Laurence Sterne
Tristram Shandy
Laurence Sterne

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57. Kapitel.

Ach du meine Güte! – meine arme Herrin ist am Ohnmächtigwerden – und ihre Wehen setzen aus – und die Tropfen sind fertig – und die Flasche mit dem Kühltrank ist zerbrochen – und die Wärterin hat sich in den Arm geschnitten – (und ich in den Daumen! rief Dr. Slop); und das Kind ist wo es war, fuhr Susanne fort – und die Hebamme ist rückwärts auf die Kante des Kamingitters gefallen, so daß ihre Hüfte so schwarz aussieht wie Ihr Hut. –

– Da will ich gleich darnach sehen, sagte Dr. Slop. – Das ist nicht nöthig, erwiderte Susanne, sehen Sie lieber nach meiner Herrin – die Hebamme möchte Ihnen aber vorher gerne berichten, wie die Sachen stehen; sie läßt Sie daher ersuchen geschwind heraufzukommen.

Die menschliche Natur ist in jedem Handwerk die gleiche.

Die Hebamme war Dr. Slop vorgezogen worden – das hatte er nicht verdaut. – Nein, erwiderte Dr. Slop, es würde sich vielmehr passen, wenn die Hebamme zu mir herunter käme. – Ich liebe die Subordination, sprach mein Onkel Toby – wenn die nicht gewesen wäre, so weiß ich nicht, was nach der Einnahme von Lille aus der Garnison von Gent geworden wäre, als da im Jahre Zehen ein Brodcravall entstand. – Und ich, erwiderte Dr. Slop, (indem er meines Onkel Toby's Steckenpferd-Betrachtung parodirte, obschon er selbst ein ebenso großer Steckenpferdreiter war) – und ich, Capitain Shandy, weiß nicht, was aus der Garnison da droben bei der Verwirrung und dem Cravall, der jetzt entstanden zu sein scheint, werden könnte, zeigten nicht Finger und Daumen Subordination gegen † † † † – ja die Anwendung derselben ist bei diesem meinem Mißgeschick so sehr angezeigt, Herr, daß ohne sie der Schnitt in meinem Daumen von der Familie Shandy solange hätte verspürt werden können als die Familie Shandy einen Namen trägt.

 
58. Kapitel.

Wir kommen auf die † † † † im vorigen Kapitel zurück. Es ist ein ganz besonderer Pfiff der Beredsamkeit (wenigstens war es so, als die Beredsamkeit noch in Athen und Rom blühte; und würde jetzt noch so sein, wenn unsere Redner Mäntel trügen), den Namen eines Dinges nicht zu nennen, wenn man das Ding in petto bei sich trägt und es flugs hervorziehen kann, sobald man es braucht. Sei es nun eine Narbe, eine Axt, ein Schwert, ein durchlöchertes Wamms, ein rostiger Helm, 1½ Pfund Pottasche in einer Urne, oder ein irdener Topf für anderthalb Pence; – vor Allem aber ein zartes königlich geschmücktes Kind; – obschon dieses, wenn es noch sehr jung ist und die Rede solange dauert wie des Tullius Cicero zweite Philippika, nothwendig den Mantel des Redners vermachen müßte; – und dann wieder, wenn es zu alt ist, – es für das Geberdenspiel so unbequem und beschwerlich würde, daß er durch das Kind wieder ebensoviel verlöre als er damit gewinnen könnte. Im anderen Falle aber, wenn ein politischer Redner das richtige Alter auf die Minute hin getroffen – sein Bambino im Mantel so schlau, daß es kein Sterblicher riechen kann, verborgen – und dann so geschickt zum Vorschein gebracht hat, daß keine Seele sagen kann, es sei auf eine erzwungene Weise geschehen – o meine Herren, dann hat es stets Wunder bewirkt, – es hat die Thränen-Schleußen einer halben Nation eröffnet, ihre Köpfe verdreht, ihre Grundsätze erschüttert und ihre Politik aus den Angeln gehoben.

Solche Thaten konnten jedoch wie gesagt nur in den Staaten und zu den Zeiten geschehen. da die Redner Mäntel trugen – und zwar hübsch weite Mäntel, meine Brüder, von etlich und 20 oder 25 Ellen guten Purpurs, extrafeinen, marktfähigen Tuches, – mit breiten fließenden Falten und Futter, und in einem großen Stil der Zeichnung.

Aus welchem Allem – wenn der geneigte Leser erlaubt, deutlich hervorgeht, daß der Verfall der Beredsamkeit und der geringe gute Dienst, den sie gegenwärtig in und außer dem Hause leistet, von nichts anderem herrührt als von den kurzen Röcken und dem Abkommen der Pluderhosen. – Unter unsern jetzigen können wir nichts bergen, Madame, was des Vorzeigens werth wäre.

59. Capitel.

Dr. Slop wäre um ein Haar eine Ausnahme von dieser Regel gewesen: denn da er zufällig seinen grünwollenen Beutel auf den Knieen liegen hatte, als er meinen Onkel Toby zu parodiren begann – so war dies für ihn so gut wie der beste Mantel auf der Welt; zu welchem Ende er, sobald er merkte, daß der Satz mit seiner neuerfundenen Zange schließen würde, die Hand in den Beutel steckte, um sofort mit jener an der Stelle, wo der geneigte Leser die † † † † bemerkte, hereinzuklappen. Und hätte er dies zu Stande gebracht – so war mein Onkel Toby unzweifelhaft geschlagen, da Satz und Beweis dann so scharf zusammenfielen, wie die zwei Facen, welche den ausspringenden Winkel eines Ravelins bilden. – Dr. Slop hätte sie nicht fahren lassen – und mein Onkel Toby wäre wol eben so leicht auf Flucht bedacht gewesen, als daß er sie mit Gewalt gekommen hätte; allein Dr. Slop krabbelte so ungeschickt herum, bis er sie herausbrachte, daß er dem Effect die Spitze vollständig abbrach, und was noch zehen Mal schlimmer war (denn solche Widerwärtigkeiten kommen nie allein im Leben), wie er die Zange herauszog, nahm diese zum Unglück auch noch die Spritze mit heraus.

