Laurence Sterne
Tristram Shandy
Laurence Sterne

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43. Kapitel.

Obadiah hatte die zwei Kronen zweifellos verdient; denn gerade als Corporal Trim das Zimmer verließ, klapperte er herein mit sämmtlichen Instrumenten in dem bewußten grünen Beutel, den er quer über die Schulter gehängt hatte.

Es dürfte jetzt, sagte Dr. Slop, dessen Blicke sich bei diesem Anblick aufhellten, es dürfte jetzt, da wir im Stande sind, Frau Shandy von einigem Nutzen zu sein, an der Zeit sein, hinaufzuschicken, um zu hören wie es steht.

Ich habe, erwiderte mein Vater, der alten Hebamme befohlen sofort herunter zu kommen, wenn sich die leiseste Schwierigkeit ergeben sollte; – denn Sie müssen wissen, Dr. Slop, fuhr mein Vater mit einem etwas verlegenen Lächeln fort, daß Sie kraft eines besonderen, zwischen mir und meiner Frau feierlich abgeschlossenen Vertrags in diesem Falle nur die Rolle der Hilfstruppen übernehmen dürfen – und zwar erst dann, wenn die dürre alte Hebamme droben nicht ohne Ihre Hilfe fertig wird. Die Weiber haben nun einmal ihre besonderen Grillen, und in derartigen Angelegenheiten, fuhr mein Vater fort, wo sie die ganze Last zu tragen haben und so viele Schmerzen im Interesse unserer Familien und zum Wohl der Rassen erdulden, – haben sie auch ein Recht en souveraines zu entscheiden, unter wessen Händen und auf welche Art sie die Sache durchmachen wollen.

Darin haben Sie auch ganz Recht, bemerkte mein Onkel Toby.

– Aber mein Herr, entgegnete Dr. Slop, der von der Bemerkung meines Onkels Toby lediglich keine Notiz nahm, sondern sich gegen meinen Vater wandte – sie sollten lieber in andern Richtungen maßgebend sein; und ein Vater, der die Fortdauer seiner Familie sichern will, müßte nach meiner Ansicht dieses Vorrecht für sich in Anspruch nehmen und lieber einige andere Rechte dafür aufgeben. – Ich wüßte nicht, erwiderte mein Vater und sah dabei etwas zu sauer drein, um ganz kaltblütig zu sein, – ich wüßte nicht, sagte er, welches Recht wir für das entscheidende Wort in der Frage, wer unsere Kinder zur Welt befördern dürfe, noch aufzugeben hätten, außer etwa die Entscheidung darüber – wer sie zeugen dürfe. – O dafür sollte man nahe zu Alles aufgeben, versetzte Dr. Slop. – Da muß ich doch bitten! rief mein Onkel Toby. – Sie würden staunen, Herr, fuhr Dr. Slop fort, wenn Sie wüßten, welche Fortschritte in den letzten Jahren in allen Zweigen der Geburtshilfe gemacht wurden, insbesondere aber in der Kunst einer raschen und sicheren Herausbeförderung des Fötus – es ist hierüber ein solches Licht verbreitet worden, daß ich (dabei hob er die Arme in die Höhe) offen gestehen muß, ich wundere mich wie die Welt – ich wollte, fuhr mein Onkel Toby dazwischen, Sie hätten gesehen, was für wundervolle Armeen wir in Flandern hatten.

44. Kapitel.

Ich lasse für einen Augenblick den Vorhang über diese Scene fallen – um den Leser an etwas zu erinnern – und ihm etwas anderes mitzutheilen.

Was ich dem Leser mitzutheilen habe, mag allerdings hier etwas unpassend stehen; – es hätte eigentlich 150 Seiten früher gesagt werden sollen, aber dort sagte ich mir, es würde doch richtiger später kommen und hier nützlicher sein als irgend sonst wo. – Schriftsteller müssen voraussehen, um das woran sie eben sind, mit jedem in einer geistigen Verbindung zu erhalten.

Wenn diese zwei Dinge geschehen sind, – soll der Vorhang wieder aufgezogen werden, und mein Onkel Toby, mein Vater und Dr. Slop sollen ihre Unterhaltung ohne weitere Unterbrechung fortsetzen.

Erstens also, an was ich Sie zu erinnern habe, ist: – daß Sie durch die Pröbchen von Sonderbarkeit, die mein Vater in Sachen von Vornamen an den Tag legte, so wie aus manchen andern Gründen, wie ich glaube zu der Ansicht gelangt sind – (und ich weiß gewiß, daß ich es auch sagt) daß mein Vater auch in fünfzig andern Punkten ein ebenso wunderlicher und curioser Herr war.

Es gab in der That nicht eine Stufe im Menschenleben vom erstem Acte seiner Zeugung an – bis zu den dünnen und schlotterigen Hosen seiner zweiten Kindheit, aus der er nicht eine, ihm eigenthümliche Lieblingsansicht gezogen hätte, die eben so skeptisch, ebenso außerhalb der allgemeinen Heerstraße der Anschauungen war, wie die zwei bereits näher erläuterten.

