Laurence Sterne
Tristram Shandy
Laurence Sterne

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267. Kapitel.

Sobald der Corporal die Geschichte seiner Liebe beendigt hatte – oder vielmehr mein Onkel Toby für ihn, – trat Frau Wadman leise unter ihrer Laube hervor, steckte die Nadel wieder in ihre Haube, passirte das Heckenthürchen und rückte langsam gegen das Schilderhaus meines Onkels Toby vor. Der Gemütszustand, den Trim bei meinem Onkel Toby hervorgerufen hatte, war eine zu günstige Gelegenheit, als daß sie vorbeigelassen werden durfte.

Es wurde daher der Angriff beschlossen; derselbe war dadurch noch mehr erleichtert, daß mein Onkel Toby dem Corporal befohlen hatte, die Schaufel, den Spaten, die Spitzhaue, die Pflöcke und die übrigen militärischen Geräthe, welche auf der Stelle zerstreut lagen, wo Dünkirchen gestanden hatte, weg zu schaffen. – Der Corporal war abgezogen, – das Feld war rein.

Nun, mein verehrter Herr, erlauben Sie, daß ich Sie darauf aufmerksam mache, welch' ein Unsinn es ist, wenn man beim Fechten oder Schreiben oder irgend sonst etwas (mag es nun Gereimtes oder Ungereimtes sein), was der Mensch zu thun hat, – nach einem bestimmten Plan verfährt; denn wenn je ein Plan, alle Nebenumstände abgerechnet, es verdient hätte mit goldenen Buchstaben einregistrirt zu werden (ich meine in die Archive von Utopien) – so war es gewiß der Plan der Frau Wadman, meinen Onkel Toby in seinem Schilderhause eben mittelst eines Plans anzugreifen. – Da nun aber der Plan, der zu jener Zeit gerade aufgehängt war, der Plan von Dünkirchen war, – die Geschichte von Dünkirchen aber ihren Reiz völlig verloren hatte, so konnte das keinen Eindruck mehr machen; und wenn sie es auch hätte wagen wollen, – so war das Finger- und Händemanöver bei dem Angriff im Schilderhause durch die Manöver der schönen Beguine in Trims Geschichte so in den Hintergrund gedrängt, – daß gerade diese besondere Angriffsweise, so erfolgreich sie früher gewesen war, – jetzt die hoffnungsloseste Attake war, die sie machen konnte.

Aber man muß die Frauenzimmer nur machen lassen. Frau Wadman hatte das Heckenthürchen kaum geöffnet, als ihr Genie den veränderten Umständen spielend gerecht wurde.

Sie hatte alsbald einen neuen Angriffsplan entworfen.

268. Kapitel.

Ich bin ganz außer mir, Kapitain Shandy, sagte Frau Wadman und drückte dabei ihr Batistsacktuch gegen ihr linkes Auge, als sie vor dem Schilderhause meines Onkels Tom erschien, – ein Stäubchen, – oder Sandkörnchen, – ich weiß nicht was, ist mir ins Auge gekommen, – haben Sie doch die Güte hineinzusehen, – im Weißen ist es nicht.

Bei diesen Worten schob sich Frau Wadman zu meinem Onkel Toby hinein, kauerte an der Ecke seiner Bank nieder und gab ihm so Gelegenheit, ihr ohne deshalb aufstehen zu müssen, behilflich zu sein. – Bitte, sehen Sie hinein, sagte sie.

Ehrliche Seele, du schautest mit so viel Herzensunschuld hinein, als je ein Kind in einen Guckkasten sah, und es wäre eine eben so große Sünde gewesen, wenn man dich dabei verletzt hätte.

Wenn ein Mann aus freien Stücken in Dinge dieser Art hineinsieht, so habe ich nichts darüber zu sagen.

Mein Onkel Toby that das nie; und ich stehe für ihn, er würde vom Juni bis Januar (also in der heißen und kalten Jahreszeit) und mit einem so schöne Auge, wie nur die thrazische RhodopeRhodope Thracia tam inevitabili fascino instructa, tam exacte oculis intuens attraxit, ut si in illam quis incidisset, fieri non posset, quin caperetur. — Ich weiß nicht wer. besaß, neben sich ruhig auf dem Sopha gesessen sein, und hätte nachher nicht gewußt, ob das Auge schwarz oder blau war.

Die Schwierigkeit bestand nur darin, meinen Onkel Toby dahin zu bringen, daß er überhaupt in eines sah.

Diese ist nun überwunden, und

Ich sehe ihn dort, mit seiner Pfeife, aus der die Asche fällt, in der Schwebe, – wie er schaut, – und schaut, – und sich die Augen reibt, – und wieder schaut, doppelt so arglos wie Galilei je nach einem Flecken in der Sonne schaute.

Umsonst! denn bei allen Mächten, welche den Organismus beleben, das linke Auge der Wittwe Wadman scheint in diesem Augenblick so hell wie ihr rechtes; – da ist weder ein Stäubchen, noch ein Sandkörnchen, noch Spreu, noch ein Fleck, oder irgend ein undurchsichtiges Theilchen. – Nichts ist darin, mein theurer väterlicher Onkel als ein züngelndes köstliches Feuerchen, das aus jeder Ecke desselben nach allen Richtungen hin verstohlen nach deinem Auge schießt.

Wenn du noch einen Augenblick länger nach diesem Stäubchen suchst, Onkel Toby, – so bist du verloren.

269. Kapitel.

Ein Auge ist in sofern genau wie eine Kanone, – als es nicht sowol das Auge und die Kanone an und für sich als die Richtung, Bewegung und Tragweite des Auges, – und die Richtung, Bewegung und Tragweite der Kanone ist; wodurch das Eine wie die Andere so große Wirkung haben. Ich glaube, dieser Vergleich ist nicht schlecht; da er aber ebenso sehr zur Decoration als zum Nutzen an die Spitze des Kapitels gestellt ist, so bitte ich nur ihn in Gedanken zu behalten, wenn ich von Frau Wadmans Augen spreche (ein einziges Mal in der nächsten Periode ausgenommen).

