Karl Simrock
Beowulf
Karl Simrock

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7. Hygelak.

Unter den Episoden, woran unser Gedicht so reich ist, nimmt die von Hygelaks Fall im Lande der Hetweren die vornehmste Stelle ein, nicht als wenn sie die schönste wäre, sondern weil sie ein geschichtliches Zeugniss für sich hat. Unser Gedicht handelt davon im 18. 32. 36. und wieder im 36. Gesange. Darnach unternahm der Geatenkönig Hygelak, Beowulfs Mutterbruder, mit seinem Schiffsheer einen Kriegs- und Raubzug nach dem Hetwerenlande zu beiden Seiten der westrheinischen Ruhr, erlitt aber eine Niederlage und fiel in der Schlacht. Die Völker, die sich zum Schutz des Landes wider ihn vereinigt hatten, werden bald als Hetweren und Hugen, bald als Franken und Friesen bezeichnet. Auch Beowulf hatte an diesem Zuge Theil genommen, rettete sich aber, vielleicht mit Hygelaks Sohne Heardred, auf die Schiffe, nachdem er den Däghräfn, einen Helden der Hugen, erschlagen und so das Kleinod geborgen hatte, welches ihm selber einst (18, 5–14) von Hrodgars Gemahlin Wealchtheow zum Lohne des Siegs über Grendel geschenkt worden war. Er hatte es darauf der Hygd, Hygelaks Gemahlin, verehrt (30, 29 ff.). Daß es von dieser ihrem Gemahl überlaßen worden war, läßt sich daraus schließen, daß Däghräfn es nach jener Schlacht dem erschlagenen Geatenkönig geraubt hatte und eben im Begriffe stand, es dem ungenannt bleibenden Friesenkönig zum Geschenk zu überbringen, als Beowulf ihm begegnete, der ihn erschlug. In Beowulfs Besitz müßen wir es fortan denken, da er es in der Todesstunde (37, 59 ff.) seinem getreuen Wiglaf, Weochstans Sohn, übergiebt.

Von diesem Einfall Hygelaks in das Land der Hetweren, womit die Chattuarier gemeint sind, weiß auch die urkundliche Geschichte nach Gregors von Tours III., 3, dessen Bericht in den Gestis francorum c. 19 benutzt scheint. Hygelak heißt hier der fränkischen Zunge gemäß Chochilaich und wird als Dänenkönig aufgefaßt, da die Franken damals zwischen Dänen und andern Nordleuten nicht zu unterscheiden pflegten. Als Chlodwigs Sohn Theuderich, dem jene Theile des Frankenlandes zugefallen waren, von dem Einbruch der Nordmänner vernahm, die bereits ihre Schiffe mit Beute und Gefangenen beladen hatten, während ihr König noch am Gestade weilte, schickte er seinen Sohn Theudebert mit einem mächtigen Heere in jene Gegenden, und diesem glückte es, den feindlichen König zu erlegen, seine Flotte in einer Seeschlacht zu schlagen, die Beute aber dem Lande zurückzugeben. Die Zusammenstellung Hygelaks mit Chochilaich ist nach Zeitschrift XI., 64 ein Verdienst Grundtvigs. Hugleikr hei Snorro Heimskringla 25 und Hugletus bei Saxo (104 Steph.) stimmt nur dem Namen nach. Den Frankenkönig Theuderich läßt unser Gedicht gleich seinem Sohne Theudebert unerwähnt, während doch das Wandererslied den Theuderich (Theodrik) als sagenberühmten König der Franken nennt. Da weder der Vorgang, welcher Hygelaks Fall herbeiführte, noch Hygelak selbst mythischen Charakter an sich trägt, so habe ich keinen Grund sie als historisch anzuzweifeln. Nicht unmöglich wäre es gleichwohl, daß sie aus der Heldensage in die Geschichte gerathen wären, indem der Inhalt unseres Gedichtes oder der Lieder, aus welchen es bei den Angelsachsen zusammengestellt wurde, dem Gregor von Tours oder den Verfaßern der Gesta als Quellen gedient haben könnten. Daß Hygelak der fränkischen Sage bekannt geworden sei, dafür giebt es allerdings nur schwache Anzeichen; ich will sie aber nicht unerwähnt laßen; die künftige Forschung mag sie bestätigen oder verwerfen. Eine Handschrift des Phädrus aus dem 10. Jahrhundert enthält im Anhange eine Nachricht (Zeitschr. V, 10 vgl. L. Tross ad Julium Fleutelot epist. Hamm. 1844.) De Getarum rege Huiglauco mirae magnitudinis, qui imperavit Getis et a Francis occisus est, quem equus a duodecimo anno portare non potuit, cujus ossa in Rheni fluminis insula, ubi in oceanum prorumpit, reservata sunt et de longinquo venientibus pro miraculo ostenduntur. Aus Gregor von Tours u. s. w. kann diese Nachricht nicht gefloßen sein, da die Namensform Huiglauco dem Hygelak unseres Liedes wieder näher tritt, wie er auch genauer ein Getenkönig genannt wird. Die Nachricht über seine Bestattung auf der Insel in den Rheinmündungen könnte auf einer Verwechslung mit Hettel, dem König der Hegelinge beruhen, der nach der Gudrun auf dem Wulpensande bestattet ward. Wenn der Getenkönig so riesengroß geschildert wird, daß ihn vom zwölften Jahre an kein Ross tragen wollte, wovon unser Gedicht nichts weiß, so erinnert das an Eck, der nach dem Eggenliede (Laßberg 34) so ungefüge war, daß ihn auf die Länge das stärkste Ross nicht tragen wollte. In demselben Eggenliede Str. 85 finden wir aber von Herbort (Her Port), Rudliebs Sohne, erzählt, daß er mit seines Vaters Schwert den Hugebald erschlagen habe, der ein König gewesen sei und dabei

    ein ris unmâzen grôz.
er tet den christen leide,
ez lebt niht sîn genôz.

Daß Hugeleich in Hugebald entstellt wurde, ließe sich wohl daraus erklären, daß –leich in mittelhochdeutschen Namen ungebräuchlicher geworden war als –bald.


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