Laurence Sterne
Tristram Shandy
Laurence Sterne

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188. Kapitel.

Der Corporal war etwa zehn Minuten vor meinem Onkel Toby hinausgeschlüpft, um seinen Apparat zu befestigen und dem Feind einen oder zwei Schüsse zu geben, ehe mein Onkel Toby käme.

Zu dem Ende hatte er die sechs Feldgeschütze in Front vor meines Onkels Toby Schilderhaus nebeneinander aufgefahren, und nur einen Zwischenraum von etwa 1½ Elle zwischen den dreien des rechten und des linken Flügels gelassen, um besser laden zu können, – vielleicht auch um zwei Batterien anzudeuten, was ihm doppelt so viel Ehre einbringen könnte.

Der Corporal hatte wohlweislich seine Stellung dahinter, mit dem Gesicht gegen den Zwischenraum und dem Rücken gegen die Thüre des Schilderhauses um nicht in die Flanke genommen zu werden. – Er hielt den elfenbeinernen Mundspitz, der zur Batterie des rechten Flügels gehörte, zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand, – den mit Silber beschlagenen Ebenholzmundspitz aber, der zur Batterie des linken Flügels gehörte, zwischen Daumen und Zeigefinger der linken; – und das rechte Knie fest gegen den Boden gestemmt, als ob er sich im ersten Glied seiner Abtheilung befände, war der Corporal mit der Monteromütze auf dem Kopfe hitzig damit beschäftigt, seine zwei Kreuzbatterien gleichzeitig gegen die Contregarde, welche die Contreescarpe deckte, wo an diesem Morgen der Angriff stattfinden sollte, spielen zu lassen. – Er hatte, wie gesagt, anfangs nur die Absicht gehabt, dem Feind einen oder zwei Püffe zu geben; – aber die Freude an diesen Püffen und am Puffen selbst hatte den Corporal bald überwältigt, so daß er, als mein Onkel Toby anlangte, sich bereits auf dem Höhepunkt des Angriffs befand und Puff auf Puff versandte.

Es war gut für meinen Vater, daß mein Onkel Toby an diesem Tage nicht sein Testament machte.

189. Kapitel.

Mein Onkel Toby nahm dem Corporal den elfenbeinernen Mundspitz aus der Hand; – betrachtete ihn eine halbe Minute und gab ihn ihm dann zurück.

Es waren nicht zwei Minuten vergangen, so nahm mein Onkel Toby den Mundspitz abermals und brachte ihn bis auf den halben Weg zum Munde, – dann gab er ihn ihm abermals hastig wieder zurück.

Der Corporal verdoppelte den Angriff; – mein Onkel Toby lächelte, – dann sah er wieder ernst drein, – dann lächelte er wieder einen Augenblick. – dann schaute er längere Zeit sehr ernst aus. – Gib mir einmal den Elfenbeinmundspitz, Trim, sagte mein Onkel Toby. – Mein Onkel Toby nahm ihn an die Lippen – zog ihn wieder zurück, – warf einen Blick über die Hagenbutthecke. – Nie in seinem Leben wässerte meinem Onkel Toby der Mund so nach einer Pfeife. – Mein Onkel Toby zog sich mit seinem Mundspitz in der Hand nach dem Schilderhaus zurück.

Theurer Onkel Toby! geh nicht mit dem Mundspitz in das Schilderhaus: – es ist einem Menschen nicht zu trauen, wenn er in einem solchen Winkel ein solches Ding in der Hand hat.

190. Kapitel.

Ich bitte den Leser mir behilflich zu sein, die Artillerie meines Onkels Toby hinter die Scene zu fahren, – sein Schilderhaus zu entfernen und die Bühne womöglich von Hornwerken und Halbmonden zu befreien, und auch den übrigen militärischen Apparat aus dem Wege zu schaffen. – Wenn dies geschehen ist, mein lieber Freund Garrick, wollen wir die Lichter putzen, – die Bühne mit einem neuen Besen kehren, – den Vorhang anziehen und meinen Onkel Toby in einem neuen Charakter erscheinen lassen, von dem sich die Welt keinen Begriff machen kann, wie er ihn spielen wird und doch, wenn das Mitleid mit der Liebe verwandt, – und Tapferkeit dieser nicht fremd ist, so haben Sie genug von meinem Onkel Toby in diesen Richtungen gesehen, um die Familienähnlichkeit zwischen den zwei Leidenschaften (falls eine solche besteht) nach Herzenslust zu verfolgen.

Eitle Wissenschaft! du hilfst uns in solchen Fällen gar nichts, – und verwirrst uns in jedem.

Verehrte Leserin, mein Onkel Toby besaß eine Herzenseinfalt, die ihn so weit ab von den kleinen Schlangenpfaden führte, in welchen Dinge dieser Art in der Regel gehen, daß Sie es sich durchaus nicht vorstellen können. Dabei war seine Art zu denken so einfach und schlicht, er besaß eine so arglose Unwissenheit von den Falten des weiblichen Herzens, und stand (wenn ihm nicht eine Belagerung im Kopf war) so nackt und schutzlos vor Ihnen, daß Sie ruhig in einen Ihrer Schlangenwege treten und meinen Onkel Toby zehn Mal täglich durch die Leber hätten schießen können – wenn Sie nicht mit neun Mal Ihren Zweck erreicht hätten, Madame.

