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Zwei Tage nach diesem Gespräch zwischen Mutter und Sohn war Vater Lohmann nach der Kaffeezeit im Walde beschäftigt, einige Bäume für den Bau eines neuen Stalles auszusuchen und mit dem Beil zu zeichnen. Da sah er Hinrich zwischen den Stämmen auf sich zukommen. Der Junge blickte sich vorsichtig um, er mußte wohl etwas auf dem Herzen haben. Der Alte wußte von seiner Frau, daß er sich besonnen und auch gegen den Plan mit Hinkens Gretschen keinen Widerspruch erhoben hatte. Das wollte er ihm nun wohl selbst sagen.

»Na, Hinrich?« fragte er freundlich, indem er mit seiner Arbeit innehielt und das Beil über die Schulter legte.

»Vader, vör acht Dagen ...« begann Hinrich.

»Ach wat, Jung', lat man! Wi wöt beide vergäten, wat mang zwischen uns vorfallen is. Hier hest du mine Hand!«

Hinrich tat, als ob er die dargebotene Rechte nicht sähe. Leise, aber bestimmt sagte er, indem er dem Vater bittend ins Auge sah: »Vader, ick heww dat Mäken min Word gewen.«

Der Alte schlug das Beil mit scharfem Hieb in eine Tanne, daß die Schneide tief eindrang und der Stiel bebte, und sagte ärgerlich: »Fangst du mi da noch wedder mit an? Dat Word van so 'n Jungen as du bist gelt gar nix!«

»Vader,« sagte Hinrich sehr ernst, »ick bin fiefundtwintig wän und weet ganz genau, wat ick to don und to laten heww. Und du seggst, min Word gelt gor nix?«

»Nee, in sökke Saken nix ahne dat Word van dinen Vader. Und ick hemm de Deern dat ja all henschremen, dat din Word null und nichtig is.«

»Und ick woll di hüt man eben seggen, Vader, dat in alle annere Saken din Word mi Befehl is, den ick van Harten nahkamen well. Aber in düsse eene Sake is min Word mi heiliger as din Word ...«

»Wat wullt du dormit seggen?« fragte der Vater, ihn starr ansehend.

»Dat ick min Word, dat ick dat Mäken gewen heww, nich bräk und von min Brut nich lat, und wenn ok de Himmel infallt,« sagte Hinrich mit fester Entschlossenheit. Seine Gestalt war zu ihrer ganzen Höhe emporgewachsen, und er sah seinem Vater fest in die Augen.

»Dor kannst du nix an ännern!« fügte er selbstbewußt hinzu.

Auf des Vaters Stirn war die Zornader angeschwollen. Die buschigen Augenbrauen sträubten sich wie Stacheln, in den Augen, aus denen das Starre plötzlich wich, zuckte es unheimlich, und keuchend, mit heiserer Stimme wiederholte er: »Dor – kann ick – nix an ännern, – ick – din – Vader? Dat will 'ck di wisen. Da! –« Hinrich taumelte gegen einen Baum. So wuchtig hatte der Schlag von des Vaters Hand seine Wange getroffen.

Mit Blitzesschnelle hatte er sich wieder aufgerichtet, seine Muskeln strafften sich, die ganze Gestalt bebte, die rechte Hand ballte sich zur Faust, der Arm holte aus – so stand er zwei Sekunden dem Vater gegenüber, die flammenden grauen Augen in die des Alten bohrend ...

Plötzlich fuhr er sich mit beiden Händen an die Schläfen, die gestraffte Gestalt sank in sich zusammen, und das Wort »Vader!« entrang sich seinen Lippen ... in einem Tone so voll Schmerz und Entsetzen, so ganz, als ob damit dieser Name auf diesen Lippen für immer ersterbe, daß der Zornglühende zusammenzuckte. Und dieses Wort begleitete ein Blick, der Blick einer in wildem Schmerz ersterbenden Liebe, daß der von ihm Getroffene unwillkürlich die Augenlider senkte.

Dann wandte der Sohn sich zum Gehen, mit schweren, tappenden Schritten.