Herr Shandy, mein Vater, wollte kein Ding in dem Lichte betrachten, in das Andere es gestellt hatten; – er setzte die Sachen in sein eigenes Licht; er wog nichts in der allgemeinen Wagschale – nein, er war ein zu feiner Forscher, um so groben Täuschungen zu unterliegen. – Um das genaue Gewicht der Dinge auf der wissenschaftlichen Schnellwage festzustellen, müßte, pflegte er zu sagen, das fulcrum fast unsichtbar sein, damit so jede Friction mit allgemein angenommenen Sätzen vermieden würde; – geschähe das nicht, so würden die minutiae der Philosophie, welche stets den Ausschlag bei dem Abwägen geben, gar nicht ziehen. Das Wissen, pflegte er zu behaupten, sei ebenso in infinitum theilbar wie der Stoff – es habe ebensogut seine Grane und Scrupel wie die Schwerkraft der ganzen Welt. – Mit einem Wort, pflegte er zu sagen, Irrthum sei Irrthum – gleichviel wo er einschlage – ob als Bruchtheil oder als Pfund – der Wahrheit sei Beides gleich verhängnißvoll; und sie werde ebenso unfehlbar durch ein Mißverständniß über den Staub eines Schmetterlingsflügels – als über die Scheibe der Sonne, des Monds und aller Sterne des Himmels zusammen in der Tiefe ihres Borns zurückgehalten.

Oft klagte er darüber, daß nur weil man dies nicht gehörig beachte, oder es sowohl auf bürgerliche Angelegenheiten als auf spekulative Wahrheiten nicht geschickt anwende, so viele Dinge auf dieser Welt auf den Beinen seien; – das politische Gewölbe nachgebe, – und sogar die Fundamente unserer trefflichen Kirchen- und Staatsverfassung so unterwühlt seien, wie die Abschätzer berichtet hätten.

Man schreit, wir seien ein zu Grunde gerichtetes, verlornes Volk, pflegte er zu sagen. – Warum? fragte er, wobei er sich des Sorites oder Syllogismus des Zeno und Cerysippus, ohne zu wissen, daß derselbe diesen Herren angehörte, bediente, – warum? warum sollen wir zu Grunde gerichtet sein? – Weil wir bestechlich sind. – Weshalb sind wir denn bestechlich? – Weil wir dürftig sind. – unsere Armuth, nicht unser Wille treibt uns dazu; – und weshalb sind wir dürftig? – Weil wir, pflegte er zu antworten, unsere Pence und unsere Halbpence nicht in Acht nehmen; – unsere Banknoten, Herr, und unsere Guineer – ja sogar schon unsere Schillinge wissen für sich zu sorgen.

So ist es im ganzen Umkreis der Wissenschaft, pflegte er zu sagen; – die großen, feststehenden Punkte derselben stürzen nicht so leicht ein. – Die Gesetze der Natur vertheidigen sich selbst; – aber der Irrthum (pflege er hinzuzusetzen und sah dabei meine Mutter mit einem ernsten Blicke an) – der Irrthum schleicht sich durch die kleinen Ritzen und schmalen Spalten ein, welche die menschliche Natur nicht gehörig hütet.

An diese Denkungsweise meines Vaters mußte ich Sie erinnern: – der Punkt aber, über den Sie noch unterrichtet werden müssen, und den ich für diese Stelle aufsparte, ist folgender:

Unter den vielen trefflichen Gründen, womit mein Vater meine Mutter bestürmt hatte, lieber den Beistand des Dr. Slop als den des alten Weibes anzunehmen – war einer ganz eigenthümlicher Natur, auf den er, wenn er ihr die Sache zuerst vom christlichen Standpunkt aus dargestellt hatte, und sie ihr nun auch vom philosophischen vorstellte, seinen Hauptnachdruck legte, sich als seinen Pflichtanker stützte. – Gleichwol ließ er ihn im Stiche, nicht weil der Beweis an sich zu schwach gewesen wäre, sondern weil es ihm ums Leben nicht gelang, ihr die Kraft desselben begreiflich zu machen.

Verwünschtes Schicksal! – sprach er zu sich selbst, als er eines Abends das Zimmer verließ, nachdem er ihn ihr anderthalb Stunden lang vergeblich vordemonstrirt hatte; – verwünschtes Schicksal! sprach er und biß sich in die Lippen, als er die Thüre schloß, – daß ein Mann eine der schönsten Folgerungsgaben von der Welt besitzt – und zugleich ein Weib mit einem solchen Stück von einem Kopf hat, daß er auch nicht eine einzige Folgerung hineinbringen kann, um seine Seele vom Verderben zu retten!

Dieser Beweisgrund, der an meiner Mutter völlig verloren ging – hatte aber für ihn mehr Werth als alle anderen Gründe zusammen: Ich will daher versuchen ihm hier sein Recht widerfahren zu lassen und ihn mit all dem Scharfsinn dessen ich fähig bin, auseinander zu setzen.

