Carl Spindler
Der Vogelhändler von Imst
Carl Spindler

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Viertes Kapitel.

»Jetzt horcht, wie Sturm und Gähwind hausen
»Schier die Hütt'n nimmt Dir's mit;
»In der Weit'n z'seyn heut außen
»Wünscht' ich meinen Feinden nit.
»Gar kein'n Hund sollt'st aussi locken,
»'s ist grad zum Erfrieren kalt;
»Gleich beim warmen Ofen hocken
»Ist, beim Eid, heut's feinste bald.
»Da thust nichts vom Wetter g'spüren,
»Machst Dein'n Türken aus mit Ruh';
»Wastl, Du thust's Feuer schüren:
»Gelt, Nönl, Du derzählst dazu?«
(Nach v. Lutterotti's Volkssage von der Frau-Hütt;
ursprünglich in Höttinger Dialekt geschrieben)

Mehr als eine Stunde, bevor Seraphin seinen wetterstürmischen Heimgang angetreten, waren im weißen Kreuz die Dienstleute des Hauses zusammengesessen an dem langen Tisch, der mit Zelten, Nüssen und Wein prangte, womit am Christabend das Gesinde, statt eines Nachtessens, traktirt zu werden pflegt. Der alte Stachus führte den Zepter an dieser frugalen Tafel, und die braune Mala neben ihm theilte seine Ehre, indem sie den andern Dirnen, wie Stachus den übrigen Knechten und Buben, die Nüsse austheilte, die fröhlich aufgeklopft wurden, so zwar, daß die Mannsleute für die Mädchen sorgten, und diese wieder für jene. Der Krug ging dabei bescheidentlich in die Runde; lustiges Geschwätz würzte die Speise und den Trank. Die plaudernde Gesellschaft hätte nicht mit den Honoratioren in der 136 Hinterstube getauscht; die fleißige Wirthin, die ab- und zuging, um nach des Hauses Ordnung zu sehen, blieb manchmal neben den Scherzenden stehen und ergötzte sich an ihren Schwänken. Wohl sagte sie auch bei der Gelegenheit ein freundlich ermunterndes Wort dem armen Maurerwastl, der am Abend in die Stube gekommen war und melancholisch, in sich selber tief versunken, den Schmausenden zunächst saß. Jedes freundliche Wort war indessen bei ihm gleichwie in taube Ohren geredet. Man merkte ihm an, daß, wenn auch die abscheulichste Witterung ihn vom Fenster seiner Geliebten vertrieben hatte, dennoch sein bischen Geist auf dem eisigen Brunnenrande kleben geblieben war.

Die Nußklopfer achteten nicht des armen Thoren; sie hatten mit sich selber genug zu thun. Der Franz neckte die Stasl, die Seph zog den Bruno auf, die Mala hatte es mit dem uralten Josele, dem Gnadenbrodesser im Hause, und was noch ferner an Knechten und Mägden umhersaß, lachte bald über den Einen, bald über die Andern, ohne jedoch die Würde des heiligen Abends mit allzuargem Geschrei zu stören. Die Rede ging vom letzten Nikolaustag und von den Geschenken, die Josele in der Gestalt des ehrwürdigen Bischofs gebracht, wie auch von den gräßlichen Späßen, welche der als Klaubauf vermummt gewesene Simele gerissen; dann gerieth man auf das kommende Neujahr, und rechnete hin und her, was dasselbe wohl den zu Tisch Sitzenden bringen möchte. Franz spöttelte: »'s bringt der Stasl einen Mann; sie kann ihn einmal brauchen, die Haut ist völlig schon übertragen!« – Worauf die Stasl halbböse: »Werd' freilich einen feinern kriegen, als Du bist.« – »Wie oft bist schon durch die Reitern gefallen?Durch die Reiter'n fallen: »keinen Mann kriegen.« Reiter ist ein Sieb.« fragte Simele vorwitzig. –»Noch gar kein einzigsmal. Hab' immer selber meinem Buben den Abschied gegeben. Weißt Du's noch, Simele? solltest es doch wissen, grad niemand 137 besser als Du?« – »Dem Simele ist das was Gewohntes,« scherzte die Mala: »es wird ein Jahr seyn, so haben sie ihm in der Kirche die ZottelnZotteln: Haarlocken. Der Gebrauch des Zottelabschneidens erklärt sich von selber. abgeschnitten, als die Veronika mit dem Porta-Michel ausgerufen worden ist.« – »Das ist nicht wahr,« bemerkte Simele phlegmatisch: »aber ich habe schon die Scheere im Sack, um Dir den Zopf abzuschneiden, wenn Dein Hansel die Schmidin heirathet, die er jetzt lieber hat, als die Mala.« Zur Bekräftigung sang er den Schnodahagg'nSchnodahagg'n: Spott- und Trutzreim derberer Art, als die gewöhnlichen Gsangl'n und Schnoda- (Schnitter-)Hüpfeln., den er einmal im Unterinnthal aufgeschnappt hatte:

»'s Diendl ist stolz,
»Ist von buchsbaumen HolzVon buchsbaumen Holz seyn: sich gar vornehm stellen.,
»Wär's von feichtemFeichten: fichtenes, nämlich gemeines Holz. gebor'n,
»Wär's so frodig nit wor'n!«

Die jungen Burschen wiederholten lachend das Spottgsangl und klopften dazu den Takt auf den Nüssen. Mala verzog ihren Mund bitterböse, und sammelte eine stachliche Erwiederung auf ihrer Zunge. Stachus, der Vorsitzer, wollte jedoch den guten Ton wieder herstellen, pochte auf den Tisch, und befahl: »'s Maul halten, ihr Spottvögel! Trinken wir eins, und reden wir von was anderm! 's kommt nichts Gut's heraus bei dem Föppeln.« Und als Buben und Dirnen tranken, und sich eine Pause einstellte, wendete sich Stachus zum Josele, und fuhr fort: »Sag einmal, Du, – hast schon vierzig Jahre hier im Haus gedient, und bist um zwanzig älter, als ich, der auch nicht mehr jung ist. Hast Du aber in deinem Leben einen Winter gehabt, so schiech und kalt und unlustig wie den heurigen?« – »Ach, mein Gott, ja freilich,« antwortete der erfahrne Josele; »Anno acht und achtzig ist's grimmig kalt gewesen, sind die Füchse im Bau erfroren; Anno neun und achtzig hat's sechzig Schnee geschnieben, und einmal weiß ich, daß das Schneien gar nicht mehr aufgehört hat; das war Anno neun und neunzig.« – »Daß Gott erbarm!« lamentirten die Weiber. 138 »Ja, ja,« redete Josele weiter, »da war auch der Roggen nicht gerathen, und Hungersnoth überall. Haben viele arme Leute Baumrinde in ihr Brod gethan. Nun, dazumal hatte ich noch meine Zähne und hab' mich nicht vor dem steinharten Brod gefürchtet, wie jetzt, da ich die Nussen wohl aufklopfen, aber nicht mehr beißen kann.« – »Halt Dich an den Wein, Josele!« ermahnten die Jungen den Alten, und schoben ihm den Krug zu. Während er willfährig trank, begann Stachus, den Kopf wiegend: »Es setzt auch heuer viel Noth ab unter den Leuten, aber sie müssen still halten und sich gedulden, und wenn sie hexen könnten, denn gegen den Willen Gottes kommt nichts auf.« – »Ja freilich,« meinte Simele, »nicht einmal der Jäger-Liebl. Dem soll's schlecht gehen, und er kann doch mehr als andre Christenmenschen, wie's heißt.« – »Ist's denn wahr, daß er am Hungertuch nagt?« fragte die Wirthin, die des Simele Rede vernommen hatte. »Freilich ist's wahr,« bestätigte Bruno, »ich hab' ihn erst heute früh gesehen. Er ist nicht mehr zum Kennen, so verhutzelt und wild schaut er aus.« – »Narr,« sagte Stachus, »sein Weib ist krank und sein kleines Kind, und nichts zu nagen ist im Hause. Die Mäuse haben schon von ihm Abschied genommen.« – »Hat er denn nicht ein kleines Hexenmandl, das ihm Geld bringt?« fragte die Stas vorwitzig: »Mein Vater hat erzählt, es käme alle Monate ein feuriger Putz zum Liebl in's Haus geflogen, und reiche ihm, was er sich gerade wünsche.« – »Was Putz, was Putz!« spottete Stachus; »hat Jemand gehört, daß der Nauderer Lork einem Menschen etwas geschenkt hätte? Die Erdteufel zahlen nur mit Feuer und Schwefel, aber nicht mit Gold«

Mit diesen Worten rückte der erfahrene Josele auf seinem Platze unruhig hin und her, und kaute Luft mit seinen Kinnbacken, ein Zeichen, daß er etwas auf dem 139 Herzen habe, und damit gern losdrücken möchte. »Nun, was sagst Du dazu?« fragte die Wirthin den alten Stachelbart. Josele schaute behutsam rechts und links, hielt die Hand vor die Augen, und erwiederte: »Meine Lichter sind alt und schwach, ich kann nicht mehr unterscheiden, ob außer denen, die am Tische sitzen, noch Jemand in der Stube? Ich möchte euch etwas erzählen, aber, wenn der Jäger um die Wege wäre, oder Jemand, der's ihm wiedersagen könnte . . . .?« – »'s ist Niemand da,« tröstete ihn Stachus, »niemand als der Maurerwastl, und der tragt's nicht aus, was Du uns sagen wirst.«

