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XVI.

Zwei Wochen waren vergangen. Es hatte sich nichts geändert. Schwarz kam nicht mehr zu Frau Wisberg. Dafür aber war Pelski ihr täglicher Gast, und außerdem Augustinowitsch, den der Graf fast verabscheute.

»Nun, wie gefällt Dir der Vetter der Gräfin?« fragte ihn Schwarz.

»Für mich ist er eine Null!«

»Was hast Du Besonderes an ihm bemerkt?«

»Nichts außer Dummheit. Er spricht mit den jungen Damen so gut er es versteht, trägt elegante Kleider und Glacéhandschuhe, bindet sein Halstuch in einen symmetrischen Knoten, rühmt die Tugend, verurteilt die Lüge, sagt, es sei besser, klug als ein Dummkopf zu sein, aber mit einem Wort: er ist eine Null.«

»Du bist schnell fertig mit Deinem Urteil. Sprich deutlicher.«

»Nun, was soll ich Dir sagen? Er ist wohlhabend, obgleich nicht sehr, ehrlich, weil er nichts Unehrliches gethan hat. Aber laß mich jetzt zufrieden mit ihm. Wir wollen lieber über Philosophie sprechen oder einen alten Contretanz versuchen. Was ist Dir gefällig?«

»Nein, sprich von ihm,« wiederholte Schwarz mit Nachdruck.

»Gut, dann stopfe mir eine Pfeife.«

Schwarz stopfte ihm eine Pfeife, zündete sich eine Cigarre an und begann im Zimmer auf und ab zu gehen.

»Ich will nicht von diesen Abendbesuchen sprechen, weil ich Dich nicht ärgern will,« begann Augustinowitsch, »aber willst Du etwas von ihm wissen, so höre. Pelski hat erfahren, daß der alte Graf gestorben ist, und daß er eine hübsche Tochter hinterlassen hat. Er ist aus Neugierde gekommen, um sie zu sehen. Siehst Du, beschränkte Menschen lieben den Effekt, und die Rolle eines reichen Vetters armen Cousinen gegenüber gefällt einfältigen Leuten. Und solche Vetter giebt es nicht wenig. Ihm gefiel auch diese Rolle, und wem würde sie auch nicht gefallen? Als reicher Mann reicht man der armen Cousine die Hand, man nimmt sie unter seinen Schutz, bewundert ihre zarten Gefühle und Handlungen, und dadurch wird man ihr Abgott, ihr Ideal. Ach, Alterchen, alles das schmeichelt der Eigenliebe, das ist ein Roman, und mich soll der Teufel holen, wenn – nun gleichviel, darin besteht der ganze Roman. Von ihrer Seite Thränen, Lächeln … dann trennt sie das Schicksal … dann sehen sie sich wieder, … versöhnen sich … und Numa heiratet den Pompilius.«

Die letzten Worte sprach Augustinowitsch höhnisch.

»Sprichst Du von Lulu und Pelski?« fragte Schwarz finster.

»Ja. Pelski wollte sie aus Neugierde sehen. Aber da sie ein hübsches Mädchen ist, so gefällt ihm die Rolle des Don Juan. Pelski ist ein gewöhnlicher Mensch, ein Aristokrat, mit einem Wort – eine Null. Aber wenn ihm nicht gerade an einer Mitgift viel gelegen ist …«

»Was dann?« fragte Schwarz.

»Was geht es Dich an? Dir muß das alles gleichgültig sein. Du bist kein Kind und kein Weib, Du hast gewiß gewußt, was Du thatest, als Du zu Helene gingst, um Dich mit ihr auszusprechen.«

Schwarz schwieg, während Augustinowitsch ihn beobachtend fortfuhr:

»Ich sage, Pelski ist ein reicher junger Mensch. Sie gefällt ihm, und darum wird ihm auch an Mitgift nichts gelegen sein. Wenn sie ihm nur gefällt, das ist die Hauptsache.«

»Angenommen, es liege ihm nichts an der Mitgift, was dann?

»In diesem Falle wird sie Gräfin Pelski werden.«

»Und Du sagst, sie wird einwilligen?« fragte Schwarz mit glühenden Augen.

»Ja, das sage ich. Natürlich weiß ich nicht, wozu dieses Gespräch führt, aber ich sage, daß sie vielleicht jetzt noch nicht dafür gestimmt ist, aber in einem halben Jahre wird sie sicher einwilligen. Wenn Du sie noch besuchen würdest, so würde sie vielleicht schwanken. Wenn nicht, wiederhole ich, wird sie einwilligen.«

»Worauf gründet sich Deine Ansicht?«

»Worauf? Das werde ich Dir sagen. Als ich neulich abends dort war, traf ich Pelski. Ich saß beiseite auf einem Stuhl und beobachtete sie und hörte, wie er fragte, woher Du seist. Sie antwortete ihm: ›Ich weiß es nicht.‹ Siehst Du? Und als ich ihr sagte, Du seist der Sohn eines Grobschmieds, errötete sie tief und war dem Weinen nahe vor Zorn.«

Schwarz fühlte in diesem Augenblick auch einen Anfall von Zorn und war selbst dem Weinen nahe.

»Siehst Du,« fuhr Augustinowitsch fort, »Pelski verfährt ganz richtig, und man kann sagen, auch erfolgreich. Jeden Tag erinnert er sie an ihre Abkunft, ihre Familie, ihre glänzende Vergangenheit, und sie ist auch eine Aristokratin. Erinnerst Du Dich, wie wir uns früher darüber ärgerten? Was hast Du Dir für Mühe gegeben, ihr diese Gedanken abzugewöhnen? Es kann nichts Stolzeres geben als Bettelstolz. Pelski schmeichelt ihrem Stolz, das entfernt sie auch von uns, und mir, alter Freund, sind Grafen – ich kann keinen Vergleich finden.«

Schwarz blickte beharrlich einen Nagel im Fußboden an.

»Hast Du ihr gesagt, daß ich Helene heirate?« fragte endlich Schwarz.

»Nein.«

»Warum nicht?«

»Ich sagte ihr nur, Du seist mit Deiner Zukunft beschäftigt. Ihr Kampf zwischen Dir und Pelski soll in ihr selbst, in ihrem Gewissen und Herzen entschieden werden. Deine Heirat ist nur ein äußerer Umstand, der zu Gunsten Pelskis mitwirkt.«

Schwarz stand auf und faßte Augustinowitsch heftig an der Schulter.

»Höre,« sagte er mit Anstrengung, »wenn ich in diesem Kampfe Sieger bin –«

»Geh' zum Teufel und drücke mich nicht so heftig. Ich stelle Dir nur die eine Frage: Was dann, wenn Du Sieger bist?«

Sie warfen einander feindliche Blicke zu. Endlich ließ Schwarz Augustinowitsch los und warf sich auf das Bett.

Augustinowitschs Blick wurde weniger drohend und dann mitleidig. Endlich ging er zu ihm, hob die Hände von seinen Augen und zog ihn am Rockschoß. Seine Stimme wurde weich.

»Höre Alter,« sagte er.

Schwarz schwieg.

»Ärgere Dich nicht, Alter. Wenn Du Sieger bist, so bewahrst Du ihr Bild als Heiligtum in Deinem Herzen. Ich aber sage Dir als Freund, gehe weiter auf dem Wege der Pflicht, auf dem Du früher gingst.«


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