Franz Stelzhamer
Groß-Piesenham
Franz Stelzhamer

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Den Äckern ganz gleich waren seine Wiesen: versumpfter Grund ohne Abzuggräben darin, ohne nährende Zutat darauf, gaben sie eine nur spärliche Fechsung von zähem, saurem Futter, das sich seine elenden Rößlein und mageren paar Kühlem  lieber aus dem versäuerten, schmutzigen Barren als Streu unter die Füße warfen denn fraßen, instinktmäßig lieber hungerten, denn sich Psalter und Laab verdarben.

Ganz anders aber als Grund und Vieh war das Müllervölklein selbst, völlig wohlgenährt und leidlich gut aussehend.

Wer sich darüber verwundern möchte und da fragen:

Wie das? der ist ein schlechter Kenner vom Mühlgeschäft und überdies eine unschuldige, grundehrliche Seele. Soll ihm aber gleichwohl von uns das interessante Rätsel doch nicht aufgelöst werden, damit er den Engel abstreife und Mensch mit uns Menschen werde, d.h. für die Welt nützlich und brauchbar werde, wie wir es geworden sind.

Ach, es ist nun einmal nicht anders: seit Adams Fall müssen wir alle fallen, damit wir uns selbst wieder erheben und in dieser Erhebung unsere Rechtfertigung finden.

Die Mühle hatte Türen und Tor wie andere Gehöfte, wäre auch, wie die der Andern, nachts abzuschließen und zu sperren gewesen. Das geschah aber selten oder gar nie. Und wenn es auch geschehen wäre, genützt hätt’ es dennoch wenig oder nichts. War doch die übrige Verschalung stets so locker und lückenhaft, daß, wer eingehen wollte, es nur auch gleich mochte.

Es war das aber nur das sprechende Zeichen der innen herrschenden Gastfreundschaft. Gesindel, das sonst nirgends Unterkunft gefunden, beherbergte ohne Widerrede der Müller.

Aber sieh, trotz dieser ausgedehnten Gastfreundschaft geschah es denn doch, daß der Müller frühmorgens einmal die Gasse herab durch das Dorf gelaufen kam – es war für Alt und Jung, Groß und Klein ein herzzerreißender, erschütternder Anblick! – die Hände – was ich wohl bei übergroßem Leid, bei entsetzlichem Geschehnis schon gehört, aber bis dahin und auch seitdem nie gesehen hatte – beide seine Hände hatte der kleine, sonst drollige Mann über dem Kopf zusammengeschlagen, als wollt’ er sich von dessen Vorhandensein überzeugen oder sein Davonlaufen verhindern, und schrie in schmerzlichster Wehklage nur immer:

»Aus ist’s, aus ist’s, ganz aus!«

Die Leute rissen die Fenster auf, schossen heraus zu Tür und Tor und fragten voll Mitleid und aufrichtiger Bekümmernis:

»Was denn, Müller, was denn?«

Aber der Unglückliche lief nur um so eiliger und schrie um so heftiger:

»Aus ist’s, aus ist’s, ganz aus!« Seine ihm nachlaufenden, auch wehklagenden Hausleute gaben erst im Vorüberflug die Aufklärung:

»Es waren heute Nacht bei wieder einmal unversperrter Stalltüre seine beiden Rößlein gestohlen und weggetrieben worden!«

Was nur gesunde Füße und im geringsten Zeit und Muße hatte, lief auch aus und half dem unglücklichen Müller suchen, aber all umsonst – Ross’ und Roßdieb waren wie verschwunden!

Müllers Felder mußten die Nachbarn bestellen. Sie taten es auch ungebeten und siehe da, heuer zum ersten Male seit seiner Wirtschaft machte er eine bessere, recht erträgliche Ernte.

Um den Ertrag derselben holte er vom »Landel« (Hausruckviertel) herüber ein paar dunkelbraune Eselein und seine Wirtschaft ging wenigstens wieder wie früher.

Nebst Weib und Kinder fütterte der Müller noch einen Bruder, einen verzwergten, schlecht aussehenden Faulenzer, der wohl nicht arbeiten mochte, aber allerlei Künstelei trieb. So verstand er z. B., aus dem Halme der Kornähre Pfeifchen zu schneiden, auf denen er mit wunderlichstem Getön die schönsten »Tänze« spielte und abends nach dem »Kornfeldbeten« Alt und Jung unterhielt und ergötzte.

Ferner fütterte der gutmütige Müller eine Schwester, die »schwarze Liesel« genannt, eine faule Dirne, die sich gäh einmal mit Vagabunden verlor und nie wieder ins Dorf zurückkehrte.

Endlich ein Mühljung, braver Arbeiter, aber sehr zweideutigen Rufes, beschloß den persönlichen Hausstand im zerlumpten Mühlchen zu Piesenham.

Die Alten starben, der darauf folgende Junge verdarb an seinen und den Vorsünden des Alten, und die Familie stob auseinander.


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