Josele zuckte die Achseln mit einem Seitenblick auf den verliebten Thoren, und legte sich, beide Arme bequem untergestützt, in den Tisch hinein. Die neugierigen Beisitzer steckten die Köpfe zusammen, und der alte Mann fing seine Erzählung mit halblauter Stimme an, als ob er, aller Versicherungen ungeachtet, dennoch fürchtete, von einem ungebetenen Zuhörer belauscht zu werden. »Es war,« sagte er, »wie ich glaube, ein Jahr, bevor der bayerische Kurfürst in's Land gefallen ist; da ist der Liebl in's Vintschgau gekommen. Er hatte sich ehedem im Oberinnthal aufgehalten, und war als ein guter Schütz und verwegner Bursch überall bekannt worden. Gleich zu Anfang berichtete man von dem Jäger allerlei seltsame Stücke, und namentlich war's wunderbar, daß ihm niemals ein Schuß versagte, und daß ihm weder Mensch noch Thier im blutigsten Raufen etwas anhaben konnte. Nicht einmal eine Schramme hat er je davon getragen, und hat sich doch mit Wölfen und nicht selten mit Bären herumgeschlagen. Allemal mußten die Bestien unterliegen und ihr Leben lassen. Beim Scheibenschießen hat er nicht ein einzigmal gefehlt, daß ich wüßte, und auf die Bayern ist er mit dem Landsturm tapfer losgegangen, hat Manchen von ihnen niedergelegt, daß er nicht wieder aufstand. Wo das KreidenfeuerKreidenfeuer: Signal- oder Insurrektionsfeuer. Kreiden: Kriegsgeschrei. – In Tirol, zum Aufgebot der Landschützen, noch heute gebräuchlich. aufbrannte, war er der Erste auf dem 140 Platze, mit Säbel und Gewehr, und kam der Letzte nach Hause, als unsere Landschützen dem Feind das Geleit in's Reich hinaus gegeben hatten. Nun also, selbiger Liebl ist dazumal ein frischer Bub gewesen, und hatte viele Liebschaften, aber zum Heirathen hat ihn zu jener Zeit keine gebracht. Er liebte just nur zum BaffeltangPasse-tems [Zeitvertreib], aber dafür hatte er sich einen Freund zugelegt, über den ist ihm nichts gegangen. Der seinige Freund war eigentlich ein Bergmann von Schwatz oder aus dem Achenthal, und hatte im Tschirgant – wißt Ihr? in dem Berg, der dem Markt Imst vor der Nase steht, gearbeitet. Ich weiß nicht mehr, haben sie dort nach Silber oder nach Kupfer gesucht, das ist alleins; genug: es war bald nichts mehr in dem Berg zu holen und die Stadtherrn, die jene Gruben aufgebrochen hatten, und nichts mehr darinnen zu fischen fanden, haben den ganzen SchmarrnSchmarr'n: elendes Zeug, eigentlich eine wenig geachtete Mehlspeise. eines Tags liegen lassen und ihre Knappen in die Welt hinausgeschickt. Hierauf ist der Maroner, wie selbiger guter Freund sich geschrieben, zu dem Liebl gekommen, und sie haben in Schlanders oder Schluderns mit einander gehaust, ohne andere Arbeit, als in den Berg zu gehn und Gemseln zu schießen, oder halt alles, was ihnen vor's Rohr kam. Dabei waren sie lustige und freche Leute. Wo ein blaues Räuchel aufgingWo ein blau's Räuchl aufgeht: wo nur ein Schornstein raucht, und also irgend eine Lustbarkeit los ist., waren sie zu finden, und Jedermann ließ sie in Ruhe, weil sie recht gefürchtet waren. Auf einmal – die Herrlichkeit hatte nicht lang gedauert – ist einmal der Maroner vom Gericht beim Kopf genommen und ins Loch gesteckt worden. Er soll falsch Geld gemacht haben, und der Polsterhof hätte gewiß seine traurige Steuer nach Glurns entrichten müssenDie traurige Steuer des Polsterhofs: dieser einsam stehende Hof, drei Viertel Stunden von Schleis, hatte in alten Zeiten die Verpflichtung, zu einer jeweiligen Exekution mit dem Schwerte in Glurns den Polster auf den Malefikantenstuhl zu liefern. Daher der Name. und der Maroner wäre um Hals und Kragen gekommen, wenn er nicht glücklicherweise im Thurm gestorben wäre, ehe noch das Urtheil gesprochen worden. – Nun – er war todt, und 141 der Liebl, der ein paarmal wegen seiner war verhört, aber dann freigelassen worden, weil er verstanden, sich herauszubeißen – der Liebl also ging herum, wie vordem, und wer ihm von seinem Freund sprach, hat eine oder zwei Dachteln aus dem Salz von ihm gekriegt, bis Niemand mehr über die Geschichte das Maul aufthat. Aber mir hat kurz nachher ein Schreiber vom Gericht – Gott hab' ihn selig, er war der ehrlichste Schreiber, den ich je gesehen – mir also hat selbiger vertraut, was der Maroner in seinen letzten Stunden auf sich und den Liebl bekannt hatte. Sie seyen nämlich, hat der Maroner gesagt, ein paar Jahre zuvor, an einem Charfreitag, in der Nacht um zwölfe, bei der Wallfahrt von Kaltenbrunn vor ein Kruzifix an einem Kreuzweg hingestanden, und das Kruzifix war ein andächtig verehrtes, ein braves Kruzifix. Da hat der Liebl gesagt: Weißt Du, was wir thun, auf daß wir fest seyen vor Hieb und Stich und Kugel, und daß uns kein Schuß mehr im Leben versagt? – Nein, hat der Maroner geantwortet, das weiß ich nicht. – So schau her, hat wieder der Liebl gesagt, hat eine extra gegossene Kugel in seine Büchse geladen, und damit unter einem teuflischen Anruf dem Herrgott ein Auge herausgeschossen, das rechte oder das linke, das kommt auf eins heraus. Da hat's drauf einen Krach im Walde gethan, und ein unsauberer Geist ist dagestanden und hat gesagt: Brav, Liebl; Dir soll's nie auf's Schwarze fehlen, und weil Dein Blut jetzt mein gehört, so soll's kein Mensch auf Erden vergießen dürfen. – Nun, der Maroner hat selber nicht schießen wollen, wenn gleich ihm der Liebl das Gewehr mit einer eben solchen Teufelskugel geladen und dargestreckt hat; aber auf dem Todbettl hat's ihn gedrückt, und er hat's einbekennen müssen. Von der Zeit an hat der Liebl Gewalt über Vieh und Menschen gehabt, und weil er so erschrecklich umzog und gleich Jeden niederschlug, der ihn krumm angeschaut, hat 142 der dazumalige Herr Richter, der ein furchtsamer Mann gewesen, über das Bekenntniß still geschwiegen, und ich hab' dem ehrlichen Schreiber versprechen müssen, gleichfalls das Maul zu halten, wenigstens so lange Jener leben würde. Nun ist er freilich todt, und weil mir die Sache wieder heut' in Sinn gefahren ist, hab' ich's Euch sagen wollen, damit Ihr wisset, auf welche ruchlose und gottvergeßne Weise der Jäger zu dem Glück gekommen ist, das bei ihm geblieben ist, bis auf heute. Wo aber einmal der böse Feind seine stinkende Bratzen im Spiel hat, wird nimmermehr das Glück auf ewig Bestand haben. Drum ist heuer der Jäger von seinem Wohlstand herabgekommen, und – was gilt's – wir hören bald, daß ihm sein höllischer Gevatter das Genick zerrissen hat!Das Genick zerreißen; das Genick brechen. »Ein zerrissenes Schloß,« u. s. w.«

Nachdem Josele seine wundersame Erzählung beendigt, ließ das Grausen die Zuhörer lange nicht zu Wort, kaum zu Athem kommen. »Hm, hm,« unterstand sich endlich Stachus zu sagen, »es mag schon etwas an der Geschichte seyn, denn es ist bekannt und ausgemacht, daß dem Kruzifix bei Kaltenbrunn oder Kauns die Augen ausgeschossen worden sind, wiewohl Andere sagen, es sey die Kugel in die Seitenwunde gefahren; und daß der Jäger an einem Freitag kein Körnl Pulver verbrennt, und wenn Gott Vater in Person es ihm befehlen würde.« – Es wollten noch mehrere eben so scharfsinnige Betrachtungen von einigen andern Anwesenden angestellt werden, aber die Verhandlung wurde durch den plötzlichen Eintritt des Grödners unterbrochen. Der Mann schien äußerst unruhig und bestürzt. – »He,« fragte er, »hat Niemand den Seraphin gesehen? Wie ich höre, hat ihn mein Weib nach Mals geschickt, und draußen ist ein Wetter, als ob die Welt zu Grund gehen müßte.« – »Der arme Bub!« entgegnete Stachus: »ich hab's ihm vorausgesagt. Wenn er nicht drüben geblieben ist, um das Wetter abzuwarten, so sehen wir ihn nicht mehr 143 lebendig wieder.« – »Wär' mir nichts lieber!« schnaubte der Grödner: »He, Wirthin, gebt mir einen Knecht, ein paar Pferde und ein Wetterlicht; ich will dem Buben entgegenreiten, und wer mich begleitet, soll ein gutes Trinkgeld haben.« –

Die Wirthin lief mitleidig, ihren Mann herbeizurufen. Die Knechte, die sich in der warmen Stube, bei Wein und Scherz und Josele's Geschichten wohl befanden, zeigten nicht viel Lust, der Aufforderung des Grödners Gehör zu geben. »Ich ginge schon mit, ich,« entschuldigte sich Stachus, »wenn mir nicht so eng auf der Brust wäre, aber der erste Windstoß würde mich umwerfen. Da ist jedoch der Simele, ein TrummTrumm: großes Stück. Trumm von einem Kerl, ein sehr starker Mann. von einem Kerl, der Wind und Wetter aushält!« Als Simele bei solcher Lobeserhebung ein bedenkliches Gesicht machte, stieß ihn der Stachus an, und setzte heimlich hinzu: »Mach' dich auf, fauler Mensch! der Grödner ist raschonig, und es kommt ihm gewiß auf einen halben Thaler nicht an.« – Demzufolge erhob sich Simele wirklich phlegmatisch, zog die Hosen auf, langte nach seinem mit Schafpelz gefütterten Lederjanker, und versetzte: »Meintwegen, wenn's nur was hilft!«

Die Angelegenheit des Grödners war sofort in ein paar Minuten in Ordnung. Er trank noch ein Glas Wein über'm Kopfe aus, und schwor theuer und hoch, er würde seinem Weib die unmenschliche Versendung des Seraphin tüchtig entgelten lassen, wenn das Weib nicht krank zu Bette läge. Simele folgte dem Beispiel des Krämers, insofern es den Wein betraf. In einem Hui waren beide auf den Pferden, und trabten gutes Muths, aber ohne Aufhören schimpfend und wetternd, in die Nacht hinaus.