Mein Vater stützte sich auf folgende zwei Grundsätze:

Erstens, eine Unze eigenen Verstandes sei mehr werth als eine Tonne fremden; und

Zweitens (beiläufig war dies das Fundament des ersten Satzes, obschon es hinten drein kommt), eines jeden Menschen Verstand müsse aus seiner eigenen Seele hervorgehen, nicht aus anderer Leute ihrer.

Da es nun für meinen Vater eine ausgemachte Sache war, daß alle Seelenkräfte von Hause aus einander gleich seien – und daß der große Unterschied zwischen dem schärfsten und stumpfesten Verstand – nicht von der ursprünglichen Schärfe oder Stumpfheit herrühre, die ein denkendes Wesen mehr oder weniger als ein anderes habe – sondern von der glücklichen oder unglücklichen Organisation des Körpers an derjenigen Stelle herrühre, wo die Seele hauptsächlich ihre Wohnung aufgeschlagen habe – so hatte er es zum Gegenstand seiner Forschung gemacht, eben diese Stelle herauszufinden.

Auf Grund der besten Darstellungen, die er sich über diese Sache zu verschaffen gewußt hatte, war er nun zu der Ueberzeugung gelangt, daß jene Stelle sich nicht da befinde, wo Des Cartes sie hinverlegt hat, nämlich auf der Spitze der Zirbeldrüse im Gehirn, die wie jener Philosoph behauptet hatte, ein Kissen von der Größe einer englischen Erbse für jene bilde; obschon dies eigentlich keine so üble Annahme war, indem so viele Nerven dort ihren Ausgangspunkt haben; und ohne Zweifel wäre auch mein Vater mit jenem großen Philosophen mitten in diesen Irrthum gefallen, wenn mein Onkel Toby nicht gewesen wäre. Dieser aber befreite ihn hievon, indem er ihm die Geschichte von einem wallonischen Offizier erzählte, dem in der Schlacht bei Landen durch eine Flintenkugel ein Theil des Gehirns weggeschossen und ein weiterer Theil nachher durch einen französischen Wundarzt herausgenommen worden war, und der trotz allem wieder genesen war und seinen Dienst wie vorher versehen hatte.

Wenn der Tod, sagte sich mein Vater in seinem Selbstraisonnement, nichts weiter ist als die Trennung der Seele von dem Körper – und wenn es wahr ist, daß Leute auch ohne Gehirn herumgehen und ihre Geschäfte besorgen können – so kann die Seele dort ihren Wohnsitz nicht haben. Quod erat demonstrandum!

Was nun aber jenen sehr dünnen, feinen und sehr wohlriechenden Saft betrifft, den der große Mailänder Arzt Coglionissimo Borri in einem Brief an Bartholinus in den Zellen des am Hinterhaupte liegenden Gehirntheils gefunden zu haben behauptet, und den er ebenfalls für den Hauptsitz der vernünftigen Seele ausgibt (denn der Leser muß wissen, daß es seit dieser letzten, aufgeklärteren Zeiten zwei Seelen gibt, die im Menschen leben, – und wovon die Eine nach dem großen Metheglingius Animus, die Andere Anima heißt), was also die Borri'sche Ansicht anbelangt, – so konnte sich mein Vater derselben niemals anschließen; der Gedanke, daß ein so edles, verfeinertes, stoffloses und erhabenes Ding wie die Anima oder auch der Animus, wie ein Kaulfrosch den ganzen Tag lang Sommer und Winter in einer Pfütze – oder eben in irgend einer Flüssigkeit, ob sie nun so dick oder so dünn sein mochte, wie man wollte, leben und plätschern sollte, das pflegte er zu sagen, sei doch seiner Phantasie zu viel zugemuthet; er könne dieser Lehre kaum ein Ohr leihen.

Am wenigsten bestreitbar erschien ihm daher der Gedanke, daß das Obersensorium oder Hauptquartier der Seele, der Ort, bei welchem alle Rapporte einliefen, und von wo aus alle Befehle ergingen, sich in oder in der Nähe des Cerebellum oder vielmehr um die Medulla oblongata herum sitze, wo sich auch nach der allgemeinen Ansicht holländischer Anatomen alle die winzigen Nerven sämmtlicher Organe der sieben Sinne wie die Straßen und Gassen einer Stadt auf einem Marktplatze zusammenfände.

Bis hierher war nichts besonderes in meines Vaters Ansicht – die besten Philosophen aller Zeiten und Länder gingen mit ihm. – Von hier an aber schlug er seinen eigenen Weg ein, und baute auf die Ecksteine, die jene vor ihm gesetzt hatten, eine neue Shandy'sche Hypothese – und welche besagte Hypothese gleichfalls ihren guten Grund hatte. Er fragte nämlich: ob die Zartheit und Feinheit der Seele von dem Wärmegrad oder der Helligkeit der besagten Flüssigkeit oder aber von dem feineren Netz und Gewebe im Cerebellum selbst abhänge? Letztere Ansicht war die seinige.