Ich versichere Sie, Madame, sagte mein Onkel Toby, ich finde nichts in Ihrem Auge.

Es ist nicht im Weißen, sagte Frau Wadman. – Mein Onkel Toby sah mit aller Macht in die Pupille.

Nun war aber von allen Augen, die jemals geschaffen wurden, – von dem Ihrigen, verehrte Leserin, bis zu denen der Venus selbst, was gewiß ein Paar so venusische Augen waren, als nur je in einem Kopfe saßen, – keines so geeignet, meinen Onkel Toby um seine Ruhe zu bringen, als gerade das Auge, in welches er eben sah. – Es war kein rollendes, – wildes, – schalkhaftes Auge, – kein funkelndes, freches oder herrschsüchtiges, – mit großen Ansprüchen und abschreckenden Forderungen, das jene Milch der menschlichen Natur, aus der mein Onkel Toby gemacht war, sofort zum Gerinnen gebracht hätte; – es war vielmehr ein Auge voll sanfter Grüße, – und zarter Erwiderungen, – das nicht wie das Trompetenregister einer schlechtgebauten Orgel sprach, worin so manches Auge eine herbe Unterhaltung führt, sondern ein süßflüsterndes Auge, – wie der letzte leise Athemzug eines sterbenden Heiligen, – das zu ihm sprach: Wie können Sie so unbehaglich und einsam leben, Kapitain Shandy, ohne einen Busen, an den Sie Ihr Haupt lehnen – oder dem Sie Ihre Sorgen anvertrauen könnten?

Es war ein Auge –

Aber wenn ich noch ein Wort weiter darüber sage, verliebe ich mich selbst darein.

Es richtete meinen Onkel Toby zu Grunde.

270. Kapitel.

Nichts zeigt die Charaktere meines Vaters und meines Onkels Toby in einem netteren Lichte, als ihr verschiedenes Benehmen bei einem und demselben Vorfall – denn Unfall kann ich die Liebe nicht nennen, da ich überzeugt bin, daß das menschliche Herz dabei gewinnt. – Guter Gott! was muß mein Onkel Toby für ein Herz gehabt haben, da er schon ohne jene die Menschenliebe selbst war.

Mein Vater war, wie aus manchen seiner Papiere hervorgeht, ehe er heirathete, dieser Leidenschaft sehr unterworfen, – aber wenn sie über ihn kam, nahm er sie in Folge der Herbheit und komischen Ungeduld seiner Natur nicht mit christlicher Ergebung hin, sondern pflegte zu pusten und zu blasen und Sprünge zu machen und hinten auszuschlagen und des Teufels zu sein, und die bittersten Philippika's, die je geschrieben wurden, gegen das Auge loszulassen. – Ich besitze eine solche in Versen gegen das Auge irgend einer Dame, das ihn ein paar Nächte lang um seine Ruhe gebracht hatte und das er im ersten Anfall von Wuth darüber so anredete:

Ein Teufelsaug' ists, thut so böses Werk
Wie nie ein Heide, Jude oder Türk.In meines Vaters: Leben des Sokrates soll das ganze Gedicht zum Abdruck kommen.

Kurz während des ganzen Liebesfiebers war mein Vater voll Schmähungen und böser Redensarten, die fast bis zum Fluchen gingen; – nur beobachtete er dabei nicht so viel Methode wie Ernulphus, – dazu war er zu ungestüm; noch auch so viel Politik wie dieser, – denn wenn mein Vater auch auf die intoleranteste Weise dies und jenes und Alles unter dem Himmel verwünschte, was seine Liebe begünstigen oder anfeuern konnte, – so schloß er doch sein Verwünschungskapitel nie, ohne sich selbst mit zu verwünschen als einen der ausgezeichnetsten Esel und Narren, wie er zu sagen pflegte, die je auf dieser Welt frei herumgelaufen wären.

Mein Onkel Toby dagegen nahm die Sache mit Lammsgeduld hin, – er saß still und ließ das Gift widerstandslos in seinen Adern wüthen: – bei den heftigsten Schmerzen seiner Wunde ließ er (wie er es bei derjenigen an seinem Schambein gemacht hatte), nie ein unzufriedenes oder ärgerliches Wort fallen, – schmähte weder auf den Himmel noch auf die Erde, – und dachte und sprach nichts Böses von irgend Jemand oder einem Glied desselben. Einsam und gedankenvoll saß er da mit seiner Pfeife, – betrachtete sein lahmes Bein, – und ließ von Zeit zu Zeit ein sentimentales: O Je! los, das sich mit dem Rauch mischte und Niemand wehe that.

Er nahm es, sagte ich, mit Lammsgeduld hin.

Anfangs täuschte er sich allerdings über sein Gefühl; er war nämlich an dem nämlichen Morgen mit meinem Vater ausgeritten, um womöglich einen schöne Wald zu retten, den der Dekan und das Kapitel abhauen ließen, um ihn den Armen zu schenken.Herr Shandy will hier »den Geistesarmen« sagen, denn die Herren theilten das Geld untereinander. Dieser Wald lag gerade in Sicht von meines Onkels Toby Haus und war ihm besonders bei Beschreibung der Schlacht von Wynnendale sehr von Nutzen. Da er nun, um ihn zu retten, auf einem unbequemen Sattel und schlechten Pferde zu rasch zugetrabt hatte, so war ihm der schleimige Theil des Bluts zwischen die zwei Häute in dem untersten Theil meines Onkels Toby gekommen, und da mein Onkel Toby keine Erfahrung in der Liebe hatte, so hatte er das erste Stechen jenes für einen Theil der Leidenschaft gehalten, – bis sich mein Onkel Toby dadurch, daß die Blase in dem einen Fall aufbrach, die Leidenschaft aber blieb, überzeugte, daß seine Wunde keine bloße Hautwunde – sondern ihm bis zum Herzen gegangen sei.