»Ich glaub' doch,« bemerkte die Mala nach einer Weile mit verschmitztem Gesichte, »ich glaub' doch, was sie im Dorf sagen: der Seraphin sey des Grödners 144 leiblicher Sohn. Hat nicht der Mann geschwitzt, daß an jedem Haar ein Tropfen hing?« – »Nun, was geht's uns an?« erwiederte Stachus gravitätisch: »Wer hebt den ersten Stein auf? Ich will gerade heraussagen, daß mir die Grödnerin auch nicht gefällt, und ich denke, wär' sie noch ledig, und der Grödner auch, er würde wohl keine Scheibe mehr für sie schlagen.« – »Ach, ach, jetzt kommt bald das Scheibenschlagen wieder,« jubelten die Mägde kichernd; nur die Stas verzog bitter den nicht allzukleinen Mund. Franz gewahrte das Schmollen, und spöttelte: »Wer hat am letzten Kassonntag für Dich eine Scheibe geschlagen, Stasl?« – Die Angeredete antwortete nicht, aber für sie nahm der Bruno das Wort, und sprach: »Scheiben hat sie nicht gekriegt, aber wohl ein paar Eis', die ihr der Schuster-Toni gegönnt hat.« – Stas lief eilig, ihre Thränen zu verbergen, vom Tisch und hinaus. »Laßt sie gehen,« meinte Stachus, »obschon Du, Bruno, etwas Gescheideres hättest thun können, als die Gesellschaft stören.« – »Ich möchte doch wissen, woher das Scheibenschlagen kommt? Ich hab's nie recht begreifen können.« – Stachus entgegnete wichtig: »Das weiß man nicht so recht. Auch der Josele kann nichts hievon reden, indem bei ihm daheim, in Passeyer, die Lustbarkeit nicht eingewohnt ist. Aber, wenn der Schulmeister recht hat, so stammt sie aus der großen Pestzeit, wo ganz Vintschgau bis auf einige Ortschaften und Häuser ausgestorben war. Da haben dann diejenigen, so das Sterben überlebt haben, brennende Holzscheiben über's Scheibeck herabgeworfen, um denen Andern zu verstehen zu geben, daß es auch noch Leute in Burgeis gibt, und so weiter.« – »Ach mein, das ist nicht wahr,« lachte Bruno: »das stammt noch aus der alten blinden Heidenzeit, hat der Herr Pfarrer gesagt.« – »Und ich sage,« fiel Franz lebhaft ein, »daß das Scheibenschlagen bekannt ist, seitdem es junge Bursche und Dirnen im Vintschgau gibt. Denn, hört's einmal 145 zu: die Scheiben, die wir Buben aus dem feichtenen Holz schnitzeln, die bedeuten unsre Herzen, die so geschwind in Brand gerathen, wie die Scheiben, wenn wir sie am Feuer auf dem Scheibeck in Flammen setzen. Der Stock, an den wir sie stecken, bedeutet gar nichts andres, als unsre kräftigen Gedanken. Je unverzagter und feuriger das Herz, je weiter läßt sich die Scheibe durch die Luft schleudern, und ist also eben unser verliebtes Herz, das wir dem Madl, das wir meinen, und dem wir die Scheibe zudenken, so zu sagen, in den Schooß werfen. Wenn ich zum Exempel« – setzte der Erklärer mit muthwilligen Augen hinzu – »die Scheibe werfe, und dazu aus vollem Halse schreie: für die Mala! so fliegt sie bis zu den Sternen auf; wenn aber der Schuster-Toni seinen Spott mit der Stasel treiben will, so kann sein Scheibenherz gar nicht fliegen, aber es rodelt so allgemach und matt den Berg hinunter, und das heißt man ein Eis, weil's kalt wie Eis und nur ein Schimpf für's Dirnl, statt einer Liebe. So ist die Sache, und wie ich's mache, so machen's alle Bursche, und darum würde auch der Grödner jetzo seinem Hausdrachen nur ein Eis schieben, statt eines flammenden Herzens.« –

»Schau, schau,« rief die Mala fröhlich: »was dem Franz heut' das Maul geht. Will nur wissen, wem er am Kassonntag die Scheibe schlagen wird?« – Die Schelmin wußte es indessen bereits, und gar wohlgefällig hatte sie des hübschen Buben Worte aufgenommen. Stachus antwortete dem Franz auf seine Rede: »Brav, brav; Hausdrach', das ist einmal deutsch, und kein Mensch im Dorf wird der Grödnerin den Titel abstreiten« – »Daß Gott erbarm'!« bat Seph mit falschem Mitleid: »wer wird einer kranken Frau so übel nachreden?«

Zur Verwunderung Aller erwachte der Maurer-Wastl unversehens aus seinem Geistesschlummer, und sagte: »Wer 146 will denn wissen, daß die Grödnerin krank sey?« – »Oho, oho, fangen die Stummen an, zu reden?« hieß es rund um den Tisch, und das Nußklopfen wurde eingestellt,, jeder Blick auf den Wastl gerichtet. Dieser wiederholte mit bestimmterem Tone: »Wer sagt, daß die Grödnerin krank sey? Sie ist gesund, wie ein Fisch. Bring' mir noch einen Wein, Kellnerin.« –

»Kannst wohl Recht haben,« versetzte Stachus lächelnd: »das Weib ist eine verlogene Schlange.« – Dagegen eiferten die Knechte, um den armen Narren in Harnisch zu bringen: »Ach, ach, was platzedertPlatzedern: einfältig plaudern oder schreien. der Wastl da? Was weiß der Wastl?« – Etwas aufgebracht stand der Bursche auf, trat zum Tisch, und hob mit verschränkten Armen an: »Wenn ich sie doch, es ist nicht eine Stunde her, auf unserer Wiese spazieren gehen gesehen habe?« – Nun entstand ein helles Gelächter. »Spazieren, spazieren bei Sturm und Schnee! O Wastl, sey gescheidt!« riefen Knechte und Mägde im Einklang, und auch die Wirthin lachte so herzlich, daß sie die Arme in die Seiten stemmen mußte, um den Rippen Widerhalt gegen das aufrührerische Zwerchfell zu leihen. Der Halbnarr sah aber trotzig im Kreise um, schlug sich auf die Brust, daß es dröhnte, und sprudelte: »Was gibt's da zu lachen? Was denn? Spazieren, warum nicht spazieren? Die Witterung ist nicht unfein: ich bin wohl selber draußen gewesen, um zu spazieren. Lacht's nur zu, Narren müssen gelacht haben. Aber, was ich gesehen habe, hab' ich gesehen.« – Josele gebot mit seiner zitternden Rechten Stillschweigen. »Laßt ihn doch ausreden; es ist ein Zeitvertreib, wie ein andrer. Gib's von Dir, Wastl, merk nicht auf das Ruechenvolk.«

Wastl machte dem Gönner einen Scharrfuß, und mäßigte gehorsam und freundlich seine Aufregung: »Jetzt« – fing er an – »stellt euch vor, der Tisch da sey unsre Wiese an der Etsch, so; die Kandel dort ist die 147 Fürstenburg, und der Haufen von Nußschalen das Scheibeck, wo's zum Kloster aufgeht. Jetzt also – ich habe mich etwas nach dem Essen hinausgemacht, um mich zu bewegen. Die Christine ist nicht zu Hause, und der Mensch muß doch etwas zu thun haben. Wie gesagt, die Witterung war nicht unfein, ein bissel Schnee bis an die Waden, sonst nichts, und ein häles Windl, so recht zum Auffrischen.«