Wenn ein Satz auf zwei verschiedene Arten verstanden werden kann, – so ist es ein Gesetz des Wortgefechts, daß der Antwortgeber auf denjenigen Sinn erwidern darf, der ihm am passendsten dünkt oder am meisten gefällt. – Dies brachte den Vortheil ganz auf Seite meines Onkels Toby. – Guter Gott! rief mein Onkel Toby. bringt man denn die Kinder mittelst einer Spritze zur Welt?

60. Kapitel.

Aus Ehre, mein Herr, Sie haben mir mit Ihrer Zange alle Haut von dem Rücken meiner beiden Hände heruntergeschunden, schrie mein Onkel Toby – und meine Knöchel zu Brei zusammengedrückt. – Daran sind Sie selbst Schuld, sagte Dr. Slop, – Sie hätten, wie ich Ihnen sagte, Ihre beiden Fäuste in der Form eines Kinderkopfes zusammendrücken und dabei still sitzen sollen. – Das hab' ich auch gethan, sagte mein Onkel Toby. – Dann waren die Spitzen meiner Zange nicht gehörig hergerichtet, oder die Schließe nicht fest – oder ist es auch möglich, daß mich der Schnitt in meinen Daumen etwas ungeschickt gemacht hat – oder möglicherweise – Es ist nur gut, bemerkte mein Vater, indem er das Detail der Möglichkeiten unterbrach – daß der Versuch nicht zuerst am Kopf meines Kindes gemacht wurde. – Er wäre nicht um einen Kirschkern schlechter weggekommen, erwiderte Dr. Slop. – Und ich behaupte, sagte mein Onkel Toby, es hätte ihm das Cerebellum zerquetscht (wofern der Schädel nicht so hart wie eine Granate war) und es vollständig in Molken verwandelt. – Ach was! erwiderte Dr. Slop, der Kopf eines Kindes ist von Natur so weich wie das Fleisch eines Apfels; – die Nähte geben nach, – und über dies hätte ich es ja nachher bei den Füßen extrahiren können. – Aber Sie nicht – sagte sie. – Ich wollte, Sie fingen mit letzterem an, versetzte mein Vater.

Darum möcht' ich auch gebeten haben, setzte mein Onkel Toby hinzu.

61. Kapitel.

– Aber ich bitte Sie, liebe Frau, wollen Sie es auf Ihre Verantwortung nehmen zu behaupten, Sie haben des Kindes Kopf gespürt, könnte es nicht ebensogut die Lende sein? – (Es ist ganz gewiß der Kopf, erwiderte die Hebamme.) – Denn, fuhr Dr. Slop gegen meinen Vater gewendet fort, so bestimmt sich auch diese alten Frauen in der Regel aussprechen – so ist das doch sehr schwer genau zu wissen – und doch ist es höchst wichtig, es zu wissen – denn würde die Lende für den Kopf genommen, – so wäre es leicht möglich (wenn es ein Knabe ist), daß durch die Zange † † † †

Was für eine Möglichkeit hierbei war, flüsterte Dr. Slop meinem Vater und dann meinem Onkel Toby ganz leise ins Ohr. – Bei dem Kopf hat es diese Gefahr nicht, setzte er hinzu. – Nein wahrhaftig, erwiderte mein Vater; – wenn aber einmal das was Sie für möglich halten, an der Lende stattgefunden hätte – dann könnten Sie ihm ebensogut auch noch den Kopf mitnehmen.

Es ist moralisch unmöglich, daß der Leser dies verstehen kann; – es genügt, daß Dr. Slop es verstand – er nahm nun den grünwollenen Beutel zur Hand und trippelte in Obadiah's Hausschuhen für einen Mann seiner Dicke ziemlich hurtig durch das Zimmer nach der Thüre; – dort zeigte ihm die gute alte Hebamme den Weg nach den Gemächern meiner Mutter.

62. Kapitel.

Es sind jetzt zwei Stunden und zehen Minuten – nicht mehr, – seit Dr. Slop und Obadiah ankamen, sagte mein Vater, indem er auf seine Uhr sah; – und ich weiß nicht wie es kommt, Bruder Toby, – aber es will mich bedünken, als sei es schon eine Ewigkeit her.

– Da, lieber Leser – bitte, nehmen Sie meine Mütze; – o nehmen Sie nur die Schelle auch mit, und meine Pantoffeln dazu.

Sie stehen Ihnen vollständig zu Dienste; ja ich mache Ihnen ein Geschenk damit, unter der Bedingung, daß Sie diesem Kapitel Ihre ganze Aufmerksamkeit schenken.

