Laurence Sterne
Tristram Shandy
Laurence Sterne

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136. Kapitel.

Als Susanna dem Corporal das Mißgeschick mit dem Fallfenster erzählte, nebst allen Nebenumständen, die mit meiner Ermordung (wie sie es nannte) zusammenhingen, – wurde er todesbleich: denn da alle Mitschuldigen an einem Morde als Hauptthäter betrachtet werden – so sagte Trim sein Gewissen, daß ihn ebensoviel Schuld treffe wie Susanna; – ja wenn der Satz richtig war, so hatte selbst mein Onkel Toby gerade so viel von dem Blutvergießen vor Gott zu verantworten, wie jene beiden; – so daß in der That weder Klugheit noch Instinkt, einzelne oder miteinander, Susanna's Schritte nach einem passenderen Zufluchtsort hätten führen können. – Die Erklärung dieser Sache kann ich nicht der Einbildungskraft des Lesers überlassen; – denn um sich irgend eine Hypothese zu bilden, welche diese Sätze annehmbar erscheinen ließ, mußte er sich das Gehirn wund peitschen; und wenn er dies nicht wollte – ein Gehirn haben, wie niemals ein Leser noch hatte. – Warum sollte ich ihn also auf eine solche Folter spannen? – Es ist ja meine Angelegenheit, und so will ich sie auch selbst erklären.

137. Kapitel.

Es ist Schade, Trim, sagte mein Onkel Toby und legte dem Corporal die Hand auf die Schulter, als sie beide in ihrer Schanze standen und ihre Werke betrachteten, – es ist Schade, daß wir nicht ein Paar Feldgeschütze haben, um sie in der Kehle der neuen Redoute aufstellen zu können; – sie würden die Linien der ganzen Länge nach bestreichen und die Vertheidigung auf dieser Seite vervollständigen. – Laß mir doch ein Paar gießen, Trim.

Euer Gnaden sollen sie noch vor Morgen früh haben, erwiderte Trim.

Das war eine Herzensfreude für Trim; auch fehlte es seinem fruchtbaren Kopf nie an Auskunftsmitteln, um meinen Onkel Toby bei seinen Feldzügen mit Allem auszurüsten, auf was dessen Phantasie verfiel; und wenn es seine letzte Krone gegolten hätte, so hätte er sich hingesetzt und sie in einen Mörser umgehämmert, nur um einem Wunsch seines Herrn nachzukommen. – Der Corporal hatte auch bereits – dadurch, daß er die Schnauzen der Dachrinnen bei meinem Onkel Toby abschnitt, – dann die Seiten der bleiernen Dachrinnen abhackte, – das zinnerne Rasirbecken einschmolz – und endlich wie Ludwig XIV. auf den Kirchthurm stieg, um überschüssige Bleistücke u. s. w. zu holen – in dieser Campagne nicht weniger als acht neue Breschegeschütze und drei Halbschlangen ins Feld gestellt. Meines Onkels Toby Forderung von zwei neuen Geschützen für die Redoute hatte den Corporal wieder in Athem gesetzt; und da er nichts Besseres fand, hatte er die zwei Bleigewichte der Fallfenster im Kinderzimmer genommen; und da die Fensterrollen nutzlos waren, wenn kein Bleigewicht mehr da war, so hatte er diese gleichfalls mitlaufen lassen, um ein Paar Räder für eine ihrer Laffetten daraus zu machen.

Längst vorher hatte er jedes Fallfenster im Hause meines Onkels Toby in gleicher Weise geplündert – nur nicht immer in der gleichen Reihenfolge; denn manchmal brauchte er die Rollen, und das Blei nicht – und dann begann er mit den Rollen; waren aber die Rollen abgenommen, so wurde das Blei nutzlos, – und so mußte dieses ebenfalls dran glauben.

Man könnte hieraus recht hübsche Moral ziehen, aber ich habe keine Zeit dazu; – es genügt wenn ich sage, daß mit was immer die Plünderung begann, sie für das Fallfenster gleich verhängnißvoll wurde.

138. Kapitel.

Der Corporal hatte seine Maßregeln bei diesem artilleristischen Streich nicht so ungeschickt genommen, daß er die Sache nicht hätte für sich behalten und Susanna die ganze Last des Angriffs tragen lassen können, so gut sie es vermochte; – aber der wahre Muth begnügt sich nicht damit so leicht abzukommen. – Der Corporal hatte, gleichviel ob als General oder als Trainverwalter, das gethan, ohne was seiner Ansicht nach das Mißgeschick nie hätte geschehen können, – am allerwenigsten unter Susanna's Händen. – Wie hätte sich der geneigte Leser in diesem Falle benommen? – Er war sofort entschlossen, sich nicht hinter Susanna zu verstecken – sondern im Gegentheil ihr Schutz zu gewähren; und mit diesem Vorsatz schritt er gerade nach dem Wohnzimmer, um meinem Onkel Toby das ganze Manöver vorzulegen.

