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Satan und die geweihten Gegenstände.

Aus den Dokumenten des Herrn Abgeordneten Spies.

Der dämonische Charakter der Besessenheit offenbarte sich hauptsächlich wenn man den Knaben mit Weihwasser oder geweihten Rosenkränzen und Medaillen nahe kam. Dann fingen sie an zu toben; der Schaum lief ihnen aus dem Munde, und sie wehrten sich mit äußerster Energie gegen eine solche Berührung. Mischte man einige Tropfen Weihwasser in die Speise, so heimlich man es immer tun konnte, dann berührten sie sie nicht. »Weg mit deinem Dreck, er ist vergiftet,« riefen sie dann. Wollte man ihnen die Nahrung mit Gewalt beibringen, dann wehrten sie sich aus Leibeskräften, schlugen um sich und bissen die Zähne mit aller Gewalt aufeinander. War aber kein Weihwasser in der Nahrung, dann verzehrten sie sie und verschlangen sie gierig. Man mußte die Knaben veranlassen, die Nahrung mit 3 Fingern der rechten Hand zum Munde zu führen, denn der Teufel hatte einmal erklärt: »Was das Hündlein (so nannte er den Knaben) mit der linken Hand ißt, oder mit nur 2 Fingern der rechten Hand, das ist für mich und nicht für ihn«.

Eine Nachbarin, Frau Brobeck, hatte etwas Weihwasser in die Medizin getan, die die Kinder nehmen sollten: »Lieber nehmen wir alle »Gütterlein« aus der Apotheke, als daß wir etwas von der Familie Brobeck annehmen.« Ein anderes Mal bot man ihnen Feigen dar, die ein Priester gesegnet hatte: »Weg mit deinen Rattenköpfen, der Pfaff hat Grimassen darüber gemacht,« rief der Knabe.

Herr Spies hielt einmal dem älteren Knaben eine kleine Reliquie des seligen Gerard Majella vor das Gesicht mit den Worten: »Schau! da ist einer, der manchen von deiner Sippschaft in die Flucht gejagt hat.« Alsobald machte der Knabe eine Grimasse, blähte die Backen auf, biß gewaltsam die Zähne aufeinander und hielt die Lippen zusammengepreßt. Da drückte ihm Herr Spies die Reliquie auf die Lippen. Der Kleine wehrte sich mit Leibeskräften, drehte sich um und gebärdete sich wie ein Verzweifelter. Endlich schrie er: »Pack dich los, Italiener.« Tatsächlich war Gerard Majella ein junger italienischer Liguorianerbruder, der im Rufe der Heiligkeit starb. Auf natürliche Weise hatte der Besessene das keineswegs wissen können.

Was der Satan ganz besonders fürchtete, war die geweihte Benediktusmedaille. Deshalb wollten beinahe sämtliche Pfarrkinder von Illfurt solche Medaillen haben und trugen sie stets bei sich. Als Herr Tresch den Knaben einmal aus einem Gebetbuche vorbetete, schrieen sie: »Es ist nicht notwendig, daß du hierher kommst, uns vom »Païas am Hölzlein« und von der »großen Dame« zu sprechen.« So nannten sie stets den lieben Heiland und seine heilige Mutter.

Vor letzterer hatten sie einen furchtbaren Respekt. Als Herr Tresch einmal einem Knaben eine Medaille der Mutter Gottes von der immerwährenden Hilfe in die Ohren steckte (der Kleine war taub) und dem Teufel befahl aus dem Ohr zu gehen, rief dieser: »Ich kann nicht, denn dort ist Schwefel, Harz und Pech.«

Wenn ihm die Schwester etwas zu essen und zu trinken brachte, und sie hatte auf noch so heimliche Weise auch nur einen einzigen Tropfen Weihwasser hineingetan, so rührte er die Speise nicht an; gewöhnlich schleuderte er Teller oder Glas an eine Wand ohne daß sie zerbrachen. Da trat auch einmal ein junger Mensch aus Illfurt, 24 Jahre alt, ins Zimmer, um die Knaben zu sehen. Die Krisis hatte soeben begonnen. Da fing einer von ihnen an zu lachen und rief: »Aha, du hast das Geld gefunden; so viel im Wohnzimmer, so viel im Bett, so viel auf dem Speicher.« Und dabei nannte er verschiedene Summen. Herr Tresch, der Bürgermeister, fragte darauf den Jüngling, was es damit für eine Bewandtnis habe und dieser bestätigte, daß er vom Herrn Pfarrer den Auftrag erhalten habe, das kleine Opfer, welches seine vor einigen Tagen verstorbene Verwandte für die Kirche bestimmt hatte, ihm zu überbringen. Um es den Augen habgieriger Erben zu entziehen, hatten sie das Geld an verschiedenen Orten verborgen, von denen nur der Jüngling etwas wusste. Bevor dieser die Kinder verließ, riefen sie ihm noch zu: »Ja, ja, gut essen, gut trinken und ein schlechtes Leben führen, das bringt dich in den Himmel.«

Ganz verdutzt verließ der Jüngling das Haus. Kein Zweifel, daß diese Warnung von selten der Besessenen ihm für sein ferneres Leben sehr heilsam wurde.