Da drang dem Vater eine heiße Welle zum Herzen, seine Lippen öffneten sich und wollten rufen: »Min Hinrich, bliew enen Ogenblick!«

Aber in derselben Sekunde schoß ihm ein glühender Blutstrom ins Gehirn, und er keuchte mit bebenden Lippen: »Gah hen, du verlarne Söhn!«

Da machte Hinrich lange, feste Schritte und ging davon. Unter seinen Füßen federte der Waldboden und knackte das dürre Gezweige. Ein Windesrauschen ging durch die Baumwipfel, ein Häher strich mit aufgeregtem Gekreische davon.

Der Vater riß mit kräftigem Ruck das Beil aus der Tanne und schlug eine lange weiße Marke den Baum entlang, und so beim nächsten, und beim nächsten, und beim nächsten, ohne Besinnen, ob er die Bäume für seine Zwecke brauchen konnte. Als er atemlos innehalten mußte, sah er dem Davonschreitenden nach. Ein paar Male wurde dessen Gestalt in den Lücken der schlanken Stämme noch sichtbar. Nun war sie verschwunden. Da tauchte sie noch einmal für eine Sekunde auf. Dann nicht wieder. Er machte ein paar Schritte ihr nach, zwei oder drei. Aber dann stieß er ein entschlossenes »Nee« zwischen den zusammengepreßten Lippen heraus und setzte ruhig seine Arbeit fort, die für den neuen Stall passenden Bäume zu wählen und zu zeichnen. –

Hinrich kam an die Hofmauer und blickte scheu hinüber. Am Backofen fütterte seine Schwester Marie die Küken, die Großmagd holte eben eine Tracht Holz von dem Lager an der Scheune. Schnell verbarg er sich hinter einer dicken Tanne. Als das Mädchen im Hause verschwunden war, stahl er sich, den Backofen in weitem Bogen meidend, über den Hof ins Haus – auf der Wange brannte der Schlag und im Herzen die Scham. Ungesehen erreichte er seine Kammer. Hier entkleidete er sich schnell und warf sich in seinen Sonntagsanzug. Dann packte er Arbeitszeug und Leibwäsche in ein Bündel, band ein paar Stiefel zusammen und nahm ein Sparkassenbuch und seinen Militärpaß aus der Truhe. Dann rief er, die Tür ein wenig öffnend, auf das Flett hinaus: »Mudder!« Als die Nichtsahnende kam und den Sohn im Sonntagsanzug mit glühendem Gesicht vor sich sah, blieb sie mit offenem Munde in der Tür stehen. Aber Hinrich zog sie schnell zu sich in die Kammer hinein und riegelte die Tür hinter ihr zu.

»Hinrich, wat – is – dat?« fragte sie, mit zitternder Hand auf das gepackte Bündel zeigend.

»Ick kann hier nicht bliewen ... ick bin de verlarne Söhn ... ick mutt wied öwer Land,« stieß Hinrich abgerissen, mit hohler Stimme, heraus.

»Gott! Min Kind! Wat is denn?« schrie außer sich die Mutter.

Hinrich kehrte ihr voll die brennende linke Wange zu, verdeckte sie mit der breiten Hand und sagte mit gesenktem Blick: »Hier hett Vader mi slan, und denn hett he seggt: ›Gah hen, du verlarene Söhn!‹ ... Und nu gah ick... Sinen Vader mutt de Minsch gehorsam wän.«

»Verlarne – Söhn?« wiederholte die Mutter wie abwesend. »Nee, nee, min Hinrich, dat bist du nich,« antwortete sie dann schnell. »Da hett Vader sick vergäten. Vergäw em dat! Ick bidd di um Gotts willen. Do't dine Mudder to Leew!« Sie hielt seine Arme umschlungen und blickte flehend zu ihm auf.

»Ick kann Vader nich wedder ünner de Ogen kamen,« sagte Hinrich dumpf, »wenn he mi to sehn kriegt, smitt he mi mit egene Hand ut 'n Huse herut...«

»O nee, dat deit he nich, ganz gewiß nich... Du kennst em nich. He hett 'n week hart, abers 'n hitten Kopp. Ick will henlopen und em bidden, dat he dat slimme Word trüg nimmt. He deit't ganz gewiß.«

Und sie ergriff den Türriegel, um ihn zurückzuschieben. Aber seine Rechte umklammerte mit festem Griff ihre Hand über dem Riegel, daß sie nicht hinauskonnte.