Mein Vater sagte zwar: er wisse nicht wie es komme, – er wußte jedoch recht gut wie es kam; – und war schon in dem Augenblick wo er so sprach, innerlich entschlossen, meinem Onkel Toby hierüber genaue Rechenschaft zu geben und zwar in einer metaphysischen Dissertation über die Zeitdauer und ihre einfachen Grade, und meinem Onkel Toby dabei auseinanderzusetzen, durch welchen Mechanismus, durch welche Messungen im Gehirn es geschehen sei, daß die rasche Aufeinanderfolge ihrer Ideen und das beständige Springen der Unterhaltung von einem Gegenstand zum andern, seitdem Dr. Slop in das Zimmer getreten war, einem so kurzen Zeitraum eine so unbegreiflich lange Ausdehnung gegeben hatte. – Ich weiß nicht wie es kommt – sagte mein Vater, – aber es kommt mir wie eine Ewigkeit vor.

– Das, erwiderte mein Onkel Toby, kommt einzig von der raschen Aufeinanderfolge unserer Ideen her.

Mein Vater, der wie alle Philosophen die Wuth hatte, über Alles was ihm aufstieß zu raisonniren und es zu erklären zu suchen, – hatte sich bereits ein ungeheures Vergnügen davon versprochen, sich über die Ideenfolge auszusprechen. Es fiel ihm nicht im Schlafe ein, daß mein Onkel Toby ihm die Sache so aus der Hand winden würde, denn dieser Biedermann nahm alle Dinge in der Regel wie sie kamen, – und plagte sein Gehirn mit nichts weniger auf der Welt als mit dunkeln Ideen – mit den Gedanken von Zeit und Raum – oder mit der Frage wie wir zu diesen Gedanken kämen – oder aus welchem Stoffe sie bestünden – oder ob sie mit uns geboren seien – oder ob wir sie später unterwegs wo aufgeschnappt – ob wir es im Kinderröckchen gethan – oder erst nach dem wir Hosen bekommen, – nebst noch tausend andern Fragen und Betrachtungen über Unendlichkeit, Vorherwissen, Freiheit, Notwendigkeit u. s. w., über welchen verzweifelten und nicht zu bewältigenden Ideen schon so manche feine Köpfe sich verdrehten und zerbrochen wurden – dem Allem that mein Onkel Toby nie das Geringste; das wußte mein Vater – und war deshalb ebenso erstaunt als verblüfft über meines Onkels zufällig Lösung der Frage.

Kennst du die Theorie, die dieser Sache zu Grunde liegt? erwiderte mein Vater.

O nein, sagte mein Onkel.

Aber du hast doch eine gewisse Idee, von dem was du gesagt hast? fuhr mein Vater fort.

So wenig wie mein Pferd, erwiderte mein Onkel Toby.

Guter Gott! rief mein Vater, indem er nach Oben sah und die Hände zusammenschlug, – es liegt ein gewisser Werth in deiner ehrlichen Unwissenheit, Bruder Toby; – fast ist es Schade, sie gegen die Kenntniß umzutauschen. – Ich will dir aber sagen, wie die Sache ist.

Um zu verstehen, was Zeit eigentlich ist, ohne welchen Begriff wir die Unendlichkeit nie verstehen können, da jene ein Theil dieser ist – müssen wir ernstlich in Betracht ziehen, welchen Begriff wir von einer Dauer haben, um uns Rechenschaft darüber geben zu können, wie wir dazu gelangten. – Zu was soll denn das gut sein? fragte mein Onkel Toby.Siehe Locke. – Denn wenn du deinen Blick auf dein Inneres heftest, fuhr mein Vater fort, und es aufmerksam beobachtest, so wirst du finden, Bruder, daß während du und ich miteinander sprechen und denken und unsere Pfeifen rauchen, oder während wir nach und nach Ideen in uns aufnehmen, wir bewußt sind, daß wir existiren; und so betrachten wir unsere Existenz oder die Fortdauer derselben, oder von irgend etwas, nach dem Maßstab der Ideenfolge in unserem Innern, der Dauer unserer selbst oder irgend eines anderen Dings, das mit unserem Denken coexistirt; so folgt aus dem Vorgedachten – mir steht der Verstand still! rief mein Onkel Toby.

Daher kommt es, versetzte mein Vater, daß wir bei unserer Berechnung der Zeit so an Minuten, Stunden, Wochen und Monate – und an Uhren gewöhnt sind (ich wollte, es gäbe im ganzen Königreiche keine Uhr), um ihre einzelnen Theile und uns unseren Angehörigen zuzumessen – daß es gut gehen muß, wenn uns für die Zukunft die Folge unserer Ideen überhaupt zu irgend etwas nutz sein soll.

Nun findet aber, fuhr mein Vater fort, ob wir es nun beobachten oder nicht, in jedes gesunden Mannes Kopf eine regelmäßige Ideenfolge irgend einer Art statt, welche Ideen einander gerade so folgen wie ein Zug – wie ein Zug Artillerie? fragte mein Onkel Toby. – Ein Zug Unsinn! – sagte mein Vater, – welche einander in unserem Geist auf gewisse Entfernungen folgen, gerade wie die Bilder im Innern einer Laterne, welche durch die Wärme eines Lichts herum gedreht werden. – Da muß ich sagen, rief mein Onkel Toby aus, in meiner Laterne sind es lauter Rauchbilder. – Dann Bruder Toby, sagte mein Vater, habe ich dir nichts mehr über die Sache zu sagen.