Ehe Herr Tresch die Kinder verließ, besprengte er ihr Bett noch mit Weihwasser mit den Worten: »Sit nomen Domini benedictum« (Der Name des Herrn sei gebenedeit), – »Non sit, non sit«, knirschte der Satan.

Ein Priester legte einmal einem der Besessenen im Schlafe eine geweihte Medaille auf das Ohr. Plötzlich fing das Ohr an zu zittern bis die Medaille heruntergefallen war. So geschah es auch als dieselbe dem Knaben auf den Kopf gelegt wurde. Gelang es demselben, einen geweihten Gegenstand zu verstecken, dann konnte er weidlich lachen und sagte dann zu den Umstehenden: »Such deinen Dreck, er stinkt.«

Den Priestern gegenüber zeigte sich der Teufel stets hasserfüllt. Er hatte für sie nur Spott und Schimpfnamen, die er wohl den neumodischen liberalen Herrlein oder den ochsenblutroten Sozen abgelauscht hatte: »Schwarzkutte, Stinker, Pfaff«, Das waren noch die unschuldigsten Namen. Herrn Superior Stumpf beehrte er mit seinem besonderen Hasse. »Jetzt gehe ich zum Stümpfle, dem Stinker, um ihn zu plagen.« Nach einer Weile rief er frohlockend: »Ah, ich habe ihm einen Streich gespielt, wenn er dabei nur kaputt gegangen wäre.«

Als man nachforschte, gestand der Herr Superior, dass er tatsächlich zu derselben Zeit von einer unsichtbaren Gewalt in die Höhe gehoben worden sei, daß seine sämtlichen an der Wand befestigten Tafeln zu Boden geflogen und seine Möbel von der Stelle gerückt und umgeworfen worden seien, und daß ein heilloser Spektakel in seinem Zimmer stattgefunden habe, bis er dasselbe mit Weihwasser besprengt und den höllischen Geistern im Namen Gottes befohlen habe, ihn ruhig zu lassen. Der Satan bekannte selbst: »Der Stümpfle, der Elende, hat mir den Eingang versperrt, indem er sein Zimmer mit Unrat verschmiert hat.«

Ihm waren Juden, Protestanten und besonders Freimaurer viel sympathischer: »Das sind brave Leute,« sagte er zuweilen, »so sollten alle sein. Die sind's, welche die wahre Freiheit wollen. Sie sparen unserm Meister viel Mühe und gewinnen ihm viele Leute. Aber die Dreckler (Katholiken) und die Schwarzkutten (Priester) machen ihm grossen Schaden und entreißen ihm viele Seelen.«

Vor dem geistlichen Kleid oder dem Habit eines Ordensmannes hatte er grossen Abscheu. Er duldete es nicht, dass man ihn damit nur berührte, dagegen ließ er es gern geschehen, wenn ein Laie ihn mit seinem Ueberzieher oder sonst einem Kleidungsstück bedeckte. Ein starkes kupfernes Kreuz, das man Joseph anlegte, verbog sich alsbald und nahm die Gestalt eines X an, bis man es wegnahm. Dieses Schauspiel wiederholte sich allemal, wenn man ihm das Kreuz über die Schultern legte. Ein Skapulier, mit dem man ihn einmal bekleidete, flog in hohem Bogen in die Luft und fiel auf das Käppi des zufällig anwesenden Gendarmen Werner, ohne dass der Knabe sich nur im mindesten gerührt hätte.

Zu Herrn Tresch sagte er einmal: »Wenn ihr andern in den Schweinestall (Kirche) gehet, eure Hände erhebet und plärret (betet), kommt ihr alle dort hinauf« – er zeigte zum Himmel empor. »Aber die es nicht so machen, kommen zu uns.«

Einmal legte eine Besucherin aus Bettendorf dem Knaben einen geweihten Rosenkranz auf die Brust, während man ihm die Hände hielt. Da schrie er: »Wenn ich deine Geißenbollen erwische, werde ich den Katzenschwanz in Stücke reißen; aber das Bild der großen Dame, das daran hängt, darf ich nicht berühren.« – »Was ist denn auf der Medaille?« fragte man darauf. – »Ein Knabe und ein Mädchen, die die große Dame beschützt.« Als man nachschaute, war es tatsächlich eine Medaille von La Salette, die Erscheinung der Mutter Gottes vorstellend mit den zwei Kindern.