»Ein häles Windl!« brummte Stachus in den Bart: »ein Windl, das die Eichbäume im dicken Wald niederreißt.« – »He?« fragte der Wastl; da er aber keine Antwort bekam, redete er weiter: »Jetzt also, ich geh' ein bissel in dem Schnee auf und ab, und halte meinen Hut fest, da seh' ich etwas über den Schnee daherkommen, da zwischen der Kandel und dem Nussenhaufen, und jetzt war das ein Mensch. Ich laß' das Mensch vorbeigehen, und jetzt war's die Grödnerin, als ob sie von Schleiß daherkäme, und es wäre Sonntag und heller Morgen zum Kirchengehen. Sie war recht brav aufgeputzt und angelegt, hatte ihren schönsten Rock und ihren Janker von Kamelott an, und schöne Goldborten um den Kragen und die Aufschläge, eine Schürze von Seide, Schuhe mit rothen Stöckeln und die Staatshaube wie am Sonntag. Dabei war sie ganz ernsthaft, und hatte ein Nuster zwischen ihren Fingern. Jetzt hat mich's gewundert, was sie da wohl machen wolle, und ich habe zu ihr gesagt, hab' ich gesagt: »Ei, Grödnerin, wohin denn so spät, oder woher am heiligen Abend?« Sie hat aber gar nichts geredet, muß nicht wohl gehört haben, und ist ganz stat ihres Wegs fortgegangen. Mich wundert nur, wie leicht das Weibsbild ist, denn sie hat auf dem Schnee kein Löchel eingedrückt, und eine Katze würde, ja, was sag' ich eine Katze? ein hinstreifender Vogel würde mehr Spuren hinter sich gelassen haben, als das Weib. Ich 148 bin ihr nachgefolgt, ich weiß selbst nicht, wie's mir einfiel; ich konnte sie nicht mehr erreichen. Aber ich hab' gesehen, daß sie auf die Kirche losging, und neben der Sakristei ist sie auf einmal weg gewesen, wie man ein Licht ausbläst. Jetzt wißt ihr's, und ich darf wohl sagen, daß die Grödnerin nicht krank ist, wenn sie doch in der Nacht spazirt, und sich in ihren Kirchenstuhl setzt!« –

Mit großer Selbstzufriedenheit wandte sich der Wastl um, trank aus, und ging nach etlichen Sekunden aus der Stube. »Aber der Streich, den selbiger Mensch hat!« seufzte Mala, ihm nachdeutend. »Wie sich nur ein krankes Hirn so lächerliches Zeug vorstellen mag!« sagte Bruno. »Er ist halt von Sinnen,« meinte Stachus. Aber Josele war andrer Meinung. Er schüttelte bedächtig das weiße Haupt, drohte mit dem Zeigefinger in die Luft hinaus, und ließ sich vernehmen, wie ein Prophet: »Glaubt's mir, meine lieben Leut', das hat was zu bedeuten. Es geht erst auf Zehne; ich will euch in der Geschwindigkeit noch etwas sagen. Derlei gestreichte Menschen oder Narren sehen gar oft, was ein vernünftiger Mensch nicht sieht, weil er halt auf der Welt und mit der Welt lebt, und die Gestreichten leben schon zu drei Viertheil in der Ewigkeit. Da ist vor einigen und zwanzig Jahren ein Dottl im Dorf gewesen; sie haben ihn den Schwaben-Philipp geheißen, denn er war aus dem Reich; in Frankfurt, mein' ich, wo der Kaiser gekrönt wird, ist er geboren gewesen. Nun, der ist auch wegen eines Weibsbilds um sein kleinwinzigs Verstandl gekommen; das Mensch hat ihn nicht gemocht, und so weiter, grad wie beim Wastl. 's war just beim Scheibenschlagen, und wir andere Buben haben wohl zusehen mögen, daß der arme Kerl auch seinen Spaß hatte, und ein paar große Scheiben hinauswarf, und dabei geschrieen hat: Die für meine Liebste! und die für meine Urschel oder Zilla, oder wie halt das Weibsstück geheißen, worauf ich mich nicht mehr besinne. Was ist aber geschehen? Die Zilla 149 oder Urschel ist nebst ein paar guten Freundinnen unten gestanden, und hat des Schwaben-Philipps Geschrei gehört, hat sehr darüber gelacht, und ist alsdann gleich darauf mit ihrer Nebenmagd in's Bett gestiegen, auch alsobald eingeschlafen. Derweilen lauft mein Dottl auf seines Herrn Haus zu – es ist das, wo jetzt der Grödner bleibtBleiben: außer der gewöhnlichen Bedeutung auch so viel als »wohnen.« – »Er bleibt in jenem Hause.« – »Wir bleiben zu Brixen« u. s. w. – wer begegnet ihm am lichten Mondschein und auf dem klaren Schnee? denn selbigmal lag er noch wohl dick, der Schnee, wie heut, oder wenig besser. Wer? die Zilla oder Urschel, und ist angelegt wie im Sommer beim Getreidaufladen mit einem dünnen Röckl, kurzen Hemdärmeln, und Brust und Arme und Füße nackend. Den Dottl hat gefroren bei dem Anblick, und er sagt zu ihr: »Du, Urschel oder Zilla, was hast denn vor in dem Aufzug und in der Kälte?« Sie aber verwendet den Kopf nicht, geht schnurgrad fort, und der Schwaben-Philipp hat auch nicht eine einzige Fußstapfel von ihr gesehen. Er lauft ihr nach, und will mit ihr seine Liebschaft aufs Reine bringen. Ei ja doch; was nicht etwa noch? Das Mensch geht in den Gottesacker hinein, und auf einmal ist es verschwunden gewesen. Was meint's wohl, was geschehen ist? Sechs Wochen d'rauf ist das Weibsbild begraben worden, und – Gott sey der Grödnerin in ihrem Sterbstündel gnädig – es wird ihr in Kurzem nicht besser gehen. Denkt, der alte Josele hat's gesagt; Amen.«

Der Unglücksprophet hatte seine schauerliche Historie eben bis zum letzten Punktum gebracht, und der zerknirrschten Gesellschaft war noch keine Minute vergönnt gewesen, um die grauenhafte Mähre zu besprechen, zu beseufzen, zu beleuchten; als gählings die geräuschlose Unterhaltung durch ein grelles Getümmel gestört wurde. Der Gemeindesaltner hinkte verstörten Angesichts durch die Zechstube nach dem Hinterzimmer, und streute auf seinem eiligen Durchmarsch nur die unheilvollen Worte aus:

»Um Gotteswillen, Du liebe Frau, welch ein Unglück! 150 Ein erfrorner Mensch kommt, der erfrorne Jäger-Liebl kommt!« – Alles gerieth in Aufstand. Der Anwalt wurde geholt, nach dem Geistlichen geschickt, der Bader hinter dem Nachttrunk hervorgejagt, und aus jedem Munde erscholl die Frage: »Der Liebl, der Jäger?« – »Na, na?« fragte Allen der Josele entgegen, und triumphirte vorläufig: »hab' ich nicht gesagt, daß der böse Feind den Hexenmann bald holen würde?« – »Ei, Du Narr,« entgegnete ihm Stachus: »hörst Du nicht, daß er erfroren? Der Satan bescheert aber den Seinigen einen brühheiß abgesottenen Tod!« –

Indessen erklangen draußen die Rollen eines Schlittenzeugs und Simele's Stimme. Der Knecht kam auch bald herein, von Schnee gänzlich eingekrustet, und berichtete, wie er und der Grödner etwa ein zehn Minuten vor dem Dorfe draußen dem Seraphin und dem Liebl und der übrigen Schlittengesellschaft begegnet seyen. Der Grödner folgte dem Simele, befreit von seiner Angst, und den Seraphin schier auf seinen Händen tragend. Der bescheidene Knabe mochte sich noch so sehr sträuben, er mußte in den Kreis der Herren folgen, die ihn, Geistliche und Weltliche, mit Lobsprüchen überhäuften, nachdem er ihnen erzählt, wie er's angefangen, dem Liebl sein aufgegebenes Leben zu erhalten. Der Grödner ließ für den Buben einen warmen Wein bereiten, den Jäger oben im Wirthshause in ein warmes Bett bringen, und einen Boten nach Schleiß abgehen, um den Sohn des Liebl zu bescheiden. Der Grödner war äußerst zufrieden, er schmälte nicht, daß Seraphin die Medizinflasche in einen Magen, dem die Arznei nicht beschieden gewesen, ausgeleert. daß er ein paar Kreuzer in Almosen und Wein vergeudet; ja, der Krämer schickte ihn mit einem blanken Gulden zum Kranken hinauf, und befahl ihm, zu sagen, der Gulden käme von ihm selber, vom Retter Seraphin. – Der junge Plaschur richtete den Auftrag aus, und der Jäger, der zur 151 Besinnung gekommen war, und alles gefaßt und begriffen hatte, wenn gleich er noch bis zum Tode erschöpft dalag, – der Jäger drückte mit seinen steifen Händen die Finger des jungen Menschen, blickte nach oben, und in dem Blicke lag eine Welt voll Dankbarkeit und reuevoller Andacht. »Morgen,« stammelte er dann, »morgen besuch' mich; heute kann ich nicht reden!«

Ein Triumphzug begleitete den Seraphin die Treppe herunter; die Wirthin sammelte für ihn die besten Bissen, die noch übrig waren; was da lebte im Hause, riß sich um den guten Buben, dem die Rettung eines Menschenlebens gelungen war, und er wußte nicht genug zu erzählen, erstarrt und durchschauert von der grimmigen Nacht. Aber jedes seiner Worte war ein Ergebniß seines biedern Gemüths und seiner beneidenswerthen Einfalt, die in allem, warum er gepriesen wurde, nur die natürlichste Pflichterfüllung sah. Der boshaften Grödnerin sogar erinnerte er sich ohne Galle, und meinte es aufrichtig, wenn er sagte: »Laßt doch das Weib in Frieden und schimpft's nicht so unversöhnlich herunter. Sie hat nur gethan was Gott wollte. Wär' ich um selbe Zeit nicht auf der Straße gewesen, so wär' der Liebl sicherlich verdorben und gestorben, und er hat doch ein krankes Weib und ein kleines Kind und den Lex, der nicht viel älter ist, als ich, und alle diese Menschen brauchen den, der sie ernährt. Dafür hab' ich mir wohl einmal nasse Füße und ein paar Maulvoll Schnee holen können.«

Der gute kleine Held griff immer verstohlen nach dem Rest seines Martina-Zelten, den er aus dem Sturm der Elemente glücklich salvirt hatte, und wünschte sich eine ruhige Viertelstunde hinter'm Ofen. Aber vielleicht wäre er lange nicht dazu gekommen, wenn nicht die überfüllten Gaststuben von einer neuen Erscheinung heimgesucht worden wären, die für den Augenblick mehr ansprach, als selbst der erfrorne und gerettete Liebl.