»Lat mi los!« bat sie.

Aber er hielt fest.

»Du schast mi loslaten,« befahl sie.

Da gab er ihre Hand frei, aber nur, um mit den gaöffneten Armen ihre ganze Gestalt zu umschlingen. Dabei geschah es, daß ihr Mund ihm die brennende Wange küßte und ihre Tränen sie kühlten.

»Mudder, glöw mi, 't is dat beste, dat ick gah. Ick heww ok hitt Blot, 't könn 'n Unglück gewen. Adjes min leewe, beste Mudder!«

»Wo wullt du denn hen?« jammerte sie, machtlos in seinen Armen. »Öwer't grote water?«

Und das gräßliche Traumbild des Schiffbruchs stand wieder vor ihrer Seele.

»O nee,« sagte er schmerzlich lächelnd, »so wied nich! 'n Keerl as ick find't ok woll noch in 't dütsche Vaderland sin Brod. Wat 'n goden Regimentskameraden von mi is, de hett in Hannower 'n Fuhrgeschäft. Ick will sehn, dat ick bi em ünnerkreep. Nu mutt ick gahn, süssen kummt he to fröh herin ...«

Die Mutter schien es ein wenig zu beruhigen, daß er nicht nach Amerika wollte, sondern nur nach Hannover, von wo er schon einmal wieder glücklich heimgekommen war. Dennoch, als er sie losließ, umklammerte sie seine Arme.

»Nee, nee, Mudder, nu mußt du mi loslaten.« sagte er, mit sanfter Gewalt seine Arme aus der Umklammerung lösend. »Holen lat ick mi ok von di nich.«

»Hinrich, wat bist du vör 'n Minsch! Wenn du't vör Gott und dine Mudder, de di ünnern Harten dragen hett, verantworden kannst ...« sagte sie verzweifelt, ihn endlich freigebend. »Hest du Geld?«

»Geld genog,« antwortete Hinrich, an seine Hosentasche klopfend und auf das Sparkassenbuch zeigend. »Aber wenn du mi noch wat Godes andon wullt, so gah rut und schick de Deensten Dienstboten und de Kinner an de Sied! De brukt dat nich just to sehn, wenn de öllste Söhn van den Hoff runner mutt...«

Als sie gehen wollte, hielt er sie noch einmal fest: »Abers geihst du mi ok nich to em?« fragte er mißtrauisch.

Sie sah ihn entsetzt an. »Hinrich, he is din Vader

»Dat is he wän,« murmelte der Sohn dumpf.

»Hinrich, wat bist du vör 'n Minsch!« sagte sie mit starren Augen, in denen das Entsetzen stand.

Er befestigte das Bündel und die Stiefel an seinem Eichenstock und legte diesen über die Schulter. »Wullt du mi den Gefallen don?« fragte er noch einmal, die Mutter ansehend. Da wankte sie hinaus. Hinrich hörte, wie sie das Mädchen auf den Boden schickte. Nun sah er hinaus, die Diele war leer. Auch der Hof, soweit er zu übersehen war. Da verließ er die Kammer und ging mit langen Schritten über die Diele, mit einem flüchtigen Blick die stattliche Reihe des Hornviehs und mit einem langen, schmerzlichen die Braunen streifend, deren Köpfe durch die Raufe sichtbar waren.

*

An der Missentür hatte die Mutter ihn eingeholt. Sie machte mit Tränen und Händeringen noch einen letzten Ansturm, ihn zu halten. Aber er sagte nur noch: »Mudder, ick bidd di, gah nich wieder mit, dat ick still van den Hoff kam! Nahsten schriew ick di, den Breef schick ick an Imkerhannes. Glöw mi, 't is am besten, dat ick gah, för uns alle.«

Damit schob er sie sanft in das Haus zurück und trat auf den Hof.

