Karl Simrock
Gedichte
Karl Simrock

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Vom Jüngsten Tage

(Das Dies irae.)
Nach dem Lateinischen des Thomas von Celano

        Tag der Rache, Tag voll Bangen,
Schaust die Welt in Glut zergangen,
Wie Sibyll' und David sangen.

Welch Entsetzen wird da walten,
Wenn der Richter kommt zu schalten,
Streng mit uns Gericht zu halten!

Die Posaun' im Wundertone
Sprengt die Gräber jeder Zone,
Fordert alle hin zum Throne.

Staunend sehen Tod und Leben
Sich die Kreatur erheben,
Rechenschaft dem Herrn zu geben.

Und ein Buch wird aufgeschlagen,
Da ist alles eingetragen,
Welt, daraus dich zu verklagen.

Sitzt der Richter dann und richtet,
Wird, was dunkel war, gelichtet,
Keine Schuld bleibt ungeschlichtet.

Ach, was werd' ich Armer sagen,
Wessen Schutz und Rat erfragen,
Da Gerechte selber zagen?

König, furchtbar hoch erhaben,
Frei sind deiner Gnade Gaben:
Wolle, Gnadenbronn, mich laben!

Frommer Jesu, denk in Gnaden!
Ziel einst war ich deinen Pfaden:
Wende jenes Tags den Schaden.

Sankst du doch für mich zur Erden,
Trugst für mich am Kreuz Beschwerden,
Laß dies Leid nicht unnütz werden.

Richter du gerechter Rache,
Übe Gnad' in meiner Sache,
Eh' der Rache Tag erwache.

Als ein Sünder seufz' ich lange,
Rötlich färbt mir Schuld die Wange:
Schone, Herrgott, fleh' ich bange.

Ledig sprachest du Marien,
Hast dem Schächer selbst verziehen:
Hoffnung ist auch mir verliehen!

Zwar unwürdig ist mein Flehen,
Doch laß Gnade mild ergehen
Vor des ew'gen Feuers Wehen.

Zu den Schafen laß mich fahren,
Ferne von der Böcke Scharen,
Dir zur Rechten Raum gewahren.

Wenn die Bösen dann zur Linken,
In die heißen Flammen sinken,
Laß mir ew'ge Freude winken.

Mit zerknirschtem Herzen wende
Ich im Staub zu dir die Hände:
Gönne mir ein selig Ende!

 


 


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