271. Kapitel.

Die Welt schämt sich tugendhaft zu sein. – Mein Onkel Toby wußte wenig von der Welt; als er daher merkte, daß er in die Wittwe Wadman verliebt sei, glaubte er, die Sache lasse sich ebensowenig verheimlichen, als wenn ihm Frau Wadman mit einem Messer durch den Finger gestochen hätte. Wäre es aber auch anders gewesen – so würde es doch – da er in Trim einen ergebenen Diener und Freund sah und alle Tage einen neuen Grund bekam um ihn als solchen zu behandeln, – in der Art, wie er ihm die Sache mittheilte, nichts verändert haben.

Ich bin verliebt, Corporal, sagte mein Onkel Toby.

272. Kapitel.

Verliebt! wiederholte der Corporal; – Euer Gnaden befanden sich doch noch vorgestern ganz wohl, als ich Euer Gnaden die Geschichte von dem König von Böhmen erzählte. – Böhmen! sagte mein Onkel Toby, – indem er längere Zeit nachsann. – Wie ging denn die Geschichte aus, Trim?

Euer Gnaden, wir haben sie so gewissermaßen zwischen uns verloren; – aber Euer Gnaden waren damals so fern vom Verliebtsein wie ich es bin. –

Es geschah gerade als du mit dem Schiebkarren fortgingst, – mit der Frau Wadman, sagte mein Onkel Toby. – Sie hat mir eine Kugel da herein geschossen, fügte er hinzu und deutete auf seine Brust.

Euer Gnaden, sie hält ebensowenig eine Belagerung aus als sie fliegen kann, rief der Corporal.

Da wir aber Nachbarn sind, Trim, so halte ich es fürs Richtigste, sie die Sache zuerst in artiger Weise wissen zu lassen, sagte mein Onkel Toby.

Wenn ich es wagen dürfte, Euer Gnaden, so wäre ich anderer Meinung – sagte der Corporal.

Deshalb rede ich ja mit dir, Trim, sagte mein Onkel Toby sanft.

Nun, dann Euer Gnaden, würde ich damit anfangen, jetzt meinerseits einen donnernden Angriff auf sie zu machen, – und ihr erst nachher artig etwas sagen; – denn wenn sie zuerst Wind von Euer Gnaden Verliebtheit bekommt –

Gott behüte! Sie weiß so wenig davon als ein ungeborenes Kind, sagte mein Onkel Toby.

Kostbare Gesellen!

Vierundzwanzig Stunden vorher hatte Frau Wadman die Sache bereits mit allen Nebenumständen ihrer Brigitte erzählt, und berieth sich eben mit dieser über einige kleine Besorgnisse in Betreff des Ausgangs der Sache, die ihr der Teufel, der nie faul ist, in den Kopf gesetzt hatte – ehe er sie halbwegs ruhig ihr Te Deum singen ließ.

Ich fürchte sehr, sagte die Wittwe Wadman, falls ich ihn heirathen sollte, Brigitte, – daß der arme Kapitain mit der schrecklichen Wunde an seinem Schambein nicht recht gesund ist.

Vielleicht ist sie nicht so groß als Sie glauben, Madame, erwiderte Brigitte; – ich glaube überdies, setzte sie hinzu, – sie ist vernarbt.

Das möchte ich doch gerne wissen, – nur um seinetwillen, sagte Frau Wadman.

Ehe zehn Tage vergehen, wollen wir das ganz genau heraus haben, erwiderte Brigitte, denn während der Kapitain Ihnen seine Huldigungen darbringt, – bin ich überzeugt, wird Herr Trim mir den Hof machen, – und ich will ihn soweit kommen lassen, als er nur will, setzte Brigitte hinzu, um Alles aus ihm heraus zu kriegen.

Die nöthigen Maßregeln wurden hier alsbald ergriffen; zugleich gingen mein Onkel Toby und der Corporal mit den ihrigen voran.

Nun, sagte der Corporal und stemmte seine linke Hand in die Seite, während er mit der rechten einen Schnörkel machte, der nur eben Erfolg versprach, – aber nichts weiter, – wenn Euer Gnaden mir die Erlaubniß geben wollen, den Angriffsplan zu entwerfen.

Du würdest mir einen außerordentlichen Gefallen damit thun, Trim, sagte mein Onkel Toby, – und da ich vorher sehe, daß du dabei als mein aide-de-camp handeln mußt, so ist hier eine Krone, Corporal, um deine Bestallung damit etwas anzufeuchten.

Nun denn, Euer Gnaden, sagte der Corporal, indem er sich zuerst mit einer Verbeugung für die Bestallung bedankte, – so wollen wir damit beginnen, daß wir Euer Gnaden gestickte Uniform aus dem großen Feldkoffer nehmen und lüften und das Blau und Gold an den Aermeln aufschlagen; – dann will ich Ihre weiße Knotenperrücke wieder frisch in Locken setzen, – und nach einem Schneider schicken, der Euer Gnaden leichte Scharlachhosen wendet.

Ich glaube, die rothen Plüschhosen wären besser, meinte mein Onkel Toby.

Sie sind zu plump, sagte der Corporal.

273. Kapitel.

Hole auch eine Bürste und etwas Kreide, um meinen Degen damit zu reinigen. – Ganz wie Euer Gnaden befehlen, erwiderte Trim.

274. Kapitel.

Aber Euer Gnaden zwei Rasirmesser müssen frisch abgezogen werden: – und ich will meine Monteromütze herrichten lassen und die Uniform des armen Lieutenants Le Fever anziehen, die mir Euer Gnaden geschenkt haben, um sie zu seinem Andenken zu tragen. Und wenn dann Euer Gnaden frisch rasirt sind, – und ein reines Hemd anhaben, und Ihre blaue Uniform mit Gold oder die feine von Scharlach, – einmal die Eine und ein ander Mal die Andere, – und Alles zum Angriff bereit ist, – dann wollen wir keck anrücken, als gälte es der Face einer Bastion; und während Euer Gnaden Frau Wadman im Wohnzimmer auf dem rechten Flügel attakiren, – will ich Jungfer Brigitte in der Küche auf dem linken Flügel angreifen; und wenn wir den Paß genommen haben, dann stehe ich dafür, sagte der Corporal, indem er mit den Fingern über dem Kopfe schnippte, – daß der Sieg unser ist.