Ein anwesender Laie betete fromm: »Von den Nachstellungen des Teufels erlöse uns, o Jesu« –, da geriet der Besessene in eine gewaltige Wut und schrie: »Still, du lügst, halt's Maul, nein, nein.« Am schlimmsten gebärdete sich der Satan bei Gelegenheit einer Fronleichnamsprozession, als man einen der Knaben in ein Haus gebracht hatte, an dessen Front ein Sakramentsaltar aufgeschlagen worden war. Der Teufel schrie und lärmte und tobte, daß es nimmer zum Aushalten war. Er beruhigte sich erst, als die Prozession vorüber war.

Bericht des Brigadiers Werner: Frau Werner, die Frau des Gendarmen, wollte den Kindern eine Freude machen. Sie kaufte ein großes Bilderblatt, welches eine ganze Fronleichnamsprozession vorstellte. Da fehlte niemand, vom Kirchenschweizer bis zum Herrn Pfarrer mit der Monstranz. Jedes Alter und jedes Geschlecht war vertreten. Knaben und Mädchen, Jünglinge und Jungfrauen, auch ältere Personen und Fahnenträger, sogar ein Altar war vorhanden, wie man ihn an Fronleichnam in jeder Ortschaft aufschlägt. Frau Werner schnitt nun die einzelnen Figuren aus, klebte sie mit in Wasser aufgelöstem Gummi auf dünnen Karton und befestigte sie auf einem kleinen Hölzchen zum Aufstellen. Zu allen Figuren nahm sie bei der Gummiauflösung gewöhnliches Wasser; für den Schweizer, die schönste Figur von allen, aber mengte sie einige Tropfen Weihwasser dazu, um die Kinder auf die Probe zu stellen.

Dann brachte sie die Figuren auf das Bürgermeisteramt, wo die Kinder einstweilen wohnten und von den zwei Niederbronner Schwestern gepflegt wurden. Herr Pfarrer Brey war eben anwesend. Die Kleinen waren ganz entzückt ob der herrlichen Figuren; so was hatten sie noch nie gesehen. Da sie gerade ruhig waren stellte Herr Brey die Figuren auf den Tisch in Reih' und Ordnung – zuerst den Altar, dann allen voran, wie sich's gebührt, der Kirchenschweizer, sodann die Jugend, die Geistlichkeit – zuletzt Männer und Frauen. Theobald und Joseph betrachteten aufmerksam und mit großem Interesse die Aufstellung. Nach einer Weile zerstörte der Herr Pfarrer die schöne Ordnung und bat die Kinder ihrerseits, die Figuren, die nun ihnen gehörten, auch in Reih' und Glied zu stellen.

Theobald machte sich mit Eifer an die Arbeit. Er fing mit den hintersten Figuren an und stellte sie sachgemäss in Ordnung; den Schweizer bekam er erst zuletzt in die Hände. Sobald er ihn angefaßt hatte, schleuderte er ihn gegen die Türe, das Gesicht ganz voll Wut. Joseph, ganz erstaunt ob des Gebarens seines Bruders, erhob sich sofort, um die Figur zurückzuholen. Wie er sie aber anfaßte, geriet auch er in Zorn, zertrat sie und rief: »Do hesch jetzt, Kirchaschnitzer«.

Die Anwesenden wußten nicht, was das zu bedeuten hatte, bis Frau Werner ihnen mitteilte, daß sie sich zur Verfertigung desselben einiger Tropfen Weihwasser bedient hätte.

Die besseren Familien Illfurts taten sich zusammen, um abwechselnd den armen Kindern für den Mittagstisch und für eine kräftige Kost zu sorgen; die Reihe war an Frau Nico, der Wirtin »zum weißen Rößle«. Da sandte sie ihre Nichte, Fräulein Lina Meyer, mit einer excellenten Linsensuppe zu den Kindern, denen gerade diese Speise die allerliebste war. Schon freuten sich beide beim Anblicke der duftenden Suppe und schickten sich an, ihre Teller damit zu füllen. Plötzlich stießen sie jedoch die Schüssel zurück und riefen: »Fort, schnell fort mit deinem Dreck.«

Was war geschehen? Sie hatten die Suppe nicht einmal versucht. Gendarm Werner begab sich hierauf zu Frau Nico, um nachzuforschen, was los sei. Die Frau gestand ihm offen, daß sie bisher an Besessenheit nicht geglaubt habe, und daß sie, um die Kinder zu prüfen, einen Eßlöffel voll Weihwasser der Speise hinzugefügt habe. Nun sei sie überzeugt, daß von einem Schwindel keineswegs die Rede sein könne.

Aehnliche Szenen ereigneten sich, wenn auch in geringerem Maße jedesmal, wenn man die Knaben mit einem Kruzifix, einem Rosenkranze oder sonst mit einem geweihten Gegenstand in Verbindung brachte. Immer dasselbe Entsetzen, dasselbe Grauen, dasselbe Schimpfen, dieselbe Raserei. Sie beweisen damit die ganz erstaunliche Kraft und Wirksamkeit der Sakramentalien, die in der Hand des gläubigen Christen eine ganz vortreffliche Waffe bilden gegen die Angriffe und Versuchungen des höllischen Feindes.


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