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Vierzehntes Kapitel.

Der Oberst und Udo begleiteten Poly nach ihrem Hotel; der Oberst führte Poly; Udo, das unglückselige Manuskript unter dem Arme, ging neben ihnen, nun auch schweigsam, nachdem er wiederholt versucht hatte, eine harmlose Unterhaltung anzuknüpfen. Seine übermütige Laune war in der frischen Nachtluft wie fortgeweht, ja, es war ihm, wie er sich heimlich eingestand, eigentlich ganz schlecht zu Mute. Er hatte, wovor der Oberst ihn gewarnt, den Scherz zu weit getrieben. Wie gute Miene Poly auch alles in allem zu dem bösen Spiel gemacht – innerlich war sie gewiß wütend, und er hatte gerade jetzt so gegründete Veranlassung, mit ihr auf dem allerbesten Fuß zu stehen, nachdem er während der ganzen Zeit – zu seiner eigenen Verwunderung – mindestens auf einem sehr guten mit ihr gestanden. Hatte sie doch nicht nur seine neuen Rastatter Schulden so kulant bezahlt, daß es ihn schrecklich reute, nicht gleich die alten Berliner dazu gebeichtet zu haben, sondern auch seine Badenser Ausgaben, die nicht klein waren, ohne Murren gedeckt. Aber woher denn die zweitausend Mark schaffen, die er bis morgen mittag auf Ehrenwort an Mister Douglas zahlen mußte!

Udo nahm den Helm ab, sich die kühle Luft um die heiße Stirn wehen zu lassen: bei glühender Sommerhitze auf dem schneidigsten Manövermarsch war es ihm nicht so schwül geworden, wie jetzt in der ambrosischen Nacht auf dem kurzen Weg vom Angleterre bis zum Europe. Selbst der Gedanke an die Eroberung, die er soeben gemacht hatte, wollte keinen Trost bringen. Die süße kleine Dirne mit den unschuldigen braunen Augen! Wie war es möglich gewesen, sie jemals mit ihren Schwestern zu verwechseln! Ein famoser Erfolg – wahrhaftig! Nur daß er um acht Tage früher hätte kommen sollen! Bis zur Entscheidungsschlacht morgen – zu spät! zu spät! Er konnte doch nicht Großpapa Swalwell morgen in der Frühe auf das Quartier rücken und die Werbung damit beginnen, daß er den ahnungslosen alten Herrn um zweitausend Mark – pfui! Und abermals pfui, der süßen Dirne überhaupt in die Schelmenaugen auf die Million zu sehen, die sie dem Glücklichen zubringen würde, dem sie ihr Herz schenkte. Wollte Gott, er hätte die Million und sie nicht einen roten Dreier! Geheiratet hätte er sie – auf der Stelle! Aber das war ja sein namenloses Pech von jeher: die idealsten Flüge seiner Seele erlahmten immer an der schändlichen Misere dieser urgemeinen Wirklichkeit. Es war zum Verzweifeln, und da war ja auch das Hotel!

Vor der Thür des Hotels ging eine dunkle Gestalt auf und ab: es war Gönnich. Er patrouilliere da schon seit zwei Stunden; habe sicher darauf gerechnet, daß die Herrschaften seinem Beispiel folgen würden; indessen über Begriff und Wesen der Solidarität statuiere er gern verschiedene Ansichten. Auf jeden Fall habe er den dringenden Wunsch gehabt, der gnädigen Frau heute abend noch Adieu zu sagen, da er morgen vormittag abzureisen gedenke.

Der Oberst, der Polys Arm noch immer in dem seinigen hatte, fühlte deutlich, wie die schöne Frau bei den letzten Worten des Jägerianers zusammenzuckte. Er flüsterte ihr zu: Verraten Sie sich nicht! und laut sagte er:

Ich denke, Herr Doktor, Sie werden es nicht ganz so eilig haben. Wir sind hier in so vergnüglichem Komittee – wer weiß, ob wir es jemals wieder sind. Ueber das kleine, allerdings etwas unliebsame – ich meine: für die gnädige Frau unliebsame – Intermezzo sprechen wir noch. Ich muß so wie so in den Klub; ich führe Sie für heute abend ein; Sie kommen doch auch mit, Wolfsberg?