Wenn ich es nur recht mache, sagte mein Onkel Toby, aber ich versichere dich, Corporal, ich wollte lieber bis an den Rand einer Transchée marschiren.

Ein Frauenzimmer ist doch etwas ganz Anderes, sagte der Corporal.

Ich kann mir's denken, sagte mein Onkel Toby.

275. Kapitel.

Wenn irgend etwas, was mein Vater sagte, meinen Onkel Toby in der Periode da er verliebt war aufbringen konnte, so war es die seltsame Anwendung, die mein Vater immer von einem Ausdruck des Einsiedlers Hilarion machte, der, wenn er von seiner Enthaltsamkeit, seinen Nachtwachen, seinen Geißelungen und andern handwerksmäßigen Theilen seiner Religion sprach, – übrigens mit mehr Muthwillen als sich für einen Einsiedler ziemte, – zu sagen pflegte, dies seien die Mittel, deren er sich bediene, um seinem Esel (damit meinte er seinen Körper) den Kitzel zu vertreiben.

Das gefiel nun meinem Vater ausnehmend; es war nicht nur eine lakonische Art sich auszudrücken, – sondern zugleich ein Pasquill auf die Begierden und Gelüste des gemeineren Theils von uns; so daß es gar manche Jahre im Leben meines Vaters dessen beständige Ausdrucksweise war; – er bediente sich nie des Wortes Leidenschaften, – sondern sagte statt dessen immer Esel, – so daß man in Wahrheit sagen konnte, er habe sich während dieser ganzen Zeit auf den Beinen oder dem Rücken seines eigenen oder irgend eines andern Menschen Esels befunden.

Ich muß Ihnen hiebei den Unterschied zwischen

Meines Vaters Esel und

Meinem Steckenpferd zu Gemüthe führen, – damit wir diese Charaktere beim Weitergang in unserer Phantasie soweit als möglich auseinander halten.

Was mein Steckenpferd betrifft, so ist es, wenn Sie ein wenig zurückdenken wollen, keineswegs ein böses Thier; es hat kaum ein Haar oder einen Zug vom Esel an sich. – Es ist das heitere kleine Narrheitsfüllen, das Sie gerade herumträgt – eine Grille, ein Schmetterling, ein Bild, ein Jux – eine Belagerung des Onkels Toby – oder irgend ein Ding, auf das man sich hinauf bemüht, um daraus den Sorgen und Drangsalen des Lebens aus dem Wege zu galopiren. – Es ist das nützlichste Vieh in der ganzen Schöpfung; – und ich sehe wahrhaftig nicht ein, wie die Welt ohne es bestehen könnte.

Was aber meines Vaters Esel betrifft – O besteigen Sie ihn, – besteigen Sie ihn – besteigen Sie ihn (jetzt habe ich's drei Mal gesagt, nicht wahr?) – besteigen Sie ihn ja nicht; – es ist ein lüsternes Thier; – und wehe dem Mann, der ihm den Kitzel nicht vertreibt!

276. Kapitel.

Nun mein lieber Bruder Toby, sagte mein Vater, als er ihn zum ersten Mal traf, nachdem sich jener verliebt hatte, – was macht dein Asinus?Englisch Ass daher das folgende Wortspiel Ass, Arse.

Mein Onkel Toby dachte in diesem Augenblick mehr an die Stelle, wo er die Blase gehabt hatte, als an Hilarious Metapher, und da bekanntlich die Gedanken, die uns gerade im Kopfe herumgehen, eine ebenso große Macht über den Ton eines Wortes haben als die Gestalt der Dinge, so glaubte er, mein Vater, der in seinen Worten nicht sehr wählerisch war, habe nach jenem Punkt gefragt und sich dabei des Volksausdrucks bedient. Ungeachtet daher meine Mutter, Dr. Slop und Herr Yorick im Zimmer saßen, hielt er es für angezeigt, sich des gleichen Ausdrucks zu bedienen wie mein Vater. Wenn ein Mann zwischen zwei Unschicklichkeiten so eingeklemmt ist, daß er nothwendig die eine davon begehen muß, – so habe ich immer die Bemerkung gemacht, – daß er, er mag wählen welche er will, von der Welt getadelt wird. Es soll mich daher nicht wundern, wenn sie auch meinen Onkel Toby tadelt.

Mit meinem A—h geht es weit besser, Bruder Shandy, erwiderte mein Onkel Toby. – Mein Vater hatte sich bei diesem Angriff sehr viel von seinem Asinus versprochen und würde ihn gern wiederholt gebracht haben; aber da Dr. Slop in ein unmäßiges Gelächter ausbrach – und meine Mutter: Gott steh' uns bei! rief – so wurde meines Vaters Esel aus dem Felde geschlagen; – das Lachen wurde allgemein, – so daß er ihn längere Zeit nicht wieder zum Angriff vorbringen konnte.

Und so ging die Unterhaltung ohne ihn weiter.

Jedermann behauptet, Sie seien verliebt, Schwager Toby, sagte meine Mutter, – und wir wollen hoffen, daß es wahr ist.

Ich glaube, ich bin so sehr verliebt, Schwägerin, erwiderte mein Onkel Toby, als der Mensch gewöhnlich ist. – Hem! machte mein Vater. – Und wann haben Sie es gemerkt? fragte meine Mutter.

Als die Blase aufging, antwortete mein Onkel Toby.

Die Antwort meines Onkels Toby machte meinen Vater guter Laune, – und so setzte er seinen Angriff zu Fuß fort.

