William Shakespeare
Leben und Tod Königs Richard des zweyten.
William Shakespeare

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Dritte Scene.

Der Schauplaz verwandelt sich in des Herzog von Lancaster Palast.

Gaunt und Herzogin von Glocester treten auf.

Gaunt. Ach, Schwester! Denkt ihr, daß eure Ausruffungen mich stärker als der Bruder-Name treiben können, gegen die Mörder von Gloster's Leben zu entbrennen? Aber da die Bestraffung dieser Uebelthat in den nemlichen Händen ligt, welche die Uebelthat begangen haben, so laßt uns unsre Sache dem Himmel anheim stellen, der, wenn er die Stunde dazu auf Erden gereift sieht, heisse Rache auf der Verbrecher Haupt regnen wird.

Herzogin. Ist das alles, wozu der Name deines ermordeten Bruders dich treiben kan! Hat die Liebe nicht mehr Wärme in deinem alten Blut? Edwards sieben Söhne, wovon du selbst einer bist, waren wie sieben Phiolen mit seinem geheiligten Blut angefüllt, oder wie sieben schöne Zweige, aus einem Stamm entsprossen; einige von diesen sieben Phiolen sind durch den Lauf der Natur ausgetroknet, einige von diesen Aesten durch das Schiksal abgeschnitten; aber Thomas, mein theurer Gemal, mein Gloster, (eine Phiole voll von Edwards geheiligtem Blut, ein blühender Zweig aus seinem königlichen Stamm) ist gewaltthätig zerbrochen, und all sein kostbarer Saft verschüttet, ist umgehauen und alles sein Sommerlaub verwelkt, durch die Hand des Neids zerbrochen, durch des Meuchelmords blutige Axt umgefällt – – Und du kanst gelassen bleiben? O, Gaunt, sein Blut war auch deines; eben dieses Ehebett, eben dieser Mutterleib, dieser Stoff, diese nemliche Form, so dich bildeten, machten ihn zum Menschen; in ihm, ob du gleich lebst und athmest, bist auch du erschlagen, ja du willigst gewisser Maassen in deines Vaters Tod ein, indem du deinen unglükseligen Bruder, ihn, der ein Theil von deines Vaters Leben war, so gleichgültig sterben siehst. Nenn' es nicht Geduld, Gaunt, es ist Muthlosigkeit; indem du so gelassen duldest, daß dein Bruder erschlagen worden, zeigst du den nakten Pfad zu deinem eignen Leben, und lehrst den unerbittlichen Mord dich auch zu mezeln. Das, was wir an gemeinen Menschen Geduld nennen, ist blasse, kalte Feigheit in einer edeln Brust. Was soll ich noch mehr sagen? Du kanst dein eignes Leben nicht besser sicher stellen, als wenn du Glosters Tod rächest.

Gaunt. Diese Sache ist Gottes Sache; denn Gottes Substitut, sein gesalbter Statthalter, hat seinen Tod verursacht; geschah es unrechtmäßig, so überlaßt Gott die Rache; ich werde niemals einen feindseligen Arm gegen seinen Diener aufheben.

Herzogin. Gegen wen, ach! gegen wen mag ich dann, ich Unglükselige, über mein Unrecht mich beklagen?

Gaunt. Gegen den Himmel, den Beschüzer der Wittwe.

Herzogin. Nun dann, so will ich; lebe wohl, alter Gaunt, lebe wohl. Du gehst nach Coventry, ein Zuschauer des Kampfs zwischen unserm Bruder Herford und dem lasterhaften Mowbray zu seyn. O, Himmel, lege meines Gemals erlidtnes Unrecht auf Herfords Speer, damit er des mördrischen Mowbrays Brust durchbohre; oder wenn unglüklicher Weise sein Speer ihn verfehlt, o! so laß Mowbrays Verbrechen so schwer in seinem Busen werden, daß es seinem schäumenden Rosse den Naken breche, und der Reuter, so lang er ist, in die Schranken falle, ein dem Tod verfluchtes Opfer, wiewol unwürdig von Herfords edler Hand zu sterben. Lebe wohl, alter Gaunt; die Unglükliche, die einst deines Bruders Weib war, hat nun keinen andern Gespielen als einen Jammer, der nur mit ihrem Leben enden kan.

Gaunt. Schwester, lebet wohl; ich muß nach Coventry.

Herzogin. Nur noch ein Wort; der Schmerz wird nie fertig; empfiehl mich meinem Bruder Edmund von York; sieh', das ist alles – – Nein, geh' noch nicht – – Ob diß gleich alles ist, so geh' nicht so schnell, es wird mir noch mehr beyfallen. Sag' ihm – – O was? Sag' ihm, er solle mich, so bald als möglich, zu Plaschie besuchen. Aber, ach, was wird der gute alte York dort sehen, als leere Gemächer und öde Wände, unbevölkerte Nebenzimmer und unbetretne Steine? Was für einen andern Willkomm wird er hören, als meine Klagen? Sag' ihm also – – Nein, laß ihn nicht hinkommen. Was kan sein Mitleiden mir helfen. Auf allen Seiten trostlos, will ich geh'n und sterben; diß lezte Lebewohl nimmt mein weinendes Auge von dir!

(Sie gehen ab.)


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