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12.

Das zurückgezogene Leben, das Helen Mowbray nach ihrer Rückkehr von Lancaster mit ihrer Tante, Frau Nilson, führte, blieb ungestört bis zur Ankunft Dr. Chancellors, den Helen aufgefordert hatte, eine Zeitlang bei ihr zu wohnen und gewisse Angelegenheiten aus der Verlassenschaft mit ihr zu ordnen.

Nichts verbindet zwei Menschen enger miteinander als das gemeinsame Tragen eines großen Kummers oder einer großen Sorge. Dr. Chancellor, gleich Helen fest von der Unschuld des Verurteilten überzeugt, hatte für die Interessen seines verstorbenen Klienten nicht nur die Geschicklichkeit und Energie eines gewissenhaften Anwaltes, sondern auch den Eifer eines wahren Freundes eingesetzt.

Die Bekanntschaft zwischen ihm und der jetzigen Herrin von Manningford House war eigentlich nur eine flüchtige und berufliche gewesen, aber eine starke, dauernde Freundschaft bedarf nicht immer eines langsamen Reifens, und so standen auch Helen und Dr. Chancellor bereits in einem freundschaftlichen Verhältnis zueinander, wie es sich unter gewöhnlichen Umständen wohl erst nach Monaten herausgebildet hätte.

Am Abend seiner Ankunft, nachdem sie den Speisesaal verlassen hatten, führte Helen ihren Gast in ein Zimmer, das sie, wie sie erklärte, für seinen Privatgebrauch eingerichtet hatte. Es war früher von ihrem Bruder benutzt worden, ein großer Raum mit einem gemalten Fenster, das das Wappenschild der Mowbrays zeigte. An der einen Wand stand ein hoher Bücherschrank mit Doppeltüren, dessen verschiedene Fächer mit einer erlesenen Auswahl von Büchern und zahlreichen Werken über Landwirtschaft, Politik und so weiter angefüllt waren. In einer Ecke des Zimmers befand sich ein Flintengestell und ihm gegenüber eine Sammlung Fischergeräte. Ein massiver Schreibtisch aus Eichenholz, altersgeschwärzt und eigentümlich geschnitzt, stand am Fenster. Er enthielt die Privatpapiere, mit deren Durchsicht Helen den Rechtsanwalt betraut hatte.

»Da wir im Speisesaal nicht ruhig sprechen können«, sagte das Mädchen zu ihm, »so dachte ich, daß wir hier miteinander plaudern könnten. Ich habe so viel mit Ihnen zu besprechen und bedarf so dringend Ihres Rates. Ueber eine Sache möchte ich auch mit Ihnen allein, nicht in Gegenwart der Tante, reden, deren Nerven noch zu sehr erschüttert sind. Mir aber liegt es unendlich am Herzen, die Unschuld meines Bruders ans Licht zu bringen. Ich muß mich mit jemandem darüber aussprechen und habe daher Ihrem Besuch entgegengesehen wie dem eines alten Freundes, von dem ich Hilfe erwarte.

»Ich danke Ihnen«, erwiderte Dr. Chancellor, »daß Sie mich als einen solchen betrachten, und wenn ich auch nicht auf die Bezeichnung eines ›alten‹ Freundes Anspruch erheben darf, so dürfen Sie mir doch glauben, daß Sie in mir einen wahrhaft treuen Freund besitzen.«

»Davon bin ich überzeugt«, entgegnete Helen, »und ich weiß es zu schätzen. Sie haben mich zu Ihrer lebenslänglichen Schuldnerin gemacht, Herr Doktor. Zeigen Sie mir nun noch den Weg, den ich einschlagen muß, um der Welt zu beweisen, welch furchtbares Unrecht meinem armen Bruder geschehen ist, und Sie werden mir einen Dienst geleistet haben, den ich Ihnen nie vergelten könnte.«

Die Worte Helens machten großen Eindruck auf den Rechtsanwalt und er erzählte ihr nun von dem Versprechen, das er John Mowbray bei seiner letzten Unterredung mit ihm gegeben hatte. Dann berichtete er, was er bisher zur Erfüllung dieses Schwures unternommen und welche wichtige Entdeckung Joe Jannion an dem bei der Gerichtsverhandlung so wenig beachteten Armband gemacht habe.

