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XII.

Der Graf war wirklich gestorben. Nach dem Begräbnis machte Schwarz einen Besuch bei Frau Wisberg, um ihr vorzuschlagen, die Gräfin in ihre Obhut zu nehmen, weil keiner der Verwandten sie in Schutz nehmen wollte und der Graf gar keine Existenzmittel hinterlassen hatte. Und wenn er auch etwas Vermögen hinterlassen hätte, so wäre doch die Gräfin zu jung gewesen, um selbständig für sich zu sorgen und ihre Wirtschaft zu führen.

Es fiel Schwarz nicht schwer, seinen Zweck zu erreichen. Er sagte ihr, sie habe den Tod des Grafen durch ihren Prozeß verschuldet, und darum sei sie verpflichtet, die Tochter ihres Opfers in Schutz zu nehmen. Frau Wisberg ängstigte sich sehr vor den ewigen Höllenstrafen, mit denen ihr Schwarz drohte. Außerdem meinte sie auch, daß die Gesellschaft einer hochgebildeten, fein erzogenen Dame auf ihre Tochter einen sehr guten Einfluß haben könnte, und darin bestärkte sie Schwarz.

Frau Wisberg war unstreitig eine sehr ehrenwerte Dame im besten Sinne des Wortes. Zwar war sie ziemlich beschränkt und hatte noch weniger Weltkenntnis, so daß sie Augustinowitsch für einen höchst eleganten jungen Mann von bestem Ton ansah. Schwarz hatte ihr schon bei seinem ersten Besuch sehr imponiert. Sie freute sich von Herzen, daß solche vornehme junge Herren sie mit ihrem Besuch beehrten.

Malinka, welche ihrer Mutter sehr glich, war von Augustinowitsch sehr eingenommen und suchte ihre Mutter zu bewegen, nach Kiew überzusiedeln. Die alte Dame war auch mit dieser Absicht gekommen. Sie wünschte ihrer Tochter die Welt zu zeigen. Malinka war etwa neunzehn Jahre alt und hatte fast ihr ganzes Leben aus dem Lande zugebracht, nur einmal hatte sie Schitomir gesehen, und jetzt war sie zum ersten Mal nach Kiew gekommen. Außerdem fehlte es nicht an Mitteln zu einem eleganten Stadtleben.

Der verstorbene Wisberg war Proviantmeister gewesen. Bei seinem Begräbnis wurde ihm nachgerufen: »Schlafe den Schlaf des Gerechten, Kleophas Wisberg. Noch nach Jahrhunderten werden alle Völker Deine Tugend und Uneigennützigkeit bewundern.«

Aber dennoch hinterließ er seiner trauernden Witwe zweihunderttausend Rubel und hätte es wohl noch weiter gebracht, wenn er nicht frühzeitig in den Schoß Abrahams zurückgekehrt wäre.

Aber alle diese Glücksgüter blieben in guten Händen, denn beide Damen waren wirklich gutherzig. Sie halfen Witwen und Waisen, bezahlten ihre Dienstboten pünktlich, schenkten der Kirche Opfer und erfüllten alle christlichen Gebote.

Sie empfing die Gräfin mit herzlichen Umarmungen wie eine Verwandte. Malinka faßte sogleich eine aufrichtige Zuneigung zu dieser adligen Waise und versprach sich selbst, immer gut und dienstfertig gegen sie zu sein, um sie in ihrem Kummer zu trösten. Schwarz hatte für die Gräfin eine so mütterliche Freundin gewonnen, daß sie selbst im Hause von Verwandten sich nicht besser hätte befinden können.

Die Gräfin besaß in reichem Maße die Gabe, Sympathie zu erwecken. Ihr stiller, aber tiefer Kummer zog sie nicht so weit von der Wirklichkeit ab, daß sie nicht vermocht hätte, sich für die herzliche Aufnahme, die sie gefunden hatte, dankbar zu erweisen. Auch Schwarz dankte sie mit Thränen in den Augen und reichte ihm die Hand, die er mit einer bei ihm seltenen Rührung küßte.

»Wahrhaftig,« sagte Augustinowitsch, »ich hätte bald zu heulen angefangen, als sie mich ansah, und der Teufel soll mich holen, wenn sie nicht hundertmal schöner ist als ich.«


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