Mein Onkel Toby hatte Yorick gerade einen Bericht über die Schlacht bei Steinkirk gegeben und das seltsame Benehmen des Grafen Solms hervorgehoben, der die Infanterie halten und die Reiterei auf einem Terrain vorrücken ließ, wo sie nichts machen konnte, was ganz gegen den Befehl des Königs war und den Verlust der Schlacht nach sich zog.

Es gibt in einigen Familien Vorfälle, die so auf das passen, was daraus folgen soll, – daß sie kaum von der Erfindungsgabe der dramatischen Schriftsteller übertroffen werden, – ich meine solcher der alten Zeit.

Mit Hilfe seines Zeigefingers, den er flach auf den Tisch legte und der Kante seiner Hand, die er unter einem rechten Winkel quer darüber fallen ließ, bemühte sich Trim die Geschichte in einer Weise zu erzählen, daß Priester und Jungfrauen es hätten mit anhören können. – Als er fertig war, wurde das Gespräch in folgender Weise weiter geführt.

139. Kapitel.

Ich ließ mich lieber zu Tode peitschen, rief der Corporal, nachdem er Susanna's Geschichte beendigt hatte, ehe ich duldete, daß dem Frauenzimmer ein Leid deshalb widerführe: – ich war daran Schuld, Euer Gnaden, – nicht sie.

Corporal Trim, antwortete mein Onkel Toby und setzte seinen Hut auf, der auf dem Tische lag, wenn irgend Jemand an einer Sache Schuld war, deren Ausführung der Dienst durchaus erforderte, so bin ich es zweifellos; du hast nur nach Befehl gehandelt. Hätte Graf Solms dasselbe in der Schlacht bei Steinkirk gethan, Trim, sagte Yorick, indem er ein wenig auf den Corporal stichelte, der beim Rückzug von einem Dragoner überritten worden war, – so hätte er dich gerettet. – Mich gerettet! rief Trim, Yorick unterbrechend und den Satz nach seiner Art vollendend, – fünf Regimenter hätte er gerettet, Euer Hochwürden. Mann für Mann. – Die Regimenter Cutts, fuhr der Corporal fort, klopfte mit dem Zeigefinger der rechten Hand an den Daumen der linken und zählte an den übrigen Fingern weiter, – Mackay, – Angus, – Graham, – Leven, alle wurden ja in Stücke gehauen; und das wäre auch der englischen Garde passirt, wenn ihr nicht ein Paar Regimenter vom dem rechten Flügel muthig zu Hilfe gekommen wären und das feindliche Feuer auf sich gezogen hätten, ehe noch eine einzige ihrer Compagnien eine Muskete abfeuerte. – Sie werden dafür in den Himmel kommen, setzte Trim hinzu. – Trim hat ganz Recht, sagte mein Onkel Toby und nickte Yorick zu; – er hat vollkommen Recht. – Was hat denn das heißen sollen, daß er die Reiterei vorrücken ließ, fuhr der Corporal fort, wo doch das Feld so enge war und die Franzosen einen ganzen Haufen Hecken und Verrammlungen und Gräben und gefällte Bäume vor sich gelegt hatten, um sich zu decken (wie sie immer thun). Graf Solms hätte uns schicken sollen, – wir hätten uns mit ihnen Mündung an Mündung herumgeschossen. – Für die Reiterei war da nichts zu thun: – als Strafe dafür, fuhr der Corporal fort, haben sie ihm im nächsten Feldzug bei Landen den Fuß abgeschossen – Dort bekam auch der arme Trim seine Wunde. sagte mein Onkel Toby. – Da war nur der Graf Solms daran Schuld, Euer Gnaden; hätte er sie bei Steinkirk gehörig durchgehauen, so würden sie uns bei Landen nicht mehr haben bekämpfen können. – Vielleicht, vielleicht auch nicht, Trim, sagte mein Onkel Toby; denn wenn sie nur den Vortheil eines waldigen Terrains für sich haben oder man ihnen einen Augenblick Zeit läßt, um sich zu verschanzen, so hören sie nicht auf, sich mit Einem herum zu schießen. Es bleibt dann nichts übrig, als kaltblütig auf sie loszugehen, – ihr Feuer auszuhalten und dann über sie herzufallen. – Mit klingendem Spiel, setzte Trim hinzu. – Mann und Roß, rief mein Onkel Toby. – Drunter und drüber, sagte Trim. – Rechts und links! rief mein Onkel Toby. – Blut und Wunden! schrie der Corporal. – Die Schlacht wütete. Yorick zog seinen Stuhl etwas bei Seite, um sich zu sichern. Nach einer kleinen Pause stimmte mein Onkel Toby seinen Ton etwas herab und fuhr in seiner Rede folgendermaßen fort:

140. Kapitel.

König Wilhelm, sagte mein Onkel Toby, wobei er sich an Yorick wendete, war so über den Ungehorsam des Grafen Solms aufgebracht, daß er ihn Monate lang nicht vor sich kommen ließ. – Ich fürchte, meinte Yorick, Herr Shandy wird über den Corporal ebenso aufgebracht sein, wie der König über den Grafen. – Aber es wäre allerdings sehr hart, fuhr er fort, wenn Corporal Trim, der so ganz im Gegensatz zu Graf Solms gehandelt hat, das Schicksal haben sollte, die gleiche Ungnade zu erfahren, – aber leider nehmen die Dinge in dieser Welt nur zu oft diesen Gang. – Ich wollte lieber eine Mine anlegen, rief mein Onkel Toby, indem er sich erhob, und meine Festungswerke und mein Haus dazu in die Luft sprengen, daß sie uns unter ihrem Schutt begrüben, als daß ich ruhig dabei stehen und das mit ansehen möchte. – Trim machte eine leichte, aber dankbare Verbeugung gegen seinen Herrn, – und damit schließt das Kapitel.

