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VII.

Drei Tage später waren Schwarz und Wassilkjewitsch bei Gustav. Es war ein schöner Abend. Die Strahlen des Mondes drangen durchs Fenster ins Zimmer hinein. Am Bett des Kranken brannte eine Kerze. Gustav war noch bei vollem Bewußtsein. Sein Kopf ruhte auf den Kissen und seine bleiche Stirn erschien in eigentümlicher Schönheit. Seine abgemagerten Hände lagen auf der Decke.

Gustav berichtete Schwarz über die Verhältnisse der jungen Witwe. Zuweilen schien ihm das Sprechen schwer zu fallen. Er wandte sich bald an Schwarz, bald an Wassilkjewitsch, welcher am Kopfende des Bettes stand und zuweilen die Stirn des Kranken abwischte.

»Ich wollte Dir noch sagen,« fuhr Gustav fort, »daß sie jedes Jahr dreihundert Rubel zugesandt erhält, aber um zu leben sind achthundert oder tausend nötig. Das übrige habe ich verdient und es ihr gegeben. Ich habe oft zwei Tage nicht gegessen. Hebt mich ein wenig auf und legt das Kissen höher. Ich kann nicht sprechen … Dort in jenem Koffer sind noch dreißig Rubel … Diese sind für sie … mir wird dunkel vor den Augen, ich muß mich erholen.«

Es war still im Zimmer. Der Tod nahte heran.

»Ach, wie kalt,« klagte Gustav, »ich bin ganz erstarrt. – Ob es wohl wirklich einen Himmel und eine Hölle giebt? Ich habe nie gebetet … aber … aber … «

Wassilkjewitsch bückte sich zu ihm herab und fragte leise: »Glaubst Du an die Unsterblichkeit der Seele?«

Der Kranke vermochte nicht mehr zu antworten und nickte nur bejahend mit dem Kopf. Ruhig, fast unmerklich verließ seine Seele den Körper. –

Die Beerdigung war feierlich. Die ganze Universität begleitete den Genossen zur ewigen Ruhe.

Erst nach seinem Tode sprach man von seinen wissenschaftlichen Arbeiten und von seiner Selbstaufopferung. Nach seinem Rechnungsbuch, welches Schwarz durchsah, hatte der Verewigte etwa siebenhundert Rubel jährlich verdient und das alles der Witwe gegeben, während er selbst wie ein Bettler lebte. Dieser freiwillige und allen unbekannte Heroismus sicherte ihm bei der studierenden Jugend eine dauernde Erinnerung.

Man fand auch viele vortreffliche Arbeiten Gustavs vor, der sich sowohl durch wissenschaftliche Kenntnisse als durch Talent auszeichnete. Auch ein Tagebuch wurde vorgefunden, in dem er in einfachen und doch kraftvollen Worten die dunklen Seiten seines kümmerlichen Lebens beschrieben hatte. Es war die Apologie einer leidenschaftlichen Seele, eine Erzählung seiner vermeintlichen und doch wirklichen Leiden, all der Schmerzen und Kämpfe, die er durchgemacht hatte.

Das Innenleben dieser leidenschaftlichen Natur war hier in ihrer ganzen Größe beschrieben. Dieses Tagebuch wurde bei Wassilkjewitsch vorgelesen. Man dachte daran, es drucken zu lassen, aber das unterblieb.

Augustinowitsch schrieb dagegen eine Charakteristik Gustavs zur Erinnerung, worin er sein Leben von frühester Jugend an, zur Zeit als er noch glücklich war, beschrieb. Diese schöne Zeit war so entzückend beschrieben, als ob die Maisonne dem Schreiber geleuchtet hätte. Dann aber wechselte das Bild. Man sah, wie der Verstorbene seine Heimat verließ, begleitet von den Thränen der Zurückbleibenden. Dann kamen noch düsterere Farben. Des Schicksals rauhe Hand stieß ihn hin und her. Dann wieder erglänzte ein heller Strahl. Am Horizont erschien die junge Witwe wie eine Fee im goldenen Gewölk. Und er streckte die Hände aus nach diesem Strahl.

»Das übrige wißt Ihr,« schloß Augustinowitsch, »vielleicht sieht er sie jetzt im Traume in seinem ewigen Schlaf. Möge er sanft ruhen … das Feuer ist erloschen, und der Zauber ist verschwunden …«

Die junge Witwe erfuhr nichts vom Tode Gustavs, da Schwarz ihr denselben verschwieg, weil er befürchtete, daß sein Tod sie in starke Aufregung versetzen könnte. Später überzeugte er sich, daß diese Befürchtung überflüssig gewesen war, denn als er ihr endlich mitteilte, daß Gustav gestorben war, seufzte sie nur, beruhigte sich aber bald.


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