Er zog das Schmuckstück aus der Tasche und überreichte es ihr mit der Bitte, es genau zu. prüfen.

»Der Hauptfehler, der damals gemacht wurde«, erklärte er, »lag darin, nicht zu vermuten, daß diese Schrammen in der Innenseite den Zweck hatte, die Inschrift zu vernichten. Die kleinen Kratzer außen sollten nur den Glauben erwecken, sie seien mutwillig und aufs Geratewohl gemacht worden. Sehen Sie einmal dies an«, fuhr er fort und überreichte ihr den Abdruck, den Joe Jannion angefertigt hatte. »Hier werden Sie die Schrift ganz deutlich erkennen können, denn Jannion hat sie mit großer Geschicklichkeit sozusagen aus den Schrammen herausgelöst.«

»Ja, wirklich!« rief Helen überrascht aus. »Jetzt erkenne ich die Buchstaben sehr gut. Doch wer ist diese Nany?« fügte sie bestürzt hinzu.

»Wenn ich diese Frage endgültig beantworten könnte«, entgegnete Dr. Chancellor, »dann wäre unsere Aufgabe so ziemlich gelöst. Leider aber sind wir über Mutmaßungen nicht hinausgekommen. Ich selbst wage noch niemand zu verdächtigen, obwohl wir eine Spur bereits entdeckt haben.«

»Mich dünkt, daß es aber ein guter Anfang ist«, unterbrach ihn Helen lebhaft. »Lassen Sie mich einen Augenblick überlegen, und dann will ich Ihnen sagen, wie ich mir diese Entdeckung zurechtlege. Ich möchte alles klar sehen und genau wissen, wie weit wir bis jetzt gekommen sind. Entschuldigen Sie, daß ich ›wir‹ sage, aber so dankbar ich Ihnen auch für Ihre Bemühungen bin, so möchte ich doch nicht von der Teilnahme an den Nachforschungen ausgeschlossen sein.«

»Das sollen Sie auch nicht«, erwiderte Dr. Chancellor. »Im Gegenteil, ich hoffe, daß uns Ihre Hilfe sehr wertvoll sein wird. Und nun sagen Sie mir bitte, auf welche Gedanken Sie Jannions Entdeckung bringt.«

»Sie beweist, daß Lukas und Mercy Joy mit ihrer Behauptung doch nicht so im Unrecht waren, wie wir glaubten. Sie irrten sich nur darin, daß sie einen Damenmantel für den Reitmantel meines Bruders hielten. Es ist aber zweifellos eine Frau gewesen, die mit Trinkall über die Brücke ging. Und das zeigt wieder, wie falsch die Aerzte urteilten, die meinten, die Verletzungen könnten nicht von Frauenhand herrühren. Habe ich recht?«

»Möglicherweise ja. Doch dürfen wir keine voreiligen Schlüsse ziehen. Es ist ja schließlich auch denkbar, daß Trinkall einem Mann zum Opfer gefallen ist, der damit irgendeine Tat zu rächen glaubte, die Trinkall früher einmal begangen hatte.«

»Welche Tat könnte aber Trinkall begangen haben?« fragte Helen.

»Es gibt mehrere Möglichkeiten, die in Betracht kommen«, antwortete Dr. Chancellor. »Vielleicht hat er einmal eine Frau verführt, und ihr späterer Gatte wollte diese Tat rächen. Oder er hat sonst eine andere Schuld auf sich geladen, jemanden durch Fahrlässigkeit oder mit Absicht geschädigt und ist nun dafür bestraft worden.«

»Oh, jetzt verstehe ich«, nickte Helen ernst. »Und sie vermuten, daß Francis Trinkall ein ähnliches Schicksal gehabt haben könnte? Welche Bedeutung hätte dann aber das Armband?«