Bei all dem, Madame, – und dadurch wurde andererseits wieder Alles und jedes so verwirrt – besaß mein Onkel Toby jene beispiellose natürliche Züchtigkeit, von der ich Ihnen schon erzählt habe, und die beiläufig gesagt, beständig Schildwache vor seinen Gefühlen stand, so daß Sie ebensogut – doch wo gerathe ich hin? Diese Betrachtungen kommen mir wenigstens zehn Seiten zu frühe und nehmen die Zeit weg, die ich auf die Schilderung von Thatsachen verwenden sollte.

191. Kapitel.

Von den wenigen ächten Adamssöhnen, deren Brust niemals den Stachel der Liebe fühlte – (wobei in erster Linie festgehalten wird, daß alle Weiberfeinde Bastarde sind), – haben die größten Helden der alten und neueren Geschichte 9/10 der Ehre für sich in Anspruch genommen; und ich wollte um ihretwillen, ich hätte den Schlüssel zu meinem Studirzimmer nur auf fünf Minuten aus dem Ziehbrunnen, um Ihnen ihre Namen sagen zu können; – erinnern kann ich mich ihrer nicht, – begnügen Sie sich daher vorläufig mit den folgenden:

Da war der große König Aldovrandus und Bosphorus, Cappadocius und Dardanus und Pontus und Asius, – nicht zu vergessen den eisernen Karl XII., mit dem selbst die Gräfin von Königsmark nichts anfangen konnte. – Da waren Babylonicus und Mediterraneus, und Polixenes und Persicus und Prusicus; von denen nicht Einer (mit Ausnahme von Cappadocius und Pontus, die beide etwas verdächtig sind) sich jemals zur Brust der Göttin hinabneigte. – Die Wahrheit zu sagen, hatten sie alle etwas Anderes zu thun; – und das war auch bei meinem Onkel Toby der Fall, – bis das Schicksal, – ich sage das Schicksal ihn um den Ruhm beneidete, daß sein Namen mit Aldovrandus und den Uebrigen der Nachwelt überliefert würde, – und so schändlicher Weise den Frieden von Utrecht zusammen flickte.

Sie dürfen mir glauben, meine Herrn, daß dies die heimtückischste That war, die es in jenem Jahre verübte.

192. Kapitel.

Unter den vielen schlimmen Folgen des Vertrags von Utrecht war auch die, daß er meinem Onkel Toby nahezu einen Ekel vor Belagerungen einflößte, und obschon er später seinen Appetit dazu wieder bekam, ließ doch Calais selbst keine tiefere Wunde in Maria's Herz, als Utrecht in dem meines Onkels Toby. Bis zu seines Lebens Ende konnte er den Namen Utrecht bei keiner Veranlassung nennen hören – ja sogar nicht einmal einen aus der Utrechter Zeitung stammenden Artikel lesen, ohne daß er einen herzbrechenden Seufzer ausstieß.

Mein Vater, der ein großer Motivkrämer und deshalb eine sehr gefährliche Person war, zu der man sich weder, wenn man lacht noch wenn man weint, ohne Bedenken setzen konnte, – denn er wußte in der Regel den Grund warum man das Eine oder das Andere that weit besser als der Betreffende selbst – pflegte bei solchen Anlässen meinen Onkel Toby immer in einer Weise zu trösten, aus der klar hervor ging, er meine, mein Onkel Toby sei nur deshalb so sehr über die ganze Sache betrübt, weil sie ihn um sein Steckenpferd brachte. – Nimm dir' s nicht zu Herzen, Bruder Toby, pflegte er zu sagen, – mit Gottes Hilfe wird ja bald wieder ein neuer Krieg ausbrechen; und wenn das geschieht – so können die kriegführenden Mächte uns, und wenn sie sich hängen wollten, nicht aus dem Spiele lassen. – Ich möchte sehen, mein lieber Toby, setzte er dann hinzu, wie sie Länder wegnehmen wollen, ohne Städte zu nehmen, – und wieder Städte, ohne sie zu belagern.

Mein Onkel Toby nahm diesen hinterrücks geführten Hieb, den mein Vater hiemit seinem Steckenpferd versetzte, jedes Mal ungnädig auf. – Er hielt den Hieb nicht für edel, um so weniger als er mit dem Pferd stets auch den Reiter traf und zwar an der unehrenhaftesten Stelle, die ein Hieb treffen konnte, so daß er bei solchen Gelegenheiten stets seine Pfeife auf den Tisch legte, um sich mit größerem Feuer als gewöhnlich zu vertheidigen. Ich sagte dem Leser vor zwei Jahren, mein Onkel Toby sei nicht beredt gewesen und gab auf der gleichen Seite ein Beispiel vom Gegentheil. Ich wiederhole die Bemerkung und bringe zugleich eine Thatsache, die ihr abermals widerspricht. – Er war nicht beredt – es war für meinen Onkel Toby nichts Leichtes eine lange Rede zu halten – er haßte einen blühenden Stil; aber es gab Momente, wo der Strom den Mann mitriß und so gegen seinen gewöhnlichen Lauf ging, daß mein Onkel Toby eine Zeitlang und stellenweis wenigstens dem Tertullus gleich kam, an andern Stellen ihn aber nach meiner Ansicht weit übertraf.