141. Kapitel.

Also Yorick, sagte mein Onkel Toby, Sie und ich, wir wollen die Avantgarde bilden, – und Ihr, Corporal, folgt einige Schritte hinter uns. – Und Susanna, sagte Trim, sollte, wenn Euer Gaden erlauben, die Arrièregarde bilden. – Die Disposition war vortrefflich; und in dieser Ordnung, doch ohne Marschschlagen oder fliegende Fahnen, rückten sie langsam vom Hause meines Onkels Toby nach Shandy Hall.

Ich wollte, sagte Trim, als sie in die Thüre eintraten, ich hätte statt der Fenstergewichte die Schnauze von der Dachrinne der Kirche abgeschnitten, wie ich einmal im Sinne hatte. – Ihr habt jetzt Schnauzen genug abgeschnitten, versetzte Yorick.

142. Kapitel.

So viele Bilder auch schon von meinem Vater gegeben wurden, und so ähnlich sie ihm immer in der verschiedenen Art des Ausdrucks und der Haltung gewesen sein mochten, – so hätte doch keines derselben und alle mit einander nicht, dem Leser zum Voraus eine Idee von dem geben können, was mein Vater bei irgend einer noch nicht dagewesenen Gelegenheit oder Begebenheit denken, sagen oder thun würde. – Es steckte eine solche unendliche Zahl von Sonderbarkeiten in ihm, und es war dem entsprechend so durchaus zweifelhaft, bei welchem Henkel er die Sache anfassen würde, – daß es jeder Berechnung spottete. – Sein Weg lag wirklich so fern ab von der Straße, welche die meisten Menschen wandelten, – daß sich ihm jeder Gegenstand von einer Seite und in einem Umriß zeigte, die total von der Gestalt und Größe verschieden war, wie ihn die übrigen Menschen erblickten. – Mit anderen Worten, es war für ihn ein anderes Ding und wurde demgemäß auch anders betrachtet.

Dies ist auch der Grund, weshalb meine theure Jenny und ich, wie auch die übrige Welt außer uns, so ewige Streitereien um nichts und wieder nichts haben. – Sie betrachtet die Dinge von ihrer Außenseite, – ich von der Innenseite. – Wie ist es da möglich, daß wir über den Werth derselben eines Sinnes sein könnten?

143. Kapitel.

Es ist eine ausgemachte Sache – ich führe das zum Trost von ConfuciusHerr Shandy meint hier den Herrn †††, Parlamentsmitglied für †††, – und nicht den chinesischen Gesetzgeber. an, der gar zu leicht in Verwirrung geräth, wenn er eine einfache Geschichte erzählt – daß, wenn man sich nur an den Faden der Geschichte hält, man nach Belieben rückwärts oder vorwärts gehen kann, ohne daß es für eine Abschweifung gilt.

Nachdem ich dies vorausgeschickt, nehme ich die Wohlthat, rückwärts gehen zu dürfen, für mich selbst in Anspruch.

144. Kapitel.

Fünfzig Tausend Korb voll Teufel – (nicht von den Teufeln des Erzbischofs von Benevent – sondern von denen Rabelais'), denen man die Schwänze am Rumpf abgehackt hat, hätten kein so diabolisches Gekreisch erheben können als ich that – da der Unfall mich befiel; es rief meine Mutter sofort nach dem Kinderzimmer; – so daß Susanna gerade noch so viel Zeit hatte auf der Hintertreppe die Flucht zu nehmen, ehe meine Mutter die Vordertreppe herauf kam.

Nun wäre ich zwar alt genug gewesen, um die Geschichte selbst erzählen zu können, – und wie ich hoffe auch noch jung genug, um es ganz arglos zu thun, – aber Susanna hatte sie, als sie an der Küche vorbei kam, in ihrer Angst kurzer Hand der Köchin mitgetheilt; – diese hatte sie mit einem Commentar Jonathan erzählt, und Jonathan dem Obadiah. Als daher mein Vater ein Halb Dutzend Mal geschellt hatte, um zu hören was es denn oben gäbe, – war Obadiah im Stande ihm einen genauen Bericht, wie es passirt war, abzustatten. – Das habe ich mir doch gedacht, sagte mein Vater, faßte seinen Schlafrock zusammen und ging die Treppe hinauf.

