Franz Stelzhamer
Groß-Piesenham
Franz Stelzhamer

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Es zählt nämlich über dreißig Nummern.

Und die Dörfler, im Bewußtsein ihrer räumlichen Grösse, teilen sich selbst – und das nicht ohne Stolz gegen Auswärtige, sogar unter sich – in Ober-, Unter- und Mitte-Dorf. Ja, dieses echt deutsche Sondergelüst und Sonderbündeln ging zu meiner Zeit, d. i. als ich und meine zwei Brüder dort das Knabenregiment führten, soweit, daß wir Unter- und Mitte-Dörfler-Buben gegen die etwas stärkeren Ober-Dörfler mehr als einmal in heller Kriegsflamme erloderten und uns mit »bösen Mäulern«, ja mit Prügeln und Steinen in den kleinen Fäusten förmliche mörderische Bataillen lieferten. Geschah es dann auch, daß von da – oder dorther der bange Ruf einer besorgten Mutter, der helle Pfiff eines erbosten Vaters Waffenstillstand und zeitweiligen Frieden stiftete, morgen, auf dem Heimwege von der Schule – wo nichts half –, entbrannte das Kriegsfeuer gewiß wieder, und das um so heftiger, heißer, als auch die weite, sammetweiche Wiese einen so geeigneten Kampfplatz abgab.

Auch war da der allzeit brauchbare und stets dienstfertige Bach, um ein etwaiges Schundmal oder ein blutendes Näschen darin zu baden und sauberzuwaschen.

Ferner noch der weite Feldweg, um ein gleichviel aus Zorn oder Schmerz tränendes Auge bis zur Heimkunft wieder trocknen zu lassen.

Die Mütter dann, welche zu Hause längst schon mit dem fertigen Mittagmahle – doch halt! Da war ich auf schönster Fährte, mir selbst in mein eigenes Gebiet einzubrechen, in das meiner vorhabenden Schulgeschichten nämlich; drum halt, halt! Das darf nicht sein, soll nicht geschehen, so schwer es auch sein mag in diesen meinen Dorferinnerungen, die so hart am benannten Gebiete hinstreifen, mich ganz von aller Antastung und Berührung frei und fern zu halten.

Allein, es soll sein und – ich will es, ich muß.

- –- Das große Dorf Groß-Piesenham also erfreut sich auch dreier Wege, um es hin und wieder auf- und niederwärts zu passieren. Mittendurch geht der nicht ganz mustergültige Fahrweg und Viehweg; dann außen herum noch je einer auf beiden Seiten, ein sogenannter »Fußsteig«, und das im buchstäblichen Sinne; denn man hat darauf unzählige Verzäunungen (Stiegeln) und nicht viel weniger Pfützenabläufe zu übersteigen. Allein, in den unterschiedlichen Zeiten des Jahres ist man einmal wegen größerer Trockenheit, das andere Mal der kühleren oder sonnigeren Lage halber so um den einen wie um den anderen von Herzen froh und im Wandel darauf seelenvergnügt.

Und wie gut ist es erst zu jeder Jahreszeit und bei jeder Witterung. Man hat z. B. gerade auf einen und den anderen Insassen einen kleinen »Faschee«, steht mit diesem und dem in einem augenblicklichen Verdruß, Zank oder Streithandel; schuldet dem Schneider, Schuster, Hafner, Tischler etwa eine Kleinigkeit und kann oder will nicht gleich zahlen. Wie gut, daß man ihm nicht aller Tage mehrere Male an seinen Fenstern, seiner Werkstätte vorübergehen muß, wie gut, daß man ihm auf einem der Wege ohne Auffallenheit und doch zuverlässig ausweichen kann!

Ja, die lieben, einfältigen Dörfler haben eben auch ihre Vorsicht und Staatsklugheit!

Wir aber, die wir uns vorderhand in keinem der zwei benannten Fälle befinden, wir spazieren, wie weiland die Herren Franzosen, von der Westseite her auf dem breiten Fahr- und Viehweg ins liebe Dorf hinein und hier durch und dann wieder hinaus – Wieder hinaus? Jawohl, lieber Leser, du bist ja ein Städter, und dürfte es dir, trotz der Schönheit, im Dorf doch auf die Länge nicht sehr wohlgefallen, nicht ganz behaglich darin vorkommen! ...


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