63. Kapitel.

Welch' eine herrliche Conjunctur ging auf diese Art verloren! – Mein Vater war in seiner besten Erklärerlaune – in eifrigster Verfolgung eines metaphysischen Ziels bis in die Regionen, wo es sich bald in Wolken und dichter Finsterniß verloren hätte; – mein Onkel Toby in einer der schönsten Stimmungen von der Welt; – sein Kopf wie eine Rauchlaterne – der Rauchfang ungeputzt, die Ideen schwirrten darin umher, vollständig dunkel und mit Rußstoff geschwärzt! – Beim Grabmal Lucians – wenn er eines hat; – wo nicht, bei seiner Asche! bei der Asche meines theuern Rabelais, meines noch theureren Cervantes! – meines Vaters und meines Onkel Toby's Gespräch über Zeit und Ewigkeit – war ein Gespräch, das jedes frommen Wunsches würdig war! und der ungestüme Humor meines Vaters, der ihm so plötzlich ein Ende machte, war ein wahrer Juwelenraub aus der ontologischen Schatzkammer, und es sieht nicht darnach aus, als ob ein Zusammentreffen großer Gelegenheiten und großer Männer dasselbe jemals wieder bringen könnte.

64. Kapitel.

Obschon aber mein Vater darauf beharrte, diese Unterhaltung nicht weiter fortzusetzen – so konnte er doch meines Onkel Toby's Rauchlaterne nicht aus dem Kopfe kriegen – so sehr sie ihn anfangs verletzt hatte; – es lag in dem Vergleiche doch im Grunde etwas, was seine Phantasie frappirte; er ließ den Ellbogen auf dem Tisch ruhen, neigte die rechte Seite seines Kopfes gegen die flache Hand – sah zuerst noch starr ins Feuer – und begann dann mit sich selbst darüber zu Rathe zu gehen und zu philosophiren; da aber sein Kopf durch die Anstrengung, womit er nach neuen Pfaden forschte und die beständige Beschäftigung des Gehirns mit jenen mannichfaltigen Gegenständen, auf die die Unterhaltung nach und nach gerathen, müde geworden war – so kehrte die Idee der Rauchlaterne seine Gedanken bald vollends ganz zu unterst und oberst – so daß er in Schlaf versank, ehe er wußte, woran er eigentlich damit war.

Was meinen Onkel Toby betrifft, so hatte sich seine Rauchlaterne kaum ein Dutzend Mal umgedreht, als er ebenfalls in Schlaf versank. – Friede sei mit ihnen beiden! – Dr. Slop ist mit der Hebamme und meiner Mutter in der oberen Stube beschäftigt. – Trim verwandelt ein Paar alte Kanonenstiefel in Mörser, um sie als solche nächsten Sommer bei der Belagerung von Messina zu verwenden; – er bohrt gerade die Zündlöcher mit der Spitze eines glühenden Schüreisens. – So sind mir alle meine Helden aus der Hand geschlüpft; – es ist das erste Mal, daß ich einen Augenblick übrig habe, – ich will ihn daher benutzen und meine Vorrede schreiben.

Die Vorrede des Autors.

Nein, ich will nicht ein Wort deshalb verlieren: – hier ist sie! – Indem ich sie veröffentliche, appellire ich an die Welt – und der Welt überlasse ich sie; – sie muß für sich selbst sprechen.

Alles was ich von der Sache weiß ist, daß als ich mich hinsetzte, ich die Absicht hatte, ein gutes Buch zu schreiben; und so weit die Armseligkeit meines Geistes es gestatten würde, – ein weises, ja, ein vernünftiges Buch – wobei ich nur Sorge trug, im Weiterschreiten all den Witz und Verstand (mochte es nun viel oder wenig sein) hineinzulegen, den der große Schöpfer und Verleiher desselben für passend erachtet hatte mir mit zu geben; – so daß, wie der geneigte Leser sieht, – dies gerade so geworden ist, wie es Gott gefallen hat.

Nun sagt Agalastes (in tadelndem Tone), es möge, so viel er davon verstehe, einiger Witz darin sein – aber durchaus kein Verstand; und Triptolemus und Phutatorius, die ihm beistimmen, werfen noch die Frage auf, wie es denn überhaupt möglich wäre, daß Verstand dabei sein könnte? denn Witz und Verstand gehen in dieser Welt niemals Hand in Hand, da dies zwei geistige Operationen seien, die von einander so weit entfernt wären wie Ost und West. – So sagt Locke; wie einen Wind streichen lassen und schluchzen, sage ich. Allein in Entgegnung hierauf behauptet der große Kirchenrechtslehrer Didius in seinem Codex Codex de fartendi et illustrandi fallaciis, daß ein Gleichniß noch lange kein Beweis sei, und setzt dies näher auseinander; – ebenso wenig behaupte ich, daß das Hellwischen eines Spiegels ein Vernunftschluß ist; – aber jedermann sieht dann doch besser; der Hauptvortheil, den diese Dinge haben, besteht somit darin, daß sie den Verstand aufhellen, ehe der Beweis selbst in Anwendung kommt, ihn von all den kleinen Stäubchen oder Flecken von Verdunklungsstoff reinigen, die, wenn man sie darin schwimmen ließe, das Begreifen hindern und Alles verderben könnten.

Nun, meine lieben Anti-Shandianer und drei Mal trefflichen Kritiker und Collegen (denn für euch schreibe ich diese Vorrede) – und ihr höchst feine Staatsmänner und kluge Doctoren (kommt – nehmt eure Bärte herunter), die ihr wegen eurer Würde und Weisheit berühmt seid; – Monopulus, mein Politikus, – Didius, mein Rath, – Kysarcius, mein Freund, – Phutatorius, mein Führer, – Gastripheres, mein Lebenserhalter, – Somnolentius, mein Balsam und meine Beruhigung – nicht zu vergessen all die Anderen, Schlafende wie Wachende, Geistliche und Bürger, die ich der Kürze halber, keineswegs aus Groll gegen euch, in einen Stummel zusammen fasse. – Glaubt mir, ihr sehr Ehrenwerthen.

