Karl Simrock
Gedichte
Karl Simrock

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Der neue Odysseus

        Kam ich Wanderer gezogen
In das schöne Heimatland
Über mancher Brücke Bogen,
Über Berg und Felsenrand.

Und schon aus dem Mund der Leute
Trifft bekannter Ton mein Ohr:
Mutig, Jüngling; denn noch heute
Stehst du vor des Vaters Tor.

Ja ich sehe schon die Hügel
Sanftgehoben, rebumkränzt:
Sehnsucht, leih mir Windesflügel,
Eh' des Mondes Scheibe glänzt.

Endlich hab' ich dich erstiegen,
Trauter Berg, und dort im Tal
Seh' ich schon die Heimat liegen
In des Mondes Silberstrahl.

Freudetaumelnd eil' ich nieder,
Jetzo steh' ich vor dem Tor,
Klopf' und ruf' und klopfe wieder,
Aber niemand tritt hervor.

Lange harrt' ich auf der Schwelle;
Vor dem Hause steht ein Stein:
An der wohlbekannten Stelle
Schlummr' ich müder Pilger ein.

Doch vernommen ward mein Rufen,
Endlich traten sie heraus,
Trugen leise mich die Stufen
Aufwärts in das Vaterhaus.

Und am Morgen beim Erwachen
Seh' ich Vater, Mutter, Braut,
Scherzend mir entgegenlachen:
Welch ein Jubel ward da laut!

End' ich einst die lange Reise
Nach des Lebens Pilgerlauf,
Wacht' ich in so trautem Kreise
Dann beim Vater wieder auf!

 


 


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