Mein Vater fand an einer dieser apologetischen Reden meines Onkels Toby, die derselbe eines Abends vor ihm und Yorick losgelassen hatte, ein solches Gefallen, daß er sie vor Schlafengehen niederschrieb.

Ich hatte das Glück, sie unter den Papieren meines Vaters zu finden; er hatte ihr an einigen Stellen eigene zwischen zwei Klammern ( ) gesetzte Bemerkungen beigefügt und sie also überschrieben:

Rechtfertigung meines Bruders Toby in Beziehung auf seine Grundsätze und sein Benehmen, weil er die Fortsetzung des Kriegs wünscht.

Ich darf wohl sagen, daß ich diese apologetische Rede meines Onkels Toby hundert Mal gelesen habe, und halte sie für ein so schönes Muster einer Vertheidigung, und glaube, daß sie von einer so liebenswürdigen Vereinigung von Tapferkeit und guten Grundsätzen in ihm zeugt, daß ich sie der Welt Wort für Wort (auch mit den Einschiebseln), wie ich sie fand, vorlege.

193. Kapitel.

Die apologetische Rede meines Onkels Toby.

Ich weiß recht gut, Bruder Shandy, daß, wenn ein Mann, dessen Beruf das Waffenhandwerk ist, den Krieg wünscht, wie ich es gethan habe, – es vor der Welt keine gute Wirkung macht; – und daß wie gerecht und wahr auch seine Beweggründe und Absichten hiebei sein mögen, – er sich in einer unbehaglichen Stellung befindet, wenn er zur Rechtfertigung seiner Handlung Privatansichten anführt.

Wenn daher ein Soldat klug ist, was er sein kann, ohne um ein Jota weniger brav zu sein, wird er wohl daran thun, seinen Wunsch nicht vor den Ohren eines Feindes zu äußern; denn er mag sagen was er will, ein Feind wird ihm nicht glauben. – Er wird sich sogar in Acht nehmen müssen, es vor einem Freund zu thun, – damit er nicht in dessen Achtung sinke. Wenn aber sein Herz übervoll ist, und ein geheimer Seufzer nach kriegerischer Thätigkeit sich durchaus Luft machen muß, so wird er ihn für das Ohr eines Bruders aufbewahren, der seinen Charakter von Grund aus kennt, und der weiß, welches seine wahren Anschauungen, Gesinnungen und Grundsätze sind. Was ich, wie ich hoffe, in allen diesen Richtungen gewesen bin, Bruder Toby, ziemt sich nicht für mich auszusprechen; – ich weiß, ich war weit schlimmer als ich hätte sein sollen, – und vielleicht noch etwas schlimmer als ich glaube; aber so wie ich bin, wirst du, mein lieber Bruder Shandy, der du an derselben Brust mit mir gelegen hast, – mit dem ich von der Wiege an aufgezogen worden bin, – und vor dem ich von den ersten Stunden unserer jugendlichen Vergnügungen bis heute keine Handlung meines Lebens und kaum einen Gedanken in demselben verheimlicht habe, – so sage ich, wie ich bin, wirst du mich jetzt mit all meinen Fehlern und Schwächen kennen, entspringen sie nun meinem Alter, meiner Gemüthsart, meinen Leidenschaften oder meinem Verstand.

Sag mir nun, mein lieber Bruder Shandy, welcher dieser Momente gab den Grund ab, daß du, als ich den Frieden von Utrecht verdammte und es bedauerte, daß der Krieg nicht mit Energie noch etwas weiter fortgeführt wurde, daß du glauben konntest, dein Bruder thue dies aus unwürdigen Motiven; oder, als er die Fortsetzung des Krieges wünschte, sei er schlecht genug gewesen, um zu wünschen, daß noch mehr seiner Mitgeschöpfe erschlagen, – zu Sklaven gemacht, – noch mehr Familien aus ihren friedlichen Wohnungen vertrieben würden, und zwar lediglich um seines Vergnügens willen. – Sag mir, Bruder Shandy, was habe ich angestellt, worauf du diese Ansicht begründest? (Dem Teufel hast du etwas angestellt, lieber Toby, aber ausgestellt hast du: nämlich einen Schein über hundert Pfund, die ich dir zur Fortsetzung der verwünschten Belagerungen lieh).

War es meine Schuld, daß ich schon als Schuljunge keine Trommel schlagen hören konnte, ohne daß mein Herz ebenfalls schlug? – Habe ich mir diese Neigung eingepflanzt? – Habe ich den Alarm in mir geschlagen oder die Natur?