Mein dringendster Wunsch, mein heißestes Gebet für euer Heil, und auch für meines, falls das nicht bereits für uns geordnet ist – besteht darin, daß die großen Gaben und Bescheerungen von Witz und Verstand, nebst Allem was sie gewöhnlich begleitet – als da sind Gedächtniß, Phantasie, Geist, Beredtsamkeit, schnelle Fassungsgabe und was es sonst noch gibt – in diesem köstlichen Augenblick ohne Maß und Ziel, ohne Hemmniß und Störung so warm als es ein Jeder von uns vertragen kann, – mit Schaum und Hefe und Allem (denn ich möchte nicht, daß ein Tropfen verloren ginge), eingegossen würden in die verschiedenen Behälter, Zellen und Zellchen, Wohnsitze, Schlafkammern, Refectorien und leeren Räume unseres Gehirns – so zwar daß dieselben fortwährend vollgeschüttet und aufgefüllt würden, gemäß dem wahren Inhalt und Sinn meines Wunsches, bis jedes dieser Gefäße, die großen wie die kleinen, so davon gefüllt, gesättigt und vollgestopft wäre, daß nichts mehr hinein oder herausginge, und wenn ein Menschenleben damit gerettet würde. Guter Gott! – was für ein treffliches Werk würden wir dann machen: wie würde ich es wegkritzeln! – wie gehoben würde ich mich fühlen, es für solche Leser niederzuschreiben! – und ihr – gerechter Himmel! – mit welchem Entzücken würdet ihr dasitzen und lesen! – aber ach! – das ist zu viel! – ich werde krank – schon beim Gedanken daran falle ich in eine süße Ohnmacht! – das ist mehr als die Natur ertragen kann! – haltet mich! – ich schwindle – es wird mir schwarz vor den Augen – ich sterbe – ich bin hinüber. – Zu Hilfe! zu Hilfe! zu Hilfe! – Doch halt, – es wird mir wieder etwas besser, denn ich beginne vorauszusehen, daß wir, wenn dies vorüber ist, und wir dann Alle große Geister sind, – keinen Tag mehr bis an das Lebensende einer Meinung sein würden; – da gäbe es soviel Satyre und Sarkasmus – soviel Spott und Hohn, Necken und Entgegnen – soviel Stöße und Abwehren in einem oder dem anderen Winkel – daß nichts als Unheil daraus entstünde. – Ihr keuschen Sterne! wie würden wir uns beißen und kratzen, was würden wir für ein Gelärm und Gepolter machen, was gäbe es für zerschlagene Köpfe, zerklopfte Knöchel und wunde Stellen – es wäre nicht mehr mit uns zu leben.

Dagegen wieder, da wir dann auch Alle Leute von großem Verstand wären, würden wir die Dinge auch so schnell wieder herrichten, als sie übel gingen; und wenn wir einander auch zehen Mal schlimmer als ebensoviel Teufel oder Teufelinnen verabscheuten, würden wir gleichwol, meine lieben Geschöpfe, ganz nur Artigkeit und Freundlichkeit, Milch und Honig sein, – es wäre ein zweite Land der Verheißung – ein Paradies auf Erden, wenn überhaupt so etwas herzustellen wäre; – so daß wir im Ganzen nicht so übel fahren würden.

Worüber ich aber jetzt hauptsächlich mich ärgere und Wuth schnaube, und was meine Erfindungsgabe am meisten quält, ist, wie ich die Sache selbst möglich machen soll; denn wie der geneigte Leser wohl weiß, von jenen himmlischen Ergüssen von Witz und Verstand, die ich dem Leser und mir selbst so reichlich gewünscht habe, – ist für uns Alle, zum Nutzen und Bedarf des ganzen Menschengeschlechts nur ein gewisses Quantum aufgespeichert; und nur kleine Portionen davon werden in die weite Welt hinauf gesandt, um da und dort in einem oder dem andern Winkel neben draußen zu verlaufen, – und noch dazu in so schmalen Rinnen und mit so gewaltigen Zwischenräumen von einander, daß man sich nur wundern muß, wie es für die Bedürfnisse und Nöthen so vieler großer Staaten und volkreicher Länder ausreichen kann.

Hiebei ist allerdings Eines in Betracht zu ziehen, daß nämlich in Nowa Zembla, im nördlichen Lappland und in all jenen kalten schrecklichen Gegenden der Erdoberfläche, welche unter den beiden Polarkreisen liegen, wo das ganze Gebiet menschlicher Beziehungen fast neun Monate lang innerhalb dem engen Raum seiner Höhle liegt – wo die Geister fast zu nichts zusammengedrückt sind, und wo die Leidenschaften des Menschen nebst Allem was dazu gehört so kalt sind wie die Zone selbst – die denkbar geringste Quantität Verstand ausreicht – während man den Witz durchaus sparen kann – und da man keinen Funken davon braucht, so wurde dort auch kein Funken ausgetheilt. Ihr Engel und Diener der Gnade beschützt uns! was für ein unseliges Ding wäre es für uns gewesen, wenn wir mit einem so reichlichen Mangel an Witz und Verstand hätten ein Reich regieren, eine Schlacht schlagen, einen Vertrag abschließen, eine Wette machen, ein Buch schreiben, ein Kind zeugen oder ein Provinzialkapitel abhalten müssen! – Denken wir nicht mehr daran, um Gottes willen! sondern reisen wir so schnell als möglich südwärts nach Norwegen und gehen wir dann, wenn es Ihnen recht ist, nach Schweden und durch die schmale dreieckige Provinz Angermanland bis zum bothnischen Meerbusen; verfolgen wir hierauf die Küste von Ost- und Westbothnien bis Carelien hinab und so fort durch all die Staaten und Provinzen, welche an den Golf von Finnland und den nordöstlichen Theil des baltischen Meeres grenzen, bis Petersburg und betreten wir dann Ingrien; von da wenden wir uns durch die nördlichen Theile des russischen Reichs, wobei wir Sibirien ein wenig links liegen lassen, bis wir in das Herz Rußlands und die asiatische Tatarei gelangt sind.

