Franz Stelzhamer
Groß-Piesenham
Franz Stelzhamer

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Sonderbare Leute! Der Mann eine kleine, dachsartige Figur, ein ungeheurer Filz und voll »bitzligen« Jähzorns, bereitete uns Kindern öfter ein wahres Entsetzen.

Wir jungen Köpfe wollten und konnten es immer gar nicht glauben und nun einmal nicht für möglich halten, daß die großen Kirschbäume oben in der wilden »Kornbrintleiten«, unter lauter Gestrüpp und anderen wilden Bäumen, eines Menschen ausschließliches Eigentum sein sollten.

Die Bäume hatten im April und Mai wieder herrlich geblüht und hingen auch richtig nach etlichen Wochen wieder voll roter und schwarzer, zwar kleiner, aber pikant lieblicher Waldkirschlein.

Wie Eichkätzchen kletterten wir auf den zähen Ästen herum und schmausten nach Herzenslust.

Hui, hui – ho, ho, ho, ho! – Da wetterte der kleine, dachsbeinige »Landler« querfeldein, seinen breiten Hut zwischen die Zähne gekniffen, in einem Saus daher.

»Diebsgesindel! Kleine Bagasch!« Und wehe dem, das nicht schnell genug, mehr herunterfiel als rutschte und kletterte – eine Faust voll Haare weniger, ein blutendes Ohr mehr, das war das wenigste, der schäumende Wüterich hätte auch eins gestoßen, getreten und gewürgt.

Aber wir entwischten ihm doch meistens alle glücklich. Das zornige »Vieh« hatte dann nur die Entschädigung, – einmal recht schelten und rasen zu dürfen.

Seine Bäuerin war ein stilles, fast scheues Weib. Sie tat niemandem etwas zuleide, ging in die Kirche, betete und arbeitete fleißig und doch – weiß Gott, wie und warum – galt sie für die Hexe des Dorfes.

Die anderen Weiber schlenderten und plauderten gesellig auf dem Kirchgange hin und zurück; sie mußte allein gehen, kein Mensch wollte mit ihr sein, mochte auch nur ein Wort mit ihr sprechen.

»Ach, die Landlerin!« hieß es, wenn sie einer so schIendernden Gruppe endlich doch nachkommen mußte – »die Landlerbäuerin! – Geht’s, gehn wir geschwinder, oder wart’s, ich nestle mir das Schuhriemlein auf und tu’, als wenn es selbst aufgegangen wär’, derweil muß sie vorüber!« – So sprach eine.

Die Landlerin konnte nun als erste oder letzte von der Kirche heimwandern, die vorderste oder hinterste dahin; zugleich mit ihr ging und kam niemand.

Wenn sie dann vorüber war oder durch Voreilen weit genug zurück, dann vergaßen die Weiber, was sie eben noch so emsig und gründlich mochten verhandelt und ausgeklügelt haben, und –:

»Hast du schon gehört« – frug eine die andere mit Zugespitzten Lippen und lauernden Augen – »die Landlerin hat am Mittwoch dem Eierhändler Brettweg schon wieder für zwanzig Batzen Eier verkauft! Wir haben doch auch Hühner, junge und alte, und mehr als sie, aber – !«

»Ja« – sagt die andere – »und dem Peter zu Hub hat sie schon wieder drei >Buschen< Garn hintangeben können!«

»Und dem Schmalzjuden Kaspar einen halben Zentner Schmalz« – fällt die dritte ein.

Zweite: »Wir spinnen doch auch!«

Dritte: »Wir melken doch auch die Küh’!«

Erste: »Aber hexen können wir nicht!«

Alle drei: »Nau! – gelt! – Nu, was denn!«

Die Landler-Bauernleute hatten ein paar Kinder, Sohn und Tochter, die offenbar unter dem Gewicht des allgemeinen Verdachtes erseufzten und verkümmern mußten.


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