Karl Simrock
Gedichte
Karl Simrock

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Der Apfelschnitz

        Herr Ludewig zu Aachen fein lang' bei Tische saß,
Er war ein frommer Kaiser, der auch gern Äpfel aß.

Da standen seine Söhne vor ihm auf eine Zeit,
Er dacht': »Ich will erproben, wie ihr gehorsam seid.«

Er rief dem erstgebornen: »Komm, ich befehle dir,
Tu auf den Mund, empfange den Apfelschnitz von mir.«

Da rief Pipin der lange: »Herr: Vater, seid Ihr klug?
Kann selbst mir Äpfel schälen, bin wahrlich groß genug.«

Da rief er seinen zweiten: »So öffne du den Mund
Und nimm aus meinen Händen den Schnitz in deinen Schlund.«

Da kniete Ludwig nieder vor seines Vaters Sitz:
»Wie Ihr befehlt, mein Vater,« und nahm den Apfelschnitz.

Da sprach der fromme Kaiser: »Ein Königreich ist dein,
Das weite Land der Franken, das soll dein Erbe sein.«

Und zu dem dritten sprach er, er war Lothar genannt:
»Den Apfelschnitz empfange, mein Sohn, aus meiner Hand.«

Der kniete willig nieder vor seines Vaters Sitz:
»Dir wird die Kaiserkrone mit diesem Apfelschnitz.«

Als das Pipin erhörte, da war er auch nicht faul,
Gar willig kniet' er nieder und sperrte weit das Maul.

Der Kaiser sprach: »Mitnichten, hast dich zu lang' verweilt,
Für dich ist nichts mehr übrig, mein Apfel ist verteilt.«

Danach ist aufgekommen ein Sprichwort weit und breit,
Seit Ludewig dem Frommen: »Sperr auf zu rechter Zeit.«

 


 


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