Nun werden Sie auf der langen Tour, die ich Sie führte, bemerkt haben, daß die guten Leute hier weit besser daran sind, als in den Polargegenden, die wir eben verlassen haben; – denn wenn Sie die Hand über die Augen halten und aufmerksam zusehen, so werden Sie einen kleinen Schimmer von Witz nebst einem erfreulichen Vorrath von gutem gesundem Hausverstand bemerken, womit sie es, Qualität und Quantität zusammengenommen, recht gut umtreiben; – und hätten sie von dem Einen oder dem Andern mehr, so würde das richtige Gleichgewicht zwischen ihnen gestört; überdies bin ich überzeugt, es würde ihnen an Gelegenheit fehlen, sie anzubringen.

Wenn ich den geneigten Leser nun auf diese wärmere und üppiger ausgestattete Insel zurückführe, wo er die Hochfluth unseres Bluts und Humors wahrnehmen kann; wo wir mehr Ehrgeiz und Stolz, Neid und Wollust und andere böse Leidenschaften zu zähmen und der Vernunft zu unterwerfen haben, – so wird er bemerken, daß die Höhe unseres Witzes und die Tiefe unseres Verstandes genau im Verhältniß zu der Länge und Breite unserer Nothdurft steht; – und deshalb hat man sie uns auch in jener anständigen und achtbaren Fülle zukommen lassen, daß Niemand auf den Gedanken kommen kann, er habe Ursache sich zu beklagen.

Man muß hiebei übrigens zugeben, daß, da unsere Luft in einem Tag zehen Mal heiß und kalt, naß und trocken ist, wir jene Eigenschaften nicht in einer regelmäßigen, geordneten Weise besitzen; – so daß man manchmal fast ein halbes Jahrhundert lang sehr wenig Witz oder Verstand bei uns sieht oder hört; – die kleinen Kanäle dieser Gaben scheinen dann vollkommen versiegt; – auf einmal brechen aber die Schleußen auf und es stürzt daher wie wüthend – es sieht aus, als lasse es sich gar nicht mehr stopfen; – und dann geschieht es, daß wir im Schreiben und Fechten und zwanzig anderen wackeren Dingen die ganze Welt vor uns hertreiben.

Diese Beobachtungen und ein vorsichtiges Schließen nach Analogien in derjenigen Art der Beweisführung, welche Suidas die dialektische Induction nennt, – haben mich in den Stand gesetzt, folgenden Satz als höchst wahr und richtig aufzustellen:

Es dürfen so viele Ausstrahlungen dieser beiden Lichtkörper von Zeit zu Zeit uns beglücken, als Er bei seiner unendlichen Weisheit, die Alles im rechten Maß und Gewichte vertheilt, für gerade recht hält, um unsern Weg in dieser Nacht unserer Dunkelheit zu erleuchten. Jetzt wird der hochverehrte Leser auch heraus finden, und es ist auch keinen Augenblick länger in meiner Macht es ihm zu verhehlen, daß der warme Wunsch zu seinen Gunsten, womit ich begonnen habe, nichts weiter war als das erste gewinnende: Wie geht's? – eines schmeichlerischen Vorwortschreibers, womit er seinem Leser in einer heftigen Umarmung den Mund stopfen will, wie es ein Liebhaber oft bei einer spröden Geliebten probirt. Denn ach! könnte jener Lichterguß nur so leicht gewonnen werden, wie die Vorrede es wünschte! – Aber ich zittere bei dem Gedanken, wie viele tausende in Nacht wandelnde Pilger (wenigstens in den gelehrten Wissenschaften) deshalb in der langen Nacht ihres Lebens herumtappen und herumstolpern mußten! – wie sie ihre Köpfe gegen Pfosten schlugen und sich das Gehirn heraus fielen, ohne je an das Ende ihrer Wanderung zu gelangen; – wobei einige mit ihren Nasen senkrecht in Gruben stürzten; – andere mit den Schweifen horizontal in Gossen fielen; – hier die eine Hälfte einer gelehrten Profession direct gegen die andere anrannte, wobei sie dann wie Schweine im Koth übereinander purzelten und rollten; – dort die Brüder eines anderen Berufs, die eigentlich einander feindlich hätten entgegentreten müssen, im Gegentheil wie eine Heerde wilder Gänse alle in der gleichen Richtung und Reihe dahinflatterten! Welche Verwirrung! welche Mißgriffe! – Geiger und Maler, die nach dem Auge, nach dem Ohr urtheilten – wundervoll! – die auf die erregten Leidenschaften bauten – sei es mittelst einer Melodie oder einer für das Herz gemalten Geschichte – statt sie mit dem Quadranten zu messen!