Wüßte sonst nicht, was ich mit dem angebrochenen Abend anfangen sollte, erwiderte Udo.

Man verabschiedete sich von Poly, nachdem Udo das fürchterliche Manuskript dem Portier übergeben hatte, unter wiederholter Ermahnung, daß dasselbe sofort auf das Zimmer der gnädigen Frau zu schaffen sei, und er – der Portier – ihm dafür hafte. Leider schien die brüderliche Sorgfalt um das unschätzbare Manuskript eine tiefere Saite in Polys Seele nicht berührt zu haben – sie reichte ihm, als er ihr die Hand zum Gutenacht bot, eben nur die Fingerspitzen. Seufzend folgte er den beiden andren Herren und hörte mit sehr geteilter Aufmerksamkeit einem gelehrten Streit zu, der auf dem Wege nach dem Klublokal zwischen jenen entbrannt war, und in welchem es sich um die respektiven Vorzüge der Mommsenschen und Rankeschen Auffassung von Cäsars Wirksamkeit in Gallien zu handeln schien.

Der Streit war noch nicht ausgetragen, nachdem man bereits die noch im hellsten Lichte der Gaskronen strahlenden Klubräume betreten hatte. Udo ließ die Herren sehr gern bei einer Flasche Sekt, die der Oberst befohlen hatte. Er schlenderte in die Einsamkeit der Billardzimmer, wo er den Legationsrat von Binz traf, der für sich allein ein ganz besonders schneidiges Quadruplee probierte.

Wie kommen Sie hierher, lieber Binz?

Ich bin aus einer Gesellschaft weggelaufen, die Steinbach im kleinen Saale zu Ehren der unübertrefflichen Schönheit von Fräulein von Remberg gibt. Glaube, der alte Knabe ist bis über die Ohren verliebt. Es wird fürchterlich champagnert. Wollte mir den Kopf etwas auskühlen. Partie gefällig?

Mit besonderem Vergnügen.

Zu?

Wie Sie wollen.

Also wie gewöhnlich. Sie fangen an. Brillant!

Kommt hoffentlich noch besser.

Udo hatte kaum den Restaurationssaal verlassen, als die beiden Herren, wie auf ein gegebenes Zeichen, das gelehrte Gespräch abbrachen. Der Oberst klemmte sein Monokel ein, warf einen schnellen Blick über den Raum, in welchem sie fast die einzigen Gäste waren und sagte dann, sich etwas über den Tisch zu seinem Vis-a-vis vorbeugend, mit leiserer Stimme:

Ich habe ihn richtig weggegrault; wollte allein mit Ihnen sprechen. Nun hören Sie mal ordentlich zu! Sie haben, als Sie den heutigen Abend zustandebrachten – denn Sie haben es in Wirklichkeit gethan – unserer Freundin einen schlechten Gefallen erwiesen. Schreiben Sie doch meinetwegen Rezensionen, die kein Mensch liest, oder die von Leuten in absentia gelesen werden; aber lesen Sie nicht selbst die Chosen Leuten vor, die Ihnen gegenüber sitzen und lachen können. Es geht wirklich nicht. Doch das eigentlich nur für die Zukunft. Für heute ist es ja, Gott sei Dank, nicht zum Vorlesen gekommen, nur zu Ihrer Vorrede, die ich mir nebenbei kürzer und mehr à propos denken könnte. In oder während dieser Vorrede haben Sie diverse Störungen erfahren, die Ihnen, nach Ihrem übereilten Rückzug zu schließen, sehr empfindlich gewesen sind, für die Sie aber keinen Sterblichen verantwortlich machen können. Wo kein Beleidiger ist, hat keine Beleidigung stattgefunden. Ich dächte, das wäre einfache Logik.

Meinetwegen. Ich muß aber jemand finden, und ich werde es, erwiderte Gönnich, in sein Glas starrend, als ob er da den Schuldigen entdecken würde.

