zu machen. Einem Besucher bot er hundert Franken täglich an, wenn er einwilligte, in seine Dienste zu treten. Ja selbst dem eigenen alten Vater Burner bot er einmal tausend Franken an, wenn er ihm dienen wolle. Zu Herrn Tresch sagte er einmal: »Ich besitze viele Säcke voll Gold und Silber, ich will machen, daß du sie findest.« – Herr Tresch erwiederte: »Gut, ich bin's zufrieden. Ich werde sie der Kirche geben und unter die Armen verteilen.« – »Nein nein, nicht so,« schrie der Besessene, »so habe ich es nicht gemeint.« Glaubt man da nicht, denselben verlorenen Engel zu hören, der einst in der Wüste unsern Heiland versuchte: »Dies alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest.«

Der stolze, tief unglückliche Höllengeist hat kein sehnlicheres Verlangen, als daß alle Menschen ihm dienen.


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