Man könnte hieraus schließen (obschon ich für meinen Theil einige Zweifel habe), – daß mein Vater schon vor dieser Zeit jenes merkwürdige Kapitel der Tristra-paedia geschrieben habe, welches für mich das originellste und unterhaltendste im ganzen Buche ist, – nämlich das Kapitel über Fallfenster, mit einer bitteren Philippica am Schlusse desselben über die Vergeßlichkeit der Kammerjungfer, – ich habe jedoch zwei Gründe, um anders hierüber zu denken.

Erstens, wäre diese Sache von meinem Vater in Betracht gezogen worden, ehe das Ereigniß eintrat, so würde er gewiß das Fallfenster für alle Fälle festgemacht haben; was er in Anbetracht der Schwierigkeit, womit er Bücher verfaßte, mit zehn Mal geringerer Mühe hätte thun können, als ihn das Schreiben des Kapitels gekostet hätte. Dieser Beweis dürfte auch gegen sein Schreiben eines Kapitels nach dem Ereigniß gelten; er wird jedoch durch den zweiten Grund unnöthig, den ich die Ehre habe der Welt zur Unterstützung meiner Ansicht, daß mein Vater das Kapitel über Fallfenster und Nachttöpfe nicht zu der angenommenen Zeit schrieb, vorzulegen, – und dieser zweite Grund besteht darin: –

Daß ich um die Tristra-paedia zu vervollständigen, das beregte Kapitel selbst geschrieben habe.

145. Kapitel.

Mein Vater setzte seine Brille auf, – besah sich die Geschichte, – nahm die Brille wieder ab, – und steckte sie in das Futteral, – Alles in weniger als einer gesetzmäßigen Minute; ohne ein Wort zu sprechen, drehte er dann um und eilte die Treppe hinab. Meine Mutter glaubte, er gehe hinunter, um Salbe und Charpie zu holen; als sie ihn aber mit ein Paar Foliobänden unter dem Arm zurückkehren sah, und Obadiah ihm mit einem großen Lesepult folgte, glaubte sie nicht anders, als daß es ein Kräuterbuch sei und schob ihm einen Stuhl an das Bett, damit er in Bequemlichkeit über den Fall Rath erholen könne.

Wenn es nur in richtiger Weise geschehen wäre, sagte mein Vater, während er den Abschnitt de sede vel subjecto circumcisionis aufschlug, – denn er hatte Spenser de Legibus Hebraeorum Ritualibus, – und Maimonides heraufgebracht, um uns einander gegenüber zu stellen und zu prüfen.

Wenn es nur in richtiger Weise geschehen wäre, sagte er. – Sag' mir nur, unterbrach ihn meine Mutter, welche Kräuter ich auflegen soll? – Zu diesem Zweck, versetzte mein Vater, mußt du nach Dr. Slop schicken.

Meine Mutter ging hinunter und mein Vater machte weiter. Der Abschnitt den er las, lautete:     *     *

* * * * * *
* * * * *
* * * Ganz gut, – sagte mein Vater,
* * * * *
* * * * * *

*     nein, wenn es diese Annehmlichkeit hat! – und ohne sich einen Augenblick dabei aufzuhalten, ob es die Juden von den Aegyptern oder die Aegypter von den Juden hatten – stand er auf, rieb sich die Stirne ein Paar Mal mit der flachen Hand, in der Art wie wir die Fußspuren der Sorge wegreiben, wenn ein Unheil uns leichter getroffen, als wir vermuthet, – machte das Buch zu und ging wieder hinunter. – Ei! sagte er, während er den Namen je einer großen Nation bei jeder Stufe, auf die er den Fuß setzte, aussprach, – wenn die Aegypter, – die Syrer. – die Phönizier, – die Araber, – die Cappadocier, – wenn die Colcher und Troglodyten es thaten, – wenn Solon und Pythagoras es über sich ergehen lassen mußten, – was will da Tristram heißen? – Und weshalb sollte da ich mich auch nur einen Augenblick über die Sache grämen oder erhitzen?

146. Kapitel.

Lieber Yorick, sagte mein Vater lächelnd (denn Yorick war beim Passiren des engen Eingangs aus seiner Reihe mit Onkel Toby getreten und so zuerst in das Zimmer gekommen) dieser unser Tristram kommt bei allen seinen religiösen Ceremonien ziemlich schlecht weg. Niemals ist der Sohn eines Juden, Christen, Türken oder Heiden auf eine so verkehrte und nachlässige Art in sie eingeführt worden. – Aber es hat ihm doch hoffentlich nichts gethan, sagte Yorick. – Gewiß, fuhr mein Vater fort, war der Teufel in irgend einem Theil der Ekliptik los, als dieser mein Sprößling gemacht wurde. – Das müssen Sie besser wissen als ich, erwiderte Yorick. – Die Astrologen, versetzte mein Vater, wissen es besser als wir Beide: – die gedritten und gesechsten Scheine sind verkehrt gefallen, – oder die Gegenfüßler ihrer Ascendenten haben sie nicht so getroffen wie sie sollten, – oder die Oberherren der Zeugungen (wie man sie nennt) haben gerade Versteckens gespielt, – oder es ist sonst irgend etwas oben oder unten bei uns nicht richtig zugegangen. – Das ist möglich, erwiderte Yorick. – Hat es aber dem Kind was gethan? fragte mein Onkel Toby. – Die Troglodyten sagen Nein! erwiderte mein Vater. Und Ihre Theologen, Yorick, – sagen uns – Als Theologen? fragte Yorick; – oder indem sie als Apotheker,Χαλεπη̃ς νόσου, καὶ δυσιάτου απαλλαγὴ ήν άνθρακα καλου̃σιν.