Sie wollen sich mit dem alten Mister Swalwell schlagen?

Der Doktor blickte schnell mißtrauisch auf; in dem aristokratischen Gesicht seines Gegenüber war keine Miene verzogen.

Das wäre wohl kein Gegner für mich, brummte er.

Oder mit Wolfsberg? fuhr der Oberst fort; er wäre der zweite Attentäter, wenn Sie nun doch einmal einen finden wollen, und der schlimmste dazu. Indessen, ich kann mir nicht denken, daß Sie ihm mit Vorliebe die Ehre der Gegnerschaft zuwenden.

Als Bruder der verehrten Frau ist er vor mir sicher, sagte Gönnich, seinen Vollbart streichend.

Eben deshalb, nun bin ich aber auch mit meiner Liste zu Ende. Denn Osseck dafür büßen zu lassen, weil Sie sich zufällig in seinem Salon geärgert haben –

Der Oberst hatte sich in seinen Stuhl zurückgelegt und blies mit halbgeschlossenen Augen den Rauch seiner Zigarette in dünnen Streifen aus den gespitzten Lippen.

Ich hasse ihn, murmelte Gönnich, sich wieder über sein Glas beugend, so daß er das Lächeln nicht sah, welches eben über das verlebte Gesicht des Obersten zuckte. Aber er blickte schnell abermals auf, als dieser, den Kopf jetzt so weit hintenüber lehnend, daß nur noch das scharfgeschnittene, glattrasierte Kinn und die Nasenspitze sichtbar blieben, in langgezogenem Tone sagte:

Schießen Sie gut, Doktor?

Ich habe mich erst in letzter Zeit ein wenig geübt, erwiderte Gönnich verlegen.

Dann bleiben Sie Osseck aus der Schußlinie, sagte der Oberst in derselben Stellung und in demselben Tone, er ist einer der firmsten Pistolenschützen, die ich kenne.

Furcht ist mir fremd, murmelte Gönnich.

Natürlich; aber weshalb wollten Sie Ihr kostbares Leben aufs Spiel setzen? Sie hassen Osseck. Schön. Er ist allerdings in dieser Zeit sehr beflissen um unsere gemeinschaftliche Freundin gewesen. Aber Sie sind doch nicht der Gatte oder Bruder, nicht einmal, wie ich, ein notorisch langjähriger Freund, der die Sache des Gatten aufnehmen könnte –

Sie! Sie selbst wollten wirklich? rief Gönnich.

Wenn man immer könnte, was man wollte oder möchte, sagte der Oberst. Aber da wäre ja der Bruder –

Er hatte sich langsam aus seiner bequemen Lage aufgerichtet und blickte dem andern scharf in die Augen.

Herr von Wolfsberg wird nicht wollen, murmelte dieser nach einer kleinen Pause. Er steht zu gut mit der Baronin.

Eben deshalb, erwiderte der Oberst leise und lebhaft; begreifen Sie denn das nicht, Mann? Eben, weil er zu gut mit ihr steht, muß und wird Osseck auf Wolfsbergs leiseste Provokation reagieren. Ja, ich wundre mich, daß er nicht selbst schon vorgegangen ist. Uebrigens muß Wolfsberg dergleichen ahnen. Er hat heute abend der einen kleinen Engländerin zu auffallend den Hof gemacht. Das Manöver war verteufelt schlau, nur leider ein wenig zu transparent.

Gönnich schlürfte mit nervöser Hast seinen Wein.

Aber ich denke, sagte er, gerade Wolfsberg hat sich am meisten über uns lustig gemacht. Pol – Frau Geheimrat flüsterte mir noch im letzten Augenblicke vor der Thür zu – Sie sprachen eben mit Wolfsberg – daß er den herrlichen Schlußmonolog im dritten Akt –