Er behauptete, daß nächst der pflichtschuldigen Umsicht, die man beim Zeugungsacte selbst haben müsse, der die größte mögliche Sorgfalt erfordere, da hierdurch der Grund zu jenem unfaßbaren Gewebe gelegt werde, auf welchem Verstand, Gedächtniß, Phantasie, Beredsamkeit und was man gewöhnlich unter guten natürlichen Anlagen versteht, beruhe, – daß also nächst dieser Umsicht und dem Vornamen, was die zwei ersten und hauptsächlichsten Ursachen von allem anderen seien; – die dritte Ursache oder vielmehr wie die Logiker sagen, die Causa sine quâ non, da ohne sie alles was sonst geschehen. ohne jede Bedeutung wäre, – in der guten Behütung jenes zarten und feingesponnenen Gewebes vor der Beschädigung bestehe, welche dasselbe durch das gewaltsame Zusammendrücken und Quetschen erleide, das der Kopf deshalb durchzumachen habe, weil man der unsinnigen Methode huldige, uns mit diesem voraus zur Welt zu befördern.

– Es erfordert dies eine nähere Erklärung.

Mein Vater, dem alle Arten von Büchern durch die Hand gingen, hatte, als er in den von Adrianus Smelvogt herausgegeben Lithopädus Senonesis de Partu difficiliDer Verfasser begeht hier einen doppelten Irrthum, denn statt Lithopädus sollte es erstens heißen: Lithopädii Senonensis Icon; zweitens ist Lithopädus kein Schriftsteller, sondern die Zeichnung von einem versteinerten Kinde. Der von Athosius um 1580 hierüber veröffentlichte Bericht steht am Schluß von Cordäus Werken im Spachius. Herr Tristram Shandy wurde zu diesem Irrthum verleitet, entweder weil er den Namen Lithopädus kürzlich in einem Katalog gelehrter Schriftsteller, den Dr. — herausgegeben, fand, oder weil er bei der großen Aehnlichkeit der Namen Lithopädus mit Trinecavellius verwechselte. ) guckte, herausgefunden, daß, da die Knochen des Cranium bei der Geburt noch keine Nähte haben, der Kopf eines Kindes sich in einem so weichen und dehnbaren Zustande befinde – daß in Folge der gewaltsamen Anstrengungen, welche bei schweren Nöthen im Durchschnitt einem Gewicht von 470 Pfund Krämergewicht gleichkommen, die senkrecht darauf wirken – es geschähe, daß in 49 Fällen unter 50 der besagte Kopf zu der Figur eines länglichen kegelförmigen Stückes Teig zusammengedrückt und geformt werde, wie ihn der Pastetenbäcker in der Regel rollt, wenn er eine Pastete machen will. – Guter Gott! rief mein Vater, wie muß hierdurch das unendlich feine und zarte Gewebe des Cerebellum beschädigt, ruinirt werden! – Oder wenn es einen solchen Saft gibt, wie Borri behauptet, muß dabei nicht die klarste Flüssigkeit der Welt trüb und dick werden?

Wie groß aber wurde erst seine Befürchtung als er weiter hörte, daß diese gerade auf den Kopfwirbel wirkende Kraft nicht nur das Gehirn selbst, das Cerebrum, beschädige – sondern auch nothwendig das Cerebrum gegen das Cerebellum oder den unmittelbaren Sitz der Verstandeskräfte hindrücke und treibe! – O all ihr Engel und Diener der göttlichen Barmherzigkeit, schützt uns davor! rief mein Vater, – kann eine Menschenseele einem solchen Stoß widerstehen? – Da ist es kein Wunder, daß das Verstandsgewebe so zerrissen und zerfetzt ist, wie wir täglich sehen, und daß so viele unserer besten Köpfe innen nicht viel besser aussehen wie ein verwirrter Strang Seide – eitel untereinander und Confusion!

Als mein Vater aber weiter las und mit dem Geheimniß bekannt wurde, daß wenn ein Kind umgewendet werde, was für einen Geburtshelfer eine leichte Sache sei, so daß es dann bei den Füßen herausbefördert werden könne – dann nicht das Cerebrum gegen das Cerebellum hingetrieben werde, sondern umgekehrt, das Cerebellum gegen das Cerebrum, wodurch keinerlei Beschädigung eintreten könne, – da rief er aus: Bei Gott! die Welt hat sich ja förmlich verschworen, das Bißchen Verstand, das uns Gott gegeben hat, auszutreiben – und die Professoren der Geburtshilfe stecken mit im Complot. – Was macht das mir, ob mein Sohn mit diesem oder jenem Ende zuerst auf die Welt kommt, wenn nur Alles gut dabei abläuft und sein Cerebellum nicht beschädigt wird!

Es liegt in der Natur der Hypothese, daß wenn man einmal eine solche empfangen hat, man ihr Alles und Jedes als passende Nahrung zuführt; und sie von dem erstem Augenblick ihrer Erzeugung in der Regel an allem wächst, was man sieht, hört, liest oder kennen lernt. Das ist sehr vorteilhaft.

