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Der ungläubige Doktor und der noch ungläubigere Lehrer.

Archiv der Pfarrei Illfurt.

Nachdem Gendarm Werner seinen ersten Rapport an die Unter-Präfektur nach Mühlhausen geschickt hatte, sandte der Unter-Präfekt Dubois de Jancigny sofort den Gerichtsarzt Dr. Krafft nach Illfurt, um die Kinder gründlich zu untersuchen und seine Meinung in einem Rapport niederzulegen. Dr. Krafft war Protestant und ungläubig. Mit einer Miene voll Spott und Ironie nahte er sich den Kindern und ließ sich vom Bürgermeister den Ursprung des Uebels und die verschiedenen Erscheinungen der Besessenheit erklären.

»Bah,« sagte er hierauf, »da gibt's weder Hexe noch Teufel, sondern das ist eine Krankheit die wir »Veitstanz« nennen.«

Die Anwesenden waren teils verwundert, teils erbost über das so leichtfertige Urteil.

»Aber Herr Doktor,« meinte einer, »Sie kommen doch erst eben an. Sie können doch kein Urteil fällen, außer Sie haben erst gesehen, was vorgeht.«

»Das stimmt,« meinte der Sachverständige, »ich will also eine Krise hervorrufen. Wir werden's gleich haben.«

Er zog seine goldene Uhr heraus, und sie Theobald vor das Auge haltend, sprach er zu ihm: »Schau, Kleiner, auf diesem Uhrdeckel ist das Bild eines Vogels eingraviert. Sieh' recht, und wenn du es findest, so ist die Uhr dein Eigentum.« Der Knabe schaute wohl fünf Minuten lang auf den Uhrdeckel, ohne mit einer Wimper zu zucken, fand aber natürlich den Vogel nicht, weil eben keiner da war, sondern nur verschnörkelte Figuren. Hierauf stellte er auch Joseph auf die Probe, ohne mehr Erfolg. Diese Probe sollte bei den Kindern eine Nervenkrise hervorrufen, welche dann die Theorie des Arztes bestätigt hätte. Die Knaben waren durchaus ruhig geblieben und Dr. Krafft mußte zugeben, daß von einer Nervenkrankheit keine Rede sein könne.

Da nahm ihn Herr Antoine Zurbach, ein Ratsherr, der zugegen war, auf die Seite und bat ihn, er möge ihn auf den Hausflur begleiten. Dort angekommen, reinigte er zwei Gläser und füllte sie mit frischem Wasser. Hierauf reichte er dem Doktor ein drittes, ebenfalls mit Wasser gefülltes Glas und bat ihn, mit der Fingerspitze einen Tropfen dieses letzteren Wassers in eines der beiden mit frischem Wasser gefüllten Gläser fallen zu lassen. Nachdem dies geschehen war, bot der Arzt den stets vom Durst gequälten Knaben die beiden Gläser an. Jeder nahm mit großer Hast sein Glas. Theobald trank das seine in einem Atemzuge aus. Joseph jedoch, ohne das Glas an die Lippen zu führen, warf das seine auf den Boden mit den Worten: »O, die Schweinerei.«

Dr. Krafft, aufs höchste verwirrt, kehrt auf den Hausflur zurück, um den Inhalt des dritten Glases zu prüfen: »Ei,« sagte er, »dies Wasser hat doch keinerlei besonderen Geschmack!«

»Und wenn auch,« meinte mit Recht Herr Zurbach. »Der Kleine hat ja das Glas nicht einmal zu seinem Munde geführt.«

»Ja, was ist denn das für Wasser?« fragte der Doktor.

»Es ist Weihwasser,« antwortete der Gefragte.

»Da verstehe ich nichts davon,« erklärte der Arzt und auf seine Uhr schauend: »Ach, es ist Zeit zur Bahn.«

Und fort war er. Das spöttische Lächeln war ihm vergangen. Viel schlimmer erging es dem Lehrer von Illfurt, Herrn Miclo. Er war der Aufgeklärte, der Anführer der Ungläubigen. In der Schule machte er sich lustig über die Ereignisse im Hause Burner und schloß mit den Worten: »Ach was, es gibt überhaupt keinen Teufel.«

Der Mann jener übelbeleumundeten Frau, die den Kindern den verhängnisvollen Apfel gegeben hatte, war seines Zeichens Fischer. Er erschien auch eines Tages im Pfarrhaus, um daselbst einen schönen größeren Fisch anzubieten. Herr Pfarrer Brey war abwesend; seine Haushälterin hatte jedoch von ihm die strenge Ordre bekommen, von dieser Familie unter keinen Umständen etwas anzunehmen oder zu kaufen. Sie wies also den Mann kurzerhand ab. »Na, wenn der Pfarrer den Fisch nicht will,« brummte der Fischer im Fortgehen, »so bringe ich ihn dem Schulmeister.«

Gesagt, getan. Als der Lehrer hörte, daß der Mann im Pfarrhaus abgewiesen worden war, kaufte er ihm den Fisch ab mit den Worten: »Wenn der Pfarrer ihn nicht mag, so esse ich ihn.« In derselben Zeit erklärte der Teufel aus dem Munde Theobalds: »Na, na, jetzt ist Miclo unser, aber erst in einem Jahre werden wir ihn ganz bekommen.«

Kurz darauf reiste er mit zwei seiner Kinder zu Verwandten in der Nähe von Colmar. Auf dem Marsfelde von Colmar sah er eine Kompagnie Soldaten exerzieren. Da stellte er sich vor die Kompagnie und rief: »Je suis Napoléon, l'empereur des Français«. Dabei nahm er ein Stück Papier und ging auf den Offizier los, um ihn zu dekorieren. Der Aermste war übergeschnappt. Man brachte ihn ins Bürgerspital und von da nach Stephansfeld Eine Irrenanstalt in der Nähe von Straßburg. wo er einige Monate verblieb. Hierauf wurde er anscheinend gesund entlassen und kehrte nach Illfurt in seine Stelle zurück. Acht Tage später fand man ihn auf dem Speicher des Bürgermeisteramts im Hanf erstickt. Er hatte sich erhängt. Gendarm Werner schnitt ihn los, und der herbeigerufene Dr. Poncelet von Altkirch bestätigte den Selbstmord. – Es war gerade ein Jahr vergangen, seitdem der Satan verkündigt hatte: »In einem Jahre werden wir ihn ganz bekommen.«

Der Teufel hatte also auch das vorausgesagt und sich über Herrn Miclo ob seines Unglaubens weidlich amüsiert.

Die Folge davon war, daß sehr viele sich bekehrten und eifrige Christen wurden. So erschien einmal eine brave Frau im Redemptoristenkloster von Landser und bat den Pater, ihre vor kurzer Zeit abgelegte Generalbeicht wiederholen zu dürfen. Sie sei bei den Kindern gewesen, sagte sie, und der Teufel schien Gefallen an ihr zu finden, und nun sei sie in großer Sorge, daß es um ihren Seelenzustand nicht gut stehe.


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