Ja, ja, unterbrach ihn der Oberst ungeduldig. Ein je schlechteres Gewissen er hat, um so mehr muß ihm daran liegen, seine Schwester wieder gutzumachen. Und er kann es durch nichts besser – nun, Mann, ich muß Ihnen schon etwas klareren Wein einschenken, der Ihnen freilich süß und sauer zugleich schmecken wird. Sie haben gar keinen Grund, auf den Baron eifersüchtig zu sein. Wenn Ihnen Poly versichert hat – was sie gewiß mehr als einmal gethan – daß ihr Kokettieren mit Osseck die pure Spiegelfechterei, so hat sie Ihnen die pure Wahrheit gesagt, die Ihnen allerdings schwer eingehen mochte, weil sie Ihnen nicht auch zugleich das Weshalb gesagt hat und – wie Sie miteinander stehen – ich meine auf dem Fuße rücksichtsvoller Freundschaft – sagen konnte. Ich brauche diese zarte Rücksicht nicht zu nehmen. Also! das Weshalb ist ein Verhältnis, das vor – genug: vor Ihrer Zeit – zwischen ihr und Osseck bestanden hat, und von diesem in einer Weise gelöst wurde, welche für die Dame tief verletzend war, und für die er dennoch von uns – ihren Freunden – nicht zur Verantwortung gezogen werden konnte. Wir brauchen also einen neuen Flicken auf das alte Kleid; aber vielleicht hält er doch, nur nicht unter Ihrer Hand, die mir nicht sicher genug ist. Ich denke, ich habe mich nun hinreichend klar gemacht.

Der Oberst schenkte sich ein und schlürfte ein paar Tropfen; Gönnich starrte in sein Glas. Poly hatte ihm gegenüber eine frühere intime Liaison mit dem Baron hartnäckig geleugnet, jetzt wußte er es besser, und seine Phantasie zeigte ihm sofort alles in dem grellsten, verletzendsten Lichte – wüste Bilder, zwischendurch den Baron, lang hingestreckt, durch das Herz geschossen von seiner Kugel, während er die Pistole, aus der noch der Rauch stieg, triumphierend sinken ließ. Nur daß die Sache auch umgekehrt kommen konnte, sehr wahrscheinlich umgekehrt kam. Der Oberst hatte ganz recht: man mußte den Bruder ins Feuer schicken. Wenn der Aristokrat das in der Ordnung fand, durfte er ja, ohne sich etwas zu vergeben, die Konzession machen.

Ich stehe in dieser Sache ungern zurück, murmelte er.

Vorläufig nur in die zweite Linie, erwiderte der Oberst, aus der sie möglicherweise bald heraustreten müssen. Man kann nicht wissen, ob Ihr Vordermann –

Der Baron brach ab und nippte an seinem Glase. Udo war in den Saal getreten, ohne Herrn von Binz, der sich wieder zu seiner Gesellschaft zurückbegeben hatte. Er setzte sich zu den beiden Herren an den Tisch und leerte das Glas, welches schon für ihn bereit gestanden hatte und ihm der Oberst jetzt füllte, in sichtbar böser Stimmung. Herr von Binz hatte ihm in der Eile sechs Partien abgenommen – die letzte quitte oder double. Es war nur ein verhältnismäßig kleiner Verlust; aber er hatte denselben doch eben nur noch bar ausgleichen können. Wie sollte das morgen werden, wenn Poly nicht herausrückte!

Unwillkürlich warf er einen zornigen Blick auf Gönnich. Eigentlich hatte doch der verdammte Jägerianer mit seiner albernen Vorlesewut das ganze Unglück angerichtet. Und überhaupt sein Verhältnis zu Poly – es war ja im Grunde ein Skandal, dem ein Ende zu machen seine verdammte Pflicht war. Nur daß es, mit dem Kerl verderben, Poly vollends toll machen hieß – es war eine niederträchtige Situation.

Ich wette, Wolfsberg, sagte der Oberst, der den Schweigsamen ein paar Sekunden scharf beobachtet hatte, Ihnen geht dasselbe durch den Kopf, wie uns.

Nicht sehr wahrscheinlich, erwiderte Udo mürrisch.

Ich möchte doch glauben, fuhr der Oberst fort. Sie können unmöglich nicht mit uns empfinden, daß Ihre Schwester tief verletzt und gekränkt ist, und doch auch wirklich recht gegründete Veranlassung dazu hat.

