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IX

Die Püffe und die Stöße, welche alle die Gestürzten und Zugedeckten in jener Stunde erlitten, sie können wir, wie sich wohl von selbst versteht, auch nur mit einiger Vollständigkeit nicht verfolgen; wir müssen uns deswegen auf unser liebendes Paar beschränken, obwohl dies kaum ein liebendes zu nennen ist, da dessen einer Teil ja bereits zu lieben aufgehört hatte, als der andre eben anfangen wollte.

Wir haben wohl alle, ohne daß es die Erzählung besonders hervorhob, schon selber angenommen, daß Florian Weitenmoser von der geschilderten Katastrophe nicht unbetroffen blieb. Das letzte, was er oben gehört hatte, war der schönen Rosi Notschrei; nach diesem versank er selbst in die Dunkelheit und schlug mit dem Kopfe so hart an das Gerüste, daß er erst eine kleine Weile ganz sinnlos dalag. Als er wieder zu sich gekommen, glaubte er sich unter einer schweren, rabenschwarzen Decke von Gewändern zu befinden, welche ihm das Tageslicht vollkommen abschnitt. Bald drohte ihm auch der Atem auszugehen. Er suchte sich krampfhaft aufzurichten, aber es gelang nicht. Dann rief er mit der letzten Kraft nach Hilfe, aber es hörte ihn niemand. Das Lebenslicht schien erlöschen zu wollen, aber freilich unter den angenehmsten Umständen. Es trat nämlich, was in solchen Lagen öfter vorkommen soll, ein ganz poetisches Delirium ein, dessen reizende Bilder unser Freund jedenfalls einiger Bekanntschaft mit Wielands Oberon oder gar mit Shakespeares Mittsommernachtstraum zu danken hatte. Eine liebliche Schar von kleinen Elfen schlüpfte aus den Falten der Kleider hervor, schloß einen Reigen und umgaukelte ihn, tanzte auch und sang dabei die schönsten Tanzweisen, welche ja bekanntlich niemand schöner singen kann, als die Elfen. Dann lösten sie den Reigen und liefen einzeln auf seinem Leibe und seinen Gliedern umher, wobei sie sich ungemein zierlich neckten und zu haschen suchten. Eine der Schwestern, mit Namen Dalinda, flog auf seinem Kinne an, warf zwar die durchsichtigen Gliederchen nach allen Seiten, zeigte jedoch mit den Füßen vorzüglich nach oben, wie wenn von dort Hilfe kommen sollte. Eine andere in himmelblauem Röckchen hüpfte auch längere Zeit auf seiner Nase herum, was ihn nicht im mindesten zu belästigen schien. Zugleich warf sie ihm Kußhändchen zu und erlaubte sich noch andere seltsame Gebärden, die wir aber nicht genauer schildern wollen, um dem Rufe des Mädchens nicht zu nahe zu treten. Endlich erschien auch die Königin Titania, ein feines, sehr leicht gekleidetes, aber sehr liebreizendes Wesen mit blauen Augen, blonden Haaren und einem Krönlein darin, wie es selbst unser Herr Max Rottmanner, Juwelier (Theatinerstr. Nr. 12), nicht geschmackvoller herstellen könnte. Aus Gefälligkeit und zum Trost für den jungen Mann hatte die Königin heute die Züge angenommen, welche im wirklichen Leben die uns schon näher bekannte Rose der Sewi trug. Sie war weitaus die schönste von allen und gewiß auch die zuvorkommendste, aber ihre Vertraulichkeiten litten an einem bedenklichen Umstande. Während nämlich die anderen Elfen äußerst leicht und flatterhaft und ätherisch zu sein und gar kein Gewicht zu haben schienen, war unsere Titania zentnerschwer, und während die übrigen nur schwebten, schwankten, hüpften und tänzelten, legte sich die Königin sehr fühlbar und sehr wuchtig auf Florians Stirne. Ihm wars, als wenn diese bald unter ihr einbrechen würde, und es kam auch gar nicht besser, als sie etwas vorrückte und sich lächelnd in die Mitte seines Gesichtes setzte. Sie lächelte und lächelte zwar immer himmlischer und himmlischer, wurde aber immer schwerer und schwerer dabei. Es ist begreiflich, daß der Florian die schöne Titania, namentlich an dem Orte, den sie sich letzterhand zum Throne erwählt, nachgerade unerträglich fand, und man kanns ihm wohl nicht verübeln, wenn er zuletzt, da Arme und Füße den Dienst versagten, sogar nach ihr schnappte. Auf dieses hin hörte er zwar von oben herab einen gellenden Schrei und die Last, die über ihm lag, tat einen heftigen Ruck, aber im selben Augenblick fühlte er auch einen rächenden Tritt auf seiner Brust. Mit diesem verschwand allerdings der sonderbare Traum, aber das wache Bewußtsein kehrte doch sogleich nicht wieder zurück.


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