Philo.

Staatsmänner,Τὰ τεμνόμενα τω̃ν εθνω̃ν πολυγονώτατα, καὶ πολυανθρωπότατα ει̃ναι. – oder WaschweiberΚαθαριότητος ει̃νεκεν.

Bochart.

sprechen?

Das weiß ich nicht, versetzte mein Vater; – aber sie sagen uns, Bruder Toby, es sei ein Vortheil für ihn. – Wenn Sie ihn nämlich nach Aegypten reisen lassen, sagte Yorick. – Es wird ihm Nutzen bringen, wenn er die Pyramiden sieht, meinte mein Vater.

Da ist doch auch jedes Wort für mich Arabisch, sagte mein Onkel Toby. – Ich wollte, es wäre das für die halbe Welt, versetzte Yorick.

Ilus,‘Ο ’Ίλος, τὰ αιδοι̃α περιτέμνεται, ταυτὸ ποιη̃σαι καὶ τοὺς άμ αυτω̃ συμμάχους καταναγκάσας.

Sanchuniatho.

fuhr mein Vater fort, ließ eines Tags seine ganze Armee beschneiden. – Aber doch nicht ohne Kriegsgericht? fragte mein Onkel Toby. – Uebrigens, fuhr jener fort, ohne auf meines Onkels Toby Bemerkung zu achten, sich vielmehr an Yorick wendend, übrigens sind die Gelehrten noch sehr uneinig darüber, wer Ilus war; – Einige behaupten Saturn, – Andere das höchste Wesen; – wieder Andere wollen, er sei nur Brigadegeneral unter Pharao Neco gewesen. – Mag er gewesen sein, was er will, sagte mein Onkel Toby, ich kenne keinen Kriegsartikel, der ihn dazu berechtigt hätte.

Die Contravertisten, sagte mein Vater, führen zweiundzwanzig verschiedene Gründe dafür an; – Andere allerdings, welche ihre Feder der entgegengesetzten Seite der Frage widmeten, haben der Welt die Richtigkeit des größten Theils derselben dargethan. – Dann sagen aber wieder unsere besten theologischen Polemiker – Ich wollte, es gäbe keinen theologischen Polemiker in unserem Lande, sagte Yorick; – eine Unze praktischer Theologie ist so viel werth als all die Schiffsladungen voll bunter Sachen, welche die Hochwürdigen in den letzten fünfzig Jahren eingeführt haben. – Sagen Sie doch, Herr Yorick, frug mein Onkel Toby, was ist denn eigentlich ein theologischer Polemiker? – Die beste Schilderung, Kapitain Shandy, die ich je davon gelesen habe, erwiderte Yorick, ist in dem Bericht über den zwischen Gymnast und Kapitain Tripet angefochtenen Zweikampf enthalten. Ich habe ihn in der Tasche. Ich wünschte ihn zu hören, sagte mein Onkel Toby ernsthaft. – Das sollen Sie, erwiderte Yorick. – Und da der Corporal vor der Thüre auf mich wartet, – und ich weiß, daß die Beschreibung eines Gefechts dem armen Burschen lieber ist als sein Nachtessen, – so bitte ich dich, Bruder, ihm zu erlauben, daß er hereinkomme. – Herzlich gern, sagte mein Vater. – Trim trat ein, aufrecht und glücklich wie ein Kaiser; und nachdem er die Thüre geschlossen, zog Yorick ein Buch aus seiner rechten Rocktasche und las Folgendes oder that wenigstens als lese er:

147. Kapitel.

– Und nachdem alle Soldaten, die zugegen waren, diese Worte gehört hatten, fuhren mehrere ins Innerste erschrocken zurück und machten dem Angreifer Platz. Dies Alles bemerkte und begriff Gymnast sehr gut. Er that daher als ob er von seinem Pferde absteigen wollte, brachte sein Gewicht nach der Aufsteigseite, wechselte rasch seine Füße im Steigbügel (während ihm das kurze Schwert an der Seite hing) und machte den Bügelsprung, wobei er zuerst den Körper abwärts neigte und sich hierauf emporschnellte, so daß beide Füße in den Sattel kamen und er mit dem Rücken gegen den Pferdekopf aufrecht da stand. – Nun (sprach er) geht meine Sache vorwärts. Hierauf machte er plötzlich in der Stellung, in welcher er sich befand, einen Luftsprung auf einem Fuß, drehte sich links, und verfehlte nicht seinen Körper vollkommen herumzuschwenken, daß er genau in die frühere Lage kam. – Ha! sprach Tripet, ich mache das nicht in diesem Tempo; – und zwar aus guten Gründen. – Gut, erwiderte Gymnast, ich habe einen Fehler gemacht, – gleich will ich diesen Sprung vernichten. Dann drehte er sich mit wunderbarer Geschicklichkeit und Kraft zur Rechten, und machte einen zweiten lustigen Sprung wie vorher; hierauf setzte er den Daumen seiner rechten Hand auf den Sattelbogen, hob sich empor und machte einen Luftsprung, wobei er sein ganzes Gewicht auf Muskel und Nerv des besagten Daumens in der Wage hielt. So wirbelte er sich drei Mal herum; beim vierten Mal machte er einen Purzelbaum von oben nach unten und von vorn nach hinten, ohne etwas zu berühren, so daß er dem Pferd zwischen beiden Ohren saß; gab sich hierauf einen Stoß und Schwung und setzte sich auf den Schwanzriemen.