Als der Graf Guy von Warwick, und Parismus und Parismenus, Valentine und Orson und die sieben Haimonskinder in der Schule herumgingen, – habe ich sie nicht alle mit meinem Taschengelde gekauft? – War das eine Handlung der Selbstsucht, Bruder Shandy? – Als wir die Belagerung von Troja lasen, die zehn Jahre und acht Monate dauerte, – während diese Stadt mit einem Artillerieterrain, wie wir ihn vor Namur hatten, in acht Tagen eingenommen worden wäre, – war ich nicht von der gegenseitigen Vernichtung der Griechen und Trojaner mehr aufgeregt als irgend ein Knabe in der Schule? – Erhielt ich nicht drei Streiche mit der ferula, zwei auf meine rechte Hand und einen auf meine linke, weil ich Helena ein liederliches Weibsbild genannt hatte? – Hat Einer von euch so viel Thränen um Hector vergossen als ich? – Und als König Priamus in das Lager kam, um sich Hectors Leichnam zu erbitten und weinend mit ihm nach Troja zurückkehrte, – da war ich, wie du wohl weißt, nicht im Stande, mein Mittagessen zu verzehren.

Geht daraus hervor, daß ich grausam war? – Oder, Bruder Shandy, als mein Blut nach dem Lager flog und mein Herz für den Krieg klopfte, war dies ein Beweis, daß es nicht auch das Elend des Kriegs schmerzlich empfinden könne?

O Bruder, ein Anderes ist's für den Soldaten Lorbeeren zu sammeln, und ein anderes Cypressen zu streuen. (Wer sagte dir denn, lieber Toby, daß die Alten bei Trauerfällen Cypressen streuten?)

Ein Soldat, Bruder Shandy, kann sein Leben wagen, – zuerst in einen Laufgraben springen, wo er sicher sein darf, in Stücke gehauen zu werden: – er kann aus Vaterlandsliebe und Durst nach Ruhm, zuerst durch eine Bresche eindringen, – in der vordersten Reihe stehen, und mit Trommeln und Trompeten und fliegenden Fahnen tapfer vorrücken, – das kann er, sage ich, Bruder Shandy; – aber deshalb kann er doch auch über das Elend des Krieges nachdenken, die Verwüstung ganzer Länder beklagen, – und die unerträglichen Strapazen und Entbehrungen wohl einsehen, denen er selbst, das Instrument, das jene (für sechs Pence täglich, wenn er sie nämlich bekommt) ausführen muß, unterworfen ist.

Mußte man mir sagen, lieber Yorick, wie Sie es in Ihrer Leichenrede für Le Fever thaten, daß ein so sanftes und edles, zur Liebe, zur Barmherzigkeit und Güte geborenes Geschöpf wie der Mensch hiefür nicht geschaffen sei? Warum setzten Sie nicht hinzu, Yorick, – wenn er auch nicht durch seine Natur hiezu veranlaßt werde, so könne ihn doch die Nothwendigkeit dazu zwingen? – Denn was ist der Krieg? was ist er, Yorick, wenn er, wie es bei dem unsrigen der Fall war, für die Grundsätze der Freiheit und der Ehre geführt wurde, – was ist er anders als das Versammeln ruhiger und harmloser Menschen mit dem Degen in der Hand, um die Ehrgeizigen und Ruhestörer in Schranken zu halten? – Und der Himmel ist mein Zeuge, Bruder Shandy, daß das Vergnügen, das ich hiebei empfand, – und jenes unendliche Ergötzen insbesondere, das mir meine Belagerungen auf dem Rasen bereiteten, bei mir und wie ich hoffe auch bei dem Corporal daraus entsprang, daß wir beide überzeugt waren, durch Ausführung derselben den großen Zwecken unserer Schöpfung zu entsprechen.

194. Kapitel.

Ich sagte einem christlichen Leser – ich betone einem christlichen Leser und hoffe, daß er einer ist; – wenn er es aber nicht ist, so thut es mir leid um ihn, – und dann bitte ich ihn die Sache bei sich selbst zu überlegen und die Schuld nicht dem Buche allein beizumessen; –

Ich sagte ihm, mein Herr, – denn wahrlich wenn ein Mann eine Geschichte auf die sonderbare Art erzählt, wie ich die meinige erzählte, so ist er beständig genöthigt, rückwärts und wieder vorwärts zu laufen, um in der Phantasie des Lesers Alles fest beisammen zu halten; – und wenn ich meines Theils nicht mehr darauf bedacht gewesen wäre als ich es anfangs war, so wären so viele unbestimmte und zweideutige Dinge zum Vorschein gekommen, mit so viel Lücken und Rissen, – und hätten die Sterne so wenig genützt, die ich trotzdem an den dunkelsten Stellen aufhängte, weil ich wohl weiß wie leicht die Welt verirrt, trotz all dem Licht, das ihr die Sonne um Mittag schenkt, daß – und nun, sehen Sie, da habe ich mich selbst verirrt!

Aber daran ist mein Vater Schuld; und wenn man je einmal mein Gehirn secirt, so wird man ohne Brille entdecken, daß er einen großen unebenen Faden hineingemacht hat, wie man oft an einem unverkäuflichen Stück Batist sieht, der durch die ganze Länge des Gewebes läuft, und zwar so ungeschickt, daß man kein †† (hier hänge ich wieder ein Paar Lichter auf) – keine Binde oder Däumling daraus schneiden kann, ohne daß man jenen sieht oder fühlt.

