Karl Simrock
Beowulf
Karl Simrock

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40. Wulf und Eofur.

              »Da war die Schweißspur   der Schweden und Geaten
Bei der Männer Wuthkampf   weithin sichtbar,
Als da die Fehde   die Völker entschieden.
Aufbrach der Alte   mit den Angehörigen
5   Vieljammernd der biedre,   ob eine Burg er fände.
Ongentheow eilte,   der Earl, der Höhe zu:
Er hatte Hygelaks   Heersturm erfahren,
Der Starken Streitkraft:   ihm zu stehn getraut' er nicht,
Daß er die Seemänner   besiegen könnte
10   Und den Heergängern   den Hort verwehren,
Die Frau und Söhne.   Da floh der Greis
Hinter den Erdwall.   Ungewinn hatten
Die Schwedenleute:   der Sieg war Hygelaks.
Wieder flohn sie fürder   zu friedlichem Felde,
15   Als die Hredlinge   ins Gehege drangen.
Dort ward Ongentheow,   der altergraue,
Mit blankem Schwert   zum Bleiben gestellt,
Daß sich der Volksfürst   fügen muste
Eofurs Willen.   Ingrimmig traf ihn
20   Wulf der Wonreding   mit der Waffenschärfe,
Daß der Schweiß aus den Adern   von dem Schlag ihm sprang
Unter den Locken fort.   Doch ließ nicht furchtsam
Der greise Schilfing:   er vergalt schleunig
Mit schlimmerm Schlage   den schrecklichen Streich.
25   Als sich gegen ihn kehrte   der König des Volks,
Da konnte der schnelle   Sohn des Wonred
Nicht entgegen schlagen   dem greisen Helden:
Der hatt ihm den Helm   am Haupt schon gespaltet,
Daß er blutbegoßen   sich beugen muste
30   Zur Erde stürzend.   Doch starb er nicht,
Nur schwer verwundet   wälzt' er sich am Boden.
Da ließ Eofur,   Hygelaks beherzter Degen,
Die breite Waffe,   als sein Bruder lag,
Das alte Riesenschwert,   ihm den Riesenhelm
35   Ueberm Schildrand brechen:   da beugte sich der König
Zum Tode getroffen,   der Trost seines Volkes.

Da fanden sich Viele,   die den Freund zu verbinden
Wulf rasch aufrichteten,   als Raum dazu ward,
Daß sie des Walfeldes   walten konnten.

40   Dieweil beraubte   Ein Recke den andern:
Sie nahmen dem Ongentheow   die eiserne Brünne,
Das harte Hilzschwert   und den Helm zumal,
Des Haargrauen Heergeräth   Hygelak zu bringen.
Der empfieng den Schmuck   und freundlich verhieß er
45   Den Leuten zu lohnen:   das leistet' er so:
Jenen Kampfsturm vergalt   der Geatenkönig,
Hredels Erbe,   als er zur Heimat kam
Dem Wulf und Eofur   mit überreichem Schatz:
Die Tapfern lohnt' er   mit hunderttausenden Lands
50   Und geflochtner Ringe:   kein Vorwurf durfte sie
Um die Gabe treffen,   die so tüchtig erkämpft war.
Dem Eofur gab er   die einzige Tochter
Zur Heimsteuer,   seiner Huld zu Pfande.

»Das ist die Fehde,   die Feindschaft der Männer,

55   Ihr tödtlicher Haß.   Darum trag ich Sorge,
Daß mit dem Heer uns hier   die Schweden heimsuchen,
Wenn sie erfahren,   daß unser Fürst und Gebieter
Das Leben verließ,   der so lange wider
Die Haßer behauptet   Hort und Reich
60   Und nach der Könige Fall   die kühnen Schildinge;
Der unser Volksrecht festigte   und vielfach noch
Eorlschaft übte.