(Das ist kein Gefecht, sagte mein Onkel Toby. – Der Corporal schüttelte den Kopf. – Nur Geduld! sagte Yorick.)

Dann schwang er (Tripet) den rechten Fuß über den Sattel und nahm auf dem Hintertheil Platz. – Indessen, sagte er, wäre es besser für mich, wenn ich in den Sattel käme. – Er setzte nun die Daumen beider Hände vor sich auf den Schwanzriemen, stützte sich darauf, so daß sein Körper von sonst nichts gehalten wurde, drehte sich schnell mit dem Kopf nach unten in der Luft und saß strax in einem erträglich guten Sitz zwischen dem Sattelbogen; überschlug sich in der Luft, drehte sich herum wie eine Windmühle und machte über hundert Hüpfer, Wendungen und Halbvoltigen.

– Guter Gott! rief jetzt Trim, dem die Geduld ausging, – ein rechter Stoß mit dem Bajonet ist mehr werth als das Alles.

– Das ist auch meine Ansicht, bemerkte Yorick.

Ich bin entgegengesetzter Meinung, sagte mein Vater.

148. Kapitel.

– Nein; – ich glaube, erwiderte mein Vater auf eine Frage, welche Yorick so frei gewesen war, an ihn zu stellen, – ich glaube in der Tristra-paedia nichts vorgebracht zu haben, was nicht so klar wie irgend ein Satz in Euklid war. – Reich' mir einmal das Buch von dem Schreibtisch, Trim. – Ich habe, fuhr mein Vater fort, oft daran gedacht es euch zwei vorzulesen, Ihnen Yorick und meinem Bruder Toby, und es ist vielleicht ein wenig unfreundlich von mir, daß ich es nicht längst gethan habe. – Wollen wir jetzt ein kleines Kapitel oder zwei vornehmen, – und später gelegentlich wieder ein Kapitel oder zwei, und so fort bis wir durch sind? – Mein Onkel Toby und Yorick machten eine passende Verbeugung, und obschon der Corporal nicht in die artige Aufforderung mit einbegriffen worden war, legte er doch die Hand auf die Brust und machte gleichfalls sein Compliment. – Die Gesellschaft lächelte. – Trim, sagte mein Vater, hat sein volles Entrée bezahlt, um die Unterhaltung auszustehen – Das Stück schien ihm aber nicht zu gefallen, bemerkte Yorick. – Es war ein rechtes Hansdampfgefecht, Euer Gnaden, von dem Kapitain Tripet und dem anderen Offizier, daß sie beim Vorrücken so viele Luftsprünge machten, – die Franzosen hüpfen manchmal beim Vormarschiren so daher, – doch nicht ganz so stark.

Mein Onkel Toby hatte nie ein angenehmeres Bewußtsein seiner Existenz, als ihn die Betrachtungen des Corporals und seine eigenen in diesem Moment empfinden ließen; – er zündete seine Pfeife an, – Yorick rückte seinen Stuhl näher an den Tisch, – Trim putzte das Licht, – mein Vater schürte das Feuer, – ergriff das Buch, – hustete zwei Mal und begann.

149. Kapitel.

Die ersten dreißig Seiten, sagte mein Vater und schlug die Blätter um, – sind ein wenig trocken; und da sie nicht unmittelbar zur Sache gehören, – können wir sie für jetzt überschlagen; es ist eine vorwortliche Einleitung, fuhr mein Vater fort, oder ein einleitendes Vorwort (ich bin noch nicht entschlossen, welchen Namen ich ihm geben will) über politische oder bürgerliche Regierung: Da der Grund der letzteren auf der ersten Verbindung zwischen Mann und Frau zur Fortpflanzung der Gattung beruht, – so kam ich unwillkürlich darauf. – Ganz natürlich, bemerkte Yorick.