Karo begrüßte seinen Herrn mit lautem Freudengeheul und sprang an ihm auf, seine Begleitung anbietend. Aber Hinrich streichelte ihn und sagte traurig: »Kannst nich mit, ole Fründ, mußt hier bliewen.« Da legte das kluge Tier sich nieder, drückte den Kopf auf den Boden und sah dem Scheidenden leise winselnd nach.

Am Hoftor wandte Hinrich sich noch einmal um. Da saß seine Mutter zusammengebrochen auf dem Torsüll und schluchzte laut in die Schürze hinein. Und Karo ging, langsam mit dem Schwanz wedelnd, zu ihr hin und drängte sich liebkosend an sie. Und als das nichts half, machte er schön und legte ihr treuherzig seine Pfote in den Schoß.

Der am Hoftor Zurückschauende fühlte, daß seine Augen feucht wurden. Das rührte ihn tief, daß sogar das unvernünftige Tier sich des Schmerzes seiner Mutter erbarmte. Und er, der Sohn, der das, was er war, geworden war durch die Liebe dieser Mutter, wollte ihr diesen Schmerz antun? Es zog ihn mit Gewalt, umzukehren und alles, was ihn bewegte und quälte, in die treuen Mutterhände zu legen, die schon manchen Knoten gelöst hatten. Aber ach, in dem einen Punkte verstand ja auch sie ihn nicht im geringsten. Da kam sie mit den alten Patriarchen angeschleppt, die schon so viele tausend Jahre tot waren, und mit Bibelsprüchen, die hier doch wirklich nicht paßten. Aber konnte er sie mit ihrem warmen Herzen nicht dahin bringen, daß sie ihn auch hierin verstand und sich auf seine Seite stellte und dann mit stiller Arbeit den Vater umstimmte, daß alles gut würde? Diese Gedanken schossen pfeilschnell durch seine Seele, und vielleicht wäre er noch umgekehrt, – wenn nicht plötzlich zur Rechten im Walde ein dürrer Zweig unter den Füßen eines Mannes gebrochen und eine Gestalt in den Lücken der Stämme sichtbar geworden wäre. Da aber wandte sich Hinrich schnell um, schlug das Tor krachend zu, und ging mit weitausgreifenden Schritten von dannen.

»Gah hen – du verlarne Söhn; gah hen – du verlarne Söhn,« klang es in ihm im Rhythmus des Gehens, während das Bündel schunkelnd seinen Rücken berührte.

Zog er denn davon als der verlorene Sohn im Evangelium, um sein Gut mit Prassen umzubringen?

Nein, er ging, um Platz zu schaffen für die große, starke Liebe, die ihm im Herzen saß, die stärker war als des Vaters Zorn, stärker auch als der Mutter Tränen. Auf dem großen, schönen Hofe seiner Väter hatte diese Liebe keinen Platz, aber sie fand wohl ein Plätzchen, ein bescheidenes, in der weiten Welt, die vor ihm lag. Mit diesen beiden starken Armen wollte er's ihr schon schaffen.

Ganz leise war sie gekommen, und ganz gegen seinen Willen. Einmal war er sie ja auch glücklich wieder los geworden. Und als sie dann den zweiten Angriff machte, hatte er mit aller Kraft und mit all den Gründen, die sein Vater neulich ins Feld geführt hatte, versucht, ihr die Tür zu verschließen. Umsonst, wie vom süßen Schall der Nachtigall die Rosen aufspringen, so war sein Herz aufgesprungen, und sie war eingezogen mit siegender Allgewalt. Und nun war's zu spät. Nun kannte kein Machtwort des Vaters, kein Schlag seiner Hand, kein Flehen und Jammern seiner Mutter, und auch der eigene Wille sie nicht mehr herausbringen.

Nein, nein, hier paßte nicht die Geschichte vom verlorenen Sohn, sondern das Wort des Herrgotts: »Es wird ein Mensch Vater und Mutter verlassen und an seinem Weibe hangen.« Nein, der Herrgott ging doch nicht mit den Eltern durch dick und dünn, wie Mutter neulich gemeint hatte.