277. Kapitel.

Die Alten sind darüber einig, Bruder Toby, sagte mein Vater, daß es zwei verschiedene Arten von Liebe gibt, je nachdem das Gehirn oder die Leber davon angegriffen ist; – ich glaube daher, jeder Verliebte sollte sich zuerst darüber klar zu werden suchen – in welchem von diesen zwei Fällen er sich befindet.

Bruder Shandy, erwiderte mein Onkel Toby, das ist ja ganz gleichgiltig, wenn der Mann nur heirathet, seine Frau liebt und einige Kinder zeugt.

Einige Kinder! rief mein Vater, fuhr von seinem Stuhl auf, sah meiner Mutter ins Gesicht und drängte sich zwischen ihr und Dr. Slop hindurch. – Einige Kinder! wiederholte mein Vater und fing an auf- und abzuschreiten.

Ich will damit nicht sagen, mein lieber Bruder Toby, sagte mein Vater, der sich indessen gefaßt und hart hinter den Stuhl meines Onkel Toby's gestellt hatte, – ich will damit nicht sagen, daß es mir leid thäte, und wenn du ein Dutzend bekämst; – im Gegentheil, es würde mich sehr freuen – ich würde gegen jedes derselben so lieb sein wie ein Vater, Toby.

Mein Onkel Toby streckte seine Hand unbemerkt hinter seinen Stuhl, um die meines Vaters zu drücken.

Ja noch mehr, fuhr dieser fort, indem er meines Onkels Toby Hand fest hielt, – du hast so viel von der sanften Milch der menschlichen Natur und so wenig von ihren Herbigkeiten, mein lieber Toby, – daß es Schade ist, daß die Welt nicht mit Geschöpfen bevölkert ist, die dir gleichen! und wenn ich ein asiatischer Monarch wäre, setzte mein Vater hinzu, der sich sofort mit allem Feuer in dieses Project warf, – so würde ich dich zwingen, – wofern es deine Kraft nicht zu sehr mitnehmen, – oder deine Grundfeuchtigkeit zu rasch auftrocknen, – oder dein Gedächtniß oder deine Phantasie schwächen würde, Bruder Toby, was derartige gymnastische Uebungen, wenn sie übermäßig vorgenommen werden, leicht thun, – sonst lieber Toby, würde ich dir die schönsten Weiber in meinem Reiche zuführen und würde dich zwingen, nolens volens, mir jeden Monat einen Unterthanen zu zeugen.

Als mein Vater die Worte »jeden Monat« aussprach, – nahm meine Mutter eine Prise Tabak.

Ich aber, erwiderte mein Onkel Toby, möchte kein Kind nolens volens zeugen, das heißt, ob ich möchte oder nicht, und wenn ich dadurch dem größten Fürsten der Welt einen Gefallen thun könnte.

Es wäre auch grausam von mir, dich dazu zu zwingen, Bruder Toby, sagte mein Vater, – aber ich wollte dir damit eigentlich nur zeigen, daß es nicht deine Zeugung eines Kindes, – falls du dessen fähig sein solltest, – ist, worüber ich dich ins Klare setzen wollte, sondern das Liebes- und Heirathssystem, nach dem du zu Werke gehst.

Wenigstens, bemerkte Yorick, ist in Kapitain Shandy's Ansicht von der Liebe viel Vernunft und einfacher Menschenverstand. Ich habe in den übelangewendeten Stunden meines Lebens, die ich nicht zu verantworten habe, so viele blühende Dichter und Redner meiner Zeit gelesen und aus ihnen doch niemals so viel Gutes herausgezogen.

Ich wollte, Yorick, Sie hätten Plato gelesen. sagte mein Vater; daraus würden Sie erfahren haben, daß es zweierlei Arten von Liebe gibt.

Ich weiß, daß die Alten zweierlei Arten von Religion hatten, erwiderte Yorick: – eine für das Volk und eine für die Gebildeten; – aber es will mich bedünken, diese beiden Sorten von Menschen hätten mit einer Art Liebe recht gut auskommen können.

Nein. das ging nicht, entgegnete mein Vater, – und zwar aus den gleichen Gründen; denn von jenen Liebesarten ist nach Ficinus Kommentar über Velasius die eine rationell – die andere natürlich –

Die erstere alt – ohne Mutter – wobei Venus nichts zu thun hatte, die zweite von Jupiter und Dione gezeugt –

Lieber Bruder, sagte mein Onkel Toby, was hat ein Mensch, der an Gott glaubt, mit all dem Zeug zu thun?

Mein Vater konnte sich nicht mit einer Antwort aufhalten, da er fürchtete, der Faden der Unterhaltung möchte dabei abreißen.

Die letztere, fuhr er fort, entspricht ganz der Natur der Venus.

Die erstere, welche die vom Himmel herabgelassene goldene Kette ist, erregt eine heroische Liebe. welche das Verlangen nach Philosophie und Wahrheit in sich begreift und dazu anreizt; – die zweite reizt einfach zum Verlangen.

Ich glaube, die Zeugung von Kindern ist für die Welt so wohlthätig, wie das Auffinden der geographischen Länge, sagte Yorick.

So viel ist gewiß, sagte meine Mutter, die Liebe erhält den Frieden auf der Welt.

Im Hause, – mein Schatz, das geb' ich zu.

Sie füllt die Erde, sagte meine Mutter.

Aber leert den Himmel, mein Schatz, erwiderte mein Vater.

Und die Jungfräulichkeit füllt das Paradies, rief Dr. Slop triumphirend.

Gut geschoben, Nonne! sagte mein Vater.

278. Kapitel.

Mein Vater hatte eine so scharmützelnde, schneidige Art in seinen Disputationen, stieß und hieb die Leute her, und versetzte ihnen Püffe, an die sie denken konnten, – daß er – und wenn er sich in Gesellschaft von zwanzig Personen befand, – darauf rechnen konnte in weniger als einer halben Stunde Alle gegen sich zu haben.