Im Vordergrund dieses Gemäldes ein Staatsmann, der das politische Rad wie ein unvernünftiges Thier falsch herumdreht – nämlich gegen den Strom der Verderbniß – beim Himmel! – statt mit ihm!

In dieser Ecke ein Sohn des göttlichen Aesculap, der ein Buch gegen die Vorausbestimmung schreibt; vielleicht noch schlimmer – der den Puls seines Patienten fühlt, statt den seines Apothekers; – ein Bruder der Facultät im Hintergrund auf seinen Knieen und in Thränen – der die Decke von einem verstümmelten Opfer wegzieht und es um Verzeihung bittet; – eine Entschädigung anbietet, statt eine zu fordern.

In jener weiten Halle eine Versammlung von Rechtsgelehrten von allen Gerichtshöfen, die eine verfluchte, schmutzige, ärgerliche Sache mit aller Macht auf dem falschen Wege betreiben – indem sie sie aus dem großen Thor hinauswerfen, statt hereinreißen! – und zwar mit einer solchen Wuth in den Blicken und einem solchen Grad von Hartnäckigkeit im Hinauswerfen, als ob die Gesetze eigentlich zur Herstellung des Friedens und der Erhaltung der Menschheit gemacht wären: – vielleicht daß sie sogar einen noch gewaltigeren Mißgriff begehen – einen streitigen Punkt ehrlich abmachen: – zum Beispiel die Frage, ob John o' Nokes' Nase ohne Eigentumsverletzung in Tom o' Stiles Gesicht stehen könne – rasch in 25 Minuten entscheiden, was, wenn man die vorsichtigen Pro's und Contra's, die ein so verwickelter Fall erfordert, angewendet hätte, ebensoviel Monate in Anspruch genommen; – und auf das militärische Gebiet übergeführt (wie bekanntlich mit jeder Action geschehen sollte), und mit all den dabei anwendbaren Kriegskünsten versehen – nämlich Scheinangriffen – forcirten Märschen – Ueberfällen – Hinterhalten, maskirten Batterien und tausend andern Streichen der Taktik, die darin bestehen, daß beide Parteien alle Vortheile für sich zu erhaschen suchen – möglicherweise ebensoviel Jahre gedauert, und einem Centumvirat vom Handwerk ebenso lange Futter und Kleidung gegeben haben würde.

Was aber die Geistlichkeit anbelangt – Nein! – Wenn ich ein Wort gegen sie sage, soll man mich todt schießen. – Ich möchte nicht daran rühren; und wenn ich auch möchte – so würde ich mir's ums Leben nicht getrauen. Bei meinen schwachen Nerven und schwachem Kopf, und in der Lage, in der ich mich gegenwärtig befinde, hieße es wirklich fast das Leben riskiren, wenn ich mich durch eine so schlimme, traurige Schilderung vollends ganz herunterbringen und niederdrücken wollte; – es ist daher sicherer für mich, wenn ich einen Vorhang darüber fallen lasse, und so schnell als es mir möglich ist, zu dem Hauptpunkt übergehe, den ich aufzuklären unternommen habe; – und das ist die Frage: wie es komme, daß Leute von möglichst wenig Witz für solche von außerordentlich viel Verstand ausgegeben werden? – Doch merken Sie wohl! – ich sage, ausgegeben werden – denn, mein lieber Leser, es ist wirklich nicht mehr als eine Behauptung, die wie noch zwanzig andere, welche man täglich auf Treu und Glauben annimmt, eben nur eine niederträchtige und noch dazu boshafte Behauptung ist.

Mittelst der bereits vorangeschickten und wie ich hoffe von dem geneigten Leser gehörig abgewogenen und erwogenen Beobachtung werde ich dies sofort darthun.

Ich hasse die regelmäßigen Dissertationen; – und vor allem ist es eines der einfältigsten Dinge, wenn man seine Hypothese dadurch erschwert, daß man eine Anzahl großer, dunkler Worte eins vor das andere in gerader Linie zwischen das eigene Begriffsvermögen und das des Lesers stellt, – während wenn man sich recht umgesehen hätte, man höchst wahrscheinlich irgend etwas hätte herumstehen oder hängen sehen, was den betreffenden Punkt sofort aufgeklärt hätte; – denn welches Hinderniß, welchen Schaden oder Nachtheil bringt einem Menschen denn der löbliche Durst nach Wissen, ob er nun von einem Tropf oder Topf, einem Schöps oder Stuhl, einem Pelzhandschuh, einem Flaschenzug, dem Deckel eines Schmelztiegels, einer Oelflasche, einem alten Pantoffel oder einem Rohrstuhl ausgeht? – Ich sitze nämlich gerade auf einem. Wollen Sie mir erlauben, diese Frage von Witz und Verstand an den zwei Knöpfen seiner Rücklehne zu erläutern? Diese sind, wie Sie sehen, mittelst zweier Zapfen befestigt, welche leicht in zwei Zapfenlöcher eingelassen sind, und sollen was ich zu sagen habe in ein so helles Licht stellen, daß Sie den Sinn und die Meinung meiner ganzen Vorrede so leicht durchschauen, als ob jeder Punkt und einzelne Theil derselben aus Sonnenstrahlen bestünde.

Ich gehe jetzt schnurstracks auf die Sache selbst ein.