Der verlorene Sohn! ... Er stellte sich diesen Bruder Liederlich aus dem Evangelium noch einmal vor Augen. Der war schließlich bei den Schweinen angekommen und hatte seinen Bauch mit Träbern gefüllt. Er lachte bitter auf. Diesen Weg würde es mit ihm nicht gehen. Er kam in den schönen Pferdestall seines Kameraden Karl Jäger. Mit der Zeit gründete er dann wohl selbst ein Fuhrgeschäft, oder er legte sich auf den Pferdehandel, der einen entfernten Verwandten seiner Mutter zu einem vermögenden Manne gemacht hatte. In allem, was mit Pferden zusammenhing, suchte er ja seinen Meister. Sein Regiment hatte ihn schon immer mit zu den Remonteaushebungen kommandiert.

Der verlorene Sohn! Ha, der hatte mitgenommen das Teil der Güter, das ihm gehörte. In dem Stück wollte er von ihm lernen. Nach dem hannoverschen Höferecht gehörte ihm ja der Lohhof, und Vater sollte nur nicht glauben, daß er so mir nichts dir nichts auf sein Recht verzichtete. Der sollte eine tüchtige Summe herausrücken, um ihn abzufinden. Unter siebentausend Talern ganz gewiß nicht! Und ein paar tausend Taler blieben seiner Braut von Delmsloh wohl auch, wenn sie ein paar Jahre beide tüchtig schafften, konnte er's sicher wagen, sie heimzuführen. Nicht auf den Lohhof, wie er sich das so schön ausgemalt hatte, aber wo sie bei ihm war, da war ja die bescheidenste Mietswohnung in der Stadt schöner als ohne sie der herrliche Hof in der Heimat.

Ob er bis dahin einen Briefwechsel mit ihr führen sollte? – Ach nein, das wollte er lieber lassen. Er konnte ihr ja kurz schreiben, daß es auch jetzt bei dem bliebe, was er ihr auf dem Notizbuchblatt geschrieben hatte, aber für regelmäßige lange Briefe die rechten schriftlichen Ausdrücke zu finden, war gar nicht leicht. Es gab ja freilich auch Bücher, die einem dabei helfen wollten, wenn in der Ulanenzeit ein Stubenkamerad an sein Mädchen daheim schrieb, zog er einen Briefsteller »für liebende beiderlei Geschlechts« zu Rate. Aber schon damals hatte er über die verrückten Phrasen gelacht, und solch blühenden Blödsinn an seine Braut schreiben, die in den feinen Gedichten so zu Hause war, – nein, das ging nicht. Lieber gar nicht schreiben, sondern schaffen und arbeiten, bis er ihr schreiben konnte: »Nun wollen wir Hochzeit machen!«

Er war auf dem Bahnhof angelangt. Der Abendzug nach Hannover war in einigen Minuten fällig.

»Na, auch mal 'n büschen verreisen?« fragte der Vorsteher mit seiner stereotypen Frage, die er an seßhafte Leute zu richten pflegte.

»Jawoll, dritter Hannover,« antwortete Hinrich kurz.

»Übung machen?«

»Nee.«

»Ein paar junge Pferde kaufen?«

»Nee. Dritter Hannover!«

Der Vorsteher ging in sein Dienstzimmer und brachte eine Rückfahrkarte.

»Von Retourbillett habe ich nichts gesagt,« brummte Hinrich.

»Aber retour gilt jetzt 45 Tage, und länger bleiben sie ja doch nicht weg.«

»Das ist meine Sache, geben Sie mir einfach!«

Der andere machte ein verwundertes Gesicht und sah den jungen Mann scharf an. Aha! Die Geschichte von neulich ... hm, hm. Der kluge und für Familienangelegenheiten sehr interessierte Herr Stationsvorsteher wußte Bescheid. Es wäre aber ganz gut, dachte er, daß auch die reichen Bauern, die er mit seinem kargen Beamtengehalt und dem schmalen Lappen Dienstland am Bahnkörper oft beneidet hatte, ihr Päckchen zu tragen hätten.


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