Was nicht wenig dazu beitrug. ihn jedes Bundesgenossen zu berauben, war der Umstand, daß, wenn es einen Posten gab, der weniger haltbar war als die übrigen, man versichert sein durfte, daß er sich dort festsetzen würde; und saß er einmal darin, so muß man ihm lassen, daß er ihn so tapfer vertheidigte, daß es einem braven oder gutmüthigen Manne leid thun mußte, ihn daraus zu vertreiben.

Aus diesem Grunde griff ihn Yorick zwar öfters an, – konnte es jedoch nie übers Herz bringen, es mit aller Macht zu thun.

Die Jungfräulichkeit des Dr. Slop am Schluß des vorigen Kapitels hatte meinen Vater auf einmal auf die rechte Seite des Falles gebracht; und er war eben im Begriff, alle Klöster der Christenheit vor Dr. Slop's Ohren in die Luft zu sprengen, als Corporal Trim in das Zimmer trat und meinen Onkel Toby benachrichtigte, daß es mit seinen feinen Scharlachhosen, in denen der Angriff auf Frau Wadman geschehen sollte, nichts sei; denn als der Schneider sie aufgetrennt, um sie zu wenden, habe er gefunden, daß sie schon einmal gewendet worden seien. – Dann lasse sie wieder wenden, Bruder, sagte mein Vater schnell, denn es wird gewiß noch viele Hosenumdrehungen geben, bis die Sache vollständig im Reinen ist. – Sie sind so mürbe wie Lumpen, sagte der Corporal. – Dann lasse dir doch ja ein Paar neue machen, Bruder, sagte mein Vater; – ich weiß zwar, fuhr mein Vater fort, indem er sich gegen die Gesellschaft wandte, daß die Wittwe Wadman seit Jahren sterblich in meinen Bruder verliebt ist und jede weibliche Kunst und List aufgeboten hat, um ihn in die gleiche Leidenschaft hinein zu hetzen, aber jetzt da sie ihn im Garn hat, – ist ihr Fieber auch bereits über seinen höchsten Punkt hinaus.

Sie hat ihr Spiel gewonnen.

In diesem Fall, fuhr mein Vater fort, an den, wie ich überzeugt bin, Plato nicht gedacht hat – ist die Liebe nicht sowol eine Empfindung als eine Situation, in die man eintritt, gerade wie wenn mein Bruder in ein Corps einträte, – gleichviel ob er den Dienst liebt oder nicht; – ist er aber einmal darin, – so handelt er, als ob er ihn liebte; und thut Alles, um sich als einen tapfern Mann zu zeigen.

Diese Hypothese war wie alle Hypothesen meines Vaters ziemlich annehmbar, und mein Onkel Toby hatte nur ein einziges Wort dagegen einzuwenden, – wobei Trim bereit gewesen wäre ihm zur Seite zu stehen; – aber mein Vater hatte seine Schlußfolgerung noch nicht gezogen.

Aus diesem Grunde, fuhr mein Vater fort, indem er den Fall nochmals feststellte, – stehe ich dafür, daß – obschon alle Welt weiß, daß Frau Wadman eine Neigung zu meinem Bruder Toby hat, und mein Bruder Toby desgleichen zu Frau Wadman, auch kein Hinderniß vorhanden ist, daß die Musik nicht heute Nacht noch zum Tanz aufspielen könnte; – so stehe ich doch dafür, daß diese Melodie nicht vor zwölf Monaten gespielt werden wird.

Wir haben unsere Maßregeln nicht gut getroffen, sagte mein Onkel Toby und sah Trim fragend an.

Ich wette meine Monteromütze, sagte Trim. – Nun war Trims Monteromütze, wie ich Ihnen schon früher erzählte, seine beständige Wette; und da er sie an diesem Abend neu geputzt hatte, um darin zum Angriff vorzugehen, – so sah der Einsatz um so bedeutender aus. – Ich wollte meine Monteromütze gegen einen Schilling wetten, Euer Gnaden, – wenn es nämlich passend wäre, eine Wette vor Euer Gnaden anzubieten, fuhr Trim mit einem Bückling fort.

Es liegt durchaus nichts Unpassendes darin, sagte mein Vater, – es ist eben eine Redensart; denn wenn du sagst, du wolltest deine Monteromütze gegen einen Schilling wetten, – so meinst du damit nur, – du glaubest –

Nun was glaubst du denn eigentlich?

Daß die Wittwe Wadman es keine zehn Tage mehr aushält, Euer Gnaden.

Und woher, Freund, hast du denn deine Weiberkenntniß? fragte Dr. Slop spöttisch.

Aus meiner Liebesgeschichte mit einer papistischen Pfarrerin, sagte Trim.

Er meint eine Beguine, bemerkte mein Onkel Toby. –

Dr. Slop ärgerte sich zu sehr, um auf diese Unterscheidung zu hören; mein Vater aber ergriff diese Gelegenheit beim Schopf, um Hals über Kopf über alle Nonnen- und Beguinenorden herzufallen, als einen thörichten, muffigen Plunder. – Das konnte Dr. Slop nicht mit anhören; – und da mein Onkel Toby einige Anordnungen wegen seiner Hosen, – und Yorick wegen seiner vierten Generalabtheilung zu treffen hatte, – um deren Angriffe am nächsten Tage abzuwehren, – brach die Gesellschaft auf. Mein Vater blieb somit allein, und da er noch eine halbe Stunde bis Schlafengehen hatte, ließ er sich Feder, Tinte und Papier geben, und schrieb meinem Onkel Toby den folgenden Instructionsbrief:

Mein lieber Bruder Toby.

Was ich dir zu sagen habe, betrifft die Natur der Frauenzimmer und das Werben um dieselben; und vielleicht ist es für dich ganz gut – obschon weniger für mich, – daß du eine schriftliche Instruction hierüber bekommst, und ich in der Lage bin, sie dir zu geben.