»Sie haben sehr logisch gesprochen«, lobte sie Dr. Chancellor. »Wir denken auch nicht, daß das Armband durch einen Zufall an den Tatort gelangte, wie es die Polizei tat. Wir wissen vielmehr, daß es ein Geschenk Trinkalls an eine Dame namens Nany war. Gerade weil es unter dem Baum der »Liebesruhe‹ gefunden wurde, muß es im Zusammenhang mit dem Verbrechen stehen, obgleich deshalb der Racheakt eines Mannes nicht ausgeschlossen ist. Nany kann recht wohl, falls sie sich von Trinkall betrogen sah, durch jemand anderen gerächt worden sein.«

»Ganz unwahrscheinlich klingt das nicht«, stimmte Helen zu. »Trinkall war öfters außer Landes, ehe er Fräulein Lyle heiratete. Vielleicht hatte er sich irgendwo in Händel verwickelt und fiel schließlich doch, wie die Aerzte behaupten, durch die Hand eines Mannes.«

»Wissen Sie, welche Länder Trinkall besucht hat?« fragte Dr. Chancellor. »Eine Auskunft über diesen Punkt würde außerordentlich wertvoll sein. Jannion erkundigte sich in der Nachbarschaft, aber ich fürchte, daß es nicht zu erfahren sein wird.«

Helen blickte einen Augenblick ratlos drein.

»Es wäre, leichter zu sagen, welche Länder er nicht besuchte«, äußerte sie entmutigt. »Er hat ganz Europa bis Konstantinopel bereist.«

»Denken Sie einmal nach!« bat Dr. Chancellor. »Dieser Punkt ist überaus wichtig. Er hat vielleicht doch irgendwo eine Spur hinterlassen, die verfolgt werden könnte. War er vor zwei Jahren verreist? Wenn ja, wohin begab er sich damals?«

Helen dachte von neuem nach.

»Oh, jetzt entsinne ich mich!« rief sie plötzlich. »Es war das Jahr, in dem sein Vater starb. Er wurde telegraphisch zurückgerufen, doch obgleich er den alten Mann noch lebend antraf, erkannte dieser den Sohn nicht mehr.«

»Haben Sie eine Ahnung, an welchem Ort er sich aufhielt, als sein Vater erkrankte?«

Bevor Helen antworten konnte, erschien der alte Hausmeister mit einer Visitenkarte, die er Dr. Chancellor überreichte.

»Der Herr wünscht Sie zu sprechen«, sagte er.

»Es sei eine dringende Angelegenheit.«

»Es ist Jannion«, bemerkte Dr. Chancellor zu Helen. »Mit Ihrer Erlaubnis will ich jetzt hinuntergehen und hören, was er mir zu berichten hat.«

»Ich begleite Sie«, erklärte das junge Mädchen und erhob sich gleichfalls. »Sie müssen mich an Ihren Beratungen teilnehmen lassen, Herr Doktor, und dürfen mich nicht für unbrauchbar halten, wenn ich auch manchmal nicht so rasch zu den richtigen Schlüssen komme.«

»Im Gegenteil!« antwortete der Rechtsanwalt. »Ich glaube, daß Sie weit öfter zu richtigen Schlüssen kommen werden als wir selbst.«

Helen dankte mit einem Lächeln für sein Kompliment und die beiden begaben sich in das Wohnzimmer hinunter, wo sie Joe Jannion ungeduldig erwartete.

Helen Mowbray gewann Joe Jannions Herz im Sturm, nicht allein durch ihre Schönheit und ihre menschliche und freundliche Art zu sprechen und sich zu benehmen, sondern auch durch das Verständnis, das sie für seine oft schwierigen Gedankengänge zeigte.