152 Die heilige Familie, deren Schlitten so zu günstiger Zeit umgeworfen worden war, zog mit ihren Engeln und nach sorgfältig geordnetem Anputz unter die neugierig aufgaffenden Gäste jeden Standes ein, stellte sich in der Mitte der größern Zechstube auf, und eine erwartungsvolle Pause schlug jede Zunge in Ketten. Der heilige Joseph, mit einem saubern Bart von blonden Hobelspänen, faltete sich sehr gut in seinen rothen Mantel, der nur wenig von den Lederhosen und den blauen Strümpfen sehen ließ. Er führte im linken Arm einen ungeheuern Lilienstengel; an demselben Arm hing eine Säge. Ein gewaltiger Wanderstab mit Kürbisflasche war der rechten Hand zugetheilt. Der breite schwarze Hut war mit vielem Anstand aufgesetzt, und die Würde der Person nicht zu verkennen. – Die Jungfrau Maria fror ein wenig, war sehr schüchtern, hatte bei dem Sturz vom Schlitten einen großen Schlenz in ihr gelbes Kopf- und Manteltuch gerissen, aber das milchblaue Kleid war unversehrt, und die rothen gezwickelten Strümpfe nebst den bis auf die Zehen ausgeschnittenen Rundschuhen stachen gut dagegen ab. Sie hielt in ihren Händen eine zierliche Wiege; das Kind. das hineingehörte, mochte sich vor der Hand die Fantasie der Zuschauer hineindenken, denn die Wachspuppe mit der schönen Baumwoll-Perücke war im Schnee verloren gegangen und hatte sich durchaus nicht wollen finden lassen. – Zur Rechten der Jungfrau und zur Linken des frömmsten Zimmermanns waren die Engel postirt: zwei äußerst breitschultrige Figuren in weißen Hemden mit rothen Gürteln. Die Flügel von Papier und Silberflittern saßen diesen Engeln, wo bei den Stadtherren in späterer Zeit die Zopfmasche zu sitzen pflegte; ihre dickbehaarten Häupter und blauen Bärte flößten Respekt ein, so wie man auch gern ihrem Schnürstiefeltritt auswich. Aber in ihren Händen lag die Harmonie des ganzen Aufzugs; der eine mit der Schwegelpfeife, der 153 andere mit einer langhalsigen Geige, versprachen sie die Wunder der Tonkunst vor ihren christlichen Zuhörern zu entfalten, und hielten Wort, denn nach kurzem Räuspern erklang der erste Akkord, und Joseph und Maria sangen die Qual der Wanderschaft und den Kummer, von allen Thüren, trotz Müdigkeit und dringender Noth, weggewiesen zu werden, mit einer dergestalt erschütternden Wahrheit herunter, daß Vielen alsobald die Thränen in's Auge traten. Die Engel ließen zu Zeiten ihre Instrumente ruhen und sangen ohne Begleitung von der Zärtlichkeit der Eltern und von dem demüthigen Eintritt des heiligsten Kindes in die sündige Welt. Wer da zuhorchte, wurde hingerissen, und weder die grotesken Stimmen und Stellungen der Engel, noch gewisse possierliche Verse, wie z. B.

»Sankt Joseph trennt ab ein Hosenbein
Und Maria wickelt ihr Kindlein drein,«

vermochten das leiseste Lächeln auf den Gesichtern der Anwesenden zu erwecken; so tief war dazumal im ganzen Lande, und sogar in dem von ketzerischer Nachbarschaft umgebenen Vintschgau, die Andacht und die Ehrfurcht vor allem, was sich auf heilige Dinge bezog, eingewurzelt. Und dennoch war dieser Umgang der heiligen Familie nur eine Bettelei, welche dermalen ein abgehauster Tischler von Mals betrieb, der sein Weib zur Maria abgerichtet und ein paar rauhhälsige Musikanten zum Engelchor aufgedungen hatte. Denn während noch diese Letztern Freud' und Lob und Preis sangen und spielten, ging Maria mit der Wiege in der Hand von Mann zu Mann, von Weib zu Weib, und ließ sich ein Opfer in die Wiege gefallen, ein Geschenk, dessen sich weder der gnädige Herr Rentmeister, noch die letzte Dirne im Hause weigerte. Nachdem abgesammelt worden, zog die Familie feierlichst in der Runde herum, verneigte sich und ging ab, um in einem andern Gasthause ihr Heil zu versuchen.

154 Diese Anregung hatte indessen zur Folge, daß auch für den guten Seraphin von Hohen und Niedern eine kleine Geldsteuer gesammelt wurde, die ihm der Klosterrichter, seinen Muth und seine Barmherzigkeit belobend, überreichte. »Mach' einen guten Gebrauch von dem Geldl,« sagte er dabei: »eine Gabe, so wohl verdient und mit so gutem Herzen dargebracht, muß auch justé und stricté verwendet werden.«

Als die Glocken in die Mette riefen, war kein vergnügterer Mensch dahin auf dem Wege, als Seraphin. Er spürte nichts mehr von Kälte, nichts von Müdigkeit. Sein Leib war erquickt, sein kleiner Stolz befriedigt. Das selige Bewußtseyn einer wackern Handlung erleuchtete sein Herz und stimmte ihn zur ächtesten Andacht, die er je empfunden. Ein mit sich selbst zufriedener Geist beugt sich so gerne vor seinem Schöpfer, weil er sich desselben würdiger achtet. Und Seraphin ahnte nicht einmal die volle und höchste Bedeutung seiner That. Diese sollte sich ihm erst am Morgen des Christfests in den Bekenntnissen eines verwilderten und überwundenen Gewissens kund geben.

Als der gute Bursche versprochenermaßen – nachdem er die Vorwürfe und Drohungen der Grödnerin abgeschüttelt – den Jäger besuchte, fand er denselben noch sehr entkräftet zu Bette liegend. Eine Art von Verklärung verbreitete sich auf dem Antlitz des dem Tode Entronnenen. Er sagte mit ungewöhnlicher Aufrichtigkeit. »Komm her, daß ich Dir die Hände schüttle und mich bei Dir bedanke, Du rarer Kerl. Ich wünschte wohl, Dir mit etwas besserm vergelten zu können, als mit ein paar Worten, aber, denke ich, der Himmel wird's an meiner Statt thun, denn er verlangt nicht den Tod des Sünders, und das Leben des schlechtesten Menschen hat einen gewissen Werth im Himmel.« – »Laß nur gut seyn, Jäger. Streng' Dich nicht an,« ermahnte der bescheidene Seraphin.

155 Der Alte machte die Augen weit auf, forschte damit im Gesichte des jungen Plaschur herum, und fragte: »Sag mir, wo ist meine Flinte?« – »Das weiß ich nicht. Ich hatte Mühe, Dich selber unter'm Schnee zu entdecken.« – »Sey so gut und laß nach dem Büchsel suchen, es ist nach Weib und Kindern mir das liebste auf der Welt. Doch nein: Du gehst mir auch weit vor dem Gewehr. Das Gewehr hätte schier einen Halunken gegen Dich machen müssen, aber es kann nichts dafür, das Gewehr.«

Seraphin verstand diese Worte nicht sehr. »Was redst Du denn, Jäger?« fragte er besorgt. – Der alte Liebl zog einen tiefen Seufzer aus seiner Brust, indem er versetzte: »Ja, ja, ich möchte schon Dir vergelten können, was Du an mir gethan, denn ich hab's gar nicht verdient; nicht eines Nagels groß hab' ich's verdient. Ich will jedoch, bevor ich Dir sage, wie's mit mir aussah, einen guten Rath geben. Mach' Dich bald von des Grödners Hause los. Du wirst dort nicht Glück noch Segen finden, denn, was uns Gott auch bescheert, ein böses Weib verdirbt auf Erden Alles. Setz' Dich auf's Bett daher, und horche fein zu. Die Grödnerin ist schlimmer als eine hungrige Wölfin. Sie hat's drauf angelegt, Dich aus dem Weg zu schaffen. Sey gegen alles, was von ihr kommt, auf der Hut!« – »Oho, oho, das wird nicht seyn, Jäger?« – »Darfst mir glauben. Es ist schon lang, so hat sie mir den Auftrag gegeben, Dich auf die Gemsen mitzunehmen. Da hätte ich Dich in's Gebirg, an irgend einen unwegsamen Platz führen sollen – weißt Du, so zwischen Himmel und Erde, wo man nicht mehr vorwärts, nicht mehr rückwärts kann, wo der Ferner überhängt und das Anklettern verbietet, und wo der Fels abstürtzt, daß das Hinuntersteigen für den ungeübten Steiger nur ein Halsbrechen abgäbe – nun, dort hätt' ich Dich verlieren sollen, wie sie meinte . . . .«