Quanto id diligentius in liberis procreandis cavendum, sagt Cardan: – Wenn man das Alles in Betracht zieht, so wird man einsehen, daß es für mich moralisch unthunlich ist, dies wieder bis zu dem Punkte zurückzudrehen, von wo ich ausgegangen bin. –

Ich fange deshalb lieber das Kapitel noch einmal an.

195. Kapitel.

Ich sagte dem christlichen Leser am Anfang desjenigen Kapitels, welches der apologetischen Rede meines Onkels Toby vorausgeht, – obwohl in einer anderen Redefigur als ich jetzt benutzen werde – daß der Friede von Utrecht beinahe die gleiche Spannung zwischen meinem Onkel Toby und seinem Steckenpferd bewirkt habe, wie er es zwischen der Königin und den übrigen verbündeten Mächten that.

Es gibt eine ärgerliche Art, wie ein Mann bisweilen von seinem Pferde absteigt, gerade als wollte er zu ihm sagen: – Ich will mein Lebtage lieber zu Fuß gehen, Kerl, als daß ich wieder eine einzige Meile auf deinem Rücken zurücklege. – Nun kann man nicht gerade sagen, daß mein Onkel Toby auf diese Art abstieg; man konnte genau genommen hiebei gar nicht von Absteigen reden, – denn sein Roß warf ihn eher ab, – und zwar auf eine ziemlich tückische Weise, so daß es mein Onkel Toby noch zehn Mal mehr übel nahm. Staatsreitknechte mögen dies ausmachen wie sie belieben; – jedenfalls wurde dadurch, wie gesagt, eine Art Spannung zwischen meinem Onkel Toby und seinem Steckenpferd hervorgebracht. – In den Monaten März bis November, das heißt in dem Sommer, wo die Friedensartikel unterzeichnet wurden, machte er deshalb keinen Gebrauch davon, außer, daß er hie und da einen kurzen Ausritt unternahm, um sich zu überzeugen, daß die Befestigungen und der Hafen von Dünkirchen, wie es der Friedensvertrag verlangte, geschleift wurden.

Die Franzosen waren den ganzen Sommer über so langsam in dieser Sache; und Herr Tugghe, der Abgeordnete des Magistrats von Dünkirchen, legte der Königin so viele dringende Petitionen vor, – worin er Ihre Majestät anflehte, ihre Donnerkeile nur auf die militärischen Werke fallen zu lassen, die ihr Mißfallen erregt hätten, – aber doch ja den Molo um seiner selbst willen zu verschonen, der ja dann in seiner entblößten Lage nur noch ein Gegenstand des Mitleids sein könne; – und die Königin (die nur ein Weib war) besaß ein so mitleidiges Herz, – und ihre Minister ebenfalls, und wollten die Stadt nicht ruiniren, daß aus diesem besonderen Gründen     *     *     *     *     *     *     *     *     *     *     *     *     *     *     *     so daß das Ganze bei meinem Onkel Toby recht langsam von Statten ging, in der Art, daß erst drei volle Monate, nachdem er und der Corporal die Stadt erbaut und zur Zerstörung hergerichtet hatten, die verschiedenen Kommandanten, Commissäre, Abgeordneten, Unterhändler und Intendanten ihm gestatteten, daran zu gehen. – Ein für ihn verhängnisvoller Zeitraum der Unthätigkeit!

Der Corporal war dafür, die Schleifung damit zu beginnen, daß eine Bresche in den Wall oder die Hauptbefestigung der Stadt gemacht würde. – Nein, das wäre nicht das Richtige, Corporal, sagte mein Onkel Toby; denn wenn man auf diese Art ans Werk ginge, wäre die englische Garnison nicht eine Stunde sicher in der Stadt – Denn wenn die Franzosen verräterisch wären, – Sie sind verräterisch wie der Teufel, Euer Gnaden, sagte der Corporal. – Es thut mir immer wehe, wenn ich das hören muß, Trim, sagte mein Onkel Toby, – denn es fehlt ihnen nicht an persönlicher Bravour; aber wenn eine Bresche in den Wall gemacht würde, so könnten sie eindringen, und sich der Festung bemeistern, wann es ihnen gefiele – Sie sollen nur hereinkommen, rief der Corporal und schwang seinen Spaten mit beiden Händen, als ob er damit um sich hauen wollte; – sie sollen nur hereinkommen, Euer Gnaden, wenn sie es wagen. – In solchen Fällen, Corporal, sprach mein Onkel Toby, ließ seine rechte Hand bis zur Mitte seines Stocks herabgleiten und faßte diesen dann mit ausgestrecktem Zeigefinger wie einen Kommandostab, – hat der Kommandant nicht zu erwägen, was der Feind wagen oder nicht wagen werde; er muß vielmehr unter allen Umständen mit Vorsicht handeln. Wir beginnen daher mit den Außenwerken, sowol nach der Seeseite als nach der Landseite und besonders mit Fort Louis, dem entferntesten Werk, und schleifen dieses zuerst; – die übrigen schleifen wir eins ums andere, rechts und links, in dem Maße als wir uns nach der Stadt zurückziehen; – dann schleifen wir den Molo, – füllen hierauf den Hafen auf, – ziehen uns in die Citadelle zurück, und sprengen diese in die Luft. Wenn dies geschehen ist, Corporal, schiffen wir uns nach England ein. – Da sind wir bereits, bemerkte der Corporal, der zu sich selbst kam. – Es ist auch wahr! versetzte mein Onkel Toby und sah nach der Kirche.