»Sie dachten wohl, ich sei spurlos verschwunden?« fragte er, nachdem die Vorstellung vorüber war. »Es war wirklich eine verzwickte Arbeit, die Spur Trinkalls zu verfolgen. Als junger Mensch ist er beständig auf Reisen gewesen, von einem Land zum anderen. Er hat den Papst in Rom gesehen, in Konstantinopel Mokka getrunken und mit dem Sultan von Marokko Tabak geschnupft. Ich wüßte in Europa keine Gegend, die er nicht besucht hätte. Wo soll ich nun eigentlich anfangen?«

»Haben Sie nicht herausgebracht, wo sich Trinkall vor zwei Jahren aufhielt?« fragte Dr. Chancellor. »Um jene Zeit hat er, wie aus dem Datum der Inschrift hervorgeht, der Unbekannten das Armband geschenkt.«

»Ganz recht«, nickte Jannion zufrieden, »man muß sich immer an die Tatsachen halten. Nur dies eine Jahr kommt für uns in Betracht. Der alte Trinkall starb damals zu Weihnachten, und der Sohn, der auf dem Kontinent war, wurde rasch zurückgerufen. Der Vers auf dem Armband erhält nun Bedeutung:

Trennt uns auch das weite Meer,
Frank und Nany kann allein der Tod noch scheiden.

Diese Worte hatten einen Sinn, denn, obgleich Trinkall kein Dichter war, verstand er es doch dem Ohr einer Frau zu schmeicheln. Als er an das Sterbebett seines Vaters eilen mußte – also durch das Meer von ihr, seiner Geliebten, getrennt wurde –, gab er ihr zum Abschied das Armband als Pfand der Treue. Er und Nany haben aber einander nie mehr wiedergesehen, es sei denn, daß sie nach England gekommen wäre. Soviel ich weiß, hat Trinkall seit dem Tode seines Vaters nie mehr ein fremdes Land besucht.«

»Jetzt fällt mir ein, wo er damals gewesen sein könnte«, unterbrach ihn Helen lebhaft. »Es war damals davon die Rede, daß er aus Italien zurückgekommen sei.«

»Das stimmt nicht völlig«, widersprach Jannion. »Anfangs weilte er wohl in Italien, aber zu der Zeit, da ihn das Telegramm aus der Heimat erreichte, hielt er sich schon einige Zeit in der Schweiz auf. Das habe ich erst nach vieler Mühe, jedoch aus zuverlässiger Quelle, erfahren. Wenn der Betreffende sprechen wollte, würden wir noch manches erfahren, was unsere Arbeit sehr erleichtern könnte.«

»Wen meinen Sie?« fragte Dr. Chancellor.

»Williams, den Kammerdiener des alten Trinkall und später auch seines Sohnes. Ich bin überzeugt, daß er ausgezeichnet über das Leben des jungen Trinkall vor seiner Verheiratung orientiert ist.«

»Und glauben Sie, daß er Bescheid über diese Nany geben könnte?« fragte Dr. Chancellor.

»Natürlich kann er!« sagte Jannion ärgerlich. »Das ist es ja, was mich wütend macht. Wissen Sie, was er mir sagte? Ich bedaure, daß ich Ihnen erzählt habe, mein Herr sei damals in der Schweiz gewesen. Hätte ich geahnt, weshalb Sie mich befragten, hätte ich es Ihnen gar nicht verraten. Mag man von dieser jungen Person und von dem Milieu, aus dem sie gekommen ist, denken, was man will, mein Herr hat damals schlecht genug an ihr gehandelt, und ich will nicht dazu beitragen, ihr noch mehr Leid anzutun.

Und als ich ihn aufmerksam machte, daß sie vielleicht die Mörderin seines Herrn wäre, lächelte er nur und bemerkte, daß sie sich, seit Trinkall sie verlassen habe, nie wieder habe blicken lassen. Und dabei blieb er, was ich auch sagte, um seinen Standpunkt ins Wanken zu bringen und ihn zu weiteren Mitteilungen zu veranlassen.«

»Diese Zurückhaltung sieht sehr verdächtig aus. Man könnte fast glauben, daß er mit ihr im Einverständnis sei. Was meinen Sie?« bemerkte Dr. Chancellor.