                            »Nun ist Eile gut,
Daß wir hingehn die Fürsten   des Volks zu schauen

65   Und rasch ihn bringen,   der uns die Ringe gab,
Zur Scheiterburg.   Nicht zu schmelzen braucht
Mit dem Kühnen unser Gut:   der Kleinode Hort ist da,
Unermeßliches Gold:   wir entgalten es bitter,
Und zuletzt mit dem Leben   des lieben Königs
70   Bezahlten wir die Zierden.   Die verzehre der Brand,
Verhülle die Glut.   Die Goldringe trage
Kein Mann zur Erinnerung,   kein Mägdlein soll sie
Am Halse haben   zu holder Zierde.
Grammüthig wird nun,   des Goldes beraubt,
75   Bald mehr als Eine   das Elend betreten,
Da des Landes Trost   das Lachen aufgab,
Scherz und Spiel.   Mancher Sper wird wohl
Frühkalt hinfort   mit der Faust umschloßen,
In der Hand erhoben.   Kein Harfenklang
80   Wird den Weigand wecken,   sondern der wilde Rabe
Der Gefallnen froh   Vieles reden,
Dem Adler zu sagen   wie ihm die Atzung glückte,
Als er mit dem Wolf   das Walfeld beraubte.«

Also sagte da   der schnelle Recke

85   Die leide Märe:   er log nicht viel
An Wort noch Weise.   Das Wehrvolk erhob sich
Und eilte unfroh   dem Adlerfels zu
Mit wallenden Zähren,   das Wunder zu schauen.
Da sahn sie ihn am Sande   der Seele beraubt
90   Auf dem Ruhbett rasten,   der Ringe vordem
Den Geaten gegeben.   Jetzt war der Endetag
Dem Kühnen gekommen,   der kriegerische Fürst,
Der Walter der Wedern   wunderbar erlegen.
Dort sahen sie auch   einen seltsamen Anblick:
95   Den Wurm der Wüste   wider ihn gekehrt,
Den leiden, liegen.   Der Lohdrache war
Zu grimmem Graus   von Gluten verschwält.
Volle funfzig   der Füße maß er
Auf dem Lager an Länge.   Seine Luftwonne hatt er
100   Nächtlich gehalten:   nieder dann war er
Zur Tenne gesunken;   der Tod hielt ihn nun:
Er hatte der Erdhöhlen   zu Ende genoßen.
Neben ihm stunden   Näpfe und Krüge,
Teller lagen und   theure Schwerter
105   Vom Rost durchfreßen,   da sie im Felsengrund
Tausend der Winter   träge gerastet.
Es war das Erbe,   das überreiche
Der Vorzeit-Zierden,   mit Zauber gebunden:
Untrüglich bestimmten   bis zum Tag des Gerichts40, 109–113. Diese Zeilen stehen im Original zwischen 41, 12 und 13; es war sehr gewagt, daß ich ihnen eine andere Stelle angewiesen habe. Schon jetzt erregt mir Bedenken, daß der in ihnen enthaltene Satz im alten Glauben wohlbegründet ist, wonach das Gold den unterweltlichen Mächten gehört, die es sich nicht ungestraft entreißen laßen, wie auch Sigurd nach der Edda den Besitz des Horts mit dem Tode büßt. Doch könnte der letzte Dichter jenen Satz so gewandt haben, daß die Ausnahme, welche die ihm in der neuen Stellung folgenden Zeilen 115 ff. aussprechen, Beowulf zu Gute käme. Denn nach dem Vorausgegangenen nähmen wir doch ungerne an, daß er ein fluchwürdiges, nur durch den Tod zu sühnendes Verbrechen begangen habe, indem er des Hortes willen mit dem Drachen in den Kampf gieng. Mag ihn dieß wirklich bestimmt haben, wie es 37, 48. 9 und 38, 22 angedeutet ist und Beowulf 34, 47 selber sagt, während die andere Auffaßung, wonach es zur Abwehr der Verheerungen des Drachen geschah, einem spätern Dichter gehören wird (vgl. Ztschr. XI. 427): das letzte Motiv steht jetzt einmal im Vordergrund, und wenn, wie nicht unwahrscheinlich, derselbe Dichter, der es erfand, auch die Zeilen 40, 115 ff. dichtete, welche dem mächtigen Gott vorbehalten, seinen Günstlingen den Hort zu erschließen, so müste es verwundern, wenn er unsern Zeilen 109–113 nicht schon selbst die Stellung zugedacht hätte, welche wir ihnen bestimmten.
110   Die hehren Herscher,   die den Hort verbergen sahn,
Der Mann wäre   der Meinthat schuldig,
Heilthumsverwiesen,   in Höllebanden
Zu harten Strafen,   der die Schätze raube;
Daher an den Ringsaal   nicht rühren mochte
115   Der Männer Einer,   wenn der mächtige Gott
Der wahre Siegkönig,   es nicht selber gönnte
(Er ist den Menschen hold)   den Hort zu erschließen
Eben solchem Manne,   der gemäß ihn deuchte.

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