196. Kapitel.

Ein Paar solcher köstlicher illusorischer Beratungen zwischen meinem Onkel Toby und Trim über die Schleifung von Dünkirchen, – führte für einen Augenblick den Gedanken an jene Freuden zurück, die ihm nun entschlüpfen sollten. – Aber noch immer ging Alles langsam vorwärts; der alte Zauber drückte nur um so mehr auf dem Gemüth; Stille und Schweigsamkeit glitten in das einsame Wohnzimmer und warfen ihren erstarrenden Mantel über das Haupt meines Onkels Toby; Verdrossenheit mit ihren schlaffen Zügen, ihrem unstäten Blick setzte sich ruhig neben ihn, wenn er in seinem Armstuhl saß. Jetzt jagte ihm nicht mehr Amberg und Rheinsberg, Limburg und Huy und Bonn in dem einen Jahr, und der Prospect von Landen und Trarbach, von Drusen und Dendermonde im anderen – das Blut durch die Adern; nicht länger hielten Sappen und Minen und Blendirungen, Schanzkörbe und Palissaden jenen schönen Feind der Ruhe des Menschen ab; – nicht mehr konnte mein Onkel Toby, wenn er die französischen Linien, während er sein Ei zum Nachtessen verzehrte, passirt hatte, von da in das Herz von Frankreich einbrechen, die Oise überschreiten, und durch die total offene Picardie auf die Thore von Paris losmarschiren, und mit Ruhmesgedanken in Schlaf sinken: – er träumte jetzt nicht mehr, er pflanze die königliche Fahne von England auf den Thurm der Bastille und fühle sie noch beim Erwachen in seinem Kopfe flattern.

Sanftere Bilder, süßere Empfindungen stahlen sich jetzt sachte in seinen Schlummer; die Kriegstrompete entsank seiner Hand, er griff nach der Laute, jenem holden, zartesten und schwierigsten Instrument! – Wie wirst du es spielen, mein theurer Onkel Toby?

197. Kapitel.

Da ich nun ein Paar Mal in meinem unbedachten Geplauder gesagt habe, ich sei überzeugt, die Denkwürdigkeiten über die Werbung meines Onkels Toby um die Wittwe Wadman würden, wenn ich einmal Zeit bekäme, um sie zu schreiben, eines der vollendetsten Systeme des elementaren und des praktischen Theils der Liebe und der Liebeswerbung werden, die jemals der Welt vor Augen gekommen, – so werden Sie sich natürlich einbilden, ich werde jetzt eine Beschreibung davon geben: was Liebe sei? ob wirklich zum Theil göttlich und zum Theil teuflisch, wie Plotinus behauptet. –

Oder glauben Sie, ich werde auf Grund einer mehr kritischen Gleichung, wobei das Ganze der Liebe gleich zehn angenommen wird, mit Ficinus bestimmen: Wie viele Theile davon auf das Göttliche – und wie viel auf das Teuflische kommen? – oder ob Amor eigentlich ein einziger großer Teufel vom Kopf bis zum Schwanz sei, wie Plato auszusprechen gewagt hat; in welcher Hinsicht ich meine eigene Meinung für mich behalten will: – während meine Ansicht von Plato selbst ist, daß er nach dieser Aeußerung zu urtheilen in seinem Wesen und seiner Art zu raisonniren ungefähr ein Mann wie der Dr. Baynyard gewesen sein müsse, der ein großer Feind von Blasenpflastern war, von denen er glaubte, daß ein Halb Dutzend derselben einen Menschen ebenso sicher ins Grab bringen könnten wie ein Leichenwagen und sechs Pferde, – und hieraus etwas rasch den Schluß zog, der Teufel selbst sei eigentlich nichts Anderes als eine große pralle Cantharidis.

Ich habe Leuten, welche sich beim Demonstriren eine so große Freiheit erlauben, nur zu sagen, was Nazianzen (nämlich polemisch) dem Philagrius zurief:

Εύγε! Schön, schön! Das ist ein sauberes Begründen, Herr, wahrhaftig! – ότι φιλοσοφει̃ς εν Πάθεσι, und auf sehr edle Art streben Sie nach Wahrheit, wenn Sie in Ihrem Zorn und Ihrer Leidenschaft hierüber philosophiren.

