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Kein anderes Gedicht hat uns ein so anschauliches Bild dieses Lebens bewahrt und es ist zu beklagen, daß man es noch so wenig benutzt hat, die nur zu oft angezweifelten Schilderungen des Tacitus aus einheimischen Quellen als wahr und naturgetreu darzuthun. Wir greifen beispielsweise ein einzelnes Capitel heraus.
»Im Kampfe,« heißt es Cap. 14, »ist es dem Gefolgsherrn beschämend, Einem seines Gefolges an Tapferkeit nachzustehen; aber auch dem Gefolge eine Schmach, der Tapferkeit des Gefolgsherrn nicht gleichzukommen.«
Für den ersten Satz bietet unser Gedicht kaum einen Beleg, denn König Hrodgar, dem einst Heerglück und Waffenruhm verliehen war, ist nun ein Greis, den das Alter gebunden hält; seine Hand ist zu schwach geworden zum Kampf: darum gereicht es ihm nicht zur Beschämung, wenn Beowulf an seiner Statt eine That vollbringt, zu der ihm die Kraft nicht mehr reichte. Gleichwohl gesteht er 7, 18, es falle seinem Herzen schwer, zu sagen, was er Alles von Grendel erlitten habe, ohne es rächen zu können; aber neidlos darf er es doch (24, 50 ff.) nach Beowulfs doppeltem Siege rühmen, daß dieser Held ein Beßerer denn Er geboren ward.
Dagegen empfängt der zweite Satz hier volle Bestätigung. Als Beowulf gegen den Drachen auszog, der sein Land verwüstete, gedachte er es allein mit ihm aufzunehmen und ausdrücklich sagte er 34, 44 ff. zu seinem Gefolge:
Nicht Euer Werk ists Noch einem Manne gemäß außer mir allein Wider diesen Unhold den Arm zu gebrauchen Und wehrlich zu werben. |
Als er aber im Kampf mit dem Drachen von Feuer umfangen und von seinem guten Schwerte verlaßen, große Noth erduldet, da jammert es seinen Verwandten Wiglaf, Weochstans Sohn, daß seine Gefährten alle in den Wald fliehen, das Leben zu bergen: er selber will seinem Herren beistehen und ermahnt die Andern, ein Gleiches zu thun. (35, 32):
»Mir gedenkt im Gemüth, als wir den Meth empfiengen Was wir verheißen haben unserm Herrn und Gebieter, Wenn er die Ringe reichte uns Recken im Methsaal, Wie wir gern die Gaben ihm vergelten wollten, Die Waffengewande, würd es ihm Noth, Helm und harte Schwerter. Aus dem Heere wählt' er uns Zu dieser Ausfahrt nach eigenem Willen, Weil er uns für gute Geerkämpen ansah, Für herbe Helmträger, wenn unser Herr auch gleich Allein für uns alle dieß Edlingswerk Zu vollführen gedachte, des Volkes Hirte, Der von allen Recken das Rühmlichste wirkte, Die tapfersten Thaten. Nun ist der Tag gekommen, Da unser Gebieter des Beistands bedarf. Werther Weigande: nun wohl, laßt uns gehen Und dem Helden helfen so lange die Hitze währt, Die grimme Glutschauer. Gott weiß an mir, Daß es mir lieber ist, wenn meinen Leib allhier Mit meinem Goldgeber die Glut verschlingt. Eine Schande schien' es mir, wenn wir die Schilde heim Zu Lande trügen, eh wir den leidigen Feind hier fällten, und dem Fürsten der Wedern Das Leben schirmten. Das ließe übel Zu den alten Bräuchen, sollt Er allein Von den Geatenhelden den Harm erdulden Und im Streite sinken. Uns soll Schwert und Helm, Brünne und Bordschild beiden gemein sein.« |
»Schande aber,« fährt Tacitus fort, »und für das ganze Leben ein Vorwurf trifft den, der lebendig den Kampf verläßt, wenn der Gefolgsherr gefallen ist.« In diesem Sinne schilt Wiglaf 38, 64 seine treulosen Gefährten, die seine Ermahnung überhört haben:
»Nun soll euch Schatzgabe und Schwertspende gebrechen, Alle Erbsitzwonne euerm Geschlecht, Alle Liebe fehlen. Des Landbesitzes Muß der argen Sippschaft aller und jeder Verlustig wandern, wenn die Leute erst Eure Flucht erfahren in Fern und Nähe, Die treulose That. Der Tod ist beßer Der Leute Jedem als solch Leben voll Schmach.« |