156 »Ach du mein Heiland, ist das wohl möglich?« rief Seraphin zitternd aus, und der Jäger nickte bestätigend. »Vielleicht,« sagte er, »hätt' ich's dazumal gethan, weil ich von dem Weib Wohlthaten genossen; ich hätt's gethan, wenn's mich auch nachher bitter gereut haben würde. Aber zu Deinem Glück bist Du krank geworden, und die Zeit ist mittlerweile vorübergegangen und meine Gedanken sind ehrlicher geworden. Dennoch – weil der Tod nicht so gefällig gewesen, Dich im Fieber abzuholen – stichelte und stachelte das grundböse Weib ohne Unterlaß in mein böses Fleisch, daß ich schier voraussah, ich würde mich ihrer nicht erwehren mögen. Ich betete freilich dagegen, was ich konnte, aber mein Gott half mir nur immer gerade über den bösesten Augenblick hinweg; denn des Winters Noth schlug mich, der ich von der Grödnerin und von aller Welt verlassen war, mit grimmigen Fäusten. Ich sah, wie mein Weib hungerte, wie mein Mädel abmagerte, wie der Lex drauf und dran war, ein Dieb und Spitzbub zu werden, um uns das nothdürftige tägliche Brod zu verschaffen . . . . ich hätte lieber selbst eine schwere Missethat begangen, als zugegeben, daß mein armer Bube des Galgens und der Hölle geworden wäre . . . .!«

Liebl weinte. Es lag sowohl in dem fürchterlichen Entschluß, den er zum Besten seines Sohns gefaßt, obschon die eigene Verdammniß wagend, als auch in den Thränen, die jetzt aus seinen wilden Augen hervorbrachen, eine so großartige Gewalt, daß Seraphin, vergessend, wie sein leiblich Haut und Haar auf dem Frevelspiel gestanden – durch und durch von Rührung erschüttert wurde, und die freundlichsten Bitten anwendete, den Reumüthigen zu beruhigen.

Nachdem dies gelungen, fuhr der Jäger immer vertrauensvoller in seinen Geständnissen fort: »Auf einmal – zu unser Aller Glück – legte sich mein Weib, weil's 157 das Elend kaum mehr ertrug. Ein schmerzliches Erbrechen und heftiges Gliederweh rüttelte die arme Haut zusammen. Nun, Du hast selbst eine brave Mutter gehabt. Du weißt, was eine brave Mutter im Hause zählt. Meine Wehmuth und mein Zorn gegen die ganze Welt machten mich zum Unthier ohne Schlaf, ohne Rast, ohne Christenthum. Wo ich anklopfte, wurde mir nicht aufgethan; wo ich suchte, fand ich nicht. Da begegnete ich Dir zu Mals, und Dich sehen und mir vornehmen, mich mit der Grödnerin zu vertragen, und auszuführen. was sie im Haß gegen Dich verlangte, das war eins und dasselbe. Zum Unglück aber, oder wieder zum Glück, kam ich dahinter, nachdem ich mir im Verdruß einen tollen und vollen Kopf getrunken, daß Du etwas Geld empfangen hattest. Schau – ich will ganz redlich seyn, weil mir Dein braves Herz bekannt geworden – mir stieg gleich zu Sinne, ich wolle noch am Abend mit Dir Alles ausmachen, Dich erwarten auf der öden Straße, Dir's Geld abnehmen, um meinem Weib Arznei, meinen Würmern Futter zu bringen, und es möchte wohl an dem gewesen seyn, daß Du dafür liegen geblieben wärst, armer Junge. Der Sturm hätte Dein Geschrei und den Büchsenknall über die Berge geweht . . . . die Grödnerin hätte wieder ihre geizige Hand aufgethan . . . . aber unser starker Herrgott wollte das nicht haben!«

»Ach du liebe Muttergottes,« stammelte Seraphin mit bleichen Lippen: »unter welchem himmlischen Schutz bin ich gewandelt, und glaubte mich so ganz verlassen!« – »Ja, ja, so ist's,« versetzte der Jäger, indem er sich den Schweiß von der Stirne wischte: »ich rannte also in meinem bösen Unsinn bis an's Kreuz, wo Du mich fandst, und erwartete, Dich bald kommen zu sehen. Anfangs spürte ich die Sturmgewalt nicht allzusehr, aber plötzlich fühlte ich einen seltsamen Schwindel im Haupt, meine Füße und Hände erlahmten, ich sank schläfrig und 158 ohnmächtig in den anwehenden Schnee, und aus war's mit Raub- und Mordgedanken. Wie Du mich gefunden, weißt Du wahrlich besser als ich. Es wäre nicht unfein gewesen, wenn der Wind mein Lebensflämmlein ausgeblasen hätte, denn schon hat mein Herzschlag gestockt . . . . dennoch verdanke ich mein Leben gerne Dir, gerade Dir, und meine Kinder mögen Dich dafür belohnen, wie auch später einmal das Paradies. Wenn Du indessen Deinem guten Werk die Krone aufsetzen willst, so behalte, was ich Dir gesagt, für Dich, und nimm Dich vor der Grödnerin in Acht. Du wirst mir freilich nicht gut seyn können, aber, weil Du ein verständiger Mensch bist, so hab' Mitleid mit einem armen alten Manne. Die Leute sagen wohl zuweilen, ich hätte einen bösen Geist zur Hand, der mich mit Geld und Gut versorgt. Die einfältigen Leute! Der böse Geist ist wohl da; ich habe von ihm nichts gewonnen, als Bitterkeit und Gewissensplagen, als Zwiespalt mit mir selber und Mißtrauen in die Gnade Gottes. Denke meiner, wenn Du betest, Seraphin . . . .«

Seraphin wollte eben von Herzen das Versprechen leisten, als des Jägers Sohn, der in der Kirche gewesen war, nachdem er die Nacht beim Vater durchwacht, in die Stube kam. Beim Anblick dieses alten Schulfeindes wollte Seraphins Galle aufwallen, jedoch schnell wurde der Groll des jungen Menschen entwaffnet, als Lex mit bleichem, aber versöhnlichem Gesichte auf ihn zukam, ihm beide Hände darstreckte, ihm dann um den Hals fiel und sagte: »Verzeih' mir, was ich je an Dir begangen habe, Seraphin. Du hast mir den Alten da aus dem Schnee gefischt, und mir den liebsten Dienst erwiesen. Nimm mich zum Bruder an; ich hab ein redliches Herz, bin nicht so wild von innen, wie von außen. Wir wollen eins seyn, überall und immerdar, so daß ich lieben will, was Dir lieb ist, und daß Deine Sorge jederzeit die meinige sey. Mein letztes Pulverkörnl, mein einziges 159 Brodbröckl gehört Dein von nun an, wie jedes Haar auf meinem Kopf, und mein Kopf selber, wie sich's versteht; schlag' ein, Bruder!« –

Der reiche Mann im Evangelium ist ein üppiger und mit sich selber hochzufriedner Herr gewesen; der lydische Crösus ist unter den Königen, was die Schatzkammer betrifft, der Haupthahn gewesen; die Fugger haben dergestalt im Ueberfluß gelebt, daß sie Kaisern und Fürsten, vielleicht dem Papste selber, Darleihen und Geschenke machen durften, daß ihr Name sogar im Volksmund zur sprichwörtlichen Redensart geworden ist, um die höchste Fülle an Geld und Gut zu bezeichnen, – aber alle diese ältesten und alten Herrschaften haben gewißlich niemals eine Woche, eine lange Woche voll Seligkeit und Wonne genossen, wie sie dem guten Seraphin in den sieben Tagen zwischen dem Christ- und Sylvesterabend zu Theil wurde. In seiner Brust war alles so ruhig, in seinem Kopf so heiter; die Füße bewegte er noch einmal so leicht, noch einmal so zuversichtlich schaute sein Auge in den Himmel, wie in jedes Menschengesicht. Er besaß alles, was er sich in seiner Lage nur wünschen mochte: die Achtung der Leute, seine eigene, ein frohes Gewissen, einen gütigen Herrn, denn der Grödner behandelte ihn plötzlich wie einen Mann; so viele Freunde, als das Dorf Einwohner zählte, die Grödnerin ausgenommen, der er in seinem Glücke alles verzieh, dergestalt, daß er nicht einmal dem Krämer – um ihn nicht zu kränken – sagte, was das Weib gegen ihn gesponnen. Er trug außer dem Schatz in seinem Bewußtseyn einen klingenden kleinen Schatz in seinem Beutelchen, und das Liebespfand Martina's hatte er wohl verwahrt neben seinem Lager, und speiste jeden Abend einen kleinen Bissen von dem süßen Brod des herzigen Mädchens, und dachte ihrer mit sehnsüchtiger und kindlichguter Regung. Er war überzeugt, daß er sie einmal wiederfinden müsse; wann? 160 wußte er freilich nicht, aber ihn umblühte ein so reicher Garten voll von Hoffnungsblumen, daß er sich selber frohlockend und zwar täglich vielmals sagte: »Sie gehört mein, und ich bin der ihrige, und der Himmel, auf die Fürsprache meiner Seligen, die mich wunderbar erhalten hat im Wetterdrang, wird's schon gut machen.« – Zu jener Frist erlebte er auch die Freude, daß der ersehnte Brief von Walt ankam, und er las darinnen, wie der Vetter Holzer für den Augenblick nichts thun könne, aber versprochen habe, im nächsten Jahr das Zusammentreffen der Freunde möglich zu machen. – »So warten wir denn noch ein Jahr,« dachte er mit muntrer Geduld: ich habe den Grödner lieber als je, weil er mit mir jetzt umgeht, wie ein Vater, und werde binnen der Zeit etwa erfahren, ob mein leiblicher Vater noch am Leben, oder ob er gestorben. Die Mutter hat nicht wohlgethan, jenen Dragonerbrief zu verbrennen und mir nicht eine Silbe von seinem Inhalt zu sagen: allein geschehen ist geschehen, und ich darf jetzt noch immer auf meines Vaters Leben hoffen, und am Ende schlägt alles, wie der Jäger sagt, doch zum Guten aus. Wenn in einem Jahr die Sachen noch auf dem alten Flecke stehen, und Walt kann mir dann Wort halten, so nehm' ich's an; aber vor der Hand will ich zum Grödner halten, und ihm durch wackere Dienste seine Fürsorge vergelten, wie ich kann. Mag auch die Frau schelten . . . . ich will's der Kranken verzeihen, und mich laben, wenn nicht an ihrer kargen Speise – so doch an der Erinnerung an die herzliebe Martina und den getreuen Oswald.« – Es war ihm mit der Ausdauer völlig Ernst, denn ihm lachte auf einmal das Leben, das ihm jüngst so manchen Seufzer gekostet hatte. Indessen: der Mensch denkt und Gott lenkt.