Nachdem sie mein Vater einen Monat lang mit sich herumgetragen, gab es kaum noch irgend eine Erscheinung der Thorheit oder des Genies, die er nicht sofort mittelst derselben zu lösen vermochte: – aus ihr erklärte er sich, weßhalb der älteste Sohn in der Regel der größte Dummkopf in der Familie sei. – Der arme Teufel! pflegte er zu sagen, er mußte dem Talent seiner jüngeren Brüder die Bahn brechen. – Hieraus erklärte sich ihm die an Faselnarren und unförmlichen Köpfen gemachte Beobachtung – es konnte ja à priori gar nicht anders sein – wofern nicht . . . ich weiß nicht was. Es erklärte sich hieraus aufs wundervollste der Scharfsinn des asiatischen Genius, die lebhaftere Natur, die durchdringendere Anschauungsweise des Geistes in wärmeren Ländern; da ließ er die matte, alltägliche Erklärung durch den klaren Himmel, den beständigen Sonnenschein u. s. w. nicht gelten – denn durch die letzteren Ursachen konnten ja die Seelenkräfte, wenn sie übertrieben wirkten, ebenso leicht verdünnt und abgeschwächt werden, wie sie in kälteren Ländern durch das zu wenig verdichtet werden konnten; – er führte die Sache vielmehr zu ihrer Quelle zurück; – zeigte, daß die Natur in wärmeren Ländern eine leichtere Steuer auf den schönsten Theil der Schöpfung gelegt – ihm mehr Vergnügen gewährt und weniger Nöthen auferlegt habe, so daß der Druck auf den Wirbel bei der Geburt so gering sei, daß dabei die ganze ursprüngliche Organisation des Cerebellum gewahrt bleibe; – ja er glaube, daß dort bei natürlichen Geburten auch nicht eine einzige Faser des Gewebes verrückt oder verletzt werde, – so daß der Geist darin so handeln könne wie es ihm beliebe.

Nachdem mein Vater einmal so weit gekommen war – warfen die Berichte über den Kaiserschnitt und die großen Genies, welche durch ihn zur Welt gekommen waren, ein weiteres mächtiges Licht auf diese Hypothese! Daran können Sie es sehen! pflegte er zu sagen, hiebei hat das Sensorium keinen Schaden gelitten, – der Kopf wurde nicht gegen das Becken gedrückt, – das Cerebrum nicht gegen das Cerebellum vorgetrieben, weder durch das os pubis aus der einen, noch durch das os coxygis auf der andern Seite; – und was waren die glücklichen Ergebnisse dieser Operation? Nun zuerst Julius Cäsar, der ihr den Namen gab, – Hermes Trismegistus, der so zur Welt kam noch ehe die Operation einen Namen hatte, – Scipio Africanus, Manlius Torquatus, unser Eduard VI. – Der, wenn er nur am Leben geblieben wäre, der Hypothese gewiß alle Ehre gemacht haben würde; – diese Männer und noch manche andere, die eine hohe Stufe in den Annalen des Ruhms einnehmen – kamen von der Seite in die Welt.

Sechs Wochen lang ging der Schnitt in den Abdomen und Uterus meinem Vater im Kopf herum; – er hatte mit Befriedigung ablesen, daß Einschnitte in das Epigastrium und die Matrix nicht tödtlich seien, und der Leib der Mutter somit mit Leichtigkeit geöffnet werden könne, um das Kind durchzulassen. – Er erwähnte die Sache eines Abends gegen meine Mutter – vorerst nur als eine Thatsache; aber als er sah, daß sie schon beim Nennen der Sache todesblaß wurde, so hielt er es doch, so sehr die Operation seinen Hoffnungen geschmeichelt haben würde, – für besser, nicht mehr darauf zurückzukommen, – und begnügte sich etwas zu bewundern, was er gleichwol für zwecklos hielt in Vorschlag zu bringen.

Dies war also die Hypothese meines Vaters, des Herrn Shandy. Ich habe nur noch beizufügen, daß mein Bruder Bobby derselben so große Ehre machte (mochte er nun der Familie welche machen oder nicht) als irgend einer der angeführten Herren; denn da er nicht nur wie ich bereits gemeldet, getauft wurde als mein Vater sich in Epsom befand, sondern auch zu dieser Zeit zur Welt kam – er überdies das erste Kind meiner Mutter war, – mit dem Kopf voraus geboren wurde – und hernach ein Bursche von merkwürdig schwachen Geisteskräften wurde – so buchstabirte sich mein Vater dies Alles in seinen Gedanken zusammen; und da er mit dem einen Ende kein Glück gehabt hatte, – so war er entschlossen, es diesmal mit dem andern zu probiren.

Dabei war aber von der Hebammenzunft nichts zu hoffen, die sich nicht so leicht aus dem gewohnten Weg bringen läßt; – deßhalb war mein Vater so sehr für einen Mann der Wissenschaft, – mit dem er besser zu fahren hoffte.

Von allen Männern in der Welt erschien ihm aber Dr. Slop als der geeignetste; denn wenn auch seine neu erfundene Zange eine Waffe, die er erprobt hatte, und seiner Ansicht nach das beste Instrument für die Entbindung war, so hatte er doch in seinem Buch hierüber auch ein Paar Worte zu Gunsten der Sache fallen lassen, die meinem Vater durch den Kopf ging; – zwar nicht in dem Sinne einer Wahrung der Geisteskräfte durch das Entbinden bei den Füßen, wie mein Vater im Sinne hatte – sondern lediglich aus geburtshilflichen Gründen.