Hätte es dem, der unsere Schicksale bestimmt, gefallen, und hättest du nicht unter der eigenen Erfahrung zu viel leiden müssen, so wäre ich ganz zufrieden damit gewesen, daß du statt meiner jetzt deine Feder in die Tinte tauchtest; da dies aber nicht der Fall ist – Frau Shandy ist in meiner Nähe und richtet das Bett her – so habe ich diejenigen Winke und Belehrungen, die nach meiner Ansicht dir von Nutzen sein können, ohne Ordnung und wie sie mir eben in den Kopf gekommen sind, hier hingeworfen, – und beabsichtige dir damit ein Zeichen meiner Liebe zu geben, wobei ich darüber nicht im Zweifel bin, mein lieber Toby, wie es von dir aufgenommen werden wird.

In erster Linie was die religiöse Seite der Sache anbelangt, möchte ich dir – obschon ich an dem Glühen meiner Wange abnehme, daß ich darüber erröthe zu dir über einen Gegenstand zu sprechen, von dem ich ja trotz deiner ungezierten Geheimhaltung der Sache weiß, wie wenige seiner Pflichten du vernachlässigst, – möchte ich dir doch über die Dauer deiner Bewerbung eine Pflicht zu Gemüthe führen, die du ja nicht versäumen solltest; daß du nämlich nie, Morgens oder Nachmittags, an dein Unternehmen gehest, ohne dich vorher dem Schutze des allmächtigen Gottes zu empfehlen und Ihn zu bitten, daß Er dich von dem Uebel erlösen möge.

Rasire alle 4–5 Tage wenigstens, nach Bedarf auch öfter den oberen Theil deiner Stirne; damit deine Geliebte, wenn du aus Vergeßlichkeit die Perrücke in ihrer Gegenwart abnimmst, nicht wahrnehmen kann, wie viel die Zeit weggenommen hat, – und wie viel Trim.

Es wird gut sein alle Gedanken an Kahlköpfigkeit von ihr fern zu halten.

Halte dir beständig vor Augen, Toby, und handle darnach als nach einer sicheren Maxime: –

»Daß die Frauen blöde sind;« – und es ist recht gut so, – sonst wäre es gar nicht mit ihnen auszuhalten.

Trage keine zu enge Hosen, lasse sie aber auch nicht zu lose um deine Schenkel hängen, wie die Pluderhosen unserer Vorfahren.

Die richtige Mitte verhindert alle Schlüsse hieraus.

Was du zu sagen hast, ob es viel oder wenig sei, sprich ja mit einer leisen sanften Stimme; – das Schweigen und Alles was sich ihm nähert, webt Träume mitternächtiger Heimlichkeit um das Gehirn; deshalb vermeide auch ja, die Feuerzange und den Schürhacken fallen zu lassen.

Vermeide jede Art von Scherz und Muthwillen in deiner Unterhaltung mit ihr, und thue was in deiner Macht liegt, um alle Bücher und Schriften, die darauf zielen, von ihr fern zu halten; es gibt einige fromme Traktätlein, – wenn du sie dahin bringen kannst, daß sie sie liest, – so wird es gut sein; aber lasse sie ja nicht in Rabelais, Scarron oder Don Quijote hineinsehen; –

Das sind lauter Bücher, die zum Lachen reizen; und du weißt, lieber Toby, daß es keine ernsthaftere Leidenschaft gibt als Liebesverlangen.

Stecke eine Nadel in die Brust deines Hemdes, ehe du in ihr Zimmer trittst.

Und wenn sie dir erlaubt auf dem Sopha neben ihr zu sitzen, und dir Gelegenheit gibt deine Hand auf die ihrige zu legen, – so hüte dich ja es zu thun; – du kannst deine Hand nicht auf die ihrige legen, ohne daß sie die Temperatur der deinigen spürt. – Das und noch möglichst viele andere Dinge mußt du aber im Dunkel für sie lassen; dadurch wird ihre Neugierde stets wach erhalten; und wenn sie hierdurch nicht erobert wird und dein Esel immer noch ausschlägt, was allerdings sehr zu vermuthen ist, – so mußt du dir zuerst einige Unzen Blut unter den Ohren lassen, wie die alten Scythen gethan, welche hiedurch die unmäßigsten Anfälle von Geschlechtstrieb geteilt haben sollen.

Avicenna ist ferner dafür, daß man den betreffenden Theil mit Syrup von Nieswurz salbe, auch für gehörige Ausleerungen und Abführungen sorge, – und ich glaube, daß er da Recht hat. – Endlich darfst du nur wenig oder kein Ziegenfleisch oder Rothwild essen – namentlich aber kein Fohlenfleisch; – auch mußte du dich so viel du kannst der Pfauen, Kraniche, Wasserhühner und Taucher enthalten.

Was dein Getränk anbelangt, so werde ich dir nicht erst zu sagen brauchen, daß es ein Aufguß von Eisenkraut und Selleri sein muß, der nach Aelian von so großer Wirkung sein soll; – wenn das aber deinem Magen in die Länge wiedersteht, – so setze damit eine Zeitlang aus, – und nimm statt dessen Gurken, Melonen, Portulak, Wasserlilien, Geißblatt und Lattich.

Jetzt fällt mir im Augenblick nichts mehr ein, was für dich gut wäre. Außer etwa: wenn ein neuer Krieg ausbräche. – So wünsche ich dir denn alles Gute, lieber Toby, und

verbleibe dein dich liebender Bruder

Walter Shandy.

279. Kapitel.

Während mein Vater diesen Instructionsbrief schrieb, rüsteten mein Onkel Toby und der Corporal Alles für den Angriff. Da man von dem Wenden der feinen Scharlachhosen (wenigstens für den Augenblick) abgestanden war, so lag nichts mehr vor, was gehindert hätte, den Angriff schon am nächsten Morgen zu beginnen; er wurde dem gemäß auf elf Uhr bestimmt.

Komm, mein Schatz, sagte mein Vater zu meiner Mutter, wir thun nur unsere Bruder- und Schwesterpflicht, wenn wir zu meinem Bruder Toby hinabgehen. – um ihm bei seinem Angriff Muth zu machen.