Aus dem gleichen Grunde ist nicht anzunehmen, daß ich mich mit der Untersuchung aufhalten werde, ob Liebe eine Krankheit sei, – oder, daß ich mir wie Rhasis und Dioscorides den Kopf damit zerbrechen werde, ob sie ihren Sitz im Gehirn oder in der Leber habe; – da mich dies zu einer Prüfung der zwei sehr entgegengesetzten Methoden, wornach daran Kranke behandelt wurden, führen würde, – und wovon die des Acetius darin bestand, daß er immer mit einem kühlenden Klystier von Hanfsamen und zerstoßenen Gurken begann, worauf dann dünne Tränke von Wasserlilien und Portulak kamen, denen er eine Prise Schnupftabak von der Haneapflanze, und da, wo Acetius es riskiren durfte, seinen Topasring beimischte;

Während die Methode des Gordonius darauf hinauslief, daß er (in seinem fünfzehnten Kapitel de Amore) vorschrieb, man solle die Patienten dreschen ad putorem usque, – bis sie stinken.

Dies sind Untersuchungen, mit welchen sich mein Vater, der sich eine große Menge Kenntnisse dieser Art zugelegt hatte, im weiteren Verlauf der Liebesangelegenheiten meines Onkels Toby sehr angelegentlich beschäftigte. In dieser Beziehung muß ich schon jetzt so viel sagen: Daß er von seinen Liebestheorien (womit er beiläufig gesagt, meines Onkel Toby's Gemüth ebenso zu quälen wußte, wie es die Liebe selbst that) – nur einen einzigen Schritt zur Praxis that: mittelst einer gekampferten Wachsleinwand nämlich, die er dem Schneider, welcher meinem Onkel Toby ein Paar neue Hosen zu machen hatte, für Steifleinwand aufzuschwatzen wußte, brachte er bei meinem Onkel Toby die von Gordonius beabsichtigte Wirkung hervor, ohne daß jene schändliche Behandlung vorausgegangen wäre.

Was daraus erfolgte, wird man an der geeigneten Stelle lesen; hier soll der Anekdote nur noch dies beigefügt werden: – daß, welche Wirkung es auf meinen Onkel Toby auch haben mochte, – es jedenfalls eine üble Wirkung auf das Haus übte – und wenn mein Onkel Toby es nicht energisch zu Boden geraucht hätte, auch auf meinen Vater ebenso übel gewirkt haben würde.

198. Kapitel.

Es wird nach und nach ganz von selbst herauskommen. – Was ich mir ausbitte, ist nur, daß ich nicht genöthigt werde eine Begriffsbestimmung von dem zu geben, was man unter Liebe versteht; und solang ich meine Geschichte in verständlicher Weise fortsetzen kann, indem ich mich nur des Wortes bediene, ohne eine andere Idee damit zu verbinden, als die, welche ich hierüber mit der übrigen Welt gemeinschaftlich habe, warum sollte ich auch nur einen Augenblick vor der Zeit davon abgehen? – Wenn ich einmal nicht mehr weiter kann, – und mich von allen Seiten in diesem mystischen Labyrinth verwickelt sehe, – dann wird meine Ansicht natürlich hervortreten, – und mir heraushelfen.

Für gegenwärtig hoffe ich genügend verstanden zu werden, wenn ich dem Leser sage, daß mein Onkel Toby der Liebe verfiel.

Nicht daß ich die Phrase besonders liebte; denn wenn man sagt, ein Mann sei der Liebe verfallen, – oder er sei sterblich verliebt, – oder bis über die Ohren verliebt, – so bringt es schon der Sprachgebrauch mit sich, daß man damit die Idee verbindet, die Liebe sei etwas unter dem Manne Stehendes. –

Dies führt wieder zu Plato's Ansicht zurück, die ich trotz aller seiner Göttlichkeit – und gerade deshalb für verdammenswerth und ketzerisch halte: – und damit genug.

Liebe mag daher sein was sie will, – mein Onkel Toby fiel ihr anheim.

Und vielleicht, mein lieber Leser, wäre es dir – bei einer gleichen Versuchung – auch so gegangen; – denn deine Augen sahen wohl nie und deine Lüsternheit begehrte wohl nie – etwas Begehrlicheres als die Wittwe Wadman war.

199. Kapitel.

Um dies gehörig zu verstehen, – lassen Sie sich Tinte und Feder geben; das Papier liegt schon bereit. – Und nun, lieber Herr, setzen Sie sich und malen Sie sie so, wie Sie sich dieselbe denken, – Ihrer eigenen Geliebten möglichst ähnlich, – Ihrer Frau so wenig ähnlich als Ihr Gewissen es gestattet, – mir ist es ganz gleich, – nur Ihre eigene Phantasie soll einen Gefallen an dem Bilde finden.

Gab es je ein süßeres – auserleseneres Ding in der ganzen Natur!

Sie werden nun einsehen, mein lieber Herr, daß mein Onkel Toby nicht widerstehen konnte.

O drei Mal glückliches Buch! jetzt hast du doch eine Seite innerhalb deiner Deckel, welche die Bosheit nicht anschwärzen und die Unwissenheit nicht fälschen kann.

200. Kapitel.

Da Susanna durch einen besonderen Boten von Seiten der Jungfer Brigitte schon fünfzehn Tage, ehe das Ereigniß wirklich eintrat, unterrichtet wurde, daß sich mein Onkel Toby in ihre Gebieterin verliebt habe – was Susanna am nächsten Tag meiner Mutter mittheilte, – so ist mir dadurch Gelegenheit gegeben, meines Onkels Liebschaft schon vierzehn Tage vorher zu behandeln, ehe sie wirklich eintrat.