Hier steht der Witz – und da steht der Verstand, hart nebeneinander, gerade wie die zwei besagten Knöpfe auf der Rücklehne des Stuhls, auf dem ich sitze, Sie sehen, es sind die höchsten und zierlichsten Theile des Gestells – wie es Witz und Verstand von dem unsrigen sind – und wie diese sind auch jene beiden ganz unzweifelhaft gemacht und zusammengepaßt, um wie wir in solchen Fällen einer doppelten Verzierung zu sagen pflegen – einander gegenseitig zu heben.

Des Versuchs halber und zur deutlicheren Erklärung der Sache – wollen wir nun für einen Augenblick die eine dieser Zierden (gleichviel welche) von der Spitze oder dem Zapfen des Stuhls, auf dem sie steht, wegnehmen: – nein, Sie müssen nicht darüber lachen – sahen Sie je in Ihrem Leben eine lächerlichere Anstalt, als jetzt der Stuhl dadurch geworden ist? – Ja, es ist ein so erbärmlicher Anblick wie ein Schwein mit einem Ohr; und gerade so viel Sinn und Symmetrie in diesem wie in jenem. – Bitte – stehen Sie einen Augenblick auf und sehen Sie es sich an. – Nun, glauben Sie, daß ein Mann, dem nur im mindesten an seinem Charakter gelegen wäre, eine Arbeit in einem solchen Zustand aus seiner Hand gegeben hätte? – Legen Sie die Hand aufs Herz und beantworten Sie mir die einfache Frage, ob dieser einzelne Knopf, der jetzt wie ein wahrer Dummkopf da steht, zu irgend etwas Anderem auf der Welt dienen kann, als daß er Einem den Wegfall des Anderen fühlbar macht? – und lassen Sie mich die weitere Frage stellen: würden Sie nicht, falls der Stuhl Ihnen gehörte, im Innern denken, es wäre zehn Mal gescheidter, wenn gar kein Knopf da wäre als der eine?

Nun sind aber diese zwei Knöpfe – oder obersten Zierden des menschlichen Geistes, die sein ganzes Gestell krönen – nämlich Witz und Verstand, wie ich bewiesen habe, die am meisten nöthigen – die am höchsten geschätzten – die am schwersten zu entbehrenden und dem gemäß auch die am schwierigsten zu erringenden von allen: – und aus all diesen Gründen gibt es keinen unter uns, der so wenig Freude an einem guten Namen oder Unterkommen hätte – oder so unwissend in den Dingen, die ihm gut thun, wäre, – daß er nicht den Wunsch und festen Willen hätte, Herr des einen oder andern, oder vielmehr beider, wenn die Sache sich halbwegs machen ließe, zu werden oder wenigstens dafür zu gelten.

Da nun die ernsteren Herrschaften wenig oder keine Aussicht haben den einen zu gewinnen – wofern sie nicht schon den anderen haben – was glauben Sie wohl, daß aus Ihnen geworden wäre? – Nun, mein lieber Leser, trotz aller ihrer Ernsthaftigkeit hätten sie sich mit einem nackten Innern zufrieden geben müssen: – dies aber hätten sie nur durch eine Anstrengung der Philosophie ertragen können, die im fraglichen Falle nicht vorausgesetzt werden durfte; – so daß ihnen Niemand zürnen konnte, wären sie mit dem Wenigen zufrieden gewesen, daß sie unter ihre Mäntel und große Perrücken raffen und verstecken konnten, hätten Sie nicht zugleich gegen die rechtmäßigen Eigentümer ein so großes Geschrei erhoben.

Ich brauche dem geehrten Leser nicht erst zu erzählen, daß dies mit so viel Schlauheit und Kunst geschah, daß sogar der große Locke, der sich selten durch falsche Töne irre machen ließ, – hier übertölpelt wurde. – Das Geschrei war, scheint's, ein so starkes und ernsthaftes, und mit Hilfe der großen Perrücken, feierlichen Mienen und anderer Kunstgriffe ein so allgemeines gegen die armen Witze, daß sich der Philosoph selbst dadurch täuschen ließ: – es war sein Ruhm, die Welt von dem Gerümpel tausend gewöhnlicher Irrthümer befreit zu haben; – dieser aber zählte nicht darunter. Anstatt jedoch sich kaltblütig hinzusetzen, wie ein solcher Philosoph hätte thun müssen, um erst die Thatsache zu untersuchen, ehe er darüber philosophirte, – nahm er im Gegentheil die Sache für erwiesen an, und schrie mit und lärmte so laut wie die Andern.

Seitdem wurde dies zur Magna Charta der Dummheit; aber der geneigte Leser sieht jetzt, daß dieselbe auf eine Weise erlangt wurde, daß der Rechtstitel keinen Groschen werth ist; – beiläufig eine der vielen, niederträchtigen Betrügereien, welche Ernsthaftigkeit und ernsthafte Leute dereinst zu verantworten haben.

Was die großen Perrücken betrifft, über die man vielleicht denkt, daß ich mich zu frei ausgesprochen habe, – so möchte ich mir erlauben, alles was zu ihrem Tadel oder Nachtheil unbedachtsamer Weise gesagt worden sein mag, durch folgende allgemeine Erklärung zu mildern: – Ich verabscheue, hasse und verwerfe große Perrücken oder lange Bärte nur dann, wenn ich sehe, daß man sich auf sie beruft und sie wachsen läßt, einzig um – zu irgend einem Zweck – jene bezügliche Wirkung damit hervorzubringen. – Friede sei mit ihnen. Nur merke man sich: – ich schreibe nicht für sie.


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