Mein Onkel Toby und der Corporal waren schon seit einiger Zeit gerüstet, als mein Vater und meine Mutter eintraten, und wollten sich, da es gerade elf Uhr schlug, eben in Bewegung setzen; – die Schilderung dieses Ausmarsches ist jedoch mehr werth, als daß wir sie nur so in das Sahlband des 8. BandesBezieht sich auf die 1. Auflage. eines solchen Werkes einweben dürften. – Mein Vater hatte nur noch so viel Zeit, meinem Onkel Toby seinen Instructionsbrief in die Rocktasche zu stecken und ihm mit meiner Mutter Glück zu dem Angriff zu wünschen.

Ich sähe gar zu gerne durch das Schlüsselloch, sagte meine Mutter, – nur aus Wißbegierde –

Nenne das Kind nur bei seinem rechten Namen, mein Schatz, versetzte mein Vater, –

Und sieh' durch das Schlüsselloch so lang du willst.Hier schließt der 8. Band der 1. Auflage.

280. Kapitel.

Ich rufe alle Mächte der Zeit und des Geschicks, die uns auf unserer Laufbahn in dieser Welt aufhalten, zu Zeugen an, daß ich erst in dem Augenblick recht an die Liebschaft meines Onkels Toby kommen konnte, als die Wißbegierde meiner Mutter, wie sie die Sache nannte, – oder ein anderer Trieb in ihr, wie mein Vater zu verstehen gab, – sie zu dem Wunsch veranlaßte, durch das Schlüsselloch zu sehen.

Nenne das Kind bei seinem wahren Namen, mein Schatz, sagte mein Vater, und sieh' durch das Schlüsselloch, solang du willst.

Nur ein Aufwallen jenes etwas herben Humors, der, wie ich schon oft bemerk habe, in meines Vaters Gewohnheit lag, konnte ihn zu einer solchen Unterschiebung veranlassen; – er besaß jedoch eine offene, edle Natur, die jeder Zeit der Ueberzeugung zugänglich war; es war ihm daher kaum das letzte Wort dieser unartigen Erwiderung entschlüpft, als ihm das Gewissen schlug.

Meine Mutter hatte gerade ihren linken Arm in ehelicher Vertraulichkeit unter seinen rechten gesteckt, und zwar so, daß das Innere ihrer Hand auf dem Rücken der seinigen ruhte; – sie erhob jetzt die Finger und ließ sie wieder fallen, – man konnte es kaum einen Klaps nennen; oder wenn es einer war, – so wäre ein Casuist in Verlegenheit gekommen, wenn er hätte sagen sollen, ob es ein Klaps des Vorwurfs oder ein solcher des Zugeständnisses gewesen. Mein Vater, der vom Kopf bis zu den Füßen voll des feinsten Gefühls war, klassifizirte ihn richtig. Das Gewissen schlug ihm wiederholt, – er kehrte das Gesicht rasch nach der andern Seite, und da meine Mutter glaubte, er werde den Körper dieselbe Schwenkung machen lassen, um nach Hause zu gehen, brachte sich durch eine kreuzende Bewegung ihres rechten Fußes, wobei der linke als Mittelpunkt stehen blieb, so vor meinen Vater, daß er, als er das Gesicht wieder nach vorwärts wendete, ihr gerade ins Auge sah. – Neue Verwirrung! er sah tausend Gründe, um seinen Vorwurf auszustreichen und ebensoviel, um sich selbst einen zu machen: – vor ihm lag ein feiner, blauer, kühler, durchsichtiger Krystall in einer so ruhigen Stimmung, daß man das leiseste Stäubchen einer Begierde am Boden desselben hätte sehen müssen, wenn eines da war. Es war aber keines da: – und wie es kam, daß ich selbst so lüstern wurde, besonders etwas vor Frühjahrs- und Herbsttag- und Nachtgleiche, das weiß der Himmel! – meine Mutter, Madame, war es niemals, sei es nun von Natur, oder durch Erziehung oder Beispiel.

In allen Monaten des Jahrs, in allen kritischen Momenten bei Tag und bei Nacht floß derselbe gemäßigte ruhige Strom durch ihre Adern. Auch führte sie ihrer Stimmung nicht die mindeste Wärme aus den handgreiflichen Aufwallungen frommer Traktätlein zu, in denen die Natur sich oft genöthigt sieht einen derartigen Sinn zu suchen, da sie sonst keinen darin findet. Was aber das Beispiel meines Vaters betrifft, so war es soweit davon entfernt, sie in dieser Richtung zu unterstützen oder gar zu reizen, daß er es sich vielmehr sein Lebenlang zum Geschäft gemacht hatte, alle Phantasien dieser Art von ihrem Kopfe ferne zu halten. – Allein die Natur hatte schon das Ihrige gethan, um ihm diese Drangsal zu ersparen – und was durchaus nicht unvereinbar damit war, – mein Vater wußte das. – Und hier sitze ich an diesem zwölften Tag des August 1766 in einem purpurrothen Wamms und gelben Pantoffeln ohne Perrücke und Mütze, eine höchst tragikomische Erfüllung seiner Prophezeiung: »Daß ich gerade deshalb weder denken noch handeln würde wie das Kind anderer Leute.«

Der Mißgriff meines Vaters bestand darin, daß er den Beweggrund meiner Mutter angriff, statt die Handlung selbst; denn die Schlüssellöcher sind allerdings zu etwas Anderem da; und wenn man die Handlung als eine solche betrachtet, die dieser allgemeinen Wahrheit widersprach, und ein Schlüsselloch nicht für das gelten ließ was es war, – so wurde sie eine Verletzung der Natur und insofern ein Verbrechen.

Aus diesem Grunde, mein geehrter Leser, geben die Schlüssellöcher zu mehr Sünde und Schlechtigkeit Anlaß als alle andere Löcher der Welt zusammen.

Was mich auf die Liebschaft meines Onkels Toby führt.


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