Karl Simrock
Gedichte
Karl Simrock

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Das Stabat Mater

(Nach dem Lateinischen des Jacopone da Todi.)

        Stand die Mutter voller Schmerzen,
Weinte bei dem Kreuz von Herzen,
Wo der Sohn den Tod erlitt.
Ihre Seele voll Verzagens,
Voll der Seufzer, voll des Klagens,
Bittern Leides Schwert durchschnitt.

O, wie traurig ihm zur Seite
Mußte die Gebenedeite
Ein'gen Sohnes Mutter sein!
Klag'erhebend, nun erlebend
Des erhabnen Sohnes Pein.

Wo ein Auge, das nicht taute,
Wenn es Christi Mutter schaute
Von so herber Qual ereilt?
Wer gewahrte sonder Schauer
Hier der frommen Mutter Trauer,
Die des Sohnes Schmerzen teilt?

Für des Volkes Sündenschulden,
Sieht sie Jesum Marter dulden
Und der Geißel bittre Not,
Sieht den süßen Sohn verderben,
Sieht ihn so verlassen sterben,
Sterben hier am Kreuz den Tod.

Laß, o Mutter, Liebesbronnen,
Mich in gleichem Schmerz zerronnen
Mit dir trauern Tag für Tag.
Mach', daß mein Gemüt entbrenne,
Daß es Christum lieb' und kenne
Und auch ihm gefallen mag.

Heil'ge Mutter, dies erwäge,
Christi Wundenmale präge
Kräftig ein in dieses Herz;
Der sich Wunden unterwunden,
Ungesunden Heil gefunden,
Gib mir Teil an seinem Schmerz.

Mach' mein Weinen gleich dem deinen,
Den Gekreuzigten beweinen
Laß mich, weil ich lebend bin.
An dem Kreuze bei dir weilen,
Als Genosse redlich teilen
Deinen Schmerz, wär' mir Gewinn.

Magd der Mägde, reich an Segen,
Sei mir, fleh' ich, nicht entgegen,
Daß ich mit dir weinen darf.
Christi Plagen laß mich tragen,
Daß ich fühl', ans Kreuz geschlagen,
Seiner Wunden Pein so scharf.

Gib mir Wunden zu vertauschen,
An dem Kreuz mich zu berauschen
In der Liebe zu dem Sohn.
So entglüht in Liebesflammen,
Laß mich, Jungfrau, nicht verdammen
Vor des Weltenrichters Thron.

Leih mir Christi Kreuz zur Stütze,
Daß mich Christi Tod beschütze,
Laß mich ruhn im Gnadenschoß.
Sinkt der Körper in die Erde,
Paradieseswonne werde
Dann durch dich der Seele Los.

 


 


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