Ich habe Ihnen etwas mitzutheilen, Herr Shandy, sagte meine Mutter, worüber Sie sich sehr verwundern werden.

Mein Vater hielt eben eines seiner zweiten Lits de justice ab und dachte über die Lasten des Ehestandes nach, als meine Mutter das Schweigen unterbrach.

Mein Schwager Toby, fuhr sie fort, wird sich mit Frau Wadman verheirathen.

Dann wird er, versetzte mein Vater, solange er lebt, niemals wieder schräg in seinem Bett liegen.

Es war ein beständiger nagender Aerger für meinen Vater, daß meine Mutter niemals nach dem Sinn einer Sache fragte, die sie nicht verstand.

Es ist ein Unglück für sie, daß sie nicht wissenschaftlich gebildet ist, pflegte mein Vater zu sagen, – aber sie hätte wenigstens fragen können.

Das that aber meine Mutter niemals. – Kurz sie ging schließlich aus der Welt ohne zu wissen, ob diese sich drehte oder still stand. – Mein Vater hatte ihr mehr als tausend Mal gesagt, wie es damit sich verhalte; – sie hatte es aber immer wieder vergessen.

Aus diesen Gründen ging eine Unterhaltung zwischen ihnen selten über eine Mittheilung, – eine Antwort, – und eine Duplik hinaus; worauf in der Regel eine Pause von einigen Minuten eintrat (wie in der Hosenangelegenheit), worauf dann die Sache von vorn anfing.

Wenn er heirathet, werden wir verlieren, sagte meine Mutter.

Nicht Nagels groß, erwiderte mein Vater, – es ist gleich, ob er damit sein Vermögen verwettert oder mit etwas Anderem.

Allerdings, sagte meine Mutter. So endete hier die Mittheilung, – die Antwort, und – die Duplik, wie ich oben sagte.

Aber es wird ihm wenigstens einige Unterhaltung gewähren, sagte mein Vater.

Sogar sehr viel, wenn er Kinder bekommen sollte, erwiderte meine Mutter.

Gott sei mir gnädig! sprach mein Vater bei sich selbst.

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201. Kapitel.

Ich fange nun an recht hübsch in meine Arbeit hineinzukommen; und mit Hilfe von Pflanzenkost und etwas kühlenden Samentränklein werde ich, wie ich nicht zweifle, im Stande sein, die Geschichte meines Onkels Toby und meine eigene in einer ziemlich geraden Linie fortzusetzen. Nun waren dies

die vier Linien, die ich in meinem 1., 2., 3. und 4. BandeDer 1. Auflage. einhielt. – Im 5. Bande habe ich mich sehr gut benommen, – die Linie, die ich in diesem beschrieb, war genau folgende:

Hieraus ergibt sich, daß ich mit Ausnahme des mit A bezeichneten Bogens, wo ich einen Abstecher nach Navarra machte, – und der gezahnten Curve B, welche den kurzen Austritt bedeutet, den ich mir dort mit der Frau von Baussière und ihrem Pagen erlaubte, – nicht die geringste Abschweifung machte, bis mich die Teufel des John de la Casse zu der Schleife D verführten; – denn die C C C C C sind nur Parenthesen, die gewöhnlichen ein- und ausspringenden Vorfälle, die im Leben der größten Staatsminister vorkommen und die im Vergleich mit dem, was die Menschen gethan haben – oder mit meinen eigenen Abschweifungen in A, B und D in nichts verschwinden.

In diesem letzten Bande habe ich es noch besser gemacht, – denn vom Ende der Episode Le Fever's bis zum Anfang der Feldzüge meines Onkels Toby, – bin ich kaum um einen Schritt weit aus meinem Wege herausgetreten.

Wenn ich mich in diesem Maße weiter verbessere, ist es nicht unmöglich, daß ich noch – falls Seine Gnaden der Teufel von Benevento es gestattet, – dahin gelange so schön eben wie folgt fortzufahren:

welche Linie so gerade gezogen ist, als ich sie mit einem (zu diesem Zwecke geliehenen) Lineal eines Schreiblehrers ziehen konnte, und die weder rechts noch links abschweift.

Diese gerade Linie, – der Pfad, den Christen wandeln sollen, sagen die Geistlichen, –

Das Sinnbild moralischer Geradheit, sagt Cicero, –

Die beste Linie, sagen Kohlpflanzer, – die kürzeste Linie, sagt Archimedes, die man von einem gegebenen Punkte nach einem andern ziehen kann.

Ich wollte, meine Damen, Sie würden sich die Sache für ihre nächsten Geburtstagsanzüge zu Herzen nehmen!

Welch' ein Tagewerk gäbe das!

Können Sie mir sagen, – das heißt ohne Aerger, ehe ich mein Kapitel über gerade Linien schreibe, – in Folge welches Mißgriffs, – auf wessen Behauptung hin, – oder auf Grund welcher Veranlassung Männer von Geist und Genie diese Linie beständig mit der Schwerkraft verwechselt haben?Ende des 6. Bandes der 1. Auflage.


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