Der Grödner ebenfalls hatte Briefe bekommen, die er mit vielem Fleiß durchstudirte. Nachdem er damit zu Ende gekommen, überlegte und grübelte er ganz für sich herum, 161 hin und her, nach der Länge und Breite. Am Nachmittag des Sylvester, nach abgehaltenem häuslichem Donnerwetter, das seit dem Christabend alltäglich zwischen Eins und Zwei loszubrechen und nicht selten einzuschlagen pflegte, berief der Grödner seinen Pflegsohn in den Laden, schob gegen einen möglichen Ueberfall von Seiten der Ehehälfte eine schwere Kiste vor die Thüre, die sich in's Innere des Hauses öffnete, und sagte sehr ernsthaft, wenn gleich wohlwollend: »Du bist seit ein paar Wochen ein Mensch geworden, der zu loben ist, und ich habe Freude an Dir, und der gnädige Herr im Schlosse, wie auch der Herr Richter und Anwald nicht weniger; basta. Weil Du eben so verständig und bei der Hand bist, und so viel groß, daß man Dich für einen Siebenzehner halten möchte, was das Fieber macht, das Dich gestreckt hat, so muß nothwendigerweise etwas mit Dir geschehen, und Du sollst mir aufs Jahr nach Meran und ein paar Schulen studiren; basta.« – »Wollt Ihr mich denn nicht zu einem Kaufmann machen? Ich würd's lieber, als ein Student und Gelehrter.« – »Pah, pah, wenn der Kaufmann etwas studirt hat, tragt er gar nicht schwer daran; und dann, wer weiß, ob Du ein Kaufmann bleiben wolltest?« Der Grödner blinzelte nach seiner Weise den Pflegsohn pfiffig an. – »Warum nicht, frag ich Euch? wenn ich auch nicht läugnen will, daß ich am liebsten ein Bauer wäre, und zwar ein reicher . . . .« –

»Ein reicher; da hapert's noch bis dato, Seraphin. Wie aber, wenn Du mit der Zeit ein reicher Stadtherr, vielleicht ein reicher Edelmann werden könntest? He? Ein Edelmann ist doch noch vielmal besser als ein Knedelmann?« – »Das wird schon seyn. Aber Ihr redet wieder von Sachen, die nicht seyn werden.« – »Mein lieber Bub', ich weiß schon, was ich rede. Dein Vater ist von hohem Stande; ich habe ein Andenken, das er 162 Deiner Mutter gegeben, gefunden; ich habe in Botzen seinen Namen erfahren; das Andenken klappt ganz zu dem Namen; ich weiß Deines Vaters Aufenthalt, und im nächsten Frühjahr, wenn mich nicht anderweitige Geschäfte aufhalten« – ein Blick des Grödners flog, gleichsam wie in Zerstreuung, nach dem Fenster der Hochenecker-Christine hinüber – »will ich ihn aufsuchen gehen. Selbst ist der Mann; Briefe thun in derlei kitzlichen Händeln nicht gut. In einer Viertelstunde macht man mündlich ab, was ein Briefwechsel von einem halben Jahr nicht schlichtet.« – »Also ist mein Vater Lenhard noch am Leben und ein vornehmer Mann in der That?« – »Ach nein, ach nein, laß mich mit dem Lenhard aus. Wer frägt nach dem? Dein Vater ist der Herr von . . . . doch stille, stille, daß ich's nicht verplaudre; Du könntest eitel werden.« – »Das nicht, aber Ihr betrübt mich, Ihr ärgert mich. Glaubt doch nicht das dumme Zeug, und haltet meine selige Mutter in Ehren.« – »Ja doch, ja doch, Du hantig's Kräutl; aber habe ich nicht Deinen Taufschein, der da bestätigt, daß Du geboren und zum Christen gemacht worden, nicht weniger als ein Jahr bevor Deine Mutter den Lenhard geheurathet hat? Und von jenem Jahre ist das Halsbatzl . . . . das Andenken, das ich meine, von purem Golde, und ich heb's auf, besser als wie Gold, neben Deinen zwei Dukaten, die ich Dir einmal als Deines Glückes Grundstein aushändigen will. Aber gelt: Du wirst Deinen guten Narrn von Vormund auch nicht vergessen« – unwillkürlich klopfte der Grödner an die Geldlade – »wenn Du ein reicher Herr geworden?« – »Ihr macht mich ganz verwirrt, Grödner. Ich komm' nicht draus. Aber, ich sag' Euch, ich müßt's so gewiß wissen, wie das Vaterunser, wenn ich glauben sollte, daß der Vater Lenhard nicht mein Vater sey.« – »'s wird schon einmal die Zeit kommen, da Du glauben wirst wie Sankt 163 Thomas, was Du nie hättest bezweifeln sollen. Mach' Dich nur so allgemach bereit, nacher Meran auf's Gymnasium zu reisen; 's ist alles schon so gut wie richtig.« – »Ach, wenn Ihr so viel ungern gingt, wie ich!« – »Ungern oder nicht; basta. Muß Dich der Alten aus den Klauen räumen. Sie hätt' Dich schon lang aus dem Haus plündernWegplündern: ausräumen, in der friedlichsten Bedeutung. »Ich muß erst die Stuben ausplündern, das Bett aus der Kammer plündern« u. s. w. mögen, und wenn ich verreise, Deinen Herrn Papa aufzusuchen, möchte ich Dich nicht ohne einen Schutz und Stab ihrer Gewalt überlassen. Sie könnte Dir – verzeih mir Gott die Sünde – sie könnte Dir ein Leid anthun, sie könnte Dir was geben, Du Heiter, so blind- und spinnenfeind ist sie Dir. Wenn sie Dich hätte, wie einen Dachs unter der Fang-Gabel, sie ließ' Dich nicht mehr lebendig aus. Aber die Weiberleut' sind schon einmal so. Sie müssen immer einen haben, den sie lieben, oder einen, den sie nicht ausstehen mögen. Weil nun die Meinige ein gar scharfer Essig ist, so muß sie schon Zwei haben zum Nichtleiden, und die Zweie sind wir beide. Seraphin. Getröst Dich aber nur, ich will mich schon wehren, und Dich weit aus dem Schuß stellen.« –

Seraphin wollte gesenkten Kopfs hinausschlendern, da rief ihn der Grödner zurück, schopfbeutelte ihn liebreich, und sprach: »Mach' kein Gesicht, Seraphin. Schau freundlich aus, Bub. Dort liegt ein Packl für Dich. Hättest es zum Niklaus kriegen sollen, aber der Schneider, die müde Hack', hat mich damit aufgezogen. Es ist ein neu's Gewandl für Dich darinnen. Mach' mir die Freud' und zieh's gleich an, damit ich sehe, wie Dir's zu Gesicht steht, und dann geh' ins Kreuz und mach' der Wirthin Deine Reverenz; sie hält viel auf Dich. Und – weißt was? – zeig Dich auch fein dem gnädigen Herrn und dem Anwald. Ich hab's gern, wenn sie sehen, daß ich so viel für Dich thue. Verstehst Du mich? 's ist wegen der Zukunft.«

164 Seraphin ließ sich's nicht noch einmal heißen. Den Pack unter'm Arm küßte er die Hand des freigebigen Vormunds, und flog in seine Kammer hinauf. Da war nichts vergessen; von den Schuhen bis zur Halsbinde von Flor war alles treu und stark und sauber gemacht. Der fröhliche Besitzer so vieler Herrlichkeiten kampelte und wusch sich, steckte sich mit Vergnügen in's reine Hemd, in die Prachtkleidung, und war, das tolle Hütl aufs rechte Ohr geschoben, ein recht saubrer Bursche. Er hatte sich noch nie so zu seinem Vortheil ausgenommen, wie heute, und der Grödner konnte sich nicht satt sehen an seiner Wohlthat, bis ihm einfiel, auch seinem Weib einen kleinen Seitenstich zu gönnen, indem er ihr den Seraphin vorführte. Die arme lendenlahme Schlange hätte sich selbst vergiften mögen. »Du wirst noch zum Kirchenräuber werden,« grollte sie mit gelbem Neide, »um dem Nichtsnutz Alles aufzuhängen!« – Worauf der Grödner spitz: »Warum denn nicht, wenn der Seraphin doch mein Fleisch und Blut ist, wie jetzt schon im Dorf die Mäuse aus allen Löchern pfeifen, weil Du und die Stampferin ihnen das Stückl gelehrt haben?« – Darauf ging er mit Seraphin fort. »Das war ein schlechter Neujahrsspaß für die Frau!« meinte der Knabe. – »Meinetwegen,« lachte der Grödner herbe: »sie kocht mir's alle Tage sauer genug. Komm mit, wir geh'n in's Wirthshaus. Zum Einkaufen kommt Niemand mehr, und der Krämer will auch seinen Feierabend haben.«

