William Shakespeare
Leben und Tod Königs Richard des zweyten.
William Shakespeare

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Fünfte Scene.

Der Hof.

Die Königin, Buschy und Bagot treten auf.

Buschy. Gnädigste Frau, Eure Majestät ist viel zu niedergeschlagen. Ihr versprachst dem König beym Abschied, alle sich selbsthärmende Gedanken zu entfernen, und eine frohe Gemüthsfassung zu unterhalten.

Königin. Dem Könige zu gefallen, that ich's; mir selbst zu gefallen kan ich's nicht thun; und doch weiß ich keine Ursache, warum ich einen solchen Gast, wie der Kummer ist, willkommen heissen sollte, als diese, weil ich einem so werthen Gast, wie mein Richard ist, leb' wohl sagen mußte; und doch ist mir, als ob irgend ein noch ungebohrner Kummer, im Schooß des Schiksals reiffend, mir bevorstehe; meine innerste Seele zittert über etwas, ohne zu wissen was es ist; ausgenommen, daß es nicht die Trennung von dem König meinem Gemal ist.

Buschy. Ein jeder würklicher Schmerz hat zwanzig Schatten die ihm gleich sehen, und es doch nicht sind; durch den Crystall blendender Thränen, sieht das Auge der Traurigkeit einen einzigen Gegenstand in viele gespalten. Gleich gewissen perspectivischen Figuren, die, wenn man sie geradezu anschaut, nichts als verworrene Striche zeigen, aber aus einem gewissen schiefen Sehpunct eine regelmäßige Gestalt darstellen, zeigen sich euch, indem ihr euers Gemals Abwesenheit seitwärts anseht, Gestalten von Kummer, welche, wenn sie angesehen werden, wie sie sind, nichts als blosse Schatten von dem was nicht ist, sind. Trauret also über nichts mehr als die Abreise euers Gemals; mehr ist nicht sichtbar, oder ist es doch nur aus dem falschen Gesichtspunct der Traurigkeit, die oft über eingebildete Uebel, wie über wahre, weint.

Königin. Es mag so seyn; und doch sagt meine innerste Seele mir etwas anders; dem sey wie ihm wolle, ich kann mich nicht erwehren traurig zu seyn, auf eine so bange Art traurig, daß wenn die Ueberlegung mir gleich sagt, es sey nichts, dieses ängstigende Nichts mich doch nichts desto minder schmachten und welken macht.

Buschy. Es ist blosse Einbildung, meine gnädigste Königin.

Königin. Nichts weniger als Einbildung; Einbildung entspringt allemal aus irgend einem vorhergegangenen Schmerz; so ist der meinige nicht. Denn Nichts hat das Etwas gebohren das mich ängstiget; aber was es ist, das ist noch unbekannt.Im Original ist dieses viel spizfündiger gesagt:

For nothing hat begot my something-grief,
Or something hat, the nothing that I grieve.
But what it is, that is not yet Known, what
I cannot name, 'tis nameless Woe, I wot.


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