William Shakespeare
Leben und Tod Königs Richard des zweyten.
William Shakespeare

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Achte Scene.

Die Herzogin von York zu den Vorigen.

Herzogin. O König, glaube nicht diesem hartherzigen Mann; wer kan jemand andern lieben, der sich selbst nicht liebt?

York. Du aberwiziges Weibsbild, was machst du hier? – –

Herzogin. Geduld, lieber York; höret mich, Gnädigster Herr.

(Sie kniet.)

Bolingbroke. Steht auf, meine Tante.

Herzogin. Noch nicht, ich bitte euch; ewig will ich hier auf meinen Knien ligen, bis du durch die Begnadigung meines armen Sohns mir das Leben giebst.

Aumerle. Kniend füg' ich zu meiner Mutter Bitte die meinige.

York. Und kniend heißt mich meine Treue wider beyde bitten; nimmer wirst du gedeyhen, wenn du Gnade widerfahren lässest.

Herzogin. Bittet er im Ernst? O betrachtet sein Gesicht; seine Augen lassen keine Thränen fallen, sein Bitten ist nur Verstellung, seine Worte kommen nur aus seinem Mund, unsre aus dem Herzen; er bittet nur, um nicht erhört zu werden, wir bitten mit Herz und Seele; seine müden Knie, ich weiß es, hoffen freudig aufzustehen; die unsrige sollen knien, bis sie in den Boden wachsen. O so laßt dann unser aufrichtiges Flehen seine heuchlerische Bitte überschreyen!

Bolingbroke. Meine liebe Tante, steht auf.

Herzogin. Nein, sagt nicht, daß ich aufstehen soll, ihr habt dann zuvor seine Begnadigung ausgesprochen. O wär ich deine Amme, und sollte dich reden lehren, Gnade sollte das erste Wort seyn, das deine Zunge aussprechen lernte. Noch nie verlangte ich mit Ungeduld ein Wort zu hören als izt, o König, sprich Gnade, so erhältst du zwey Leben mit einem Wort.

Bolingbroke. Steht auf, meine gute Tante.

Herzogin. Ich bitte nicht, um Erlaubniß, zu stehen; Vergebung ist alles, warum ich bitte.

Bolingbroke. Ich vergebe ihm, wie der Himmel mir vergeben soll!

Herzogin. O! du bist ein Gott auf Erden! Wo ist ein Wort, das aus einem königlichen Munde schöner tönt? O! Sag es noch einmal, mein ängstlich-zweifelndes Herz gewiß zu machen.

Bolingbroke. Von ganzem Herzen vergeb' ich ihm. Aber was unsern getreuen Schwager, den Abbt, betrift – – und alle übrige von dieser zusammen-verschwornen Rotte, die soll unerbittliches Verderben an den Fersen ereilen! – – Mein geliebter Oheim, sorget dafür, daß eine hinlängliche Anzahl von Truppen nach Oxford, oder wo diese Verräther immer seyn mögen, abgeordnet werde. Ich will sie haben, sobald ich weiß wo sie sind, und ich schwöre sie sollen in dieser Welt nicht leben! Lebet wohl, Oheim; und ihr, Vetter, Adieu; eure Mutter hat euch gute Dienste gethan; es ist nun an euch, einen guten Gebrauch davon zu machen.

Herzogin. Komm, mein alter Sohn; ich bitte den Himmel, daß er dich neu mache.

(Sie gehen ab.)


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