Hieraus erklärt sich, weßhalb sich mein Vater in dem nun folgenden Gespräch, das ein wenig scharf gegen meinen Onkel Toby ging, auf die Seite des Dr. Slop schlug – Wie ein einfacher Mann, der nichts für sich hatte als den gewöhnlichen Menschenverstand, es mit zwei solchen in der Wissenschaft Verbündeten aufnehmen konnte, – ist schwer zu begreifen. – Der Leser möge sich gefälligst seine Gedanken hierüber machen, – und wenn einmal seine Einbildungskraft im Gang ist, so möge er ihr Muth machen noch weiter zu gehen und zu erforschen suchen, aus welchen Gründen und natürlichen Wirkungen es sich so machte, daß mein Onkel durch die Wunde, die er am Schambein bekam, so schüchtern und zartfühlend wurde. – Der Leser mag sich ein System zurecht machen und sich den Verlust meiner Nase aus den Artikeln des Ehecontractes erklären; – er kann der Welt zeigen, wie es kam, daß ich das Unglück hatte, Tristram genannt zu werden, trotz der gegentheiligen Hypothese meines Vaters und trotz den Wünschen der ganzen Familie, Pathen und Pathinnen nicht ausgeschlossen. – Diese und noch fünfzig andere bis jetzt unaufgeklärte Dinge mag er zu lösen suchen, wenn er die Zeit dazu hat; – ich sage ihm aber zum Voraus, es wird ihm nicht gelingen, denn selbst der weise Alquise, der Zauberer in Don Beliane's von Griechenland, und die nicht weniger berühmte Hexe Urganda, dessen Gemahlin, würde (wenn beide noch lebten) der Wahrheit nicht auf eine Wegstunde nahe kommen.

Der Leser muß sich indessen bescheiden, die vollständige Erklärung dieser Dinge erst im nächsten Jahre zu vernehmen, – wenn erst eine Reihe anderer Dinge, von denen er sich nichts träumen läßt, auseinander gesetzt worden sind.Bis hierher ging das 2. Buch der 1. Auflage.

45. Kapitel.

Ich wollte, Dr. Slop, sagte mein Onkel Toby (indem er seinen Wunsch Dr. Slop ein zweites Mal aussprach und zwar in einem eifrigeren und ernsteren Tone, als das erste Mal). Ich wollte, Dr. Slop, sagte mein Onkel Toby, Sie hätten gesehen, was wir für wundervolle Armeen in Flandern hatten.

Der Wunsch meines Onkels Toby kam Dr. Slop so quer, wie das gute Herz Jenes es nie gegen einen Menschen beabsichtigte; – er verwirrte ihn – und da hiebei seine Gedanken in eine Unordnung geriethen, die bald in Flucht ausartete, so konnte er sie um keinen Preis wieder sammeln.

In allen – weiblichen oder männlichen – Wortgefechten, mag es sich nun um Ehre, Nutzen oder Liebe handeln – der Gegenstand thut nichts zur Sache; – ist nichts gefährlicher als ein Wunsch, der so unerwartet von der Flanke her über uns kommt. Die beste Art, wie man im Allgemeinen einem solchen Wunsch seine Kraft nimmt, ist wenn der Theil, an den der Wunsch gerichtet ist, sofort auf die Beine springt und dem Wünschenden irgend einen andern Wunsch von ungefähr dem gleichen Werth entgegen wirft; – indem man so die Sache aus dem Fleck ins Gleichgewicht bringt, bleibt man stehen, wo man stand; – ja bisweilen gewinnt man hiebei den Vortheil des angreifenden Theils.

Ich werde dies der Welt in meinem Kapitel über die Wünsche des Näheren auseinandersetzen.

Dr. Slop verstand sich nicht auf diese Art der Vertheidigung – er ließ sich vielmehr verblüffen, und das Gespräch erlitt eine 4½ Minuten lange Pause; – 5 Minuten wären vernichtend dafür geworden: – aber mein Vater bemerkte die Gefahr; – das Gespräch war eines der interessantesten von der Welt, es handelte sich ja darum: »ob das Kind seiner Gebete und Anstrengungen mit oder ohne Kopf zur Welt kommen sollte.« – Er wartete bis auf den letzten Augenblick, daß Dr. Slop, an den der Wunsch gerichtet war, sein Recht der Entgegnung benützen würde – da er aber wie gesagt, bemerkte, daß Jener ganz verblüfft war und mit jener wirren Leere im Auge, die den Confusen eigen ist, – bald meinem Onkel Toby ins Gesicht starrte, – bald ihm selbst, – bald an die Decke, – bald auf den Boden, – bald nach Ost – bald nach Ost-Nord-Ost, – dann an der Randleiste des Getäfers bis zum entgegengesetzten Punkte der Windrose hinschiffte – und bereits begonnen hatte, die messingenen Nägel am Arm seines Lehnstuhls zu zählen, – so glaubte mein Vater, es sei jetzt mit meinem Onkel Toby keine Zeit zu verlieren, er nahm also die Rede wie folgt wieder auf: –

46. Kapitel.

Was ihr für wundervolle Armeen in Flandern hattet! Bruder Toby, erwiderte mein Vater, wobei er seine Perrücke mit der rechten Hand vom Kopf nahm und mit der linken ein gestreiftes ostindisches Tuch aus seiner rechten Rocktasche zog, um sich den Kopf zu reiben, während er gegen meinen Onkel Toby vorging.