Der Ursprung der Gesellschaft, fuhr mein Vater fort, ist nach meiner Ueberzeugung derjenige, wie ihn Politian bezeichnet, nämlich ein rein eheständlicher; nichts mehr und nichts weniger als das Zusammenkommen eines Manns und einer Frau; – denen der Philosoph (nach Hesiod) noch einen Diener beifügt: – da er aber annimmt, daß es anfangs noch keine männlichen Diener gab, – legt er den Grund mit einem Mann, – einer Frau, – und einem Stier. – Ich glaube, daß es ein Ochse war, bemerkte Yorick und citirte den Satz: ’Ο̃ικον μὲν πρώτιστα, γυναι̃κα τε, βου̃ν τ' αρότηρα. – Ein Stier hätte mehr Verdruß gemacht als sein Kopf werth ist. – Es gibt jedoch noch einen besseren Grund, sagte mein Vater und tauchte die Feder ein, denn da der Ochse das geduldigste und zugleich nützlichste Thier ist, indem er den Boden zu ihrer Ernährung pflügte, – so war er das geeignetste Werkzeug und Sinnbild für das neu vereinigte Paar, das der Schöpfer mit ihnen in Verbindung bringen konnte. – Es gibt noch einen stärkeren Grund für den Ochsen als diese alle, setzte mein Onkel Toby hinzu. – Mein Vater vermochte die Feder nicht aus dem Tintenfaß zu ziehen, bis er den Grund meines Onkels Toby gehört hatte. – Denn, sagte mein Onkel Toby, wenn der Boden bestellt war und einer Umzäumung bedurfte, begann man ihn durch Wall und Graben zu sichern, und das war der Anfang der Befestigung. – Richtig, richtig, lieber Toby, rief mein Vater, strich den Stier aus und setzte den Ochsen dafür.

Mein Vater winkte Trim, daß er das Licht putzen möge und fuhr in seiner Abhandlung fort.

Ich gehe nur deshalb näher auf diese Betrachtung ein, sprach mein Vater leichthin und das Buch beim Fortfahren halbschließend, um die natürliche Verbindung zwischen dem Vater und seinem Kinde zu begründen, über welches er Recht und Gerichtsbarkeit auf folgenden verschiedenen Wegen erlangen kann:

  1. durch Heirath;
  2. durch Adoptirung,
  3. durch Legitimirung und
  4. durch Zeugung, welche Wege ich sämmtlich für ordnungsmäßig halte.

Auf einen derselben lege ich ein geringes Gewicht, versetzte Yorick, – die Handlung, besonders wofern sie damit endigt, legt meiner Ansicht nach dem Kind ebensowenig Verbindlichkeit auf, als sie dem Vater Gewalt überträgt. – Da irren Sie sich, – sagte mein Vater mit Schärfe; und zwar einfach deshalb *   *   *   *   *   *   *   *   *   *   * ich gebe jedoch zu, setzte mein Vater hinzu, daß der Sprößling auf diesen Grund hin nicht so unter der Gewalt und Gerichtsbarkeit der Mutter steht. – Aber, entgegnete Yorick, der Grund gilt doch eigentlich auch für sie. – Sie steht selbst unter Autorität, sagte mein Vater: – und überdies, setzte mein Vater mit einem bedeutungsvollen Nicken hinzu und legte den Finger an die Nase, während er seinen Grund aussprach, – ist sie nicht das Hauptagens, Yorick? – Bei was? fragte mein Onkel Toby, indem er seine Pfeife stopfte. – Allerdings aber, fügte mein Vater hinzu (die Frage meines Onkels Toby ignorirend), ist ihr der Sohn Ehrerbietung schuldig; wie Sie im ersten Buch der Institutionen des Justinian, Titel elf, Section zehn des Breiteren lesen können, Yorick. – Das kann ich auch im Katechismus, versetzte Yorick.

150. Kapitel.

Trim kann ihn Wort für Wort auswendig, sagte mein Onkel Toby. – Puh! machte mein Vater, der eben kein Verlangen darnach trug, durch das Katechismusaufsagen Trims unterbrochen zu werden. – Ja, das kann er, auf Ehre! fuhr mein Onkel Toby fort; fragen Sie ihn nur daraus, Herr Yorick. – Das fünfte Gebot, Trim? fragte Yorick mit sanfter Stimme und einem liebreichen Nicken, als ob er einen schüchternen Confirmanden vor sich hätte. – Der Corporal schwieg stille. – Sie fragen ihn nicht richtig, sagte mein Onkel Toby, indem er seine Stimme erhob und rasch und lebhaft, als ob er kommandirte, eingriff. Das fünfte Gebot? rief mein Onkel Toby. – Ich muß mit dem ersten anfangen, Euer Gnaden, sagte der Corporal.

Yorick mußte lächeln. – Euer Hochwürden haben nicht bedacht, sagte der Corporal, während er seinen Stock wie eine Muskete über die Schulter nahm und in die Mitte des Zimmers marschirte, um seine Lage zu erläutern, – daß es genau dasselbe ist, als wenn man exerzirte.

Schultert 's Gewehr! rief der Corporal, und führte mit dem Commando auch die Bewegung aus.

Ueber 's Gewehr, rief der Corporal und machte abermals den Adjutanten und Soldaten zugleich.

Bei Fuß 's Gewehr! – Euer Hochwürden sehen, wie eine Bewegung aus der anderen hervorgeht. – Wenn Seine Gnaden nun mit dem ersten beginnen wollen –

Das erste Gebot! rief mein Onkel Toby und stützte die Hand in die Seite *   *   *   *   *   *   *   *   *

Das zweite Gebot! – rief mein Onkel Toby und schwang seine Tabakspfeife, wie er an der Spitze eines Regiments den Degen geschwungen haben würde. –

Der Korporal machte seine Handgriffe mit Genauigkeit durch und nachdem er Vater und Mutter geehrt hatte, machte er eine tiefe Verbeugung und marschirte nach der Rückwand des Zimmers zurück.