Udo hob mit einer heftigen Bewegung den Kopf, aber brachte es zu keiner Erwiderung, da in demselben Augenblicke die Thür ihm gegenüber aufging und Adalbert hereintrat. Der Oberst und Gönnich tauschten einen schnellen Blick, indem sie sich zugleich mit Udo grüßend erhoben.

Ganz wie bei den fürstlichen Herrschaften! rief der Oberst lachend. A macht B seine Aufwartung, zehn Minuten später ist B bei A. Bitte hier an meiner grünen Seite, lieber Baron!

Es ist mir lieb, daß ich die Herren noch beisammen treffe, sagte Adalbert, auf dem ihm angebotenen Stuhl Platz nehmend. Nur daß Sie leider die muntere Stimmung schwerlich aus meinem Salon mitgebracht haben.

Aber, ich bitte Sie, lieber Freund! rief der Oberst. Ich für meinen Teil, wissen Sie, lasse mir meinen guten Humor nicht so leicht verderben; allerdings poetische Naturen sind empfindlich. Die kleinen Störungen waren lästig, das ist nicht in Abrede zu stellen; und ich zweifle nicht, daß Ihre Frau Schwester, lieber Wolfsberg, dafür halten wird, sie wären zu vermeiden gewesen. Meinen Sie nicht, Wolfsberg?

Möglich, stieß Udo hervor, sehr wahrscheinlich!

Adalbert zuckte leicht zusammen. In seiner verzweifelten Stimmung war ihm die Abweisung, die er aus Udos Worten und mehr noch aus dem unhöflich kurzen Ton herauszuhören glaubte, doppelt kränkend. Freilich, warum sollte der Bruder die Sache der Schwester nicht zu seiner machen, trotzdem, vielleicht gerade, weil er am meisten dazu beigetragen, daß sie mißraten war? Aber mit diesem Gegner war ja auch noch eine andere Rechnung zu begleichen. Seine ganze Haltung zusammennehmend, wandte er sich zu Gönnich und sagte:

Ich hoffe, Herr Doktor, daß sie billiger urteilen werden, trotzdem die Störungen, von denen der Herr Oberst eben sprach, und die niemand mehr beklagen kann, als ich, Sie in erster Linie getroffen haben.

Er schwieg, eine Antwort erwartend, die aber ausblieb. Die Pause verlängerte sich. Eine zornige Röte stieg in Adalberts Stirn, während sein Blick sich langsam von dem einen der Herren, die er jetzt alle drei als seine Gegner betrachten mußte, auf den anderen wandte. Er legte beide Hände auf die Lehne seines Fauteuils, im Begriffe sich zu erheben.

Noch einen Moment, Herr Baron! sagte Udo schnell, und dann zu Gönnich in einem heftigen, fast drohenden Ton: Nun?

Gönnich zuckte schweigend die Achseln. Udo warf ihm einen verächtlichen Blick zu und sagte:

Dann erlauben Sie, Herr Baron, daß ich – nicht an Stelle dieses Herrn, der sich für sein Schweigen selbst vertreten mag – sondern in meinem eigenen Namen die Antwort gebe, die Sie erwarten dürfen. Nach meiner Auffassung ist bei der ganzen Geschichte niemand zu beklagen, als Sie und Ihre Frau Gemahlin, die Sie meiner Schwester eine Liebenswürdigkeit erweisen wollten und Ihre freundliche Absicht nicht erreicht haben. Ohne alle und jede Schuld Ihrerseits. Störungen hin, Störungen her! Ich bin selbst der größte Störenfried gewesen, und darum bitte ich nicht meine Schwester um Verzeihung, die mit ihrem gräßlichen Zeugs von Drama besser zu Hause geblieben wäre, sondern eben nur Sie und die Frau Baronin. Wollen Sie, Herr Baron, die Güte haben, das der gnädigen Frau zu übermitteln, bis mir die Gelegenheit wird, um die ich morgen nachsuchen werde, es ihr in Person zu wiederholen.