Nun aber glaube ich, daß mein Vater hierin sehr zu tadeln war, und werde gleich meine Gründe hiefür auseinander setzen.

Dinge, die an sich scheinbar nicht von größerer Bedeutung waren, als der Umstand, ob mein Vater seine Perrücke mit der rechten oder der linken Hand abnahm, – haben die größten Reiche gespalten und die Kronen der Monarchen, die sie regierten, auf ihren Köpfen ins Schwanken gebracht. – Ich brauche dem Leser auch nicht erst zu sagen, daß die Umstände, womit jedes Ding auf dieser Welt umgeben ist, jedem Ding auf dieser Welt seine Größe und Gestalt verleihen – und indem sie es auf die eine oder andere Art verengen oder erweitern, es zu dem machen was es ist – groß – klein – gut – schlecht – gleichgültig oder interessant wie es sich eben trifft.

Da sich das ostindische Taschentuch meines Vaters in seiner rechten RocktascheEs ist die vordere Rocktasche nach dem damaligen Rockschnitt gemeint. befand, so hätte er in keiner Weise zugeben sollen, daß sich seine rechte Hand mit etwas anderem abgab; im Gegentheil statt seine Perrücke mit ihr herunterzunehmen, hätte er dies Geschäft ganz seiner linken Hand überlassen sollen; wenn dann ein natürliches Bedürfniß meinen Vater veranlaßte sich den Kopf zu reiben, und er dazu sein Taschentuch nöthig hatte, so brauchte er nichts zu thun als seine rechte Hand in seine rechte Rocktasche zu stecken und es herauszuziehen; – was er dann ohne alle Gewaltsanstrengung, ohne die geringste ungraziöse Verdrehung irgend einer Sehne oder Muskel an seinem ganzen Körper hätte bewirken können.

In diesem Falle wäre (wofern nicht mein Vater durchaus einen Pinsel aus sich machen wollte, indem er die Perrücke steif in der linken Hand hielt, – oder am Ellbogen oder der Armgrube irgend einen unsinnigen Winkel machte) – seine ganze Haltung leicht – natürlich – ungezwungen gewesen. Reynolds selbst, so großartig und anmuthig er auch seine Portraits auffaßt, hätte ihn, wie er so da saß, malen können.

Nun aber stelle man sich einmal vor, welche verzwickte Figur mein Vater machte, als er diese Sache so angriff wie ich oben beschrieben habe.

Zu Ende der Regierung der Königin Anna und zu Anfang der Regierung Königs Georg des Ersten, waren die Rocktaschen noch dazu sehr weit unten in den Schooß geschnitten. – Ich sage nichts weiter; – der Vater des Bösen hätte vier Wochen lang daran schmieden können, er hätte für Jemand in meines Vaters Lage keine schlimmere Mode herausbringen können.

47. Kapitel.

Unter keines Königs Regierung war es (wenn man nicht ein so magerer Unterthan war wie ich) eine leichte Sache mit der Hand diagonal, quer über den ganzen Leib, bis nach dem unteren Ende der entgegengesetzten Rocktasche zu fahren. Im Jahr Ein Tausend Sieben Hundert und Achtzehen aber, wo Obiges geschah, war es sehr schwer; so daß als mein Onkel Toby die querlaufende Zickzacklinie der Approchen meines Vaters gewahrte, ihm sogleich diejenigen einfielen, in denen er vor dem Thor St. Nicolaus Dienst gethan hatte; – diese Idee aber brachte seine Gedanken so vollständig von dem Gegenstande ab, der eben verhandelt wurde, daß er bereits die rechte Hand ausstreckte, um Trim zu schellen, damit er seinen Plan von Namur nebst Zirkel und Sector hole, um die einspringenden Winkel der Traversen dieses Angriffs zu messen – besonders aber denjenigen, wo er seine Wunde an dem Schambein erhielt.

Mein Vater runzelte die Stirne und wie er sie runzelte, schien ihm alles Blut seines Körpers ins Gesicht zu steigen – mein Onkel Toby stieg sogleich ab. – Ich habe nicht gewußt, daß Ihr Onkel Toby zu Pferd gestiegen war? –

48. Kapitel.

Eines Menschen Leib und Seele sind, mit der äußersten Achtung vor beiden sei es gesagt, gerade wie eine Jacke und deren Futter; – verkrümpelt man die eine, verkrümpelt man auch das andere. Dieser Fall erleidet nur eine einzige Ausnahme, nämlich wenn man so glücklich ist, eine Jacke von gummirtem Taffet und ein Futter von Sarsenet oder dünner Seide zu besitzen.