Alles auf der Welt, sprach mein Vater, ist mit Spaß und Witz und sogar mit Belehrung geladen, – man muß sie nur herauszufinden wissen.

Hier ist das Baugerüste der Belehrung, ihre wahre Spitze der Thorheit, ohne den Bau selbst dahinter.

Hier ist der Spiegel für Erzieher, Lehrer, Hofmeister, Gouverneure, Gerundiumkauer und Bärenführer, indem sie sich in ihrer wahren Größe beschauen können.

O Yorick! mit der Gelehrsamkeit wächst eine Rinde und Schale, welche die Ungeschicklichkeit dieser Herren nicht abzuwerfen vermag.

Wissenschaften kann man auf dem Weg der Routine erwerben, Weisheit aber nicht.

Yorick kam es vor, als ob mein Vater ganz begeistert sei. – Ich will mich augenblicklich verbindlich machen, fuhr mein Vater fort, das ganze Legat meiner Tante Dinah zu wohlthätigen Zwecken zu verwenden (beiläufig gesagt, hielt mein Vater nicht sehr viel von solchen), wenn der Corporal mit den Worten, die er eben hergebetet hat, irgend einen bestimmten Gedanken verbindet. – Wie, Trim, sprach mein Vater und drehte sich zu ihm herum, was verstehst du darunter deinen Vater und deine Mutter ehren?

Daß ich ihnen, wenn sie alt werden täglich drei Dreier von meiner Löhnung gebe, Euer Gnaden. – Und hast du das wirklich gethan, Trim? fragte Yorick. – Ja, das hat er, versetzte mein Onkel Toby. – Dann Trim, sprach Yorick, indem er von seinem Stuhl aufsprang und dem Corporal die Hand schüttelte, dann bist du der beste Ausleger dieses Gebots, und ich achte dich darum mehr, Corporal Trim, als wenn du am Talmud selbst mitgearbeitet hättest.

O Segen der Gesundheit, rief mein Vater, als er die Blätter zum nächsten Kapitel umschlug, du gehst doch über alles Gold und alle Schätze der Welt; du erweiterst die Seele, – du öffnest alle ihre Kräfte, um Belehrung in sich aufzunehmen und die Tugend zu schmecken. – Wer dich besitzt, dem bleibt wenig zu wünschen übrig; – und wer so unglücklich ist, dich zu entbehren, – der entbehrt Alles mit dir.

Ich habe, fuhr mein Vater fort, Alles was sich über diese wichtige Sache sagen läßt, auf einen kleinen Raum zusammengedrängt; wir wollen deshalb dieses Kapitel ganz durchnehmen.

Mein Vater las wie folgt:

Das ganze Geheimniß der Gesundheit liegt in dem richtigen Wettstreit um die Gewalt zwischen der radikalen Hitze und der radikalen Feuchtigkeit. – Sie haben diese Thatsache, glaub' ich, schon oben nachgewiesen, bemerkte Yorick. – Zur Genüge, versetzte mein Vater.

Damit schloß mein Vater das Buch, – nicht in der Art als sei er entschlossen nicht weiter daraus zu lesen, denn er behielt den Zeigefinger in dem Kapitel; auch nicht im Aerger, – denn er machte das Buch langsam zu, und sein Daumen ruhte dann ohne die leiseste drückende Heftigkeit auf der oberen Seite des Einbands, während die drei übrige Finger an der unteren Seite lagen. – Ich habe, sagte mein Vater mit einem Kopfnicken zu Yorick, die Wahrheit dieses Satzes allerdings in dem vorhergehenden Kapitel zur Genüge dargethan.

Wenn man dem Mann im Monde gesagt hätte, ein Mann auf der Erde habe ein Kapitel geschrieben. in welchem zur Genüge dargethan worden, daß das richtige Geheimniß aller Gesundheit in dem gehörigen Kampf um die Herrschaft zwischen radikaler Hitze und radikaler Feuchtigkeit bestehe; und er habe diesen Beweis so geschickt durchgeführt, daß gleichwohl im ganzen Kapitel auch nicht ein einziges nasses oder trockenes Wort über radikale Hitze oder radikale Feuchtigkeit, – nicht eine Sylbe pro oder contra, direct oder indirect über den Kampf zwischen diesen zwei Mächten in irgend einem Theile der thierischen Oekonomie gesagt sei, – so würde er mit der rechten Hand (falls er eine hat) auf die Brust geschlagen und ausgerufen haben: O du ewiger Schöpfer aller Dinge, du, dessen Allmacht und Allgütigkeit die Fähigkeiten deiner Geschöpfe bis zu diesem unendlichen Grad von Fürtrefflichkeit und Vollkommenheit erweitern kann – Was haben wir Mondbewohner denn gethan –?


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