Und er streckte mit seinem gewinnenden Lächeln Adalbert die Hand hin, die dieser mit einem Gefühl von Beschämung und wehmütiger Freude zugleich ergriff. Dieser junge Mann war sein Gegner nicht und war es sicher auch in einem anderen Sinne nie gewesen.

Ich danke Ihnen, Herr von Wolfsberg, sagte er, ich bin sehr gern Ihr Fürsprecher, dessen Sie übrigens bei meiner Frau kaum bedürfen werden.

Er hatte sich erhoben. Udo war ebenfalls aufgesprungen; langsamer folgten der Oberst und Gönnich. So schnell und für ihn unerwartet und unwillkommen sich auch die Situation gewandelt hatte, der Oberst war bereits mit seiner Entscheidung fertig. Das fehlte noch, daß er persönlich in den Handel gezogen wurde, mit dem es ihm, so wie so, nur halber Ernst war! Bei dem er eigentlich nur seinen Spaß haben, nebenbei der schönen Frau einen Gefallen thun wollte. Mochte doch ihr Galan für sie eintreten! Der war ja der nächste dazu; und den betreffenden Denkzettel, den er sich bei der Gelegenheit von Osseck holen würde, gönnte er ihm von Herzen!

Auch ich bitte um Empfehlung an die liebenswürdigste aller Wirtinnen, sagte er, an Adalbert herantretend. Habe ich auch nichts verbrochen wie der geistreiche Satiriker da – schönen Frauen kann man nicht genug empfohlen sein. Wollt Ihr Herren übrigens schon fort, ich gehe mit. Gute Nacht, Herr Doktor!

Er hatte, indem er sich von dem Kellner, der ihm den Hut gebracht hatte, den Paletot anhelfen ließ, die letzten Worte Gönnich über die Schulter im nachlässigsten Tone zugerufen.

Gönnich, der noch immer am Tische stand, knirschte vor Wut. Wie diese Aristokraten gegen ihn zusammenhielten! Wie sie ihn behandelten! wie einen Hund! Nicht einmal die Ehre that ihm dieser Baron an, eine Erklärung seines Schweigens vorhin zu fordern! Nun denn, er wollte dem stolzen Herrn etwas sagen, das ihm doch das blaue Blut in Wallung bringen sollte.

Noch eine Flasche, Kellner, für mich! rief er überlaut. Und dann, sich zu Osseck wendend, sagte er:

Auf eine Erklärung des Schweigens, welches ich meinerseits über den heutigen Abend und die Aufnahme, welche dem Genius in Ihrem Salon zu teil geworden ist, beobachten zu müssen glaubte, scheinen Sie kein Gewicht zu legen, Herr Baron. Sollten Sie etwa morgen anderen Sinnes sein, so bedarf es wohl keiner Versicherung, daß ich Ihnen diese Erklärung zu jeder Zeit und in jeder von Ihnen beliebten Form zu geben bereit bin.

Ich werde nicht verfehlen, Sie um dieselbe durch einen meiner Freunde ersuchen zu lassen; sagte Adalbert, sich mit Haltung verbeugend, um den beiden anderen Herren, die für Gönnich weder Blick noch Wort hatten, in die Halle voran zu schreiten, wo sich eben ein Herr bei dem Portier erkundigte, ob der Herr Baron Osseck drinnen sei.

Hier bin ich; sagte Adalbert, Escheburg erkennend; suchst Du mich?

Ich kam eben Dich zu holen.

Was giebts?

Der starke Mann bebte am ganzen Leibe.

Es ist nichts mit Deiner Frau, erwiderte Escheburg schnell; die Kleine – ich hoffe, es wird nicht so schlimm werden. Ich wollte Dich aber auf jeden Fall dort haben.

Mein Gott, das reizende Kind! rief Udo.

Wie ist denn das so schnell gekommen? fragte der Oberst.

Ich bitte uns nicht aufzuhalten, sagte Escheburg.

Ich begleite Sie mit Ihrer Erlaubnis, bat Udo.

Wir gehen alle! rief der Oberst.

Und die vier Herren verließen eiligst das Haus.



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