Zeno, Cleanthes, Diogenes, Babylonius, Dionysius, Heracleotes, Antipater, Panätius und Possidonius unter den Griechen; – Cato, Varro und Seneca unter den Römern; Pantenus, Clemens Alexandrinus und Montaigne unter den Christen; und etliche und dreißig so gute, rechtschaffene, gedankenlose Shandyänen als jemals lebten, deren Namen mir aber entfallen sind, – haben alle behauptet, ihre Jacken seien von dem eben bezeichneten Stoffe gewesen: – man habe sie nach allen Richtungen verkrümpeln und verrunzeln, zusammenlegen und falten, zerreiben und zerknittern; – kurz man habe auf das Schauderhafteste damit umgehen können, und doch sei an der Inseite, am Futter auch nicht ein Faden verrückt worden, man habe thun mögen, was man wollte.

Ich glaube aufrichtig, daß auch meine Jacke so ziemlich in diese Kathegorie gehört: – denn noch nie wurde eine arme Jacke in solchem Maße zerkratzt als die meinige in diesen letzten – Monaten, – und gleichwol darf ich behaupten. daß ihr Futter – so weit ich es wenigstens beurtheilen kann, – dadurch nicht um ein Dreipencestück schlechter geworden ist; – kreuzweis, überzwerch, hinter sich, für sich, vorn und hinten, an der kurzen und an der langen Seite, mit Stich und mit Hieb, haben sie es mir ausgeklopft: – wäre das Futter im geringsten gummirt gewesen, es wäre bei Gott! schon längst bis zu einem Faden zerrieben und abgenutzt.

Ihr Herrn Zeitungskritiker, wie habt ihr meine Jacke so mißhandeln können, wie ihr thatet? – Wer sagte euch, daß ihr auf diese Art nicht auch mein Futter zu Grunde richten würdet?

Von ganzem Herzen und von ganzer Seele empfehle ich euch und eure Angelegenheiten dem Schutze des Wesens, das nicht will, daß Einem von uns Etwas geschehe; – Gott sei mit euch! Wenn aber im nächsten Monat wieder Einer oder der Andere von euch mit den Zähnen knirscht und gegen mich stürmt und wüthet wie im letzten Mai (wo es allerdings, so viel ich mich erinnere, sehr heiß war), – so ärgert euch nicht, wenn ich abermals mit gutem Humor darüber weggehe, – denn ich bin nun einmal entschlossen, so lange ich lebe oder schreibe (was in meinem Falle dasselbe ist) einem solchen Ehrenmann nie ein schlimmeres Wort zu geben oder ihm mit einem schlimmeren Wunsch zu kommen, als mein Onkel Toby mit jener Fliege that, die ihm das ganze Mittagessen über um die Nase geschwirrt hatte. – Geh – geh, armes Ding, sagte er; – mach' daß du fort kommst: – warum sollte ich dir etwas thun? Die Welt ist ja groß genug für uns Beide.

49. Kapitel.

Ein Jeder, der einigermaßen rückwärts zu schließen verstand und in Acht nahm, welche Menge Blut meinem Vater zu Gesichte stieg, – wodurch er (da ihm wie gesagt alles Blut, was er im Leib hatte, in das Gesicht gestiegen zu sein schien) malerisch, wie wissenschaftlich gesprochen, um 6½ Tinte, wo nicht gar um eine volle Octave über seine natürliche Farbe an Röthe zulegen mußte; – ein Jeder (nur nicht mein Onkel Toby) der dies bemerkt hätte – zumal wenn er noch das heftige Zusammenziehen der Augbrauen meines Vaters und die ungewöhnliche Verdrehung seines ganzen Körpers während jenes Vorgangs in Betracht zog – würde hieraus den Schluß gezogen haben, daß mein Vater wüthend sei; und war er dann – dies vorausgesetzt – auch noch ein Freund jener Art Harmonie, die aus zwei solchen genau zusammengestimmten Instrumenten entsteht, – so würde er sofort das seinige auf die gleiche Höhe geschraubt haben – und dann war der Teufel und die ganze Hölle los – und das Stück wurde aufgespielt wie Nr. 6 von Avison Scarlatti – nämlich con furia – möglichst toll. – Geduld! Geduld! Was hat con furiacon strepido oder irgend sonst ein Höllenlärm mit Harmonie zu thun?

Ein Jeder, sag' ich, – nur mein Onkel Toby nicht, dessen Herzensgüte jede körperliche Bewegung auf die freundlichste Art, die sie gestattete, auslebte, – würde den Schluß gezogen haben, daß mein Vater höchst ärgerlich sei und würde ihn noch dazu gezankt haben. Mein Onkel Toby schmähte auf Niemand als auf den Schneider, der die Tasche zugeschnitten hatte – er saß also ruhig da, bis mein Vater sein Taschentuch herausgebracht hatte und sah ihm die ganze Zeit über mit der äußersten Gutmüthigkeit ins Gesicht – bis mein Vater endlich also fort fuhr: –


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