»Das möchte ich wieder nicht annehmen«, antwortete Jannion. »Nach meiner Meinung ist es nichts als der Eigensinn eines Greises. Immerhin glaube ich, daß wir auf der richtigen Spur sind. Es ist völlig klar, daß Trinkall Nany in der Schweiz zurückließ und ihr versprach, bald zurückzufahren oder sie nachkommen zu lassen. Er hielt sein Wort nicht, blieb daheim und heiratete Fräulein Lyle. Der Mord geschah, um seinen Verrat an dem Mädchen zu rächen.«

»So stimmen Sie Herrn Dr. Chancellor bei, daß doch ein Mann die Hand im Spiele hatte?«

»Ich weiß nicht, was ich glauben soll«, brummte er mißmutig. Tatsache ist, daß um die kritische Zeit kein Fremder in Manningford gesehen worden ist; darin hat die Polizei recht, wie ich bestätigen kann. Doch das ist jetzt nicht die Hauptsache. Wir müssen vor allem in der Schweiz Nachforschungen anstellen. Seit Trinkalls Abschied von Nany sind noch keine drei Jahre verflossen – also ließe sich die Spur noch ganz gut verfolgen. Vielleicht gelingt es uns auf diese Art, diesem Fräulein Lester nachzuweisen, daß sie einmal in Beziehungen zu Trinkall gestanden hat. Verdächtig genug ist sie nach allem, was Herr Dr. Chancellor über sie festgestellt hat.«

Helen blickte ihn fragend an, worauf Dr. Chancellor bemerkte:

»Ich habe Fräulein Mowbray mit Absicht noch nichts von der Existenz dieser Frau erzählt, da mir alles noch nicht stichhältig genug und zu einem positiven Verdacht auch nicht ausreichend erschien.«

Und er erzählte ihr jetzt, was sie beide veranlaßt hatte, Annie Lester als mögliche Mörderin in Betracht zu ziehen.

Helen schwieg nachdenklich, während Jannion fragte?

»Haben Sie auch wirklich, Herr Doktor, alles in Erfahrung gebracht, was sich hier über diese Frau feststellen ließ?«

»Gewiß!« antwortete Dr. Chancellor. »Ich habe, wo es nur ging, Erkundigungen über sie eingezogen, aber so denkbar schlecht und eindeutig der Ruf dieser Person ist, so hat sie doch niemand jemals mit Frank Trinkall zusammen gesehen.«

»Nun, dann müssen wir also diese Spur vorläufig aufgeben. Ich werde also nach der Schweiz fahren, und vielleicht gelingt es mir doch, etwas Näheres über diese Nany in Erfahrung zu bringen.«

»Ja, auch ich halte es für das beste«, antwortete Dr. Chancellor. »Wann können Sie abreisen?«

»Ich denke morgen. Wenn Sie mir einen entsprechenden Betrag anweisen, kann ich morgen noch den Kanal überqueren.«

Er verabschiedete sich von seinen Bundesgenossen, nachdem Helen ihn noch gebeten hatte, keine Kosten zu scheuen und sich die Reise so bequem wie möglich zu machen.

»Ich fühle mich wie neugeboren«, gestand Helen dem Rechtsanwalt, als sich die Tür hinter Jannion geschlossen hatte, »und das danke ich nur Ihnen allein. Wie soll ich es Ihnen je vergelten?«

»Danken Sie mir noch nicht!« wehrte Dr. Chancellor ab. »Warten Sie lieber, bis ich es wirklich verdient habe.«

»Ich kann es Ihnen nie lohnen!«

»Wer weiß!« antwortete Dr. Chancellor mit bedeutsamen Lächeln. »Vielleicht werde ich eines Tages um eine Belohnung bitten, die weit über mein Verdienst geht.«

Helen verstand, was er meinte. Ihr Herz schlug rascher, und eine feine Röte stieg ihr ins Gesicht. Doch dann erinnerte sie sich, daß es ihr im Augenblick noch nicht gestattet war, an sich selbst zu denken. Erst mußte sie die Aufgabe erfüllen, die sie sich gesetzt hatte.

»Vergessen Sie nicht meine Lage!« sagte sie mit gesenktem Blick. »Warten Sie noch, bis wir am Ziel sind!«


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