In diesem Sinne sagt auch im Heliand Petrus zu dem Herrn:
Wenn die Helden dich all, Die Leute dich verlaßen, doch will ich lebenslang Mit dir dulden in allen Drangsalen. Wenn es Gott mir gönnt bin ich gerne bereit, Daß ich dir zu helfen standhaft beharre. Wenn dich im Kerker auch mit Ketten enge Die Leute belegen, ich laße mich nicht schrecken, In den Banden bei dir verbleiben will ich, Mit dir Lieben liegen. Wenn sie vom Leben dich Mit des Schwertes Schlägen zu scheiden gedenken, Mein Fürst, mein guter, ich gebe mein Leben Für dich im Waffenspiel. |
Und noch deutlicher sagt Thomas, gleichfalls im Heliand:
Das ist des Degens Ruhm, Daß er seinem Fürsten fest zur Seite stehe Und standhaft mit ihm sterbe. |
»Ihn, den Gefolgsherr,« heißt es weiter, »zu vertheidigen und zu schützen und auch eigene Heldenthaten Seinem Ruhm anzurechnen, ist die heiligste Pflicht.«
Auch dieser Pflicht gedenkt Wiglaf, wenn er in derselben Strafrede sagt:
Da mochte der Volksfürst seiner Fahrtgenoßen Sich leise rühmen! Doch verlieh ihm Gott, Der des Sieges waltet, daß er sich selber rächte Allein mit dem Stahle als ihm Stärke Noth war. Nur wenig zu wehren wust ich sein Leben In dem übeln Kampfe; doch unternahm ichs Ueber Leibsgewalt dem liehen Freund zu helfen. Aber schlimmer ward es stäts, wenn mein Schwert den Feind, Den tödtlichen, traf, da nur tobender das Feuer Dem Wurm entwallte. |
»Die meisten jungen Edlinge ziehen, wenn Frieden und Ruhe in der Volksgemeinde, in welcher sie geboren sind, die Thatkraft lähmt, von freien Stücken zu den Völkern, bei welchen es gerade Krieg giebt, denn sie lieben die Ruhe nicht und leichter erwerben sie in Gefahren Glanz und Ruhm; auch mögen sie nur durch Kampf und Krieg ein großes Gefolge beisammen halten.«
Für diesen Satz brauche ich nur auf Beowulf hinzuweisen, der ein Neffe des Geatenkönigs Hygelak dem Dänenkönig zu Hülfe zieht, weil er hier Gelegenheit findet, seine Kraft im Kampf zu erproben und seinen Ruhm zu mehren; 7, 2. 5. Auch seinem Gefolge kommt, wie wir sogleich sehen werden, dieser Zug zu Gute.
»Von ihres Gefolgsherrn Milde erwarten sie etwa jenes Kriegsross oder jene blutige sieghafte Framea.«
Ross und Framea sind hier nur beispielsweise ausgehoben: vollständiger werden am Schluß des folgenden Capitels diese fürstlichen Gaben aufgezählt: »erlesene Streitrosse, herrliche Waffen, Pferdeschmuck und gewundene Ringe.« So giebt Hrodgar dem Beowulf 15, 30, ff. ein golden Banner, ein herrlich Heerzeichen, dann Helm und Brünne, und ein köstliches Kampfschwert. Dazu läßt er ein Achtgespann edler Rosse, deren Kopfgeschirre Goldbleche schmückten, in den Vorsaal ziehen, und auf Einem der Rosse lag ein schatzbunter Sattel, dessen sich bisher Hrodgar als Heerseßels bedient hatte, wenn er in die Schlacht geritten war. Auch jedem der Gefährten Beowulfs gab Hrodgar noch manches Kleinod, und den Einen derselben, welchen Beowulf im Dienste des Königs eingebüßt hatte, läßt ihm dieser mit Gold aufwägen. Aber als sollte auch die letzte der von dem Römer aufgezählten Königsgaben nicht fehlen, empfängt Beowulf 18, 7 ff. von der Königin außer zwei Armzierden und andern Ringen noch die gröste aller Halsspangen, von der man je bei den Völkern der Erde vernommen hatte. Jene Halsspange schenkte Beowulf später der Hygd, der Gemahlin Hygelaks, seines Herrn, und fügte noch drei Pferde jenes Achtgespanns hinzu; vier andere hatte er nebst andern Gaben Hrodgars dem Hygelak selbst gegeben, so daß er nur eins für sich behielt. Diesen schönen Zug, daß auch der Dienstmann den Herrn mit den Erträgen seiner Siege schmückt, hatte Tacitus noch vergeßen; aber liegt er nicht schon in den Worten, eigene Heldenthaten dem Ruhme des Herrn anzurechnen sei die heiligste Pflicht?