Sie trollten sich in's Kreuz, wo es eben so lustig und noch lustiger herging, wie am Christabend. Der Gäste waren mehr und lärmender durcheinander. Es gefiel dem Seraphin nicht in dem Gewühl, und er sehnte sich, ein paar Augenblicke in der schönen frischen Mondnacht sich zu ergehen und an seine kleine Martina zu denken. Das Wetter hatte sich seit der finstern Mette der Christnacht sehr zu seinem Vortheil geändert. Der 165 Frost und das Gestöber hatten aufgehört, die Wege waren meistens wieder gebrochen und gut gebahnt, Wagen und Schlitten durften wieder ohne Besorgniß durch das Land klingeln. Am Sylvesterabend stand der Mond als eine herrliche klare Scheibe am dunkelblauen, sterndurchfunkelten Himmel. Seraphin ahnte etwas von der Gewalt der Mondnächte auf die Gemüther empfindungsvoller Menschen; daher seine Sehnsucht, der schönen Nacht den Hof zu machen, und für sein Verlangen gar zu spät wurde diese Sehnsucht befriedigt. Erst gegen elf Uhr wurde ihm die ersehnte Freiheit gelassen, nachdem die vornehmern Gäste des Wirthshauses sich an ihm satt gehätschelt, ihn sattsam mit Lebensregeln und Verheißungen angefüttert hatten. – Wie gerne verließ er die qualmige Stube, die leckere Speise, die ihm vorgesetzt worden war, um draußen in Ruhe das letzte Stückchen von Martina's Geschenk zu nagen, und wiederholten Dank der lieben Geberin zu spenden! Allein, auch im Freien fand er die gewünschte Ruhe nicht. Schon zogen die ländlichen Musikanten Dorf auf, Dorf ab, um vor den Häusern der Bemittelten ihr althergebrachtes Neujahrkonzert anzustimmen. So eben marschirte die volle Schaar der einfachen Tonkünstler dem weißen Kreuze zu, bildeten vor dem Hause einen feierlichen Kreis, und Schwegel und Baßgeige arbeiteten rüstig drauf los, bis die Sänger begannen:

»Mit Freuden gedeihe das neue Jahr
Und was wir wünschen, das werde wahr,
Wir wünschen dem Wirth einen viereck'gen Tisch,
Auf jeder Eck 'nen gebratnen Fisch.
Was wünschen wir ihm in die Mitte hinein?
Eine silberne Kandel mit rothem Wein!
Mit Freuden gedeihe das neue Jahr,
Und was wir wünschen, das werde wahr!«

166 Hierauf folgte ein donnerndes Vivat, dem hochbeliebten Wirth gebracht, und nach einer Pause ging der Pfeifen- und Geigenlärm wieder los, und mehrere Stimmen schrieen: »Der Wirthin! was gehört der Wirthin?« – Die Sänger antworteten gehorsam:

»Wir wünschen der Wirthin eine hohe Stiegen,
Und oben drauf eine goldne Wiegen;
Was wünschen wir in die Mitte hinein?
Ein wunderschönes Knäbelein!
Mit Freuden gedeihe das neue Jahr,
Und was wir wünschen, das werde wahr!«

Fröhliches Gelächter nahm diese Strophe auf, deren Witz, alle Jahre wiederholt, eben so gut alljährlich mit dem höchsten Beifall belohnt wurde. Es versteht sich, daß auch der besungenen Wirthin das schuldige und wohlgemeinte Vivat dargebracht wurde, und die Kellnerin, die, wenn auch nicht mit silberner, aber dennoch mit wohlgefüllter Kandel unter die Nenjahrssänger trat, erhöhte durch ihre Erscheinung den Jubel und Tumult der Heißdurstigen, die einen GarausGaraus: ein alter Vivatruf, wie heute das Hoch! will sagen, daß die Gläser ganz zu leeren seyen. nach dem andern tranken. – Seraphin stand in der hintersten Reihe der Zusehenden, und fühlte, wie ihn Jemand auf die Achsel tippte. Ein fremdes Gesicht, ein schnurrbärtiges, begegnete dem seinigen. »Was ist?« fragte Seraphin, unwillig, gestört zu werden. – »Geh, komm ein bissel auf die Seite, Bub.« – »Ich mag nicht.« – »Es will Einer was mit Dir abdiskuriren.« – »Ich mag nicht. Wenn Einer was will, so soll er herkommen.« – Der Ansprecher, dessen Züge Seraphin sich nicht erinnern konnte, jemals gesehen zu haben, ging unter den dunkeln, überdachten Raum des Tanzplatzes. Seraphin war daran, seinen Platz zu verändern, und sich von dem Gewühl der Neugierigen zu entfernen, da klopfte ihn abermals Jemand auf die Schulter: »Buona saira,« flüsterte ihm eine dießmal gar 167 wohlbekannte Stimme zu: »Wie geht's, Giuven?« – »Was wär' mir denn das?« fragte der junge Plaschur freudig überrascht entgegen: »Egidi, je, woher des Lands in später Nacht?« –

Der Vogelträger steckte in einem dicken Pelz bis über die Nase, und erwiederte: »Che Giavel! ich mache eine Lustreise. Komm her, ich hab' Dir was auszurichten. Hab' Dich schon daheim suchen lassen, aber der turbulant war nicht a Casa. Komm, komm!« Er zog den Knaben halb mit Gewalt von dannen, das Dorf hinauf, und sagte unterwegs, jedoch heimlich: »Wie gehts? frage ich. Wie hat die festa da Nadal angeschlagen?« – »Passirt schon,« antwortete Seraphin: »warum thust Du so heimlich? Laß mich, daß ich den Grödner rufe, oder komm mit mir, daß ich Dich zu ihm führe.« – »Ca nun, ca nun, mi Charett! Sollst mit mir gehen. Man versteht dort vor der Pfifa und der Clompradura kein lebendig Wort.« – »Nun, was willst Du? Laß uns stehen bleiben.« – »Ca nun, machen wir ein bissel Spassegiada, Charett!« – »Mein! so red' einmal heraus.« – »Hör' Du, ich hab' für Dich gesorgt. Ich weiß eine gute Profession für Dich, buon Giuven.« – »Wie? wo? was meinst Du denn?« – »Hast Du' s nicht schlecht bei dem MercadontMercadont und Traficant: Kaufmann.?« – »O nein, jetzt besser als je zuvor.« – »So? mit einemmal? Du Glisner? O pfudi, was redst Du da?« – »Die Wahrheit, Egidi. Ich bin jetzo zufrieden.« – »O chei miseria! Du thust lügen. Tia Bucca plaida bucca la vardad.« – »Gewißlich lüge ich nicht. Du bist aber heut' so kurios, Egidi. Wo willst Du hinaus? Wir stehen ja schon am Ende des Dorfs. Laß uns umkehren.« – »Ca nun, ca nun, Charett. Ich thu' nichts halb. Willst also nicht annehmen das ehrliche Uffizi, das ich Dir hab' ausgemacht?« – »Nein, Egidi. Ich danke, aber jetzt kann ich nicht. Sag' mir lieber, was . . . .«

168 Der Engadiner ließ ihn nicht ausreden, und er hätte doch so gerne sich nach Martina erkundigt. Der Engadiner sagte zornig, und Seraphin fest am Handgelenk haltend: »Willst nicht vom Grödner fortgehen?« – »Nein doch; laß mich los. Du könnt'st mich fürchten machen.« – »Ca nun, ca nun, ich hab' Dich lieb, lieber als der Traficant, der immer ist die Trumbeta seiner artificious liberalidadLa trumbeta da la sia artificious liberalitad: die Posaune seiner heuchlerischen Freigebigkeit.. Ich hab' mich bemüht, ich hab' Sagirtad gegeben für Dich. Igl Meister thut Dich erwarten.« – »Das thut mir leid,« rief Seraphin entrüstet: »ich mag aber nicht, was Dein Meister Igel will. Laß mich aus. Du thust mir so viel weh!« – »Cludeit la bucca!! Jau sunt par ir und Du mußt mitgehen!« – Seraphin wollte sich mit Gewalt losreißen, denn ihm wurde im Ernst bange, da er den Schnurrbärtigen mit einem leichten Schlitten daherschießen sah. – »Was da?« entgegnete der Engadiner seinem Rufen, und hielt ihm den Mund zu: »Un giavel catsch 'lg auter! Or cun tei! Marsch, Coloman!« Und wie eine leichte Feder hatte der riesige Mann bereits den erschrockenen Seraphin in seinen Pelz begraben, in den Schlitten geworfen; wie im Hui saß er neben seiner Beute, und rief gedämpften Tons, aber frohlockend, dem grinsenden Kutscher zu: »A la grada, Marsch! Igl temps passa! A l'alva di gì müssen wir weit seyn, Kölbl! weit, wie flüchtige SchuldadaSchulda: Soldat. Pluralis: Schuldada.. Chiou, Chiou, car giuven! Jau nus gavisch ün vantireivel viadi! – Und fort, etschaufwärts flog wie ein Vogel der Schlitten auf glattem Pfad in die »sterndurchfunkelte« Nacht hinein. –


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